TE UVS Steiermark 2005/11/07 20.1-7/2005

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Veröffentlicht am 07.11.2005
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Hofrat Dr. Peter Schurl über die Beschwerde der Frau K S, vertreten durch M, K, M, N, Rechtsanwälte in G, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wie folgt entschieden: Gemäß §§ 67 a Abs. 1 Z 2 sowie 67 c Abs. 1 und 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) und § 88 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), wird festgestellt, dass die Aufforderung durch ein Organ der Bundespolizeidirektion Graz an eine Bekannte der Beschwerdeführerin, das Wasser des Swimmingpools auszulassen, rechtswidrig war. Die Beschwerdeführerin wurde in ihrem Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat der Beschwerdeführerin gemäß § 79 a AVG in Verbindung mit der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2003, BGBl II Nr. 334/2003, die Kosten des Verfahrens in der Höhe von ? 673,80 binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Text

I. Beschwerdevorbringen - Gegenschrift

1.) Beschwerdevorbringen:

Mit der Eingabe vom 27.6.2005 hat Frau K S, R, G, vertreten durch die Rechtsanwälte M, K, M und N, eine Beschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG (§ 88 Abs. 1 SPG), in eventu § 88 Abs. 2 SPG eingebracht und dabei im Wesentlichen vorgebracht, ein Organ der Bundespolizeidirektion Graz habe am 18.6.2005 einer Bekannten von ihr, welche sich gerade auf ihrem Grundstück in der R befunden habe, den Auftrag erteilt, das Wasser des Swimmingpools auszulassen. In diesen Pool sei kurze Zeit vorher ein Kleinkind gefallen. Da dieses bereits geborgen gewesen sei, habe keine Veranlassung bestanden, das Wasser auszulassen. Dieser Auftrag stelle einen Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt dar und sei durch das Sicherheitspolizeigesetz rechtlich nicht gedeckt. Sie beantragte daher, diese Maßnahme für rechtswidrig zu erklären.

Gleichzeitig wurde ein Kostenantrag gestellt. 2.) Gegenschrift:

Die Bundespolizeidirektion Graz hat in ihrer Gegenschrift vom 26.7.2005 den von der Beschwerdeführerin geschilderten Sachverhalt im Wesentlichen bestätigt. Die polizeiliche Intervention habe im Sinne des § 19 SPG stattgefunden und wäre, da eine Verpflichtung zur Hilfeleistung bestanden habe, grundsätzlich rechtens gewesen. Es werde aber eingeräumt, dass das verunfallte Kind zum Zeitpunkt der Intervention bereits geborgen gewesen sei und keine unmittelbare Gefahr mehr bestanden habe. II. Ermittlungsverfahren:

