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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art138 Abs1 litaLeitsatz
Zuständigkeit der Agrarbehörde zur Vornahme einer nicht verbücherungsfähigen Benützungsregelung mit bloß obligatorischer Wirkung; Einbeziehung der im Sinne der Flurverfassung in Anspruch genommenen Grundstücke in das ZusammenlegungsverfahrenSpruch
Zur Entscheidung über das Begehren der antragstellenden Verlassenschaft, eine (gerichtliche oder verwaltungsbehördliche) Regelung hinsichtlich der Benützung der Liegenschaft in Einlagezahl 639, Grundbuch 86021 Lechaschau (Grundstücke Nr. 981/1 und 981/4), vorzunehmen, ist das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz zuständig.
Der entgegenstehende Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz vom 6. Mai 1997, Zl. IIIb2-ZH-325/67, wird aufgehoben.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Dem Parteienvorbringen und den vorgelegten Akten zufolge ist beim Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz für die landwirtschaftlichen Grundstücke von Lechaschau (Tirol) ein Grundzusammenlegungsverfahren nach dem Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (TFLG 1996), LGBl. 74, anhängig (Verordnung dieser Agrarbehörde vom 3. Mai 1995, Zl. IIIb2-ZH-325/20). In dieses Verfahren wurde das Grundstück Nr. 981/1 mit einem Flächenausmaß von 751 m2 (bebaut mit dem Haus ...) und das Grundstück Nr. 981/4 mit einem Flächenausmaß von 5 m2, beide in Einlagezahl 639, Grundbuch 86021 Lechaschau, einbezogen.
Diese Liegenschaft steht zur Hälfte im Eigentum der antragstellenden Verlassenschaft (im folgenden kurz: Antragstellerin) und zur anderen Hälfte in jenem von L.R.
b) Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 24. Februar 1997 beim Bezirksgericht Reutte die Vornahme einer gerichtlichen Benützungsregelung in Ansehung der erwähnten Liegenschaft. Primär wurde begehrt, der Miteigentümerin L.R. die alleinige Nutzung der Räumlichkeiten im Parterre des Hauses ... und der Antragstellerin die alleinige Nutzung aller Räumlichkeiten im ersten Stock zuzuweisen. In eventu wird beantragt, der Miteigentümerin L.R. die alleinige Nutzung des gesamten Anwesens gegen Zahlung eines angemessenen Benützungsentgeltes für den Hälfteanteil der Antragstellerin zuzuweisen.
Das Bezirksgericht Reutte wies mit Beschluß vom 27. Februar 1997, Zl. 2 Nc 34/97 i-2, diesen Antrag wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück und begründete dies wie folgt:
"Mit dem am 25.2.1997 beim Bezirksgericht Reutte eingelangten Antrag begehrt die Antragstellerseite die gerichtliche Benützungsregelung hinsichtlich der aus dem Spruch ersichtlichen Liegenschaft.
Aus dem von Amts wegen eingeholten Grundbuchsauszug betreffend die Liegenschaft in EZl. 639 des Grundbuches 86021 Lechaschau ergibt sich, daß hinsichtlich dieser Liegenschaft zu A2-LNr.3a die Einleitung des Zusammenlegungsverfahrens (Zl. IIIb2-ZH-325/20) angemerkt ist.
Nach §72 Abs4 des Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes 1978 (WV LGBl. 74/1996) erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde von der Einleitung eines Zusammenlegungsverfahrens auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Nach Abs5 dieser Vorschrift erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde insbesondere auf Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken.
Wie vom Verfassungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen, handelt es sich bei den auf dem §34 Abs4 FlVfGG 1951 beruhenden landesgesetzlichen Bestimmungen wie hier des §72 Abs5 TFLG 1978 um eine Sondervorschrift, die nach dem Motivenbericht eine Erweiterung der Zuständigkeit über die Bestimmung des vorherigen Absatzes hinaus beinhaltet, sodaß jeder Streit über Eigentum und Besitz vor die Agrarbehörden gehört, sofern die betroffenen Grundstücke nur überhaupt in das Zusammenlegungsverfahren einbezogen sind. Den selben Standpunkt hat auch der Oberste Gerichtshof mehrfach vertreten (Vgl. SZ 59/212 m.w.N.).
Mit dem vorliegenden Antrag wird von Antragstellerseite eine gerichtliche Regelung hinsichtlich der Benützung der in das Zusammenlegungsverfahren einbezogenen Liegenschaft begehrt, und es handelt sich somit um eine Streitigkeit betreffend den (Rechts-)Besitz hinsichtlich dieser Liegenschaft (vgl. die in MGA ABGB, 34. Aufl., E4 und E 5 zu §311 ABGB angeführten Entscheidungen).
An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, daß eine Regelung hinsichtlich der Benützung des auf der Liegenschaft vorhandenen Hauses begehrt wird, sondern ist auch dies als Streitigkeit über die Benützung des in das Zusammenlegungsverfahren einbezogenen Grundstückes zu werten (vgl. den Fall einer begehrten Räumung eines Tennengebäudes: SZ 59/212).
