TE UVS Wien 2005/10/13 03/P/46/7320/2005

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Veröffentlicht am 13.10.2005
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag. Schmied über die Berufung des Herrn Ernst Alois W, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 18.7.2005, Zl. MA 67-RV-408174/3/0, betreffend eine Übertretung des § 103 Abs 2 Kraftfahrgesetz (KFG), entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Der Berufungswerber hat gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt:

?Sie haben es als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen EI V unterlassen, der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom 11.4.2003, zugestellt am 22.5.2003, innerhalb der Frist von 2 Wochen bekannt zu geben, wer gegenständliches Kraftfahrzeug in Wien, F-straße abgestellt hat, sodass dieses am 15.10.2002 von 08.29 Uhr bis 16.40 Uhr dort gestanden ist, da die erteilte Auskunft verspätet war."

Wegen Übertretung des § 134 KFG 1967 iVm § 103 Abs 2 KFG 1967 wurde deswegen über den Berufungswerber gemäß § 134 Abs 1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 84,-- Euro, Ersatzfreiheitsstrafe im Uneinbringlichkeitsfalle von 29 Stunden, verhängt und ihm gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von 8,40 Euro vorgeschrieben.

Das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren basiert auf den dienstlichen Wahrnehmungen des Straßenaufsichtsorgans der Bundespolizeidirektion Wien mit der Dienstnummer A 2. Laut der von diesem Organ erstatteten Anzeige vom 15.10.2002 wurde das Kraftfahrzeug VW, Farbe schwarz, mit dem behördlichen Kennzeichen EI V an diesem Tag um 8.29 Uhr in Wien, F-straße, vorschriftwidrig, im Halte- und Parkverbot, abgestellt vorgefunden. In der Folge erging an den nunmehrigen Berufungswerber eine Strafverfügung, welche fristgerecht mit der Begründung beeinsprucht wurde, dass sich der Rechtsmittelwerber zu dem besagten Zeitpunkt nicht in Wien aufgehalten habe. Es sei zu vermuten, dass einer der beiden Söhne den Pkw benutzt habe. Eine an den Rechtsmittelwerber zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters gerichtete Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers vom 11.4.2003, dem Berufungswerber zugestellt am 22.5.2004, wurde dahingehend beantwortet, dass das Fahrzeug üblicherweise von einem der beiden Söhne benutzt werde. Zum Zeitpunkt 15.10.2002 sei sein Sohn, Bernhard W, mit Bekannten und mit dem gegenständlichen Pkw, Kennzeichen EI V, im Urlaub gewesen. Wer konkret das Fahrzeug abgestellt habe, sei jedoch nicht bekannt.

Da dem Auskunftsersuchen nicht fristgerecht entsprochen wurde, erging in der Folge an den nunmehrigen Berufungswerber eine Strafverfügung, welche den selben Tatvorwurf aufweist, wie das gegenständlich angefochtene Straferkenntnis.

Diese Strafverfügung wurde fristgerecht, mit der Begründung, dass die Auskunftspflicht nicht ? jedenfalls nicht schuldhaft ? verletzt worden sei, beeinsprucht. Im daraufhin eingeleiteten ordentlichen Verfahren wurde der Berufungswerber mit dem Beweismaterial konfrontiert, blieb aber bei seiner Tatbestreitung. Sodann erging das nunmehr angefochtene Straferkenntnis.

In der dagegen form- und fristgerecht erhobenen Berufung wird vorgebracht, dass die Behauptung, die Behörde könne gemäß § 103 Abs 2 KFG jederzeit Auskünfte verlangen, wer das Fahrzeug gelenkt habe, in dieser Allgemeinheit nicht zutreffe. Jedenfalls seien das Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrecht zugunsten von Angehörigen und zum Schutz vor einem Zwang zur Selbstbezichtigung verfassungsrechtlich gebotene wesentliche Elemente der Deutschen Rechtsordnung und nach diesseitiger Auffassung auch des EU-Rechts. Des weiteren sei unstreitig, dass sich die Lenkerauskunft mit Schreiben vom 6.6.2003 erledigt habe. Entsprechende Auskunft sei erteilt worden; die Auskunft sei auch rechtzeitig und unverzüglich erteilt worden.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Gemäß § 103 Abs 2 KFG kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt festgestellt hat, liegt den Bestimmungen über die Auskunftspflicht die Absicht des Gesetzgebers zu Grunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Fahrzeuges jederzeit ohne langwierige oder umfangreiche Erhebungen von der Behörde festgestellt werden kann (VwGH vom 23.3.1972, 1615/71 u.a.).

