Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Felizitas Schiessendoppler-Luchner über die Berufung des Herrn Dr. W. T., 6020 Innsbruck, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 16.09.2005, Zl S-7095/05, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG wird der Berufung insoferne Folge gegeben, als die über den Berufungswerber verhängten Geldstrafen zu Punkt 1., 2. und 3. in der Höhe von jeweils Euro 300,-- auf Euro 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) herabgesetzt werden.
Dementsprechend werden die Verfahrenskosten erster Instanz zu Punkt 1., 2. und 3. mit jeweils Euro 20,-- (10 Prozent der verhängten Strafen) festgesetzt.
Die Berufung zu Punkt 4. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wird als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG werden die Kosten des Berufungsverfahrens mit Euro 20,-- (20 Prozent der verhängten Strafe) neu festgesetzt.
Der Berufung zu Punkt 5. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wird insoferne Folge gegeben, als die über den Berufungswerber verhängte Geldstrafe in der Höhe von Euro 100,-- auf Euro 50,-- (einen Tag Ersatzfreiheitsstrafe) herabgesetzt wird.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG werden die Kosten des erstinstanzlichen Strafverfahrens zu Punkt 5. mit Euro 10,-- (10 Prozent der verhängten Strafe) neu festgesetzt.
Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Sie haben am 17.03.2005 um ca. 18.00 Uhr in Innsbruck, Höttinger Gasse, an der Kreuzung mit der Innstraße, den PKW XY gelenkt, wobei es zu einem Verkehrsunfall kam, mit dem Sie in ursächlichem Zusammenhang standen und trotzdem unterließen Sie es,
1)
das Fahrzeug sofort anzuhalten,
2)
an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, indem Sie sich vor der Unfallaufnahme vom Unfallsort entfernten,
3) nach diesem Verkehrsunfall mit Personenschaden die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen,
4) nach diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen,
5) haben Sie es als Zulassungsbesitzer unterlassen, der Zulassungsstelle zumindest bis zum 03.04.2005 mitzuteilen, dass Sie bereits am 27.06.2003 von 6020 Innsbruck, XYstraße nach 6020 Innsbruck, XYweg verzogen sind.?
Dem Beschuldigten wurde zu Punkt 1. eine Übertretung nach § 4 Abs 1 lit a StVO, zu Punkt 2. nach § 4 Abs 1 lit c StVO, zu Punkt 3. nach § 4 Abs 2 StVO, zu Punkt 4. nach § 4 Abs 5 StVO und zu Punkt 5. nach § 42 Abs 1 KFG zur Last gelegt und wurde ihn gemäß § 99 Abs 2 lit a StVO zu Punkt 1., 2. und 3. jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Tage), zu Punkt 4. gemäß § 99 Abs 3 lit b StVO eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) und zu Punkt 5. gemäß § 134 Abs 1 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) zur Last gelegt und ihm auch die Verfahrenskosten erster Instanz aufgetragen.
Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte fristgerecht Berufung erhoben und in dieser zusammengefasst im Wesentlich ausgeführt.
Zu Punkt 1: Das Fahrzeug sei von ihm sofort angehalten worden (siehe Aussage R. P.),
Zu Punkt 2. An der Unfallstelle sei wegen der dortigen Verkehrssituation eine ausführliche Feststellung des Sachverhaltes nicht möglich. Ein trotzdem geführtes Gespräch mit R. P. habe aber zu keinem Ergebnis geführt, da diese keine Aufforderung oder Erklärung abgegeben habe. Es sei auch in der Nähe des Unfallortes ein Aufenthalt nicht möglich gewesen und da er stehen geblieben sei und das Kennzeichen seines Autos bestens erkenntlich gewesen sei, habe er die Straße freimachen müssen.
Zu Punkt 3: P. habe angegeben, dass ?nichts passiert? sei. Ein Personenschaden sei daher für ihn nicht gegeben gewesen.