Da es sich somit im vorliegenden Verfahren um eine Streitigkeit über das Bestehen und den Umfang des (künftigen) Besitzes an der vorgenannten, in ein Zusammenlegungsverfahren einbezogenen Liegenschaft handelt, erweist sich die Zulässigkeit des Rechtsweges für diese Streitigkeit infolge der ausdrücklichen Bestimmung des §72 Abs5 TFLG 1978 als nicht gegeben, weshalb der vorliegende Antrag zurückzuweisen war."
c) Mit Eingabe vom 20. März 1997 richtete die Antragstellerin an das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz hinsichtlich der in Rede stehenden Liegenschaft den Antrag auf Vornahme einer Benützungsregelung. Haupt- und Eventualantrag entsprachen jenem Begehren, das zuvor beim Bezirksgericht Reutte gestellt worden war (s. die vorstehende litb).
Die Agrarbehörde wies mit Bescheid vom 6. Mai 1997, Zl. IIIb2-ZH-325/67, den Hauptantrag und den Eventualantrag gemäß §72 Abs4 und 5 TFLG 1996 (s. unten, Pkt. III) wegen Unzuständigkeit zurück. Zur Begründung führte sie aus:
"Mit Antrag vom 27.(richtig: 20.)3.1997 beantragte die
Verlassenschaft nach K.R. die Benützungsregelung der Liegenschaft
in EZ 639 KG. Lechaschau, bestehend aus Gst 981/1 samt dem darauf
errichteten Haus ... und Gst 981/4 in der Weise, daß der
Miteigentümerin L. R. die alleinige Nutzung der Räumlichkeiten im
Parterre des Hauses ... und der Verlassenschaft nach K. R. die
alleinige Nutzung aller Räumlichkeiten im ersten Stock dieses
Hauses mit Ausnahme der allgemeinen Teile zugewiesen wird und
weiters je ein Garagenplatz einem Miteigentümer zur
ausschließlichen Nutzung zur Verfügung gestellt wird. In eventu
beantragte die Verlassenschaft nach K. R. der Antragsgegnerin
L. R. die alleinige Nutzung des gesamten Anwesens in EZ 639 gegen
Zahlung eines angemessenen Benützungsentgeltes in der Höhe von
S 7.000,-- netto monatlich ab Antragstellung zuzuweisen.
Der Antragsteller begründete seinen Antrag im wesentlichen damit, daß er sich bereits um eine außergerichtliche Benützungsregelung bzw. Vereinbarung mit der Antragsgegnerin über die Verwendung des Hauses ... in Lechaschau bemüht habe. Dies sei jedoch gescheitert, sodaß nunmehr eine Benützungsregelung der gemeinschaftlichen Liegenschaft erforderlich sei. Eine zu diskutierende Variante sei, der Miteigentümerin L. R. die ausschließliche und alleinige Benutzung der gesamten Liegenschaft in EZ 639 gegen Bezahlung eines Benützungsentgeltes in der Höhe von S 7.000,-- zuzuweisen.
In der Gegenäußerung vom 18.4.1997 brachte die Antragsgegnerin L. R. (...) im wesentlichen vor, daß in einem Übergabsvertrag vom 12.10.1995 bereits eine schriftliche Benützungsregelung getroffen worden sei. Darüberhinaus sei die vorgeschlagene Benützungsregelung sachlich nicht gerechtfertigt, da im verfahrensgegenständlichen Objekt nur eine Küche, nur ein Bad usw. vorhanden seien. Um zwei selbständige Wohneinheiten zu schaffen, müßten umfangreiche Umbauarbeiten vorgenommen werden, die mit erheblichen finanziellen Aufwendungen verbunden seien.
Folgender Sachverhalt wurde festgestellt:
Mit Verordnung des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz vom 3.5.1995, IIIb2-ZH-325/20, wurde das Verfahren zur Zusammenlegung der landwirtschaftlichen Grundstücke von Lechaschau eingeleitet. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Reutte vom 10.5.1995, TZ 1507/95, wurde die Einleitung des Zusammenlegungsverfahrens hinsichtlich der EZ 639 im Grundbuch Lechaschau im A2-Blatt angemerkt.
Die verfahrensgegenständlichen Gst 981/1 und 981/4 liegen mitten im bebauten Ortsgebiet in Lechaschau. Beim Gst 981/1 handelt es sich um ein in Anspruch genommenes Grundstück und steht darauf das Haus ..., das Gst 981/4 ist hingegen ein unterzogenes Grundstück. Die in Anspruch genommenen Grundstücke wurden primär aus vermessungstechnischen Gründen und zur Gebietsabgrenzung des Zusammenlegungsgebietes bzw. zur Vermeidung von Enklaven in das Zusammenlegungsgebiet einbezogen.
