Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Franz Triendl über die Berufung des Herrn A. R., v.d. RAe Dr. M. E., Dr. G. E., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 20.10.2005, SG 103-2005, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Der Beschuldigte, Herr A. R., hat es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Firma I. Gesellschaft m.b.H., FN XY, und somit als gem. § 370 Abs 1 Gewerbeordnung 1994 Verantwortlicher zu vertreten, dass diese Firma am 02.09.2005 im Standort K., entgegen den Bestimmungen des § 4 Öffnungszeitengesetz 2003 iVm § 1 Tiroler Öffnungszeitenverordnung 2003 das Einzelhandelsgeschäft von 19.31 Uhr bis 24.00 Uhr offen gehalten hat.?
Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 368 GewO 1994 iVm § 11 Öffnungszeitengesetz 2003 begangen und wurde über ihn gemäß § 368 GewO 1994 eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 400,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) verhängt und ein anteiliger Beitrag zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten vorgeschrieben.
Dagegen hat der Beschuldigte fristgerecht Berufung erhoben und darin zusammenfassend vorgebracht, es mangle am Verschulden des Berufungswerbers, zumal mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde K. vom 10.08.2005 die Durchführung eines Gelegenheitsmarktes bis 24.00 Uhr bewilligt wurde.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt.
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat wie folgt erwogen:
Der Berufung kommt Berechtigung zu. Dabei wird der seitens der Behörde I. Instanz angenommene Sachverhalt nicht bestritten.
Es steht daher fest, dass am Freitag, den 02.09.2005 das Einzelhandelsgeschäft der Firma I. Gesellschaft mbH im Standort K., jedenfalls von 19.31 Uhr bis 24.00 Uhr offen gehalten wurde.
Gemäß § 1 Abs 1 Öffnungszeitengesetz 2003 gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, sofern sich nicht nach § 2 anderes ergibt, für alle ständigen und nichtständigen für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Betriebseinrichtungen (Läden und sonstige Verkaufsstellen) von Unternehmungen, die der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) unterliegen.
Von den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes ist (ua) gemäß § 2 Z 5 legcit der Marktverkehr ausgenommen.
Nach § 4 Abs 1 Öffnungszeitengesetz 2003 dürfen die Verkaufsstellen (§ 1), soweit sich nicht nach den folgenden Bestimmungen anderes ergibt, von Montag 5 Uhr bis Samstag 18 Uhr offen gehalten werden. Nach Abs 2 legcit kann der Landeshauptmann im Rahmen der durch Abs 1 vorgegebenen Offenhaltezeit nach Anhörung der zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit Verordnung unter Berücksichtigung der Einkaufsbedürfnisse der Bevölkerung und der Touristen sowie besonderer regionaler und örtlicher Gegebenheiten die Offenhaltezeiten festlegen. Soweit sich eine Verordnung nicht auf das ganze Land erstreckt, sind die betroffenen Gemeinden anzuhören.
Wer nach § 11 Öffnungszeitengesetz 2003 entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes seine Verkaufsstelle nicht geschlossen hält, Waren verkauft, Bestellungen entgegennimmt oder die für seine Verkaufsstelle geltenden Ladenöffnungszeiten nicht kundmacht, ist nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 zu bestrafen. Übertretungen von Verordnungen nach § 5 Abs 3 sind nach den Bestimmungen des § 27 des Arbeitsruhegesetzes zu bestrafen.
Nach § 368 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 1090 Euro zu bestrafen ist, wer andere als in den §§ 366 und 367 genannte Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetz oder der auf Grund dieses Bundesgesetz erlassenen Verordnungen oder der Bescheide, die auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassener Verordnungen ergangen sind, nicht einhält.
Wenn nach § 376 Z 39 GewO 1994 Rechtsvorschriften auf die Strafbestimmungen der Gewerbeordnung verweisen, sind für Übertretungen dieser Rechtsvorschriften, sofern keine Übertretung gemäß §§ 366 bis 368 dieses Bundesgesetzes vorliegt, die im § 368 Z 14 vorgesehenen Strafen zu verhängen.