Zu Punkt 4: Es sei auch ein Sachschaden für ihn nicht erkennbar gewesen. Auf die Frage an P. was sie wolle, habe diese keine Antwort gegeben. Auf eine wiederholte Frage ebenfalls nicht. Er habe daher nicht von einem Sachschaden ausgehen können.
Durch die örtliche Situation am Unfallort könne ein mögliches Verschulden darüber hinaus nur gering angesetzt werden, weshalb die Strafe als absolut unangemessen empfunden werde.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt sowie durch Abhaltung einer öffentlichen und mündlichen Berufungsverhandlung, zu der sowohl der Berufungswerber als auch die Zeugin R. P. erschienen ist.
Der Berufungswerber zeigte sich hinsichtlich seiner Übertretungen uneinsichtig.
Die Zeugin bestätigte im Wesentlichen ihre bereits im erstinstanzlichen Akt vorhandenen Aussagen. Sie gab noch ergänzend an, dass sie schwer unter Schock gestanden sei und es richtig sei, dass sie kein Erklären gegenüber dem Berufungswerber abgegeben habe.
Dieser hätte mehrere Möglichkeiten gehabt in der Höttinger Gasse zu parken und mit ihr den Unfall zu besprechen, habe es jedoch vorgezogen einfach wegzufahren.
Dem erstinstanzlichen Akt ist zu entnehmen, dass der Berufungswerber bisher verwaltungsstrafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Der Verkehrsunfallsanzeige der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 03.04.2005 zu Zl. S-7095/05 ist zu entnehmen, dass am 17.03.2005 gegen 18.00 Uhr P. R. auf der Höttinger Gasse in Richtung Innstraße gegangen sei. Sie habe dabei einen Kinderwagen in dem ihr Sohn gelegen sei, geschoben. Aufgrund des dort schmalen Gehsteigs habe sie den Kinderwagen dann auf der Fahrbahn schieben müssen. Zur gleichen Zeit sei der Beschuldigte mit seinem PKW XY von der Innstraße in die Höttinger Gasse eingebogen und habe dabei nicht gesehen, dass P. einen Kinderwagen geschoben habe. Er hat mit dem rechten hinteren Rad des PKW den Kinderwagen gestreift wodurch dieser gegen den Gehsteig und gegen das linke Schienbein von R. P. gedrückt worden sei. Der Beschuldigte habe angehalten und gefragt, ob etwas passiert sei. Von P. sei mitgeteilt worden, dass der Kinderwagen beschädigt worden sei. Eine Verletzung sei vorerst nicht geltend gemacht worden. Der Beschuldigte setzte darauf hin die Fahrt ohne Bekanntgabe der Daten fort. P. habe dann die Anzeige beim Unfallkommando erstattet und angegeben, dass sie am linken Schienbein einen leichten Bluterguss erlitten habe.
Der Anzeige ist weiters zu entnehmen, dass in der Folge der Beschuldigte an seiner Wohnadresse angetroffen werden konnte und zugegeben habe, das Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt gelenkt zu haben. Am rechten Hinterrad sei am Gummi eine frische Abriebspur festgestellt worden. Diese Spur sei fotografiert worden. Ebenfalls seien dann der beschädigte Kinderwagen und die Unfallstelle fotografiert worden.
Der Beschuldigte gab in der Folge an, dass hinter ihm mehrere Fahrzeuge gehupt hätten und Frau P. kein Erklären abgegeben habe. Obwohl er gewusst habe, dass am Kinderwagen ein Schaden entstanden sei, habe er sich gedacht, dass sich die Frau sein Kennzeichen merken würde und daher die Fahrt ohne Datenaustausch fortgesetzt. In der Niederschrift die mit dem Beschuldigten am 30.03.2005 aufgenommen wurde, ist festgehalten, dass dieser erklärt habe, dass die Zeugin ihm auf die Frage ob etwas passiert sei und was sie wolle keine eindeutige Antwort gegeben habe, da sie offensichtlich aufgeregt gewesen sei. Es sei ihm auch bewusst, dass er im gegenständlichen Fall nicht richtig gehandelt habe.