Die Behörde hat erwogen:
Die Zuständigkeit der Agrarbehörde erstreckt sich von der Einleitung bis zum Abschluß eines Zusammenlegungsverfahrens, sofern sich aus dem Abs7 nichts anderes ergibt, auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Gemäß Abs5 dieser Gesetzesstelle bezieht sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde insbesondere auf Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken. Bei der beantragten Vornahme dieser Benützungsregelungen handelt es sich um eine Streitigkeit um Besitz oder Eigentum im Sinne des §72 Abs5 TFLG 1996. Die Agrarbehörde ist aber nur dann zuständig, wenn die privatrechtlichen Fragen einen unmittelbaren Bezug zum Inhalt und Ziel des Zusammenlegungsverfahrens haben. Aufgrund der Tatsache, daß das Gst 981/1 mit dem darauf gebauten streitgegenständlichen Wohnobjekt nur als ein in Anspruch genommenes Grundstück in das Zusammenlegungsverfahren Lechaschau einbezogen wurde, welches primär nur für vermessungstechnische Zwecke benötigt wird, ergibt sich, daß es sich beim gegenständlichen Antrag auf Benützungsregelung nicht um ein tatsächliches oder rechtliches Verhältnis handelt, das zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung in das Verfahren einbezogen werden muß. Weiterer Anhaltspunkt dafür, daß die Agrarbehörde nicht zur Vornahme für Benützungsregelungen in Wohnobjekten zuständig ist, ergibt sich aus §78 Abs1 lita TFLG 1996, welcher den Organen der Agrarbehörde das Betreten von Gebäuden verbietet.
Aus den oben genannten Gründen sieht das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz für diesen Rechtsstreit die Zuständigkeit des Gerichtes gegeben und waren sohin der Haupt- bzw. Eventualantrag des Antragstellers zurückzuweisen."
2. Mit der vorliegenden, auf §46 VerfGG (Art138 Abs1 lita B-VG) gestützten Eingabe behauptet die Antragstellerin das Vorliegen eines negativen Kompetenzkonfliktes zwischen einem Gericht und einer Verwaltungsbehörde. Sie stellt den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle den vorliegenden Kompetenzkonflikt entscheiden und entweder die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes oder des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz zur Entscheidung über den Antrag auf Vornahme einer Benützungsregelung feststellen.
3.a) Das Bezirksgericht Reutte legte den bezughabenden Akt vor und verwies anstelle einer Äußerung auf die Begründung seines Beschlusses vom 27. Februar 1997 (s.o. I.1.b).
b) Das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz legte gleichfalls die bezughabenden Akten vor und erstattete eine Äußerung. Die Behörde meint, daß der vorliegende Antrag auf Lösung des negativen Kompetenzkonfliktes zulässig sei und daß das Bezirksgericht die Kompetenz zu Unrecht abgelehnt habe. Sie stellt den Antrag, dem Gericht die Entscheidung aufzutragen und gemäß §52 VerfGG dem Bund den Ersatz der erwachsenden Prozeßkosten aufzuerlegen.
In der Sache begründet die Agrarbehörde ihre Rechtsansicht folgendermaßen:
"Rechtliche Beurteilung der Kompetenzbestimmungen:
1. In Konkretisierung und Vertiefung der Rechtsmeinung des Bescheides vom 6.5.1997, IIIb2-ZH-325/67, geht das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde 1. Instanz davon aus, daß es sich bei einem Antrag auf Vornahme einer Benützungsregelung nicht um eine Streitigkeit über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken im Sinne des §72 Abs5 lita TFLG 1996 handelt.
Benützungsvereinbarung, auch Benützungsregelungsvereinbarung, oder (rechtsgeschäftliche) Benützungsregelung ist die Zuweisung der gemeinschaftlichen Sache oder ihrer körperlich begrenzten Teile zur ausschließlichen oder gemeinsamen, auf Dauer oder zumindest auf längere Zeit bedachten Benützung an die Teilhaber und die allfällige Festlegung einer Entgeltleistung für eine ihren Anteil übersteigende Benützung (SZ 54/163 u.a.). Die Benützungsvereinbarung ist als 'außergewöhnliches Geschäft' eine wichtige Veränderung im Sinne des §834 ABGB, fordert Einstimmigkeit bzw. in deren Mangelung die Entscheidung des Außerstreitrichters (richterliche Benützungsregelung) gemäß §835 ABGB. Für Benützungsvereinbarungen schlichter Rechtsgemeinschaften gilt Vertragsfreiheit (Schwimann ABGB, Praxiskommentar, Band 3, Rz. 12 zu §834). Eine Benützungsvereinbarung hat überdies bloß obligatorische Wirkung (MGA ABGB, 34. Aufl., E 38 zu §828). §835 ABGB räumt dem jeweils Antragslegitimierten einen gesetzlichen Anspruch auf Mitwirkung des Gerichts an der Willensbildung der Gemeinschaft ein, den man als Gestaltungsantragsrecht bezeichnen könnte. Die Tätigkeit des Gerichts ist, da sie private Rechtsgestaltung ersetzt, ihrem Wesen nach eine rechtsgestaltende (Schwimann ABGB, Praxiskommentar, Band 3, RZ 32 zu §835). Daraus folgt, daß auch eine richterliche Benützungsregelung im Sinne des §835 ABGB nur eine obligatorische Wirkung entfalten kann. Dies ergibt sich insbesondere daraus, daß gemäß §9 GBG nur dingliche Rechte und Lasten, ferner das Wiederkaufs- und das Vorkaufsrecht (§§1070 und 1073 ABGB) sowie das Bestandrecht (§1095 ABGB) eingetragen werden können. Nicht eintragungsfähig ist hingegen eine Benützungsvereinbarung zwischen Miteigentümerin (MGA Grundbuchsrecht, 4. Auflage, E 180 zu §9). Diese Entscheidung hat auch für richterliche Benützungsregelungen Geltung; sie kann ebenfalls nicht verbüchert werden. Da es sich sohin um ein obligatorisches Rechtsverhältnis handelt, darf die Agrarbehörde für diese Frage keinesfalls die Zuständigkeit in Anspruch nehmen. Weiters wird dazu bemerkt, daß in der gegenständlichen Rechtssache nicht um Eigentum und Besitz gestritten wird. Dieses steht dergestalt fest, als die Verlassenschaft nach K. R. und L. R. je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer sind. Die Regelung der Benützungsverhältnisse in einem Wohnhaus ist für die Agrarbehörde im Rahmen des Zusammenlegungsverfahrens unbedeutend. Auch ist das vom BG Reutte in seinem Beschluß vom 27.2.1997 zitierte Erk. SZ 59/212 nicht vergleichbar, da es sich bei dieser Streitigkeit um ein Tennengebäude, also ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück i. S. d. §1 Abs3 TFLG 1996 handelte. Aus diesen Gründen ist nach Rechtsansicht des Amtes der Tiroler Landesregierung gemäß §1 JN die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben.
