TE UVS Tirol 2006/02/09 2006/22/0040-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.02.2006
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Franz Triendl über die Berufung der Frau A. Z., geb. XY, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 15.12.2005, Zl SG-198-2005 gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wie folgt:

 

I. zu Faktum 1. des angefochtenen Straferkenntnisses:

Der Berufung wird Folge gegeben,  das Straferkenntnis behoben und das Verfahren in Bezug auf den Vorwurf, ein Gewerbe ohne entsprechende Anzeige nach § 46 Abs 2 Z 2 GewO 1994 ausgeübt zu haben, gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

 

II. zu Faktum 2. des angefochtenen Straferkenntnisses:

Der Berufung wird Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren in Bezug auf den Vorwurf, gegen das Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz verstoßen zu haben, gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin zur  Last gelegt wie folgt:

 

?Sie sind Inhaber einer Gewerbeberechtigung für das Handelsgewerbe im Standort XY.

1) Am 21.09.2005, am 16.10.2005 und am 30.10.2005 und am 01.11.2005 haben sie dieses Handelsgewerbe in XY, Gp XY, ausgeübt, obwohl sie die Anzeige über die Verlegung des Gewerbes in den anderen Standort nicht bei der Bezirkshauptmannschaft Reutte erstatte haben,

2) Am 16.10.2005 (Sonntag), am 30.10.2005 (Sonntag) und am 01.11.2005 (Feiertag) haben sie im Standort XY, Gp XY, die Betriebsstätte offen gehalten und das Handelsgewerbe ausgeübt, obwohl Betriebsstätten zum Verkauf von Waren an Sonn- und Feiertagen nicht offen gehalten werden dürfen (Ausnahmeregelung in der Gemeinde XY gilt nur bis 30. September?

 

Die Berufungswerberin habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1.

§ 368 iVm 46 Abs 2 Z 2 Gewerbeordnung

2.

§ 4 Abs 1 Z 1 iVm § 2 Abs 2 Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz, BGBl Nr 129/1984 idF BGBl Nr 48/2003

 

Über die Berufungswerberin wurde gemäß § 368 GewO 1994 und § 4 Sonn- und Betriebszeitengesetz  zu Faktum 1. des angefochtenen Straferkenntnisses  eine Geldstrafe von Euro 50,00, Ersatzfreiheitsstrafe 6 Stunden, und zu Faktum 2. des angefochtenen Straferkenntnisses eine Geldstrafe von Euro 200,00, Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden, verhängt.

 

Dagegen hat die Beschuldigte rechtzeitig Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol erhoben und darin vorgebracht wie folgt:

 

?Sehr geehrter Herr W.,

wie Sie selbst noch wissen sollten haben Sie mir persönlich angetragen, dass ich meine Wohnadresse zur Anmeldung angeben soll, wohl wissend, dass der Standort des ausgeübten Gewerbes von meiner Wohnanschrift abweicht.

 

Somit hat also von mir keine Verlegung des Standortes stattgefunden, sondern ich habe mich lediglich an Ihre, Ihnen wohl selbst nicht bekannten Ausführungen gehalten.

 

Da ein Imbissstand unter den Begriff freies Gewerbe fällt, sind vom Betriebsinhaber nur die Öffnungszeiten von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr relevant, solange die Arbeitszeit von 6 Stunden nicht überschritten wird ( nur gültig an Sonn- und Feiertagen ) Auch kann eine Ausnahmeregelung der Gemeinde XY nicht die entsprechenden Landesgesetze außer Kraft setzen, da ansonsten eine willkürliche subjektive Tätigkeit des Bürgermeisters schon im Vorfeld gegeben ist.

 

Da der Betriebsinhaber nur alleine tätig ist, entfällt auch ein Aushang nach § 24. Des weiteren möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass es sich bei dem Betrieb um ein landwirtschaftlich pauschaliertes Nebengewerbe, in einem Saisonort mit tourismusintensivem Erscheinungsbild, handelt und somit datumsmäßig saisonale Öffnungszeiten nicht vorgeschrieben werden können, da diese Zeiten auch sehr stark witterungsabhängig sind.