Auf Grund von Beschwerde und Gegenschrift, welche sich hinsichtlich der Darstellung des Geschehens nicht widersprechen, ergibt sich folgender Sachverhalt: Die Beschwerdeführerin ist Miteigentümerin einer Liegenschaft in G mit den darauf befindlichen Häusern R 4 und 4a. Auf dieser Liegenschaft befindet sich auch ein Swimmingpool im Ausmaß von 5 m x 3 m und einer Wassertiefe von ca. 1 m. Am 18.6.2005 gegen 15.20 Uhr fiel in diesen Pool in einem unbeaufsichtigten Moment ein Kleinkind. Der Vater des Kindes entdeckte das reglos auf der Wasseroberfläche treibende Kind, zog es aus dem Wasser und führte erfolgreich eine Reanimation durch. Auf Grund der Hilferufe des Vaters rief ein Hausbewohner das Rote Kreuz, welches ihrerseits die Polizeieinsatzzentrale verständigte. Diese beorderte die Streife Riesstraße 1 zur Unfallstelle. Als die Beamten dort eintrafen, war der Notarzt und das Rote Kreuz bereits anwesend und versorgten das verunfallte Kind, welches anschließend in die Kinderklinik des LKH Graz gebracht wurde. RI B von der Streife Riesstraße 1 beauftragte in der Folge Frau M S, welche die Kinder der Beschwerdeführerin beaufsichtigte, das Wasser aus dem Swimmingpool unverzüglich abzulassen. Sollte sie diesem Auftrag nicht nachkommen, werde die Feuerwehr beauftragt werden, auf Kosten der Beschwerdeführerin den Pool auszupumpen. Daraufhin ist Frau S der Aufforderung nachgekommen und hat das Wasser aus dem Swimmingpool abgelassen. III.) Rechtliche Erwägungen: 1.) Rechtzeitigkeit, Zuständigkeit und Zulässigkeit: Gemäß § 67 a Abs 1 Z 2 AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes. Die Beschwerde langte beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark am 30. Juni 2005 ein (zur Post gegeben am 28.6.2005), wodurch die sechswöchige Frist gemäß § 67 c Abs 1 AVG gewahrt wurde. Auch die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark ist gegeben, da die von den Organen der belangten Behörde (Bundespolizeidirektion Graz) vorgenommenen Handlungen im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark durchgeführt wurden. Eine Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder einen Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Das Organ der Bundespolizeidirektion Graz hat in Ausübung der Sicherheitspolizei einen konkreten Auftrag erteilt, welcher bei seiner Befolgung in ein individuelles Recht der Beschwerdeführerin, nämlich in ihr Recht auf Eigentum, eingegriffen hat. Die gegenständliche Beschwerde war daher zulässig. 2.) Rechtliche Beurteilung der Beschwerde: Gemäß Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls zur Menschenrechtskonvention hat jede natürliche und juristische Person ein Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz vorgesehenen Bedingungen. Gemäß Artikel 5 des Staatsgrundgesetzes ist das Eigentum unverletzlich. Beide Normen stehen im Verfassungsrang. Sind Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum von Menschen gegenwärtig gefährdet oder steht eine solche Gefährdung unmittelbar bevor, trifft gemäß § 19 Abs. 1 SPG die Sicherheitsbehörden die erste allgemeine Hilfeleistungspflicht, wenn die Abwehr der Gefährdung nach den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen in die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde fällt oder zum Hilfs- und Rettungswesen oder zur Feuerpolizei gehört. Gemäß § 32 Abs. 2 SPG sind Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, zur Hilfeleistung im Sinne des § 19 in die Rechtsgüter desjenigen einzugreifen, der die Gefährdung zu verantworten hat. Zweifellos war das Leben und die Gesundheit des Kindes, welches in den Swimmingpool gefallen ist, akut in Gefahr, sodass der Befehl zum Einsatz allein aus diesem Grunde gerechtfertigt war. Dazu kommt, dass, wie von der belangten Behörde zu Recht hingewiesen wurde, der Einsatz im Dienste der Strafjustiz stand, um zu erheben, ob ein strafrechtlicher Tatbestand vorlag. Das Betreten des Grundstückes durch die Organe der belangten Behörde war daher rechtmäßig. Eine unmittelbare Hilfeleistungspflicht im Sinne des § 19 Abs. 1 SPG hat sich jedoch nicht mehr ergeben, da das Kind bereits geborgen und ärztlich versorgt worden war. Auch ist auszuschließen, dass eine weitere unmittelbare Gefährdung durch das Vorhandensein des Swimmingpools bzw. dadurch, dass das Becken mit Wasser gefüllt war, gegeben gewesen ist. Mit Ausnahme des Hinweises, dass das Grundstück, auf welchem sich der Pool befindet, von der Straße her frei zugänglich ist sowie der Tatsache, dass das Swimmingpool über keine Absicherung wie Geländer verfügte, lässt nichts darauf schließen, dass von dieser Anlage eine besondere und konkrete Gefahr ausgegangen ist. Insbesondere sind keinerlei Anhaltspunkte vorhanden gewesen, dass eine konkrete Gefahr bestand, dass neuerlich ein Kind in den Pool fallen könnte. Zur Zugänglichkeit ist nämlich zu bemerken, dass sich der Pool auf einem Privatgrundstück befindet und daher nicht anzunehmen ist, dass jedermann wahllos das Grundstück betritt. Aus diesem Grunde ist auch eine besondere Absicherung nicht erforderlich. Eine derartige Absicherung ist völlig unüblich und wohl nur dort erforderlich, wo die Gefahr besteht, dass jemand schon bei leichter Unaufmerksamkeit in den Pool fallen könnte oder dort, wo in unmittelbarer Nähe ständig Kinder unbeaufsichtigt spielen. Der erkennenden Behörde ist durchaus bekannt und bewusst, dass Jahr für Jahr eine große Zahl von Kleinkindern in Swimmingpools, aber auch in Teichen und Biotopen, verunglücken. Dennoch führt dies nicht dazu, dass solche Anlagen verboten oder nur mit besonderen Sicherheitseinrichtungen errichtet und betrieben werden dürfen. Es gibt im Lande auch unzählige offene Wasserstellen wie Bäche, Flüsse, Teiche und Seen, welche sowohl frei zugänglich als auch ungesichert sind. Bei solchen und unzähligen anderen Gefahrenquellen bedarf es eben der besonderen Aufsicht von Kindern durch ihre Eltern, Erziehungsberechtigten und sonstigen Aufsichtspersonen. Keinesfalls rechtfertigt das Vorhandensein einer solchen Gefahrenquelle jedoch einen Eingriff in das Eigentum, zumal ein Swimmingpool auch ohne Wasser kaum ungefährlicher ist. Der Auftrag durch das Organ der belangten Behörde, das Wasser aus dem Pool abzulassen, war daher ein Eingriff in das verfassungsmäßig gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums, welcher durch § 32 SPG nicht gedeckt war. Es bestand weder Gefahr im Verzug, noch lag eine Situation vor, die ein unmittelbares Handeln erfordert hätte. 3.) Kosten: Gemäß § 79 a AVG in Verbindung mit der UVS - Aufwandersatzverordnung, BGBl II Nr. 334/2003, waren der Beschwerdeführerin Kosten in der Höhe von ? 673,80 zuzusprechen. Der Beschwerdeführerin gebühren ? 660,80 an Schriftsatzaufwand und ? 13,-- an Stempelgebührenersatz (Beschwerdeschriftsatz).

Schlagworte
Hilfeleistung Swimmingpool auslassen Anordnung Eingriff Eigentum Gefahr
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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