Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl Heinz Liebenwein über die Berufung des Herrn H M, vertreten durch Dr. E D, Rechtsanwalt in K, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz Umgebung vom 25.07.2005, GZ: 15.1 1745/2005, wie folgt entschieden: Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 12.01.2005 um 14.14 Uhr in der Gemeinde K, A, B, StrKm, Richtung G als Lenker des PKW mit dem behördlichen Kennzeichen die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 49 km/h überschritten, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu seinen Gunsten abgezogen wurde. Wegen Verletzung des § 20 Abs 2 StVO wurde über ihn daher gemäß § 99 Abs 3 lit. a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von ? 210,00, für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 5 Tagen verhängt. Ferner wurden gemäß § 64 Abs 2 VStG ? 21,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung, in der im Wesentlichen vorgebracht wird, dass der Berufungswerber auf seinem Weg zum Tatort kein ordnungsgemäß angebrachtes Hinweiszeichen gemäß § 53 Abs 1 Z 17a (Hinweiszeichen Ortstafel) passiert hätte, weshalb ihm auch nicht vorgeworfen werden könne, am Tatort die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten zu haben. Das erwähnte Hinweiszeichen sei mehr als 2,27 m über der Fahrbahnoberfläche angebracht gewesen und zwar auf einer Standsäule für die Straßenbeleuchtung, was ebenfalls rechtwidrig wäre. Damit Verkehrszeichen ordnungsgemäß kundgemacht sind, hätten diese den der Anbringung der Verkehrszeichen zugrunde liegenden Verordnung zwingend zu entsprechen. Diese Verordnung sowohl hinsichtlich des Hinweiszeichens (Ortsbeginn) A, als auch hinsichtlich (Ortsende) P habe jedoch entgegen dem vom Berufungswerber gestellten Antrag die Verwaltungsstrafbehörde I. Instanz nicht beigeschafft, obwohl die Beischaffung dieser Verordnungen und Einsichtnahme in diese rechtserheblich wären. Es werde daher beantragt eine mündliche Verhandlung durchzuführen und in Stattgebung dieser Berufung das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. Nach Durchführung einer Berufungsverhandlung am 19.09.2005 wurden seitens der erkennenden Behörde ergänzende Erhebungen unter Einbindung der Straßenmeisterei W, sowie der belangten Behörde durchgeführt. Diese Erhebungen bezogen sich im Wesentlichen auf die Vorlage der entsprechenden Verordnung für die Festlegung eines Ortsgebietes A, sowie die Vermessung des vom Berufungswerber hinsichtlich dessen Anbringungsorts gerügten Hinweiszeichens. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat erwogen: Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine ? 2.000,00 übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben. Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Von der Durchführung einer weiteren Berufungsverhandlung bzw. einer Fortsetzung der Verhandlung vom 19.09.2005 konnte unter Hinweis auf § 51e Abs 2 Z 1 VStG abgesehen werden. Auf Grundlage des der Berufungsbehörde vorliegenden Verfahrensaktes der Strafbehörde I. Instanz, in Verbindung mit dem Ergebnis der Berufungsverhandlung vom 19.09.2005, sowie der ergänzend durchgeführten Erhebungen werden zunächst nachstehende Feststellungen getroffen: Der Berufungswerber befuhr am 12.01.2005 um 14.14 Uhr mit dem von ihm gelenkten Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen die B, wobei er auf Höhe StrKm eine mittels Verkehrsgeschwindigkeitsmessgerätes (Laserpistole LTI 20.20 TS/KM; Nr. 6160) festgestellte Geschwindigkeit von 99 km/h nach Abzug der in Betracht kommenden Messtoleranz einhielt. Nach der dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren zugrunde liegenden Anzeige der Polizeiinspektion K vom 24.01.2005 soll sich der verfahrensrelevante Tatort im Bereich des Ortsgebietes A befinden. Unbeschadet des Vorbringens des Berufungswerbers bezüglich der seiner Ansicht nach rechtlich unzulässigen Anbringungsart eines Hinweiszeichens gemäß § 53 Abs 1 Z 17a (Hinweiszeichen Ortstafel A) wurde seitens der Berufungsbehörde die Verordnung bzw. der Verordnungsakt angefordert, aus welchem die Festlegung eines Ortsgebietes A unzweifelhaft hervorgeht. Seitens der belangten Behörde bzw. der Straßenmeisterei W wurden mit dem Hinweis darauf, dass sich das Ortsgebiet A auf der LB von Km bis Km erstreckt, zwei Verordnungen in Kopie vorgelegt. Mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft G vom 12.03.1998, GZ: 11.0/1091-97 wurde gemäß § 43 StVO 1960 aufgrund des Ortsaugenscheines vom 02.02.1998 auf der B das Ortsgebiet A (§ 53/17a+b StVO) bis zum Ortsgebiet P erweitert. Des Weiteren wurde