2. Sollte es sich bei einer 'richterlichen' Benützungsregelung jedoch um eine Streitigkeit über Eigentum und Besitz handeln, werden vom Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde 1. Instanz tiefgreifende Bedenken gegen eine extensive Interpretation der Kompetenzbestimmung - wie sie das ordentliche Gericht vornimmt - angemeldet:
Von der Einleitung bis zum Abschluß des Verfahrens erstreckt sich gemäß §34 Abs3 FGG 1951 die Zuständigkeit der Agrarbehörden, sofern sich gemäß den nachfolgenden Absätzen 6 und 7 nichts anderes ergibt, auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung, Teilung oder Regulierung in die agrarische Operation einbezogen werden müssen. Während dieses Zeitraumes ist in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit der Behörden ausgeschlossen, in deren Wirkungsbereich die Angelegenheiten sonst gehören. Gemäß Abs4 leg. cit. erstreckt sich diese Zuständigkeit der Agrarbehörden insbesondere auch auf Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken und über die Gegenleistungen für die Benutzung solcher Grundstücke. Gemäß §72 Abs4 TFLG 1996 erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde von der Einleitung bis zum Abschluß eines Zusammenlegungs-, Flurbereinigungs-, Teilungs- oder Regulierungsverfahrens, sofern sich aus dem Abs7 nicht anderes ergibt, auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung, Flurbereinigung, Teilung oder Regulierung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Während dieses Zeitraumes ist in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit der Behörden ausgeschlossen, in deren Wirkungskreis die Angelegenheiten sonst gehören. Gemäß Abs5 leg. cit. erstreckt sich diese Zuständigkeit der Agrarbehörde insbesondere auf:
a) Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken;
b) Streitigkeiten über den Grenzverlauf der im lita angeführten Grundstücke einschließlich der Streitigkeiten über den Grenzverlauf zwischen einbezogenen und nichteinbezogenen Grundstücken;
c)
Streitigkeiten über Gegenleistung für die Benutzung von in das Verfahren einbezogenen Grundstücken.
Aus diesen Bestimmungen ergibt sich das Prinzip der sogenannten 'Kompetenzkonzentration' während eines bei der Agrarbehörde anhängigen Verfahrens mit dem Zweck, verfahrensrelevante Angelegenheiten möglichst rasch einer sachkompetenten Entscheidung zuzuführen. Entscheidend ist dabei aber immer die Verbindung der jeweiligen Rechtssache mit dem Zweck und den Zielen des zugrundeliegenden Agrarverfahrens. In diesem Lichte ist auch die Bestimmung des §72 Abs5 lita TFLG 1996 zu betrachten. Gerade bei ansonsten 'bürgerlichen Rechtssachen' kann die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich im Artikel 94 B-VG verankerten strikten Trennung zwischen Justiz und Verwaltung wohl nur restriktiv Anwendung finden. D.h., daß die Agrarbehörde über privatrechtliche Fragen nur dann zu befinden haben wird, wenn ein unmittelbarer Bezug zum Inhalt und Ziel des Zusammenlegungsverfahrens vorliegt, also, wenn Fragen releviert werden, die typischerweise von der Agrarbehörde zu entscheiden sind, da ein direkter Konnex zur agrarischen Operation und damit verbunden zu ihrer raschen Durchführung gegeben ist. Auf den notwendigen inneren Zusammenhang der Zivilrechtsmaterie mit dem Zusammenlegungsverfahren, der über die bloße Verfahrensanmerkung im Grundbuch hinaus auf die jeweils konkreten Auswirkungen auf das Agrarverfahren selbst abstellt, nehmen auch die einleitenden Worte des §72 Abs5 TFLG 1996 in Ausführung des §34 Abs4 FGG 1951 Bedacht. Dort heißt es ausdrücklich: 'Diese Zuständigkeit ...'. Damit wird ein direkter inhaltlicher Zusammenhang mit dem Abs4 leg. cit. hergestellt, zumal es sich beim Wort 'diese' um ein Demonstrativpronomen (Verweiswort) handelt, welches dazu dient, (Ab-)Sätze zu verknüpfen. Nach Ansicht des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde 1. Instanz handelt es sich bei der eben genannten Formulierung um eine 'Wiederaufnahme und Weiterführung des Grundgedankens' des Abs4, womit eine direkte Verknüpfung mit diesem Absatz geschaffen wird. Der Gesetzgeber hat diese Formulierung nur zur Verdeutlichung der etwas erweiterten Zuständigkeit (Streitigkeiten um Eigentum und Besitz) sowie aus dem Grund der Gewährung einer besseren Übersicht gewählt. Daher ist die im Abs4 normierte Einschränkung auch für die Zuständigkeit nach Abs5 strikt zu beachten.