 

Die von Ihnen ausgesprochene Strafe als erschwerend bezüglich Uneinsichtigkeit abzutun, hat nichts mit Ihrer Auslegung der Gesetzestexte zu tun, die Sie sich besser genauer durchsehen sollten (zB: Bemessung der Straferkenntnis), bevor Sie nach eigenem Ermessen handeln.

 

Aus vorgenannten Gründen verweigere ich die Bezahlung oa Straferkenntnis und lege hiermit fristgerecht Berufung ein.?

 

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den erstinstanzlichen Akt sowie Telefonate mit der Wirtschaftskammer Tirol und der Bezirkslandwirtschaftskammer Reutte vom 12.01.2006.

 

Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:

 

Ungeachtet des Vorbringens der Beschuldigten war der Berufung aus folgenden Erwägungen Folge zu geben:

 

Zu Faktum 1. des angefochtenen Straferkenntnisses:

Darin wurde der Beschuldigten vorgeworfen, sie habe am 21.09.2005, am 16.10.2005, am 30.10.2005 und am 01.11.2005 das Handelsgewerbe in XY, Gp XY, ausgeübt, obwohl sie  die Anzeige über die Verlegung des Gewerbes in den anderen Standort nicht bei der Bezirkshauptmannschaft Reutte erstatte habe.

 

§ 46 Abs 1 und 2 GewO 1994 lautet wie folgt:

?(1)Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, berechtigt die Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes in weiteren Betriebsstätten entsprechend den Anzeigen gemäß Abs 2.

(2) Der Gewerbeinhaber hat folgende Vorgänge der Behörde anzuzeigen:

1. den Beginn und die Einstellung der Ausübung des Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte,

2. die Verlegung des Betriebes eines Gewerbes in einen anderen Standort und

3. die Verlegung des Betriebes einer weiteren Betriebsstätte in einen anderen Standort.?

 

Bei der Übertretung nach § 368 iVm § 46 Abs 2 Z 2 GewO 1994 handelt es sich um ein Unterlassungsdelikt, das in der Unterlassung der Anzeige besteht. Die Ausübung des Handelsgewerbes an einem anderen Standort ohne Erstattung der Anzeige ist jedoch vom Tatbild dieser Verwaltungsübertretung nicht umfasst.

 

Mit der Formulierung ?Am ? haben Sie dieses Handelsgewerbe in XY, Gp XY, ausgeübt, obwohl Sie die Anzeige ?.. nicht ? erstattet haben? im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses hat die Behörde I. Instanz zum Ausdruck gebracht, dass sie von einer konsenslosen, weil ohne Anzeige gemäß § 46 Abs 2 Z 2 GewO 1994  erfolgten,  Ausübung einer Gewerbetätigkeit ausgeht. Damit verkannte sie jedoch die Rechtslage (vgl dazu VwGH 05.11.1991, 91/04/0007).

 

Wenngleich die Berufungsbehörde grundsätzlich innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist die Tat noch um Sachverhaltselemente ergänzen kann, welche die Tat im erforderlichen Ausmaße konkretisieren, ist dabei jedoch zu beachten, dass die Berufungsbehörde nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl etwa VwGH 22.02.1996, 95/06/0031) trotz ihrer Berechtigung, den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, auf die Ahndung der dem Beschuldigten im Strafverfahren erster Instanz zur Last gelegten Tat beschränkt bleibt. Sache des Berufungsverfahrens ist immer die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde bildet. Die Berufungsbehörde ist daher nur im Rahmen der von der erstinstanzlichen Behörde vorgeworfenen Sache zu einer Spruchänderung berechtigt. Wechselt die Berufungsbehörde die von der Erstbehörde als erwiesen angenommene Tat aus oder ergänzt sie die Tat um eine weitere, so nimmt sie eine ihr nicht zustehende Befugnis in Anspruch (vgl VwGH 22.01.2002, 99/09/0050).