Das Vorbringen des Berufungswerbers, wonach das verfassungs- und europarechtlich geschützte Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrecht zugunsten von Angehörigen und zum Schutz vor einem Zwang zur Selbstbezichtigung der absoluten Verpflichtung zur Erteilung einer Lenkerauskunft nach § 103 Abs 2 KFG entgegenstehe, geht ins Leere. In diesem Zusammenhang wird der Berufungswerber darauf hingewiesen, dass im Falle der Verletzung der österreichischen Rechtsvorschrift des § 103 Abs 2 KFG nach der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur als Tatort jener Ort anzusehen ist, an dem die Behörde, an welche die verlangte Auskunft zu erteilen gewesen wäre, ihren Sitz hat. Der Tatort ist somit gegenständlich in Österreich gelegen, weswegen die Pflicht zur Auskunftserteilung nach österreichischem Recht, daher auch nach österreichischem Verfassungsrecht zu beurteilen ist. In Österreich steht die Pflicht zur Erteilung einer Lenkerauskunft

durch den Zulassungsbesitzer (Fahrzeughalter) in Verfassungsrang, sodass unbeschadet des Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrechts zugunsten von Angehörigen und unbeschadet des Schutzes vor einem Zwang zur Selbstbezichtigung eine strafrechtlich sanktionierte Auskunftspflicht

besteht (siehe dazu ausführlich und eingehend die höchstgerichtliche Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.6.1997, Zl. 97/02/0220). Dass die in Österreich in Verfassungsrang stehende Verpflichtung zur Erteilung einer Lenkerauskunft im Übrigen auch nicht den einschlägigen Vorschriften der EMRK widerspricht, wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erst kürzlich ausgesprochen (siehe das Urteil im Fall Rieg gegen Österreich vom 24.3.2005, Zl. 63.207/00).

Obwohl vor diesem Hintergrund das Vorbringen des Berufungswerbers ins Leere geht, war das angefochtene Straferkenntnis dennoch ? aus den im Folgenden dargelegten und von Amts wegen wahrzunehmenden Gründen ? zu beheben:

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur ähnlich gestalteten und ebenfalls in Verfassungsrang stehenden Rechtsvorschrift des § 1a Wiener Parkometergesetz in ständiger Judikatur (siehe VwGH vom 25.4.2005, Zl. 2005/17/0036 und die darin zitierte Vorjudikatur) ausgesprochen hat, ist die Einholung einer Lenkerauskunft dann nicht mehr zulässig, wenn sie infolge Verjährung der zu Grunde liegenden Tat nicht mehr einer Strafverfolgung und ebenso wenig der Abgabeneinhebung dienen kann.

Dass diese Judikatur zu § 1a Wiener Parkometergesetz auch auf § 103 Abs 2 KFG zu übertragen ist, ergibt sich aus dem den Gesetzesmaterialien (vgl. die in Grundtner, Das Kraftfahrgesetz 1967, 5. Aufl., auf S. 716 f abgedruckten Materialien zu § 103 Abs 2 KFG 1967 in der Fassung der 10. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 106/1986), mit denen zum Ausdruck gebracht wird, dass es der Zweck der Vorschrift des § 103 Abs 2 KFG 1967 ist, die Ordnung und Kontrolle des Straßenverkehrs in Österreich zu gewährleisten. Daraus hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 11.12.2002, Zl. 2000/03/0025 bereits gefolgert, dass diesem Zweck nur entsprochen wird, wenn ein derartiges Auskunftsbegehren eine im Inland begangene Straftat (Grunddelikt) zur Grundlage hat (ausführliche Begründung im Erkenntnis). In konsequenter Fortführung dieses Gedanken wird diesem Zweck jedoch auch nur dann entsprochen, wenn das die im Inland begangene Straftat (Grunddelikt) noch nicht verjährt ist.

Im gegenständlichen Fall ist im Verfahren wegen des Grunddelikts am 15.4.2004 Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs 2 VStG eingetreten. Die auf dieses Grunddelikt Bezug nehmende Lenkeranfrage wurde dem Berufungswerber erst am 22.5.2004, also deutlich nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist zugestellt. Es bestand daher für den Berufungswerber keine Verpflichtung mehr, diese Lenkeranfrage zu beantworten. Das angefochtene Straferkenntnis war daher zu beheben und das Verfahren spruchgemäß einzustellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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