Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg erlässt durch das Einzelmitglied Mag. Thomas Thaller über die Berufung von Herrn Peter F., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. K., Wien, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 01.09.2005, Zahl 30606/369-3947-2005, folgendes
ERKENNTNIS:
1. Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG wird der Berufung teilweise Folge gegeben und Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses einschließlich des diesbezüglichen Kostenspruches aufgehoben. Das Verwaltungsstrafverfahren zu Spruchpunkt 1. wird gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
2. Der Berufung zu Spruchpunkt 2. wird dagegen keine Folge gegeben und dieser Spruchpunkt mit der Maßgabe vollinhaltlich bestätigt, dass die näheren Angaben im Tatvorwurf zu lauten haben: ?Sie haben unmittelbar vor bzw. in einer unübersichtlichen Kurve ein mehrspuriges KFZ überholt.?
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Beschuldigte zu Spruchpunkt 2. außer dem Kostenbeitrag zum erstinstanzlichen Verfahren (? 14,50) einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von ?
29,00 zu leisten.
Weiters hat der Beschuldigte gemäß § 77 Abs 2 AVG iVm § 1 Z 1 lit a Landes- und Gemeindekommissionsgebührenverordnung 2002 für den durchgeführten Lokalaugenschein am 2.2.2006 Kommissionsgebühren in Höhe von ? 13,00 (ein Amtsorgan eine halbe Stunde) zu entrichten.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wird dem Beschuldigten Folgendes vorgeworfen:
?Angaben zu den Taten:
Zeit der Begehung: 29.03.2005,15:00 Uhr
Ort der Begehung: Lofer, B 178, bei Str.-KM 057,400 zwischen
Halleinstein und Brendt
Fahrzeug: Sonstiges Fahrzeug, W-.. (A)
1. Sie haben als Lenker eines Fahrzeuges überholt, obwohl andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden konnten. Nähere Angaben: der entgegenkommende KFZ Lenker musste stark abbremsen um eine Kollision zu vermeiden.
2. Sie haben als Fahrzeuglenker auf einer unübersichtlichen
Straßenstelle überholt. Nähere Angaben: Sie haben unmittelbar vor einer Kurve ein mehrspuriges KFZ überholt.
Sie haben dadurch folgende Verwaltungsübertretungen begangen:
1. Übertretung gemäß § 16(1)a Straßenverkehrsordnung
2. Übertretung gemäß § 16(2)b Straßenverkehrsordnung
Deshalb werden gegen Sie folgende Verwaltungsstrafen verhängt:
1.
Strafe gemäß: § 99(3)a Straßenverkehrsordnung
Euro 145,00
Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden
2.
Strafe gemäß: § 99(3)a Straßenverkehrsordnung
Euro 145,00
Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden?
Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte durch seinen
Rechtsvertreter nachstehende Berufung eingebracht:
?Der Beschuldigte erhebt gegen das wider ihn ergangene Straferkenntnis der BH Zell/See vom 01.09.2005, GZ 30606/369-3947- 2005, zugestellt am 06.09.2005, binnen offener Frist nachstehende
BERUFUNG
an den Unabhängigen Verwaltungssenat Salzburg und ficht dieses Straferkenntnis zur Gänze an.
Geltend gemacht werden insbesondere die Berufungsgründe der wesentlichen Verfahrensmängel, der unrichtigen Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung.
I. Der Spruch der Strafverfügung entspricht nicht den Inhaltserfordernissen des § 44 a VStG. Gemäß Ziffer 1 der zitierten Vorschrift hat der Spruch eines Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat zu bezeichnen.
Im Spruch des Straferkenntnisses heißt es zu den Tatvorwürfen:
Angaben zu den Taten:
Zeit der Begehung: 29.03.2005, 15 Uhr
Ort der Begehung: Lofer, B 178, bei Straßenkilometer 057,400
zwischen Hallenstein und Brent
Fahrzeug: sonstiges Fahrzeug, W-.. (A)
Die wider den Beschuldigten erhobenen Vorwürfe lauten im Spruch wie folgt:
1. Sie haben als Lenker eines Fahrzeuges überholt, obwohl andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden, nähere Angaben: entgegenkommender Kfz-Lenker mussten stark abbremsen um eine Kollision zu vermeiden.