 

Eine Ergänzung bzw Konkretisierung des Faktums 1. durch die Berufungsbehörde, die eine einwandfrei rechtliche Subsumtion unter die Strafnorm des § 368 iVm § 46 Abs 2 Z 2 GewO 1994 ermöglichen würde, käme jedenfalls einer (unzulässigen) Auswechslung der Tat gleich und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Im allenfalls fortgesetzten Verfahren wird die Behörde I. Instanz daher den Tatvorwurf entsprechend abzuändern haben. Dabei gilt zu bedenken, dass dieser ausreichend konkretisiert sein muss. Seitens der Berufungsbehörde bestehen Bedenken, ob tatsächlich eine Standortverlegung durchgeführt und nicht das Gewerbe in einer weiteren Betriebsstätte ausgeübt wurde (vgl dazu auch die Begründung im angefochtenen Straferkenntnis Seite 2 unten). Im gegenständlichen Straferkenntnis fehlen Feststellungen, die eine eindeutige Zuordnung zu einem der beiden alternativen Straftatbestände (§ 368 iVm § 46 Abs 2 Z 1 GewO 1994 und § 368 iVm § 46 Abs 2 Z 2 GewO 1994) ermöglichen.

 

Zu bemerken bleibt, dass nach Ansicht der Berufungsbehörde eine nähere Konkretisierung des Tatvorwurfes auch deshalb erforderlich erscheint, zumal die Verantwortung der Beschuldigten,  sie habe kein ?Gewerbe? ausgeübt und sei ihre Tätigkeit lediglich als ein Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft anzusehen, in Anbetracht der Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 4 GewO 1994 und des Umstandes, dass die Beschuldigte tatsächlich Landwirtin ist, zumindest nicht von vornherein unschlüssig ist.

 

Zu Faktum 2. des angefochtenen Straferkenntnisses:

Darin wurde der Beschuldigten vorgeworfen, sie habe am 16.10.2005 (Sonntag), am 30.10.2005 (Sonntag) und am 01.11.2005 (Feiertag) im Standort XY, Gp XY, die Betriebsstätte offen gehalten und das Handelsgewerbe ausgeübt, obwohl Betriebsstätten zum Verkauf von Waren an Sonn- und Feiertagen nicht offen gehalten werden dürfen (Ausnahmeregelung in der Gemeinde T. gilt nur bis 30. September).

 

Diese Tat wurde als Übertretung nach dem § 4 Abs 1 Z 1 iVm § 2 Abs 2 Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz, BZG, BGBl 1984/129 idF BGBl I 2003/48, gewertet.

 

Der Anzeige der PI G. vom 19.11.2005 ist zu entnehmen, dass im gegenständlichen Fall das Handelsgewerbe in Form eines Verkaufsstandes ausgeübt wurde. Die Beschuldigte sei dafür verantwortlich, dass Waren (ohne Angabe welche Waren) aus diesem Verkaufsstand an bestimmten Sonn- und Feiertagen verkauft wurden.

 

Das BZG gilt für alle an Sonntagen und Feiertagen ausgeübte Tätigkeiten, die der Gewerbeordnung in deren jeweils geltenden Fassung unterliegen (vgl § 1 BZG).

 

Tatsächlich ist der gegenständliche Sachverhalt jedoch nicht unter dieses Gesetz, sondern unter das Öffnungszeitengesetz 2003, BGBl I 48 idF BGBl I 2004/151, zu subsumieren. Dieses Gesetz gilt, sofern sich nach § 2 nicht anderes ergibt, für alle ständigen und nichtständigen für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Betriebseinrichtungen (Läden und sonstige Verkaufsstellen) von Unternehmungen, die der Gewerbeordnung 1994 unterliegen (§ 1 Abs 1 Öffnungszeitengesetz 2003).

 

Eine eigenständige Regelung der Öffnungszeiten  von Verkaufsstellen war auf Grund der vielen Besonderheiten, welchen Betriebseinrichtungen, in denen Waren im ?Kleinverkauf? abgegeben werden (Läden und sonstige Verkaufsstellen) unterliegen, erforderlich. Das Sonn- und Feiertagsbetriebszeitengesetz gilt zwar mit Ausnahme der im BZG angeführten Ausnahmen auch für Verkaufsstellen iSd Öffnungszeitengesetz 2003, kommt aber auf Grund der speziellen Bestimmung des Öffnungszeitengesetz 2003 (idR) nicht mehr zu Anwendung (Nöstlinger, Öffnungszeitengesetz 2003, Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz, 2005, 98).

