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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §6 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des am 5. November 1975 geborenen O, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. Februar 1999, Zl. 206.759/1- XI/33/99, betreffend § 6 Z 2 und § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am 15. Oktober 1998 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl. Zur Begründung brachte er zusammengefasst vor, nach dem Tod seines Vaters sei er aufgefordert worden, dessen Platz in der "Ogboni-Society" einzunehmen. Da er aber als Christ mit den (näher beschriebenen) Ritualen der Ogboni nicht einverstanden sei, habe er sich geweigert, dieser Geheimgesellschaft beizutreten. Der Beschwerdeführer sei deshalb und, weil ihm bereits alle Geheimnisse dieser Gesellschaft preisgegeben worden seien, von Ogboni-Mitgliedern verfolgt worden, weshalb er aus Nigeria geflohen sei. Bei einer Rückkehr in sein Heimatland würde man ihn finden und töten. Auch Soldaten, Polizisten und Rechtsanwälte seien Mitglieder dieser Gesellschaft, sodass er vor den Übergriffen durch Polizei und Gerichte nicht geschützt werde.
Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 8. Februar 1999 den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 2 AsylG ab und erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 AsylG für zulässig.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. Februar 1999 wurde die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhobene Berufung abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, eine Verfolgungshandlung, die ausschließlich durch die religiöse Überzeugung des Täters geleitet werde, sei nicht asylrelevant. Derartige Übergriffe, mögen sie auch religiös motiviert sein, seien nicht anders zu beurteilen, als solche gewöhnlicher Krimineller bzw. krimineller Organisationen. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergebe sich nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass die von ihm beschriebene Gefahr, Bedrohung bzw. Verfolgung vom Staat ausginge. Eine lediglich von Privatpersonen ausgehende Verfolgung vermöge die Flüchtlingseigenschaft aber nicht zu begründen. Hinweise für eine Verweigerung des Schutzes vor der "besagten Geheimorganisation" durch den Staat lägen weder der Berufungsbehörde vor, noch habe der Beschwerdeführer solche bescheinigen können. Unter Bezugnahme auf ein Schreiben der österreichischen Botschaft in Lagos vom 11. September 1997 verwies die belangte Behörde den Beschwerdeführer schließlich auf das Bestehen einer inländischen Fluchtalternative, weil es in Lagos, einer Stadt mit 10 Millionen Einwohnern, "nicht einmal großer Mühe bedürfe", den Mitgliedern einer bestimmten Sekte aus dem Weg zu gehen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde stützte die Abweisung des Asylantrages nur auf § 6 Z 2 AsylG. Nach dem Einleitungssatz dieser Bestimmung sind Asylanträge als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist nach der Z 2 leg. cit. der Fall, wenn - ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr - im Herkunftsstaat die behauptete Verfolgungsgefahr nach dem Vorbringen des Asylwerbers offensichtlich nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe - Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung - zurückzuführen ist. Bei der Prüfung, ob ein Fall des § 6 Z 2 AsylG vorliegt, ist demnach von den Behauptungen des Asylwerbers auszugehen und auf deren Grundlage zu beurteilen, ob sich diesem Vorbringen eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen entnehmen lässt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2001, Zl. 2000/01/0294).
Die belangte Behörde verneinte das Vorliegen von Konventionsgründen, weil eine Verfolgung auf Grund der religiösen Überzeugung des Täters nicht asylrelevant im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sei. Diese Argumentation übergeht das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er die Weigerung, Ogboni-Mitglied zu werden, damit begründete, dass er deren Rituale als Christ ablehne. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 98/20/0557, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, zur möglichen Asylrelevanz der (behaupteten)Verfolgung durch Mitglieder der Ogboni-Geheimgesellschaft in Nigeria ausführlich Stellung genommen und eine Verfolgung aus Gründen der Religion bei Vorliegen der dort näher dargestellten Voraussetzungen (schon) unter dem Gesichtspunkt des § 7 AsylG bejaht (vgl. auch das einen Beschwerdeführer, der - wie hier - die Verweigerung der Ogboni-Mitgliedschaft mit seiner christlichen Religion begründete, betreffende Erkenntnis vom 25. Jänner 2001, Zl. 99/20/0133). Umso weniger kann daher gesagt werden, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgungsgefahr im Sinne des § 6 Z 2 AsylG offensichtlich nicht auf die in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zurückzuführen sei.
Soweit die belangte Behörde von einer ausreichenden staatlichen Schutzgewährung gegen die behauptete Verfolgung und - allerdings unter unvollständiger Wiedergabe des erwähnten Botschaftsberichtes (vgl. dazu die bereits zitierten Erkenntnisse vom 21. September 2000 und vom 25. Jänner 2001) - vom Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative ausgeht, vermag dies eine Abweisung des Asylantrages nach § 6 Z 2 AsylG nicht zu rechtfertigen. Diese Begründungsteile können nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur unter dem Gesichtspunkt einer Prüfung gemäß § 7 AsylG Bedeutung erlangen (vgl. die Erkenntnisse vom 7. Juni 2001, Zl. 99/20/0429, und vom 31. Mai 2001, Zl. 2000/20/0496, mwN).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. Oktober 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999200169.X00Im RIS seit
19.02.2002