TE UVS Vorarlberg 2005/12/14 1-617/05

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Veröffentlicht am 14.12.2005
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg hat durch sein Mitglied

Mag Brandtner über die Berufung der M. T., F., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 12.07.2005, Zl X-9-2005/22798, zu Recht erkannt: Gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) in Verbindung mit § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Text

Im angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschuldigten vorgeworfen, sie habe vom 22.09.2004 bis zum 23.05.2005 in H., Höhe GST-NR 697/2, ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne Baubewilligung ausgeführt. Nähere Angaben: Erstellung eines Schrebergartenhäuschens (ca 2 m hohes Gebäude  mit einem Flächenausmaß von ca 5 bis 6 x 3 m). Die Bezirkshauptmannschaft erblickte hierin eine Übertretung des § 55 Abs 1 lit a iVm § 18 Abs 1 lit a Baugesetz. Es wurde eine Geldstrafe von 400 Euro verhängt und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Stunden festgesetzt.

Gegen dieses Straferkenntnis hat die Beschuldigte rechtzeitig Berufung erhoben. In dieser bringt sie im Wesentlichen vor, die Errichtung des Schrebergartenhäuschens auf GST-NR 697/2, KG H., ohne Baubewilligung stelle eine Verwaltungsübertretung nach § 55 Abs 1 lit a iVm § 18 Abs 1 lit a BauG dar. Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz habe daher bereits mit Strafverfügung vom 31.08.2004, Zl X-9-2004/29924, gegen sie eine Geldstrafe verhängt. Gemäß § 55 Abs 4 BauG seien Übertretungen nach Abs 1 lit a, solange der dadurch geschaffene rechtswidrige Zustand anhalte, Dauerdelikte. Ergebe eine Überprüfung nach § 38 Abs 1 lit a BauG, das für ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben eine Baubewilligung noch nicht vorliege, so habe die Baubehörde den Bauherrn gemäß § 40 Abs 1 lit a aufzufordern, innerhalb eines Monats einen Bauantrag zu stellen. Diese gesetzliche Regelung lasse nach Sinn und Zweck der Bestimmung die Möglichkeit offen, dass nachträglich auf Grund der Sach- und Rechtslage eine Bewilligung erteilt werde. Über den gemäß § 40 Abs 1 lit a BauG am 02.04.2004 schriftlich gestellten Bauantrag auf Erteilung der Baubewilligung für ein Schrebergartenhäuschen auf GST-NR 697/2 habe die Baubehörde noch keinen Bescheid erlassen. Ein Ermittlungsverfahren sei bisher nicht durchgeführt worden. Die Baubewilligung sei nicht versagt worden. Das Baubewilligungsverfahren sei durch den Bauantrag vom 02.04.2004 gemäß § 24 BauG eingeleitet worden. Der von der Baubehörde am 14.07.2004 zu Zl 153/9 nach § 40 Abs 3 BauG erlassene Abbruchsbescheid sei von der Berufungskommission unter Bedacht auf den am 02.04.2004 eingebrachten und noch nicht erledigten Bauantrag mit Bescheid vom 25.05.2005 gemäß § 66 Abs 4 AVG als rechtswidrig aufgehoben worden. Durch den Bauantrag vom 02.04.2004, worüber noch nicht entschieden worden sei, hätten sie dem Auftrag der Baubehörde nach § 40 Abs 1 lit a BauG entsprochen, sodass ein rechtswidriger Zustand bzw ein Dauerdelikt iS des § 55 Abs 4 BauG bis zur Rechtskraft einer allfälligen Versagung der Baubewilligun g nicht mehr vorliege. Sinn und Zweck des § 40 Abs 1 lit a BauG sei es auch, die mit dem Abbruch eines Gebäudes verbundenen wirtschaftlichen Nachteile für den Fall zu vermeiden, dass nachträglich eine Baubewilligung erteilt werde. Nachdem ein Bauantrag gemäß § 40 Abs 1 lit a BauG gestellt worden sei und die Berufungskommission den nach § 40 Abs 3 erlassenen Abbruchbescheid aufgehoben habe, würde der Zweck der § 40 Abs 1 lit a BauG vereitelt, wenn mit der Prämisse, es liege trotz des Bauantrages derzeit ein rechtswidriger Zustand bzw ein Dauerdelikt vor, durch ein Verwaltungsstrafverfahren der Abbruch des Gebäudes dennoch erzwungen werden könnte.

Unbestrittenermaßen hat die Beschuldigte das in Rede stehende Schrebergartenhäuschen ohne Baubewilligung errichtet. Mit Strafverfügung vom 31.08.2004 wurde sie deswegen gemäß §  55 Abs 1 lit a iVm § 18 Abs 1 lit a Baugesetz bestraft. Diese Strafverfügung ist in Rechtskraft erwachsen. Mit dem gegenständlichen Straferkenntnis wurde die Beschuldigte abermals dafür bestraft, das in Rede stehende Schrebergartenhäuschen ohne Baubewilligung erstellt zu haben, weshalb sie die Rechtsvorschrift des § 55 Abs 1 lit a iVm § 18 Abs 1 lit a Baugesetz verletzt habe, allein mit dem Unterschied, dass der Tatzeitraum nun die Zeit vom 02.09.2004 bis zum 23.05.2005 erfasst.