Zur Stützung dieser Rechtsansicht sind die Erläuternden Bemerkungen (78 der Beilagen - Nationalrat IV. GP) zum Flurverfassungsgrundsatzgesetz 1932 heranzuziehen, die wie folgt lauten:
'Was die Zuständigkeit jener Behörden anbelangt, welche zur Durchführung der Maßnahmen zur Regelung der Flurverfassung berufen sind, so wurde an dem alten Grundsatze festgehalten, daß diese Behörden zum Zwecke der raschen und zweckmäßigen Durchführung der agrarischen Operationen tunlichst alle behördlichen Befugnisse in ihrer Hand vereinigen sollten. Auf eine Erweiterung der Zuständigkeit der Agrarbehörden sei besonders hingewiesen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß es im wirtschaftlichen Interesse der Beteiligten gelegen ist, die einzelnen Maßnahmen, namentlich die Zusammenlegung, in der kürzesten Zeit durchzuführen, wenn eine Vernachlässigung des Wirtschaftszustandes der in Betracht kommenden Grundflächen vermieden werden soll. Darauf zielen die Bestimmungen in dem Gesetzentwurfe ab, wonach die Entscheidung auch über Besitz und Eigentum an den in ein solches Agrarverfahren einbezogenen Grundstücken den Agrarbehörden übertragen werden soll. Eine solche Kompetenz hatten die Agrarbehörden bisher nur, wenn derartige Besitz- und Eigentumsstreitigkeiten bei Teilungen und Regulierungen agrargemeinschaftlicher Grundstücke zwischen den Teilgenossen selbst bestanden. Diese Erweiterung der Zuständigkeit ist umso unbedenklicher, als ja gerade in solchen Streitigkeiten die Agrarsenate so zusammengesetzt sind, daß die ordentlichen Richter in diesen Senaten von vornherein in der Mehrheit sind.'
Daraus geht eindeutig hervor, daß der Gesetzgeber keineswegs die Absicht hatte, die Zuständigkeit der Agrarbehörde hinsichtlich aller Zivilrechtsstreitigkeiten über Eigentum und Besitz auszudehnen, sofern die Grundstücke nur überhaupt in das Zusammenlegungsverfahren einbezogen sind. Die Generalkompetenz der Agrarbehörde soll sich nur auf den Zweck der raschen und zweckmäßigen Durchführung der agrarischen Operation beziehen. Nach den Erläuternden Bemerkungen kann auch die Erweiterung der Zuständigkeit hinsichtlich der Streitigkeiten über Eigentum und Besitz nur unmittelbar mit einer agrarischen Operation in Verbindung gebracht werden. Dafür spricht, daß die einzelnen Maßnahmen, namentlich die Zusammenlegung, in kürzester Zeit durchzuführen ist, wenn eine Vernachlässigung des Wirtschaftszustandes der in Betracht kommenden Grundflächen vermieden werden soll. Durch diese Erweiterung der Zuständigkeit der Agrarbehörde ist die Absicht des Gesetzgebers erkennbar, die ohnehin jahrzehntelang andauernden Zusammenlegungsverfahren nicht noch dadurch zu verlängern, als vor dieser Novelle im Jahre 1932 die ordentlichen Gerichte auch für Streitigkeiten mit unmittelbaren Konnex zum Agrarverfahren zuständig waren und sohin die Zusammenlegungsverfahren aufgrund der nötigen Unterbrechungen wegen der Vorfragenentscheidungen beim Zivilgericht unnötig verzögert wurden. Es ist in den Erläuternden Bemerkungen ausdrücklich erwähnt, daß diese Erweiterung darauf abzielt, der agrarischen Operation rasch und zweckmäßig zum Durchbruch zu verhelfen. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist allerdings, daß die Zuständigkeit der Agrarbehörden auch in Eigentums- und Besitzstreitigkeiten nur im Zusammenhang mit einer agrarischen Operation, also einer Maßnahme der Bodenreform, gesehen werden darf. Endlich folgt daraus, daß §34 Abs4 FGG 1951 nur mit Abs3 leg. cit. bzw. §72 Abs5 lita TFLG 1996 nur in Verbindung mit Abs4 leg. cit. aus den bereits dargelegten Gründen betrachtet werden darf. Damit ist dieser enge Zusammenhang der beiden Absätze im Sinne der Einschränkung der Zuständigkeit nur auf verfahrens- und operationsrelevante Tatbestände gesetzlich klar zum Ausdruck gebracht.