Nach § 286 Abs 1 GewO 1994 ist unter einem Markt im Sinne dieses Bundesgesetzes eine Veranstaltung zu verstehen, bei der auf einem örtlich bestimmten Gebiet (Marktplatz, Markthalle) zu bestimmten Markttagen und Marktzeiten Waren feilgeboten und verkauft werden. Ein Markt darf nur auf Grund einer Verordnung der Gemeinde, in der der Markt abgehalten werden soll, stattfinden. Jedermann hat das Recht, auf Märkten Waren nach Maßgabe der von der Gemeinde hiefür durch Verordnung bestimmten Voraussetzungen feilzubieten und zu verkaufen.
Unter einem Gelegenheitsmarkt (Quasimarkt) ist gemäß Abs 2 legcit eine marktähnliche Verkaufsveranstaltung zu verstehen, die nur gelegentlich aus besonderen Anlässen abgehalten wird. Ein Gelegenheitsmarkt darf nur auf Grund einer Bewilligung der Gemeinde, in der die Veranstaltung abgehalten werden soll, stattfinden.
Nach § 1 Abs 1 der Verordnung des Landeshauptmannes vom 1. August 2003 über die Öffnungszeiten von Verkaufsstellen an Werktagen (Tiroler Öffnungszeitenverordnung 2003), LGBl 71, idF 2005/21, dürfen die Verkaufsstellen, soweit sich nicht nach den folgenden Bestimmungen etwas anderes ergibt, an Werktagen außer Donnerstagen und Samstagen von 6.00 Uhr bis 19.30 Uhr, an Donnerstagen von 6.00 Uhr bis 21.00 Uhr und an Samstagen von 6.00 Uhr bis 17.00 Uhr offen gehalten werden.
Für die Berufungsbehörde steht nun unzweifelhaft fest, dass der Berufungswerber den objektiven Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung erfüllt hat. Das Öffnungszeitengesetz 2003 nimmt ausdrücklich nur den Marktverkehr von seinem Geltungsbereich aus. Das Öffnungszeitengesetz 2003 ist mit 1.8.2003 in Kraft getreten. Die Vorgängerbestimmung, dass ?Verkaufsstellen, die in unmittelbarer Nähe eines für den Kleinverkauf bestimmten Marktes gelegen sind, für den Verkauf von Waren, die Gegenstand des Marktverkehrs sind, während der Marktzeit auch offen gehalten werden dürfen (§ 5 lit c Öffnungszeitengesetz 1991), wurde nicht übernommen und steht daher schon aus diesem Grunde fest, dass nur der reine Marktverkehr vom Geltungsbereich des Öffnungszeitengesetz 2003 ausgenommen ist.
Zum Begriff Gelegenheitsmarkt (?Quasimärkte?) führen die Erläuternden Bemerkungen zur Gewerberechtsnovelle 1992 aus, ?dass es neben den schon von der GewO 1859 geregelten ?echten? Märkten eine Vielzahl marktähnlicher Einrichtungen gibt. Diese ?Quasimärkte" beruhen nicht auf einem Marktrecht, sondern haben sich zB im Zusammenhang mit kirchlichen Festtagen bloß durch das seit altersher geduldete Herkommen ausgestaltet (Erlass 30. 12. 1900, Z147.558). Die bezüglichen Erlässe sprechen von den aus Anlass von Wallfahrten, Firmungen und sonstigen kirchlichen Festen stattfindenden Verkäufen von Firmbändern und Devotionalien, ferner von den Nachkirchtagen; auch weltliche Anlässe werden in den Erlässen erwähnt, etwa bei Musterungen der marktmäßige Verkauf von Rekrutensträußchen. Die Neufassung der marktrechtlichen Bestimmungen verlangte die Legalisierung der bisher geduldeten Quasimärkte. Was sich aber praeter legem entwickelt und ausgestaltet hat, soll sich auch weiter entwickeln dürfen; das Entstehen neuer Quasimärkte, wie etwa aus Anlass von sportlichen Veranstaltungen oder Gartenschauen, muss möglich bleiben. Die Quasimärkte sollen sich von den Märkten vor allem dadurch unterscheiden, dass es sich nur um gelegentliche, aus besonderen Anlässen abgehaltene Verkaufsveranstaltungen handelt.?