Gemäß § 55 Abs 1 lit a Baugesetz (BauG), LGBl Nr 52/2001, begeht eine Übertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, wer Bauvorhaben nach § 18 ohne Bewilligung oder Bauvorhaben nach § 19 ohne Berechtigung (§ 34) ausführt.

Nach § 55 Abs 2 BauG sind Übertretungen nach Abs 1 von der Bezirkshauptmannschaft mit einer Geldstrafe bis zu 14.000 Euro zu bestrafen. Bei Vorliegen erschwerender Umstände können auch Geldstrafen bis zu 28.000 Euro verhängt werden.

Nach § 18 Abs 1 lit a BauG bedarf die Errichtung oder wesentliche Änderung von Gebäuden einer Baubewilligung.

Gemäß § 55 Abs 4 BauG sind Übertretungen nach Abs 1 lit a bis d und i, solange der dadurch geschaffene rechtswidrige Zustand anhält, Dauerdelikte.

Zu § 55 Abs 1 lit a BauG 1972, LGBl Nr 39/1972, hat der Verwaltungsgerichtshof  wiederholt ausgesprochen, dass die Verwaltungsübertretung der Bauführung ohne Baubewilligung nicht ein Dauerdelikt, sondern ein Zustandsdelikt, bei dem das strafbare Verhalten mit dem Abschluss der Bauführung aufhört, ist (VwGH 19.12.1996, 96/06/0151). Wie sich aus dem Motivenbericht zur Regierungsvorlage zum Baugesetz Blg 45/2001 27. LT ergibt, soll die neue Regelung des § 55 Abs 4 BauG sicherstellen, dass das nach den lit a bis d und i strafbare Verhalten nicht ein Zustandsdelikt sei, das zB im Fall der lit a bis c mit der Vollendung des Bauvorhabens ende. Vielmehr handle es sich beim strafbaren Verhalten um ein Dauerdelikt, das so lange anhalte, als der dadurch geschaffene rechtswidrige Zustand (zB Bestand des konsenslosen oder konsenswidrigen Bauwerks, Aufrechterhaltung der ohne die erforderliche Bewilligung erfolgten Verwendungsänderung) anhalte. Dies wirke sich insbesondere auch auf die Verjährung aus. Nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes untersagt Art 4 des

7. ZPMRK ein neuerliches Strafverfahren wegen derselben strafbaren Handlung. "Dieselbe strafbare Handlung" liegt nur vor, wenn sie sich auf denselben Tatzeitraum bezieht. Bei der neuerlichen Bestrafung bei Fortsetzung der strafbaren Handlung steht das Doppelbestrafungsverbot nicht entgegen (VwGH 14.12.1998, 97/10/003). Nach dem oben Gesagten ist somit davon auszugehen, dass es sich bei einer Verwaltungsübertretung nach § 55 Abs 1 lit a BauG, soweit es die Errichtung bzw wesentliche Änderung von Gebäuden (§ 18 Abs 1 lit a BauG) betrifft, ihrer Art nach um ein Zustandsdelikt handelt. Vornehmlich zum Zwecke der Verhinderung des Eintritts der Verjährung wurden Übertretungen nach § 55 Abs 1 lit a leg cit durch die Bestimmung des § 55 Abs 4 BauG zu Dauerdelikten erklärt. Das BauG enthält aber keine Strafbestimmung, wonach das Aufrechterhalten des rechtswidrigen Zustandes an sich strafbar wäre. Bei einem Delikt nach § 55 Abs 1 lit a BauG handelt es sich, soweit es wie im vorliegenden Fall die Errichtung eines Gebäudes (§ 18 Abs 1 lit a BauG) betrifft, nicht um ein "echtes" Dauerdelikt, wie es der Verwaltungsgerichtshof  vor Augen hat, wenn er ausspricht, dass "dieselbe strafbare Handlung" hinsichtlich eines Dauerdeliktes nur dann vorliege, wenn sie sich auf den denselben Tatzeitraum beziehe. Da es sich bei der hier in Rede stehenden Übertretung ihrer Art nach um ein Zustandsdelikt handelt, kann diese für "echte" Dauerdelikte entwickelte Rechtsprechung nicht herangezogen werden. Art 4 des 7. ZPMRK untersagt ein neuerliches Strafverfahren wegen derselben strafbaren Handlung. Die strafbare Handlung besteht im gegenständlichen Fall zweifelsohne in der Ausführung eines Bauvorhabens nach § 18 ohne Baubewilligung. Da das Bauvorhaben unstrittigerweise nicht ein zweites Mal im hier gegenständlichen Zeitraum ausgeführt wurde, liegt im nochmaligen Bestrafen der Berufungswerberin für ein und dieselbe Tat eine unzulässige Doppelbestrafung nach Art 4 des 7. ZPMRK vor, weshalb das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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