In der gegenständlichen Rechtssache macht die Antragstellerin die Vornahme einer richterlichen bzw. behördlichen Benützungsregelung geltend. Diese Angelegenheit steht aber weder mit einer erforderlichen agrarischen Operationsmaßnahme noch mit der zu treffenden Neuordnung der Eigentumsverhältnisse an den betroffenen Grundstücken in irgend einem Zusammenhang. Vielmehr handelt es sich um eine rein privatrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Miteigentümern eines Hauses, welche losgelöst vom anhängigen Agrarverfahren zu beurteilen ist und auf dieses keine Auswirkungen hat. Das verfahrensgegenständliche Haus befindet sich inmitten des Wohngebietes, jedoch werden dort keine bodenreformatorischen Maßnahmen durchgeführt. Das Grundstück kann als ein rein in Anspruch genommenes, das ist ein nicht land- oder forstwirtschaftliches Grundstück, zufolge der Bestimmung des §2 Abs2 litb TFLG 1996 nur für Grenzänderungen oder für die Herstellung gemeinsamer Anlagen benötigt werden. Gemäß §16 Abs3 leg. cit. dürfen solche Grundstücke nur mit Zustimmung ihrer Eigentümer der Zusammenlegung unterzogen werden. Eine solche liegt gegenständlich nicht vor. Weiters werden die Befugnisse der Organe der Agrarbehörde nach §78 Abs1 lita leg. cit. dahingehend beschränkt, als ihnen das Betreten der im Zusammenlegungsgebiet befindlichen Gebäude ausdrücklich verwehrt wird. Diese Bestimmung ist so zu interpretieren, daß im Sinne einer Gesamtschau der bezughabenden flurverfassungsrechtlichen Normen nur die Grundstücke Gegenstand einer effizienten Neuordnung sein können, keinesfalls jedoch Gebäude und schon gar nicht daraus etwaig resultierende Benützungsstreitigkeiten jedweder Art Aus diesen Gründen ist nach Ansicht der Agrarbehörde die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gemäß §1 JN gegeben.
Aktuelle Rechtssprechung der Höchstgerichte:
Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner aktuellsten Rechtssprechung (siehe Erkenntnis vom 25.4.1996, Zl. 93/07/0020) ausgesprochen, daß die einschränkende Bestimmung des §102 Abs1 OÖ FLG auch für die im §102 Abs2 leg. cit. angeführten Streitigkeiten über Eigentum und Besitz gilt. Der Streit über den Bestand und Umfang eines Sandabbaurechtes in einem Zusammenlegungsgebiet mußte nicht zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung in das Verfahren einbezogen werden. Erst durch dieses höchstgerichtliche Erkenntnis wurde der Einklang mit dem Sachlichkeitsgebot und damit einhergehend Rechtssicherheit bei Streitigkeiten über Eigentum und Besitz geschaffen."
II. Die das 3. Hauptstück ("Behörden und allgemeine Verfahrensbestimmungen") des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996 bildenden §§71 ff. führen die §§33 ff. des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951, BGBl. 103, aus.
Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen des TFLG 1996 lauten:
"§1
Ziele und Aufgaben der Zusammenlegung
(1) ...
(3) Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke im Sinne dieses Gesetzes sind ...
§2
Zusammenlegungsgebiet
(1) ...
(2) Gegenstand der Zusammenlegung sind alle im Zusammenlegungsgebiet liegenden Grundstücke (einbezogene Grundstücke). Diese gliedern sich in:
a) die der Zusammenlegung unterzogenen Grundstücke, das sind Grundstücke im Sinne des §1 Abs3 und nicht
land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke im Sinne des §16 Abs3;
b) die in Anspruch genommenen Grundstücke, das sind nicht land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke,
die im Rahmen der Neuordnung nur für Grenzänderungen oder für die Herstellung gemeinsamer Anlagen benötigt werden."
"§71
Allgemeine Zuständigkeit der Agrarbehörde
Zusammenlegungen, Flurbereinigungen und die Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken durch Regulierungen oder Teilungen sind unter Ausschluß des Rechtsweges von der Agrarbehörde durchzuführen.
§72
Zuständigkeit der Agrarbehörde im Zuge eines Verfahrens
(1) ...
(4) Die Zuständigkeit der Agrarbehörde erstreckt sich von der Einleitung bis zum Abschluß eines Zusammenlegungs-, Flurbereinigungs-, Teilungs- oder Regulierungsverfahrens, sofern sich aus dem Abs7 nicht anderes ergibt, auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung, Flurbereinigung, Teilung oder Regulierung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Während dieses Zeitraumes ist in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit der Behörden ausgeschlossen, in deren Wirkungskreis die Angelegenheiten sonst gehören.
(5) Diese Zuständigkeit der Agrarbehörde erstreckt sich insbesondere auf:
a) Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken;
b) Streitigkeiten über den Grenzverlauf der in lita angeführten Grundstücke einschließlich der Streitigkeiten über den Grenzverlauf zwischen einbezogenen und nicht einbezogenen Grundstücken;
c) Streitigkeiten über Gegenleistungen für die Benutzung von in das Verfahren einbezogenen Grundstücken.
(6) Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind von der Agrarbehörde die Normen, die sonst für die Angelegenheiten gelten (zum Beispiel die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes, des Wasser- und Forstrechtes), anzuwenden.