2. Sie haben als Fahrzeuglenker auf einer unübersichtlichen Straßenstelle überholt. Nähere Angaben: sie haben unmittelbar vor einer Kurve ein mehrspuriges Kfz überholt.
Dem Spruch des Straferkenntnisses ist somit nicht zu entnehmen, in welcher Fahrtrichtung der Beschuldigte gefahren sein soll. Dies wäre jedoch wesentlich zur Überprüfung des Tatvorwurfes gewesen, sodass die als erwiesen angenommene Tat im Spruch nicht hinreichend bezeichnet ist.
II. Darüber hinaus ist das Verfahren deshalb mangelhaft geblieben, weil die erkennende Behörde im Verfahren zwar die Stellungnahmen der einschreitenden Gendarmeriebeamten eingeholt hat, aber alle (!) weiteren, potentiell der Widerlegung der wider ihn erhobenen Vorwürfe dienenden Beweisanträge (Durchführung eines Ortsaugenscheins; Einvernahme der Zeugin Dr. W.; Einholung eines KFZ-SVGutachtens, eines Straßenbauplans vom Land Salzburg, Fachabteilung für Straßenbau, Postfach 527, 5010 Salzburg; Auftrag an die Meldeleger eine maßgerechte Skizze anzufertigen) des Beschuldigten in einer an Willkür grenzenden Art und Weise stillschweigend übergangen bzw. nicht erledigt hat. Dazu kommt, dass sich die erkennende Behörde mit dem Vorbringen des Beschuldigten in keiner Weise inhaltlich auseinandergesetzt hat, sondern vielmehr seine Einwände pauschal als ?Schutzbehauptungen" qualifiziert hat, ohne sich auch nur der Mühe unterzogen zu haben, dies im verurteilenden Erkenntnis in irgendeiner Form zu begründen. Das Verfahren und das verurteilende Erkenntnis selbst sind daher schon aus diesem Grund mangelbehaftet.
Hätte die erkennende Behörde die beantragten Beweise eingeholt, und zwar insbesondere den beantragten Lokalaugenschein durchgeführt, den Straßenbauplan vom Land Salzburg, Fachabteilung für Straßenbau, Postfach 527, 5010 Salzburg eingeholt und einen KFZ-SV beigezogen, so hätte sich durch die Aufnahme dieser Beweismittel ergeben können, dass die Sichtweite für das vom Beschuldigten durchgeführte Überholmanöver ausreichend war und der Beschuldigte nicht an einer unübersichtlichen Kurve überholt hat. Die Durchführung eines Lokalaugenscheines und die Beiziehung eines KFZ-SV wären zur erschöpfenden Klärung der entscheidenden Tatfragen auch deshalb erforderlich gewesen, weil die Angaben der einschreitenden Gendarmeriebeamten in sich widersprüchlich geblieben sind und einer Aufklärung vor Ort unter Beiziehung eines KFZ-SV bedurft hätten; Hatte der Meldungsleger in seiner Anzeige vom 31.03.05 noch behauptet, dass er sein Fahrzeug exakt auf der Höhe von StrKM 57,400 hatte abbremsen müssen, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme vom 08.06.2005 plötzlich, dass der Beschuldigte bei Straßenkilometer 57,400 überholt hätte. Diese Angaben sind offensichtlich miteinander unvereinbar. Es wäre daher zur Aufklärung dieser Widersprüche erforderlich gewesen, die beantragten Beweismittel einzuholen. Zudem hätte sich die erkennende Behörde im Rahmen der Durchführung eines Lokalaugenscheins davon überzeugen können, dass die Markierung ?Straßenkilometer 57.400" auf der B 178 an einer Position angebracht ist, von welcher aus mehrere hundert Meter Sicht in beiden Fahrtrichtungen möglich ist. Dies wäre aber entscheidungswesentlich gewesen, weil die wider den Beschuldigten erhobene Anschuldigung, er hätte unmittelbar vor einer Kurve ein mehrspuriges Fahrzeug überholt, widerlegt werden könnte.