Von einer marktähnlichen Einrichtung (einem Quasimarkt) kann nur dann gesprochen werden, wenn eine solche Einrichtung in ihrem äußeren Erscheinungsbild das Gepräge eines Marktes aufweist. Dies ist aber nicht schon dann der Fall, wenn an einem bestimmten Ort vereinzelte Verkaufsstände aufgeschlagen werden. Um das Bild eines Marktes in gebräuchlichem Sinn zu vermitteln, muss immerhin eine solche Anhäufung von Verkaufsständen feststellbar sein, dass sich auch für einen unbefangenen Beobachter das typische Gepräge eines Marktes darbietet (VwSlg 4028 A).
Der VwGH hat nun klargestellt, dass die Abhaltung von Gelegenheitsmärkten die Benützung von Markteinrichtungen wie Verkaufständen und ähnliches voraussetzt, es ist darunter jedenfalls nicht die Benützung des auch sonst bestehenden Geschäftslokales ? auch wenn es an einer Straße gelegen ist, die vom Marktgebiet umfasst ist ? zu verstehen (VwGH 28.06.1994, 94/06/0066).
Im gegenständlichen Fall ging es offenkundig nur darum, aus Anlass der Eröffnung eines neuen ?multifunktionalen Zentrums? (Einkaufszentrum und Wohnanlage) längere Öffnungszeiten zu erwirken. Dazu sollten ?auch? Marktstände vor dem Gebäude errichtet und betrieben werden. Bei den Markständen vor den Gebäuden sollten regional Anbieter sich zur Schau stellen.
Im Lichte der oben zitierten Rechtssprechung des VwGH und des oben näher dargelegten Begriffes des Marktes bzw Gelegenheitsmarktes kann in Bezug auf das multifunktionale Einkaufszentrum keinesfalls von einem Gelegenheitsmarkt gesprochen werden und lag daher jedenfalls in objektiver Hinsicht eine Übertretung des Öffnungszeitengesetz 2003 vor.
Was die subjektive Tatseite betrifft, ist anzuführen, dass gemäß § 5 Abs 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Im Falle eines ?Ungehorsamsdeliktes" - als welches sich auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung darstellt - tritt somit insofern eine Verlagerung der Behauptungslast ein, als die Behörde lediglich die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes zu beweisen hat, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Gegenständlich ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte vorsätzlich gehandelt hat. Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Dies wird vom Beschuldigten auch gar nicht bestritten. Die vom Beschwerdeführer gegen die Annahme, er habe schuldhaft gehandelt, vorgebrachten Einwendungen beziehen sich auf sein Unrechtsbewusstsein, ein Schuldelement, das von jenem des Vorsatzes zu unterscheiden ist (vgl VwGH 15. 06.1992, 91/10/0146 und 11.9.1997, 96/07/0223). Vorwerfbar handelt nur, wer unrecht tut, obwohl er entweder weiß, dass seine Handlung Unrecht ist oder dies zumindest hätte erkennen können. Nicht vorwerfbar handelt hingegen der, der sich in einem entschuldbaren Rechts(Verbots)irrtum gemäß § 5 Abs 2 VStG befindet.
Der Berufungswerber bringt nun zusammenfassend vor, er sei aufgrund der Bewilligung des Bürgermeisters des Stadtgemeinde K. vom 10.08.2005 davon ausgegangen, er hätte das Einkaufszentrum bis 24.00 Uhr offen halten dürfen. Er macht also im Ergebnis einen Rechtsirrtum geltend. Wie sich aus § 5 Abs 2 VStG ergibt, kann Rechtsunkenntnis dann entschuldigen, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist. Ein Fall des Rechtsirrtums liegt insbesondere dann vor, wenn seitens der zuständigen Behörde eine Bewilligung erteilt wird, die eine Bestrafung nach der vorgeworfenen Übertretungsnorm verbietet.
Der Bürgermeister der Stadtgemeinde K. ist grundsätzlich zur Erteilung von Bewilligungen nach 286 Abs 2 GewO 1994 berufen. Er hat, wenngleich nach Ansicht der Berufungsbehörde in rechtsirriger Art und Weise, einen Antrag auf Bewilligung eines Gelegenheitsmarktes positiv erledigt. Aufgrund dieses Umstandes ist der Rechtsirrtum des Berufungswerbers, es läge kein Verstoß gegen das Öffnungszeitengesetz 2003 vor, nicht vorwerfbar. Es liegt also ein entschuldigender Rechtsirrtum vor und war daher spruchgemäß zu entscheiden.