(7) Von der Zuständigkeit der Agrarbehörde sind ausgeschlossen:
a) Streitigkeiten der im Abs5 erwähnten Art, die vor Einleitung des Agrarverfahrens bereits vor dem
ordentlichen Richter anhängig waren;
b) Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an Liegenschaften, mit denen ein Anteil an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken, ein Benutzungs- und Verwaltungsrecht
oder ein Anspruch auf Gegenleistungen
bezüglich solcher Grundstücke verbunden ist;
c) die Angelegenheiten der Eisenbahnen, der Bundesstraßen, der Landesstraßen, der Schiffahrt, der Luftfahrt,
des Bergbaues, der Jagd und der Fischerei."
III. Der Verfassungsgerichtshof
hat erwogen:
1. Der Antrag ist zulässig:
Nach Art138 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden. Ein solcher Kompetenzkonflikt liegt vor, wenn ein Gericht und eine Verwaltungsbehörde in derselben Sache angerufen wurden und beide Behörden eine Entscheidung in der Sache aus dem Grunde der Unzuständigkeit abgelehnt haben, eine aber zu Unrecht (verneinender Kompetenzkonflikt; §46 VerfGG, s. z. B. VfSlg. 13069/1992, 14553/1996).
Dies ist hier der Fall.
Der Entscheidungsgegenstand des gerichtlichen und des agrarbehördlichen Verfahrens war ident. Sowohl die Agrarbehörde als auch das Gericht haben die Zuständigkeit zur Erledigung der an sie gerichteten Begehren abgelehnt.
Für die Zulässigkeit eines Antrages auf Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes ist nicht erforderlich, daß die Prozeßparteien in den zugrundeliegenden Verfahren den Instanzenzug ausgeschöpft haben (vgl. z.B. VfSlg. 3798/1960, 13030/1992, 13087/1992, 13824/1994).
2.a) Die in Rede stehende Liegenschaft ist in ein Zusammenlegungsverfahren einbezogen.
Die für die Lösung des vorliegenden Kompetenzkonfliktes wesentliche Frage ist, ob es sich bei der beantragten Benützungsregelung um die Entscheidung einer "Streitigkeit über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken" handelt, die dem §72 Abs4 und 5 TFLG 1996 - insbesondere dem Abs5 lita - zufolge in die Zuständigkeit der Agrarbehörde fällt.
Die Agrarbehörde verneint in dem ihre Zuständigkeit ablehnenden Bescheid die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen im wesentlichen damit, daß es sich beim Antrag auf Benützungsregelung nicht um ein tatsächliches oder rechtliches Verhältnis handle, das zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung in das Verfahren einbezogen werden müsse. Nur wenn die privatrechtlichen Fragen einen unmittelbaren Bezug zum Inhalt und Ziel des Zusammenlegungsverfahrens hätten, sei die Agrarbehörde zuständig.
Die in Rede stehende Rechtsfrage hat der Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen VfSlg. 3798/1960, betreffend §88 Abs1 und 2 des Niederösterreichischen Flurverfassungslandesgesetzes aus 1934, sowie - unter Anknüpfung an diese Entscheidung - in VfSlg. 5747/1968, betreffend §89 Abs2 und 3 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes aus 1952, beantwortet (vgl. auch das Erk. VfSlg. 7800/1976). Die genannten Gesetzesstellen entsprechen inhaltlich dem §72 Abs4 und 5 TFLG 1996.
Im Erkenntnis VfSlg. 5747/1968 führte der Verfassungsgerichtshof aus:
"Die Rechtsfrage hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erk. Slg. Nr. 3798/1960 in bezug auf §88 des FLG. Niederösterreich (...) beantwortet. Der Verfassungsgerichtshof hält an diesem Erkenntnis fest. Für §89 Abs3 FLG. Tirol (1952) (Anm.: ihm entspricht §72 Abs5 lita TFLG 1996) ergibt sich daraus, daß durch die Bestimmung - ebenso wie durch die des §34 Abs4 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 - die Zuständigkeit für Streitigkeiten über Eigentum und Besitz in keiner Weise eingeschränkt wird, sofern die Grundstücke nur überhaupt in das Zusammenlegungsverfahren einbezogen sind. Es handelt sich um eine Sondervorschrift, die über die Bestimmungen des vorangegangenen Absatzes (Anm.: das ist im TFLG 1996 §72 Abs4) nach Absicht des Gesetzgebers hinausgeht. Wären die Beschränkungen des vorangegangenen Absatzes auch für Streitigkeiten über Eigentum und Besitz maßgebend, so würde - entgegen dem Motivenbericht - der Absatz im wesentlichen keine Erweiterung der Zuständigkeit, sondern nur eine demonstrative Anführung von Beispielen bedeuten. Die Absicht des Gesetzgebers auf Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens müßte zunichte werden, wenn in jedem Falle des §89 Abs3 FLG. (Tirol 1952) erst zu prüfen wäre, ob der entstandene Streit in einem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang mit der Zusammenlegung steht, weil die Zuständigkeit je nach dem Ergebnis der keineswegs immer leichten Unterscheidung verschieden wäre. Der Vorteil einer Konzentration der Zuständigkeit ginge aber verloren, wenn infolge Teilung der Zuständigkeit neue Möglichkeiten eines bisher nicht bestandenen Zuständigkeitsstreites geschaffen würden. Hiezu kommt noch, daß dann die Gerichte kaum in der Lage wären, verläßlich zu beurteilen, ob die Lösung eines bestimmten einzelnen Rechtsstreites eine Voraussetzung für die Durchführung der Zusammenlegung bildet und demnach der Agrarbehörde überlassen werden muß oder nicht.
