Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Margit Pomaroli über die Berufung des Herrn A. N., vertreten durch die Anwaltspartnerschaft Dr. R. P. und Dr. R. S., XY-Straße, F., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 01.12.2005, Zl GB-387-2004, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Berufungserkenntnis wurde dem Berufungswerber folgende Verwaltungsübertretung zur Last gelegt:
Tatzeit: 19.03.2004 8.25 Uhr
Tatort: A 12, km 0024.300, Gmd Kundl, Fahrtrichtung Innsbruck
Fahrzeug: Sattelkraftfahrzeug, XY/XY
Sie haben als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma T. L. GmbH nicht dafür Sorge getragen, dass die Bestimmungen des Güterbeförderungsgesetzes eingehalten wurden. Im oben genannten Sattel-KFZ, welches von der Firma T. L. GmbH im gewerblichen Transport von Gütern eingesetzt war, wurde zum Tatzeitpunkt kein vollständig ausgefüllter Frachtbrief mitgeführt. Beim mitgeführten Frachtbrief fehlte die fortlaufende Nummerierung.
Der Berufungswerber habe dadurch eine Verwaltungsübertretung begangen, weshalb er gemäß § 17 Abs 3 Z 15 iVm § 18 Abs 1 Güterbeförderungsgesetz iVm § 9 Abs 1 VStG begangen, weshalb er nach § 23 Abs 1 Z 7 iVm § 23 Abs 4 Güterbeförderungsgesetz zur Entrichtung einer Geldstrafe in der Höhe von Euro 363,00, im Falle der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 96 Stunden, sowie eines Beitrages zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens verpflichtet wurde.
Dagegen erhob der rechtsfreundlich vertretene Berufungswerber fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass ein Unterlassungsdelikt vorliegend sei. Wenn der Berufungswerber die ihm vorgeworfene Übertretung begangen habe, was ausdrücklich bestritten werde, so hätte er es am Zulassungs- bzw Unternehmensstandort in Dornbirn unterlassen, dem Fahrer von XY einen fortlaufend nummerierten Frachtbrief mitzugeben. Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein sei daher unzuständig. Zudem sei der Frachtbrief fortlaufend nummeriert gewesen. Der Berufungswerber stellte daher die Anträge, die Berufungsbehörde möge eine Berufungsverhandlung anberaumen und in der Folge das Verfahren einstellen.
Beweis wurde aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Kufstein, Zl GB-387-2004, insbesondere in die Anzeige der Autobahnkontrollstelle Kundl vom 19.03.2004, Zl A1/0000003579/01/2004, sowie in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn, Zl X-9-2004/13425, insbesondere in den Firmenbuchauszug betreffend die T. L. GmbH, in den Frachtbrief betreffend das Sattelkraftfahrzeug XY und XY und in das Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 14.07.2005, Zl UVS-1-510/E4-2005.
Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht nachfolgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:
Am 19.03.2004 führte Herr C. J. mit dem Sattelkraftfahrzeug, bestehend aus Sattelzugfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen sowie dem Anhänger mit dem amtlichen Kennzeichen XY, einen Transport mit Schnittholz von 9341 Straßburg nach 6130 Schwaz durch. Diese Strecke entspricht einer Entfernung von mehr als 50 Kilometern. Im Zuge einer Fahrzeug- und Lenkerkontrolle wurde um 8.25 Uhr auf der A 12 im Bereich der Autobahnkontrollstelle Kundl bei Straßenkilometer 24,300 in Fahrtrichtung Westen festgestellt, dass der Frachtbrief nicht ordnungsgemäß ausgefüllt war. Dem in Rede stehenden Frachtbrief war keine fortlaufende Nummerierung zu entnehmen.
Zulassungsbesitzerin sowohl des Sattelzugfahrzeuges als auch des Anhängers ist die T. L. GmbH mit Sitz in D., XY, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Berufungswerber gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer ist.