Der Beschuldigte und auch die Zeugin sind dann anlässlich der öffentlichen und mündlichen Berufungsverhandlung im Wesentlichen bei ihren Aussagen geblieben.
Rechtlich ergibt sich daraus Folgendes:
Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
§ 4 Abs 1 lit a StVO normiert alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht haben, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.
Der Berufungswerber hat sich damit verantwortet, dass ein Anhalten aufgrund der Verkehrssituation in der beginnenden Höttinger Straße von der Innstraße kommend nicht möglich gewesen sei. Diesbezüglich ist jedoch festzuhalten, dass er verpflichtet gewesen wäre, sein Fahrzeug anzuhalten und dies nicht nur ?kurzfristig anhalten? bedeutet. Auch wenn sich ein Stau gebildet hätte, so wäre es doch wesentlich und wichtig gewesen, die Daten zwecks eventueller Verletzungen und Sachschäden auszutauschen. Der Beschuldigte als Lenker seines Fahrzeuges ist der Anhaltepflicht nicht schon dadurch nachgekommen, dass er das Fahrzeug kurzfristig an der Unfallstelle zum Stillstand gebracht hat. Im Übrigen aber ? ohne auszusteigen und ohne zwingenden Grund ? mit dem Fahrzeug die Unfallstelle wieder verlässt, wobei hier als ?zwingend? keinesfalls der nachfolgende Verkehr geltend gemacht werden darf. Der Berufungswerber hat daher mit seinem Verhalten eine Übertretung nach § 4 Abs 1 lit a StVO zu verantworten.
Er hat gleichzeitig durch sein Verhalten auch eine Übertretung nach § 4 Abs 1 lit c StVO gesetzt, da er die Mitwirkungspflicht die man sich zB in Form einer Beistandspflicht für die Zeugin und ihr Kind vorstellen kann bzw einer Mitwirkungspflicht betreffend die Feststellung des Sachverhaltes. Der Berufungswerber ist dieser Feststellungspflicht nicht nachgekommen. Das Argument die Zeugin hätte ihm nicht geantwortet, als er sie gefragt hat, ob etwas fehle, zeugt doch von einer gewissen Verantwortungslosigkeit und Interesselosigkeit der Zeugin gegenüber.
Hinsichtlich Punkt 3. und Punkt 4. hat der Berufungswerber die Übertretung zugestanden und wird daher nicht mehr darauf eingegangen.
Hinsichtlich Punkt 5. hat der Beschuldigte zugegeben, dass er es unterlassen hat der Zulassungsstelle mitzuteilen, dass er verzogen war. Er hat auch gleichzeitig zugegeben, dass er von dieser Bestimmung überhaupt keine Kenntnis hat.
Der Berufungswerber hat hinsichtlich der Übertretungen von Punkt 1. bis zu Punkt 4. grob fahrlässig gehandelt. Insbesondere als Jurist hätte er wissen müssen, welche Folgen sein Verhalten anlässlich des Verkehrsunfalls zeitigen würden. Hinsichtlich Punkt 5. wird ihm lediglich leichte Fahrlässigkeit zur Last gelegt.
Der Berufungswerber ist Pensionist mit einem durchschnittlichen Einkommen. Bisher hat er keine einschlägigen Verwaltungsstraftaten gesetzt und ist daher die Unbescholtenheit als gewichtiger Milderungsgrund in Betracht zu ziehen. Es war daher mit den herabgesetzten Strafen das Auslangen zu finden.
Eine Anwendung des § 20 VStG (außerordentliche Milderung der Strafe) konnte nicht in Betracht gezogen werden, da die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe nicht beträchtlich überwogen haben. Auch ein Absehen von der Strafe nach § 21 VStG konnte nicht zur Anwendung gelangen, da das Verschulden des Beschuldigten keinesfalls als geringfügig zu werten war und die Folgen der Übertretungen bedeutend waren.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.