Nicht nachvollziehbar ist ferner, warum die erkennende Behörde die aufgezeigten Widersprüche in den Aussagen der Meldeleger übergeht und diese dem bekämpften Straferkenntnis zugrunde legt. Bezeichnenderweise wird dies auch nicht inhaltlich begründet, sondern begnügt sich die erkennende Behörde mit der Pauschalbegründung, die Beamten verfügten ?über langjährige Außendiensterfahrung (Seite 6 des Straferkenntnisses). Dazu ist festzuhalten, dass langjährige Außendiensterfahrung zwar auf eine gewisse allgemeine Erfahrung hindeutet, für sich alleine genommen aber kein hinreichendes Entscheidungskriterium zur Beurteilung der Verlässlichkeit einer Aussage in einem speziellen Fall sein kann. Dies insbesondere dann nicht, wenn - wie im gegenständlichen Fall
-
die gemachten Aussagen in sich widersprüchlich sind, bzw. von
den Meldelegern selbst nachträglich relativiert werden. Zudem ergibt sich aus dem Akteninhalt - soweit er dem Beschuldigten zur Kenntnis gebracht wurde - nicht, dass die Meldeleger überhaupt über ?langjährige Außendiensterfahrung" verfügen. Die erkennende Behörde stellt dies entweder einfach in den Raum oder aber greift
-
unzulässigerweise - zum Nachteil des Beschuldigten auf
Erkenntnisquellen/Beweismittel zurück, die dem Beschuldigten nicht zur Kenntnis gebracht worden sind.
Mit den Einwänden des Beschuldigten hat sich die erkennende Behörde in keiner Weise auseinandergesetzt, sondern ergeht sich in ihrer Entscheidungsbegründung einzig und alleine in langwierigen Ausführungen zum Schutzzweck der Normen der §§ 16 Abs. 1 a StVO und 16 Abs. 2 b StVO, die - abstrakt - durchaus richtig sein mögen oder auch nicht, aber jedenfalls mit der Frage, ob der Beschuldigte die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen überhaupt begangen hat, aber auch nicht das geringste zu tun haben.
Insbesondere hat sich die erkennende Behörde nicht mit dem Einwand des Beschuldigten auseinandergesetzt, er hätte auf gerade Strecke bei mehreren hundert Metern Sicht und ohne Gegenverkehr mit seinem Kraftfahrzeug ordnungsgemäß ein Überholmanöver eingeleitet, wobei zu keiner Zeit ein Überholverbot noch eine Geschwindigkeitsbeschränkung bestanden hat. Da das zu überholende mehrspurige Kfz mit ca. 60 km/h unterwegs war und der Einschreiter den Überholvorgang mit ca. 100 km/h durchgeführt hat, wäre - insbesondere angesichts der Tatsache, dass es sich beim Fahrzeug des Beschuldigten um einen 240 PS starken Geländewagen der Marke ?Tuarek" handelt und über ein entsprechend hohes Beschleunigungsvermögen verfügt - ein sicheres Überholmanöver aber jedenfalls gewährleistet gewesen.
Auch dies hätte die einschreitende Behörde erkannt, wenn sie die beantragten Beweise eingeholt hätte, insbesondere wenn ein Lokalaugenschein durchgeführt worden wäre und sie ein Gutachten eines Sachverständigen aus dem Bereich des KFZ-Wesens, welches zu diesem Beweisthema beantragt worden war, eingeholt hätte. Gleichfalls hätte sich dies für die Behörde ergeben müssen, wenn sie zumindest die Zeugin Dr. Elisabeth Winternitz, die die Beifahrerin des Beschuldigten war, eingeholt hätte. Dieses Versäumnis, die Zeugin nicht zu befragen, wirkt umso schwerer, als dieser Beweis nicht mehr nachgeholt werden kann, da Frau Dr. Winternitz zwischenzeitig verstorben ist.
Weiters hat sich die Behörde in keiner Weise mit dem Einwand des Beschuldigten auseinandergesetzt, dass es für die Beamten bei objektiver Betrachtung überhaupt nicht notwendig gewesen wäre, ein Bremsmanöver einzuleiten, um eine Kollision zu verhindern, da zu keiner Zeit die Gefahr einer Kollision bestand, zumal der Überholvorgang nicht an einer unübersichtlichen Stelle durchgeführt wurde.
Hätte sich die erkennende Behörde - wie vom Beschuldigten beantragt - der Mühe unterzogen, beim Straßenkilometer 057,400 auf der B 178 einen Lokalaugschein durchzuführen oder auch nur einen Straßenbauplan von der Fachabteilung für Straßenbau des Landes Salzburg einzuholen, hätte die Behörde auch erkannt, dass am gegenständlichen Ort freie Sicht bestanden hat und die Angaben der Meldungsleger daher nicht den Tatsachen entsprechen.