Die Feststellungen zum Tatzeitpunkt, zum Tatort sowie zur Eigenschaft des Zulassungsbesitzers gründen auf der Anzeige der Autobahnkontrollstelle Kundl vom 23.3.2004, wobei sich in diesem Zusammenhang für die erkennende Behörde keinerlei Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben ergeben haben. Zum einen wäre es unerfindlich, was den Meldungsleger dazu veranlasst haben sollte den Berufungswerber bewusst einer falschen Anschuldigung auszusetzen, zumal er diesfalls mit massiven disziplinärrechtlichen und strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hätte. Zum anderen ist es dem Meldungsleger schon allein aufgrund seiner Ausbildung zuzubilligen, verwaltungsstrafrechtlich relevante Sachverhalte zu erkennen und diese auch in korrekter Weise wiederzugeben. Dass der Frachtbrief nicht vollständig ausgefüllt war, indem die fortlaufende Nummerierung fehlte, ist aus eben diesem Frachtbrief zu ersehen.
Die Feststellung dahingehend, dass es sich beim Berufungswerber um den handelsrechtlichen Geschäftsführer handelt, ergibt sich aus dem Auszug aus dem Firmenbuch.
Dieser Sachverhalt erfährt folgende rechtliche Beurteilung:
Zur Zuständigkeit:
Nach § 27 Abs 1 VStG ist die Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.
Gemäß § 17 Abs1 Güterbeförderungsgesetz 1995 (GütbefG), idF BGBl I Nr 17/1998, haben die Güterbeförderungsunternehmer bei Güterbeförderungen ab 50 km Entfernung oder über die Grenze für jede Sendung, mindestens jedoch für das auf ein Kraftfahrzeug (einen Kraftwagenzug) verladene Gut, jeweils einen Frachtbrief mitzuführen.
(3) Der Frachtbrief hat folgende Angaben zu enthalten:
1.
den Namen und die Anschrift des Absenders;
2.
den Namen und die Anschrift des Empfängers;
3.
den Ablieferungsort (Entladeort);
4.
Weisungen für die Zoll- und die sonstige amtliche Behandlung des Gutes sowie die Bezeichnung der für diese Behandlung nötigen Begleitpapiere;
5.
die Lieferklausel;
6.
den Beladeort und -tag;
7.
die Bezeichnung des Gutes, auch nach den Bestimmungen über die Beförderung gefährlicher Güter, und die Art der Verpackung;
8.
die Anzahl, die Zeichen und die Nummern der Frachtstücke;
9.
das Bruttogewicht der Sendung und sonstige Angaben über die Menge des Gutes;
10.
den Namen und die Anschrift des Frachtführers;
11.
das behördliche Kennzeichen des Kraftfahrzeuges und der mitgeführten Anhänger;
12. die höchste zulässige Nutzlast des Kraftfahrzeuges und der mitgeführten Anhänger;
13. die Größe und Anzahl der verwendeten Großcontainer und Wechselaufbauten;
14. Hinweise auf die Transportstrecke, sofern eine andere als die kürzestmögliche vereinbart worden ist;
15.
sonstige für die statistischen Erhebungen erforderliche Angaben;
16.
den Ort und Tag der Ausstellung;
17.
die Unterschrift des Frachtführers;
18.
die Unterschrift des Absenders;
19.
die Unterschrift des Empfängers;
20.
die Bestätigung der ordnungsgemäßen Übernahme des Gutes und allfälliger Begleitpapiere durch den Empfänger mit Datum und Unterschrift;
21. sonstige Vereinbarungen und Erklärungen der Beteiligten.
(4) Hinsichtlich der im Abs 3 angeführten Eintragungen in den Frachtbrief sind verantwortlich
1.
der Auftraggeber für die Z 1 bis 5,
2.
der Absender für die Z 6 bis 9 und 18,
3.
der Frachtführer für die Z 10 bis 17,
4.
der Empfänger für die Z 19 und 20,
5.
der Frachtführer, der Auftraggeber, der Absender oder der Empfänger für die Z 21, sofern ein Interesse an der Eintragung derartiger Vereinbarungen und Erklärungen besteht.