Da es sich hier um eine Besitzstreitigkeit an einem in das Verfahren einbezogenen Grundstück handelt, trifft also §89 Abs3 FLG. (Tirol 1952) zu; ob auch die Voraussetzungen des §89 Abs2 FLG. (Tirol 1952) (Anm.: ihm entspricht §72 Abs4 TFLG 1996) gegeben sind, ist nicht zu prüfen."
Der Verfassungsgerichtshof hält an diesen Erwägungen fest. Auch der Oberste Gerichtshof hat sich im Urteil SZ 59/212 den beiden Erkenntnissen ausdrücklich angeschlossen sowie auf seine eigene gleichgelagerte Rechtsprechung in SZ 49/128 verwiesen.
b) An dem dargelegten Ergebnis ändert die von der Agrarbehörde im verfassungsgerichtlichen Verfahren abgegebene Äußerung (s.o. I.3.b) nichts:
Wenn die Agrarbehörde primär aus dem Umstand, daß eine Benützungsregelung bloß obligatorische Wirkung entfaltet und nicht verbücherungsfähig ist, ihre Unzuständigkeit und die Zuständigkeit des Gerichtes ableiten will, so sind ihr die soeben zitierten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes entgegenzuhalten, bei denen es gleichfalls um keine dinglichen Rechtsverhältnisse ging.
Weiters bringt die Agrarbehörde vor, daß die an sie zur Entscheidung herangetragene Angelegenheit weder mit einer erforderlichen agrarischen Operationsmaßnahme noch mit der zu treffenden Neuordnung der Eigentumsverhältnisse an den betroffenen Grundstücken in Zusammenhang stehe und das verfahrensgegenständliche Haus sich inmitten des Wohngebietes befinde, wo keine Maßnahmen der Bodenreform durchgeführt würden. Das Grundstück könne als ein rein in Anspruch genommenes i.S. des §2 Abs2 litb TFLG 1996 nur für Grenzänderungen oder für die Herstellung gemeinsamer Anlagen benötigt werden.
Auch aus diesem Argument ist für die Agrarbehörde nichts zu gewinnen: Zu verweisen ist darauf, daß dem §2 Abs2 TFLG 1996 zufolge Gegenstand der Zusammenlegung die in das Verfahren "einbezogenen Grundstücke" sind (und zwar gleichgültig, ob es sich um land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke oder um andere Grundstücke handelt). Die einbezogenen Grundstücke sind einerseits die "der Zusammenlegung unterzogenen Grundstücke" (§2 Abs2 lita TFLG 1996), andererseits die "in Anspruch genommenen Grundstücke", das sind nicht land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke, die im Rahmen der Neuordnung nur für Grenzänderungen oder für die Herstellung gemeinsamer Anlagen benötigt werden (§2 Abs2 litb TFLG 1996). Auch "in Anspruch genommene Grundstücke" sind daher in das Zusammenlegungsverfahren einbezogen, sodaß auch auf sie die oben zitierte Judikatur anzuwenden ist.
Die Agrarbehörde beruft sich schließlich auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1996, Zl. 93/07/0020. In dem Erkenntnis waren insbesondere Abs1 und Abs2 lita des §102 des Oberösterreichischen Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979, LGBl. 73, maßgebend. Diese Bestimmungen sind zwar inhaltlich identisch mit §72 Abs4 und Abs5 lita TFLG 1996. Der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes lag aber ein gänzlich anderer Sachverhalt als dem hier zu beurteilenden Fall zugrunde, sodaß sich eine weitere Erörterung dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erübrigt.
c) Einer der im §72 Abs7 TFLG 1996 geregelten, den ausnahmsweisen Ausschluß der Zuständigkeit der Agrarbehörde begründenden Sonderfälle liegt im vorliegenden Fall nicht vor.
3.a) Aus dem Gesagten folgt, daß das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz zuständig ist, über den in Rede stehenden Antrag auf Vornahme einer Benützungsregelung zu entscheiden.
b) Der dieser Feststellung entgegenstehende Bescheid der Agrarbehörde vom 6. Mai 1997 war gemäß §51 VerfGG aufzuheben.
4. Prozeßkostenansprüche im Verfahren nach Art138 Abs1 B-VG können dem §52 erster Satz VerfGG zufolge keinesfalls den Rechtsträgern der in Betracht kommenden Behörden zugesprochen werden (vgl. VfSlg. 1954/Anh. 17; 11925/1988). Dem von der Agrarbehörde gestellten Begehren auf Kostenersatz war daher allein schon deshalb - abgesehen davon, daß sich ihr die Zuständigkeit betreffender Standpunkt als unzutreffend erwiesen hat - nicht Folge zu geben.
Die Antragstellerin in diesem verfassungsgerichtlichen Verfahren hat Kostenersatz nicht beantragt.
Insgesamt waren also Kosten nicht zuzusprechen.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Kompetenzkonflikt, VfGH / Instanzenzugserschöpfung, Bodenreform, Flurverfassung, Agrarbehörden, Zuständigkeit, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:KI13.1997Dokumentnummer
JFT_10018797_97K0I013_00