Auch hat sich die erkennende Behörde in keiner Weise mit dem Einwand des Beschuldigten auseinandergesetzt, dass die Aussagen des Meldungslegers in der Strafanzeige nicht mit seinen Angaben in seiner am 08.06.2005 abgegeben schriftlichen Stellungnahme übereinstimmen. Die beiden Angaben des Meldungslegers widersprechen sich insbesondere deshalb, weil in der Anzeige vom 31.03.2005 die Behauptung aufgestellt wird, dass er exakt bei Straßenkilometer 057,400, stark abbremsen musste und andererseits in der Aussage vom 08.06.2005 angegeben worden ist, dass er unmittelbar nach der unübersichtlichen Rechtskurve stark abbremsen musste. Wären die Angaben des Meldungslegers richtig gewesen, hätte dies bedeutet, dass es exakt bei Straßenkilometer 57,400 zu einer Frontalkollision zwischen dem Beschuldigtenfahrzeug und dem Fahrzeug des Meldungslegers hätte kommen müssen. Dies war aber offensichtlich nicht der Fall, sodass die Angaben der Meldeleger nicht zutreffend sein können.
Den Beweisantrag auf neuerliche Einvernahme des Meldungslegers, die notwendig gewesen wäre um die aufgezeigten Widersprüche zu klären, hat die erkennende Behörde nur insofern entsprochen, als sie den Meldungsleger Josef S. einvernommen hat. Dessen Stellungnahme vom 08.06.2005, enthält aber wiederum ungenaue Angaben und Widersprüche, welche von der erkennenden Behörde nicht beachtet wurden. Insbesondere war an den Angaben des Meldungslegers in dieser Stellungnahme unklar, wo genau sich die angebliche unübersichtliche Rechtskurve befinden soll und was der Meldungsleger damit meint, wenn er in Bezug auf den Überholvorgang des Beschuldigten ausgesagt hat, ?genau in diesem Moment". Zur Konkretisierung und Nachvollziehbarmachung der Aussage des Meldungslegers hat die Beschuldigte beantragt, dem Meldungsleger aufzutragen, eine detaillierte Skizze vorzulegen, an Hand deren sich seine Angaben verifizieren lassen. Weiters hat es die Behörde unterlassen, einen Ortaugenschein durchzuführen, um zu klären ob es sich and er Straßenstelle bei Kilometer 57,400 tatsächlich eine unübersichtliche Kurve befindet.
Aus all diesen Gründen hält der Beschuldigte die im Verfahren nicht erledigten Beweisanträge (mit Ausnahme der Einvernahme der zwischenzeitig verstorbenen Zeugin Dr. Elisabeth Winternitz) auch im Berufungsverfahren aufrecht und beantragt, insbesondere zum Beweis dafür, dass es 1.) am angeblichen Tatort keine unübersichtliche Kurve gibt, 2.) dass der Beschuldigte nicht an einer unübersichtlichen Straßenstelle überholt hat und 3.) dass er beim gegenständlichen Überholvorgang die Meldeleger nicht behindert oder gefährdet hat, die Einholung eines KFZ-SV Gutachtens, die Durchführung eines Lokalaugescheins sowie die neuerliche Einvernahme der Meldungsleger unter Hinweis auf die aufgezeigten Widersprüche in ihren bisherigen Aussagen, wobei ihnen insbesondere aufgetragen werden möge, eine maßgerechte Skizze des angeblichen Tatortes anzufertigen, aus der sich insbesondere die von den beteiligten Fahrzeugen eingehaltenen Fahrlinien ergeben. Weiters möge ihnen aufgetragen werden, ein Zeit-Weg-Diagramm zu erstellen, aus dem der Überholvorgang des Beschuldigten und das Fahrverhalten der Meldeleger ersichtlich sind.
Zudem ist die verhängte Strafe (inklusive Kosten) in Höhe von ?
319,- den persönlichen Vermögensverhältnissen des Beschuldigten, auf weiche gemäß § 19 Abs. 2 VStG Bedacht zu nehmen ist, nicht angemessen. Der Beschuldigte ist für einen 17jährigen Sohn sorgepflichtig. Es wird daher die Strafe entsprechend herabzusetzen sein. Zum Beweis dafür wird auch die Einvernahme des Beschuldigten beantragt.