Bei der betreffenden Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein Unterlassungsdelikt, bei welchem in Bezug auf den Tatort auf den Ort abzustellen ist, wo der Täter hätte handeln sollen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 30.04.2003, Zl 2001/03/0214, dargelegt hat, wird der Güterbeförderungsunternehmer seiner Verpflichtung gemäß § 17 Abs 1 leg cit nur dann gerecht, wenn der Frachtbrief die in § 17 Abs 3 leg cit genannten Angaben vollständig aufweist. Gemäß § 17 Abs 1 leg cit haftet der Güterbeförderungsunternehmer somit für die Vollständigkeit des Frachtbriefes, während gemäß § 17 Abs 4 Z 3 leg cit für die inhaltliche Richtigkeit der in § 17 Abs 3 Z 10 bis 17 leg cit angeführten Angaben im Frachtbrief der Frachtführer verantwortlich ist.
Da nach § 17 Abs 1 leg cit die Güterbeförderungsunternehmer einen Frachtbrief mitzuführen haben, kommt als Tatort im gegenständlichen Fall der Ort der Betretung und nicht der Sitz des Unternehmens in Betracht.
Die Wortfolge ?Frachtbrief mitzuführen? spricht für diese Auslegung, da den Berufungswerber diese Verpflichtung auf der gesamten Wegstrecke trifft, wie auch dafür spricht, dass bei anderen Verwaltungsübertretungen wie etwa nach dem Kraftfahrgesetz der Ort der Betretung bzw der Ort des Lenkens als Tatort herangezogen wird (vgl VwGH 19.12.2005, 2002/03/0222).
Ort der Betretung war im vorliegenden Fall der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführte Tatort, nämlich die Autobahnkontrollstelle Kundl im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Kufstein.
Aus den angeführten Gründen ist daher die Bezirkshauptmannschaft Kufstein die für die Verfolgung der dem Berufungswerber angelasteten Verwaltungsübertretung zuständige Behörde.
Gemäß § 32 Abs 2 VStG ist eine taugliche Verfolgungshandlung auch dann gegeben, wenn diese von einer unzuständigen Behörde, wie hier von der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn, vorgenommen wird.
Nach § 1 Abs 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.
Der Wegfall der Strafbarkeit wurde in der Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts als Anwendungsfall des § 1 Abs 2 VStG gewertet und hat zur Straffreiheit des Beschuldigten zu führen (vgl die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes Slg 3562/1959 sowie des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Februar 1957, Slg Nr 4275/A, und vom 7. Juli 1980, Slg Nr 10.202/A). Es würde auch sachlich nicht vertretbar erscheinen, zwar ein geringeres Unwerturteil des Normgebers, das zur Verhängung einer niedrigeren Strafe zu führen hat, zu berücksichtigen, nicht aber den gänzlichen Wegfall des Unwerturteils, der auf der Meinung des Normgebers beruht, eine strafwürdige Tat liege gar nicht vor (VwGH 27.04.1995, 95/11/0012).
Mit der Änderung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, ausgegeben am 16.02.2006, BGBl I Nr 23/2006, wurde der § 17 leg cit geändert und lautet wie folgt:
(1) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass in jedem zur gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern verwendeten Kraftfahrzeug während der gesamten Beförderung ein Begleitpapier oder ein sonstiger Nachweis mitgeführt wird, in dem das beförderte Gut, der Be- und Entladeort und der Auftraggeber angegeben werden.
(2) Der Lenker hat das Begleitpapier oder den sonstigen Nachweis nach Abs 1 während der gesamten Beförderung mitzuführen und den Aufsichtsorganen auf Verlangen auszuhändigen.
Das Mitführen eines Begleitpapieres oder eines Nachweises ist nach der neuen Rechtslage weiterhin zwingend, diese haben jedoch lediglich das beförderte Gut, den Be- und Entladeort und den Auftraggeber zu enthalten. Das Fehlen einer fortlaufenden Nummerierung, wie dies für den Frachtbrief nach alter Rechtslage galt, ist nicht mehr unter Strafe gestellt, weshalb der Unrechtsgehalt der dem Berufungswerber angelasteten Verwaltungsübertretung gänzlich weggefallen ist. Dieser Umstand muss, wie aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ersichtlich wird, zur Straffreiheit des Berufungswerbers führen. Nach § 45 Abs 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet; Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.