mit Verordnung vom 07.04.1998, GZ: 11.0/1091-97 derselben Behörde gemäß § 43 StVO 1960 das Ortsgebiet P auf der B von Km zu Km geringfügig verkleinert. Gleichzeitig wurde das Ortsgebiet A bis zu Km erweitert. Zum Ersuchen der erkennenden Behörde vom 18.10.2005, jene Verordnung vorzulegen, mit der das Ortsgebiet A vor dessen offenkundiger Erweiterung festgelegt wurde, gab die belangte Behörde bekannt, dass trotz intensiver Suche, sowie auch Anfragen an die Straßenmeisterei W, die Polizeiinspektion K, sowie die Gemeinde K die Ursprungsverordnung über die Festlegung des Ortsgebietes A bis dato nicht gefunden werden konnte. Laut Mitteilung der Straßenmeisterei W müsste die Verordnung bereits in den 60er Jahren erlassen worden sein. Da jedoch kein genaues Datum vorliegt, ist es auch sehr schwierig im Archiv nach dieser Verordnung zu suchen. Zum Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ist nunmehr in rechtlicher Hinsicht auszuführen: Gemäß § 20 Abs 2 StVO darf, soferne die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren. Die innerhalb der Hinweiszeichen Ortstafel (§ 53 Abs 1 Z 17a StVO) und Ortsende (§ 53 Abs 1 Z 17b StVO) befindlichen Autostraßen gehören zum Ortsgebiet. Die Verwirklichung des Tatbestandes einer Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs 2 StVO im Ortsgebiet setzt die ordnungsgemäße Kundmachung des durch Verordnung festgelegten Aufstellungsortes der Hinweiszeichen Ortstafel voraus (VwGH 16.02.1999, Zl. 98/02/0338). Der räumliche Geltungsbereich der Verordnung deckt sich mit den Aufstellungsorten der erwähnten Hinweiszeichen; die diesbezüglichen Straßenverkehrszeichen sind dort anzubringen, wo der räumliche Geltungsbereich der Verordnung beginnt und endet. Bei Festlegung eines Ortsgebietes im Sinne des § 2 Abs 1 Z 15 StVO 1960 handelt es sich um eine Verordnung gemäß § 43 StVO 1960, die durch entsprechende Straßenverkehrszeichen im Sinne des § 44 Abs 1 StVO kundzumachen ist. Im Zuge der seitens der erkennenden Behörde zufolge des diesbezüglichen Berufungsvorbringens eingeleiteten Erhebungen musste wie bereits zuvor ausgeführt, festgestellt werden, dass kein Verordnungsakt bzw. keine Verordnung betreffend die Festlegung des Ortsgebietes A in dessen Verlauf sich die dem Berufungswerber zur Last gelegte Verwaltungsübertretung ereignet haben soll, aufgefunden werden konnte. Die beiden zuvor zitierten Verordnungen der belangten Behörde beziehen sich ausschließlich auf Erweiterungen des Ortsgebietes A und lassen jeglichen Hinweis auf die erforderliche Ursprungsverordnung, somit also jene Verordnung, mit der wann auch immer offenbar eine Ortsgebietsfestlegung für A erfolgte, vermissen. So fehlt in den beiden Verordnungen sowohl der Hinweis auf ein Geschäftszeichen, als auch ein Datum der Ursprungsverordnung. Gemäß § 25 Abs 2 VStG sind im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden. Im Anlassfall ist auf Grundlage obiger Feststellungen daher nicht verifizierbar, inwieweit tatsächlich von einem entsprechend verordneten Ortsgebiet ausgegangen werden kann, in dessen Verlauf der Berufungswerber den ihm zur Last gelegten Verstoß gegen § 20 Abs 2 StVO zu verantworten hat. Unabdingbare Voraussetzung für eine Bestrafung nach dieser Gesetzesstelle ist aber die Existenz einer entsprechenden Verordnung im rechtlichen Sinne und reichen deshalb die offenkundig ohne Einsichtnahme in eine Verordnung und nur auf Grundlage einer Messung in der Natur der erkennenden Behörde übermittelten Angaben, wonach sich das Ortsgebiet A auf der LB von Km bis Km erstrecken soll, nicht aus, um den erwähnten verfahrensrelevanten Mangel zu kompensieren. Da ein nichtauffindbarer Verordnungsakt allerdings bewirkt, dass von der Existenz einer solchen Verordnung nicht ausgegangen werden kann (vgl. VwGH 16.09.1983, Zl. 83/02/0026) fehlt es daher der dem Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretung, nämlich die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten zu haben an einer, wenn nicht der wesentlichsten rechtlichen Voraussetzung. Es wird daher primär Aufgabe der belangten Behörde sein, ehestmöglich eine aktuelle bzw. neue Verordnung betreffend das Ortsgebiet A zu erlassen, sollte die Ursprungsverordnung nicht gefunden werden, um den derzeit offensichtlich bestehenden rechtsfreien Zustand zu beenden. Aus den dargestellten Erwägungen war daher, ohne auf das sonstige Berufungsvorbringen näher eingehen zu müssen, der Berufung stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, da der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung im Sinne des § 45 Abs 1 Z 2 VStG nicht begangen hat.