Der Beschuldigte stellt daher den
ANTRAG
Der UVS Salzburg wolle,
1. eine mündliche Berufungsverhandlung durchführen, die beantragten Beweise zu den genannten Beweisthemen aufnehmen und dabei insbesondere einen Lokalaugenschein in Loffer, auf der B 178 bei Straßenkilometer 057,400 zwischen Hallenstein und Brent unter Beiziehung eine Kfz-technischen Sachverständigen und unter Ladung des Beschuldigten sowie den Meldungsleger durchzuführen und zwar zum Beweis dafür, dass der Beschuldigte an der genanten Stelle weder ein entgegenkommendes Fahrzeug gefährdet oder behindert hat, noch dass er an einer unübersichtlichen Straßenstelle überholt hat,
2. und das wider den Beschuldigten geführte Verwaltungsstrafverfahren einstellen,
in eventu:
3. den Beschuldigten unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen,
in eventu:
4. die wider den Beschuldigten verhängte Geldstrafe herabsetzen.
5. Die Verwaltungsstrafsache zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde I. Instanz zurückzuweisen.?
In der Sache fand am 2.2.2006 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung statt. Dabei wurde auf der Loferer Straße B 178 im Bereich Straßenkilometer 57,4 ein Lokalaugenschein durchgeführt und der Anzeiger als Zeuge einvernommen. Der Beschuldigte ist zur Verhandlung nicht erschienen.
Der Zeuge gab in seiner Einvernahme an, dass er damals mit dem Dienstfahrzeug auf der B 178 aus Richtung Unken gekommen sei. Als er sich ca. 80 ? 100 m vor Straßenkilometer 57,4 befunden habe, habe er den Pkw des Beschuldigten erkannt als dieser auf Höhe Straßenkilometer 57,4 gerade ein anderes Fahrzeug überholt habe. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Beschuldigte auf der Gegenfahrbahn auf gleicher Höhe mit dem zu überholenden Fahrzeug befunden. Der Zeuge habe daraufhin sofort eine Vollbremsung bis zum Stillstand des Fahrzeuges eingeleitet um eine Kollision mit dem entgegenkommenden überholenden Fahrzeug des Beschuldigten zu vermeiden. Dieser habe sich dann noch vor dem Dienstfahrzeug des Beamten wieder auf den rechten Fahrstreifen zurück gereiht. Der Zeuge habe dann bei der nächsten Möglichkeit sein Fahrzeug gewendet und sei dem Beschuldigtenfahrzeug nachgefahren. Er habe dabei auch das Blaulicht eingeschaltet. Im Bereich Reith habe er das Beschuldigtenfahrzeug anhalten können. Bei der vorliegenden Kurve handelt es sich um eine unübersichtliche Kurve und habe der Überholvorgang schon vor bzw. im Bereich der Kurve begonnen.
Vom Verhandlungsleiter wurden von der Tatörtlichkeit mehrere Digitalfotos angefertigt, während die Strecke aus Sicht des Beschuldigten abgefahren wurde.
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg hat in einer gemäß § 51c VStG durch ein Einzelmitglied zu treffenden Berufungsentscheidung festgestellt und erwogen:
Für die Berufungsbehörde steht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens fest, dass der Beschuldigte zur vorgeworfenen Tatzeit mit seinem Pkw auf der B 178 von Lofer kommend Richtung Unken fuhr und dabei in bzw. kurz vor der unübersichtlichen Rechtskurve ca. 150 ? 200 m vor Straßenkilometer 57,4 zum Überholen eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges ansetzte. Bei Straßenkilometer 57,4, welcher sich am Ende der unübersichtlichen Kurve befindet, befand er sich auf dem Gegenfahrstreifen auf gleicher Höhe mit zu überholenden Fahrzeug. Zu diesem Zeitpunkt kam ihm aus Richtung Unken der Meldungsleger GrpInsp. S. mit seinem Dienstfahrzeug entgegen, welcher ca. 80 bis 100 m entfernt war. Der Beamte musste eine Vollbremsung bis zum Stillstand des Fahrzeuges einlegen um eine Kollision mit dem Beschuldigten zu vermeiden. Zum Zeitpunkt des Beginnes des Überholvorganges unmittelbar vor bzw. in der Kurve war der Gegenverkehr auf Grund des unübersichtlichen Kurvenverlaufes für den Beschuldigten nicht erkennbar.
Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die glaubwürdige Zeugenaussage des einvernommenen Beamten und den durchgeführten Lokalaugenschein. Für die Berufungsbehörde hat sich eindeutig ergeben, dass der Beschuldigte den angezeigten Überholvorgang jedenfalls kurz vor bzw. in der erwähnten Kurve begonnen hat. Dass es sich dabei um eine unübersichtliche Rechtskurve handelt, hat der Lokalaugenschein klar ergeben und ist auch aus den anlässlich des Lokaltermines angefertigten Fotos gut ersichtlich. Die Berufungsbehörde hegt daher keine Zweifel an den Aussagen des Beamten, dass dieser eine Vollbremsung bis zum Stillstand einleiten musste, um eine Kollision mit dem entgegenkommenden überholenden Fahrzeug des Beschuldigten zu vermeiden. Das diesbezügliche Berufungsvorbringen geht somit ins Leere. Da der vorliegende Überholvorgang somit vor bzw. in einer unübersichtlichen Kurve begonnen und erst nach der Kurve beendet wurde, ist auch die vorgeworfene Übertretung zu Spruchpunkt 2. (§ 16 Abs 2 lit b StVO) als erwiesen anzunehmen.
Die Übertretung zu Spruchpunkt 1. (§ 16 Abs 1 lit a StVO) liegt nach dem vorliegend festgestellten Sachverhalt aber nicht vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht das sich aus der Bestimmung des § 16 Abs 1 lit a StVO ergebende Tatbild darin, dass der Lenker eines Fahrzeuges einen Überholvorgang ungeachtet dessen, dass andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden könnten, durchführt, in dem er mit dem Überholen beginnt oder den Überholvorgang nicht abbricht, solange dies noch möglich ist. Es kommt daher bei dieser Bestimmung auf ein für den Fahrzeuglenker erkennbares Gefährden können anderer Straßenbenützer bei Beginn des Überholvorganges bzw. was das Abbrechen eines Überholvorganges anlangt, während dieses Vorganges an (z.B. VwGH 20.3.1996, 94/03/0103 mwN).
Bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt bedeutet dies, dass der Beschuldigte bei Beginn seines Überholvorganges in bzw. kurz vor der Rechtskurve den Gegenverkehr (insbesondere das Fahrzeug des Meldungslegers) auf Grund des unübersichtlichen Kurvenverlaufes nicht erkennen konnte. Der Gegenverkehr war für ihn erst am Ende der Kurve erkennbar als er sich bereits auf gleicher Höhe des zu überholenden Fahrzeuges befunden hat, sodass auch ein Abbruch des Überholvorganges nicht mehr möglich war. Die Subsumtion des festgestellten Sachverhaltes unter § 16 Abs 1 lit a StVO kommt somit nach der erwähnten höchstgerichtlichen Judikatur nicht in Betracht.
Spruchpunkt 1 war daher zu beheben, während Spruchpunkt 2. vollinhaltlich zu bestätigen war.
Zur Strafbemessung zu Spruchpunkt 2. ist festzuhalten:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nach Abs 2 dieser Norm sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und ist auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden und die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO ist für die vorliegende Übertretung eine Geldstrafe bis zu ? 726,00 vorgesehen. Im vorliegenden Fall ist es zu einer tatsächlichen Gefährdung des Gegenverkehrs gekommen, wobei nach Ansicht der Berufungsbehörde schon von besonders gefährlichen Verhältnissen gesprochen werden kann. Der Übertretung liegt daher ein beträchtlicher Unrechtsgehalt zu Grunde.
Bei subjektiver Strafbemessung ist als mildernd die bisherige Unbescholtenheit des Beschuldigten zu werten. Angaben zu seinen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse hat der Beschuldigte nicht gemacht, so dass jedenfalls von einer durchschnittlichen Situation ausgegangen wird.
Insgesamt erweist sich nach Ansicht der Berufungsbehörde die mit ?
145,00 ohnedies im unteren Bereich des Strafrahmens verhängte Geldstrafe keinesfalls als unangemessen. In Anbetracht des vorliegenden Unrechtsgehaltes (Gefährdung des Gegenverkehrs) wäre nach Ansicht der Berufungsbehörde sogar eine strengere Geldstrafe gerechtfertigt gewesen. Auf Grund des Verbotes der reformatio in peius war aber die vorliegend verhängte Geldstrafe zu bestätigen.