 

Erfüllt also ein Gewerbebetrieb die in § 1 Abs 1 Öffnungszeitengesetz 2003 normierten Voraussetzungen, gilt für diesen Betrieb in Bezug auf die Regelung der Öffnungszeiten das Öffnungszeitengesetz 2003 als lex specialis.

 

Nach § 3 Öffnungszeitengesetz 2003 regelt dieses Bundesgesetz das Offenhalten von Verkaufsstellen (§ 1). An Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, an Feiertagen (§ 7 Abs 2 des Arbeitsruhegesetzes) und an Montagen bis 5 Uhr sind die Verkaufsstellen, soweit sich nicht nach den folgenden Bestimmungen anderes ergibt, geschlossen zu halten.

 

Das Öffnungszeitengesetz 2003 gibt den äußeren Rahmen für die zulässigen Öffnungszeiten vor. Durch Verordnung des Landeshauptmannes kann dieser Rahmen erweitert oder eingeengt werden (vgl etwa die Tiroler Öffnungszeitenverordnung 2003, LGBl 71 idF LGBL 2005/21, bzw. § 6 Abs 2 BZG, wonach die im angefochtenen Straferkenntnis zitierte Tiroler Wochenend- und Feiertagsbetriebszeiten-Verordnung 1999, LGBl 59, als Verordnung gemäß § 5 Abs 2 und 4 des Öffnungszeitengesetz 2003 gilt).

 

Aufgrund des Akteninhaltes liegt gegenständlich eine Betriebseinrichtung (Verkaufsstand) für den Kleinverkauf von Waren im Sinne des § 1 Abs 1 Öffnungszeitengesetz 2003 vor und käme daher allenfalls ein Verstoß gegen § 3 Öffnungszeitengesetz in Frage.

 

Der Berufungsbehörde bleibt es zwar grundsätzlich unbenommenen, einen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht anders als die Erstbehörde zu würdigen. Das setzt jedoch eine ausreichende Beschreibung des entsprechenden Tatbildes voraus. Diese Voraussetzung ist gegenständlich jedoch nicht gegeben. Strafbar nach dem § 3 Öffnungszeitengesetz 2003 ist ua, wer eine Verkaufsstelle (§ 1) an Sonntagen und an Feiertagen offen hält und  dafür keine Sonderregelung (VO des Landeshauptmannes nach § 5) vorliegt.

 

Verkaufsstellen sind aber nur jene ständigen und nichtständigen für den Kleinverkauf von Waren bestimmte Betriebseinrichtungen, die der GewO 1994 unterliegen. Mit der seitens der Behörde I. Instanz gewählten Umschreibung des Tatbildes ist nun eine einwandfreie Subsumtion unter die oben zitierte Strafnorm nicht möglich. Allein die Ausübung des Handelsgewerbes (in einer Betriebsstätte zum Verkauf von Waren)  sagt nämlich noch nichts darüber aus, ob tatsächlich ein Kleinverkauf von Waren über eine Verkaufsstelle vorliegt. Auch hier gilt das zu Faktum 1. des angefochtenen Straferkenntnisses Ausgeführte und käme eine diesbezügliche Konkretisierung des Strafvorwurfes einer (unzulässigen) Auswechslung der Tat gleich und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Hingewiesen werden darf auch in Bezug auf dieses Faktum, dass das Öffnungszeitengesetz 2003 nur für Unternehmen gilt, die der GewO 1994 unterliegen. Hier wäre daher ebenfalls auf den Einwand der Beschuldigten, sie fiele als Landwirtin  gar nicht unter die GewO 1994, näher einzugehen und wäre der Tatvorwurf auch diesbezüglich zu konkretisieren.

Schlagworte
Zu, bemerken, bleibt, dass, nach, Ansicht, der Berufungsbehörde, eine, nähere, Konkretisierung, des Tatvorwurfes, auch, deshalb, erforderlich, erscheint, zumal, die Verantwortung, der, Beschuldigten, sie, habe, kein ?Gewerbe?, ausgeübt, in, Anbetracht, der Ausnahmebestimmung, des § 2 Abs 4 GewO 1994, des Umstandes, dass, die Beschuldigte, Landwirtin, ist, zumindest, nicht, von, vornherein, unschlüssig, ist
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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