Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Monica Voppichler-Thöni über die Berufung der Frau S. W., vertreten durch Dr. K. R., XY-Straße, I., gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 30.01.2006, Zahl S-18.640/05, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm §§ 24, 51, 51c und 51e Abs 2 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
Im angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin folgendes zur Last gelegt:
?Sie haben am 27.09.2005 in der Zeit von 20.30 Uhr bis 21.00 Uhr in Innsbruck, XY-Gasse einen Mann gegen Entgelt von Euro 50,00 mit der Hand befriedigt.?
Dadurch habe die Berufungswerberin eine Verwaltungsübertretung nach § 14 lit b TLPG begangen und wurde eine Geldstrafe in Höhe von Euro 500,00, Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage, sowie ein Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens verhängt.
Dagegen hat die Berufungswerberin fristgerecht durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter Berufung erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, dass das Straferkenntnis vom 31.1.2006 ausführe, dass der Beschuldigten nicht nachgewiesen werden könne, dass von ihr in einer Zeitung inseriert worden sei bzw dass sie gewerbsmäßig der Prostitution nachginge. Allerdings müsse davon ausgegangen werden, dass sie eine ?sexuelle Handlung gegen Entgelt? durchgeführt habe, wobei ?eine solche sexuelle Handlung ohne vorhergehende Anbahnung nicht möglich sei?. Das Straferkenntnis gehe sohin von einer reinen Vermutung aus, ohne jedoch in concreto auszuführen, worin die ?Anbahnung? durch die Beschuldigte gelegen habe. Das Straferkenntnis unterlasse es sohin, der Beschuldigten eine konkrete Handlung bzw ein konkretes Verhalten vorzuwerfen, was jedoch in rechtlicher Hinsicht Voraussetzung für eine allfällige Verurteilung nach § 14 lit b TLPG sei. Nach der Rechtsprechung des VwGH sei unter ?Anbahnung? der Prostitution jedes erkennbare Sichanbieten zur Ausführung eines entgeltlichen Geschlechtsverkehrs in der Absicht zu verstehen, sich hierdurch eine Einnahmequelle zu verschaffen. Sie umfasse auch das Herumstehen in der erkennbaren Absicht Kunden anzulocken, die Kontaktaufnahme oder das Treffen von Preisabsprachen für den Vollzug eines Geschlechtsverkehrs. Die Subsumption eines konkreten Verhaltens unter dem Begriff der Anbahnung setze voraus, dass das jeweilige Verhalten die Absicht, sich gegen Entgelt fremden Personen hinzugeben, allgemein erkennbar zum Ausdruck bringe; es müsse allgemein und nicht nur von einem eingeweihten Personenkreis als Anbieten zum Geschlechtsverkehr verstanden werden (VwGH 96/10/0259; 98/10/0018 ua). Lediglich das Faktum der sexuellen Befriedigung einer Person gegen Entgelt in den eigenen vier Wänden erfülle keineswegs den Tatbestand des § 14 lit b TLPG, diesbezüglich stehe die Beschuldigte unter dem Schutz der Privatsphäre gem Art 8 Abs 1 MRK. Es müsse sohin die ?als erwiesen angenommene Tat? konkret beschrieben
werden, da es jedoch im vorliegenden Straferkenntnis an der entsprechenden Konkretisierung des Tatbildes mangele, sei das Straferkenntnis aufzuheben. Die Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von Euro 500,00 sei darüber hinaus auch weit überhöht und keineswegs schuldangemessen. Die Beschuldigte beziehe lediglich Sozialhilfe im Ausmaß von Euro 411,00 monatlich, zzgl eines Mietzuschusses. Außerdem sei die Beschuldigte noch nicht strafvorgemerkt. Es werde eine schuldangemessene Herabsetzung beantragt.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den erstinstanzlichen Akt.
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat wie folgt erwogen:
Die Berufung erweist sich als berechtigt.
Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.
Um den Erfordernissen der zuletzt genannten Gesetzesstelle zu entsprechen, hat der Spruch eines Straferkenntnisses die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale möglich ist und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht. Dies bedeutet, dass der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein muss, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat und die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestimmten Übertretung geschlossen werden kann. Der Beschuldigte hat ein subjektives Recht, dass ihm einerseits die als erwiesen angenommene Tat, andererseits die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten wird (VwGH 08.05.1987, Slg 12.466/A). Der Spruch eines Straferkenntnisses muss also geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.
Im gegenständlichen Fall ist der im Straferkenntnis erhobene Vorwurf aus folgenden Gründen nicht geeignet, die Anforderungen des § 44a Z 1 VStG zu erfüllen:
Gemäß § 14 lit a Tiroler Landes-Polizeigesetz ist die gewerbsmäßige Hingabe des eigenen Körpers an Personen des anderen Geschlechtes zu deren sexueller Befriedigung (Prostitution) außerhalb behördlich bewilligter Bordelle (§ 15) verboten.
Gemäß § 14 lit b TLPG ist die außerhalb bewilligter Bordelle erfolgte Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution verboten.
Unter ?Anbahnung? von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution (im Sinne § 14 lit b leg cit) versteht die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs jedes erkennbare Sichanbieten zur Ausführung eines entgeltlichen Geschlechtsverkehrs in der Absicht, sich hierdurch eine Einnahmequelle zu verschaffen. Sie umfasst auch das Herumstehen in der erkennbaren Absicht, ?Kunden? anzulocken, die Kontaktaufnahme oder das Treffen von Preisabsprachen für den Vollzug des Geschlechtsverkehrs. Die Subsumtion eines konkreten Verhaltens unter den Begriff ?Anbahnung? setzt voraus, dass das jeweilige Verhalten die Absicht, sich gegen Entgelt fremden Personen hinzugeben, allgemein erkennbar zum Ausdruck bringt; es muss allgemein und nicht nur einem eingeweihten Personenkreis gegenüber als Anbieten zum entgeltlichen Geschlechtsverkehr verstanden werden. Allerdings bedeutet diese allgemeine Erkennbarkeit nicht, dass dieses Verhalten auch im konkreten Fall von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden konnte. Vielmehr kommt es darauf an, ob ein bestimmtes Verhalten, wäre es wahrgenommen worden, nicht nur von einem eingeweihten Personenkreis der gewerbsmäßigen Unzucht zugeordnet worden wäre (VwGH vom 27.07.1997, Zl 96/10/0207).
Angewendet auf den gegenständlichen Fall wird der Berufungswerberin im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses keine Anbahnungshandlung im Sinne § 14 lit b Tiroler Landes-Polizeigesetz vorgeworfen. Vielmehr beinhaltet der Spruch eine Übertretungshandlung nach § 14 lit a Tiroler Landes-Polizeigesetz (was grundsätzlich auch angezeigt wurde).
Auch in der Begründung des Straferkenntnisses wird ausgeführt, dass es sich nicht nachweisen ließe, dass von der Beschuldigten in einer Zeitung inseriert worden sei bzw dass sie gewerbsmäßig der Prostitution nachgehe; es müsse aber sehr wohl davon ausgegangen werden, dass sie damals eine sexuelle Handlung gegen Entgelt durchgeführt habe, wobei eine solche sexuelle Handlung ohne vorhergehende Anbahnung nicht möglich sei.
Nach § 32 Abs 2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung, etc), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat. Um den Eintritt der Verfolgungsverjährung auszuschließen, muss die Verfolgungshandlung wegen eines bestimmten Sachverhaltes erfolgen und sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente beziehen. Nur dann unterbricht eine Verfolgungshandlung die Verjährung.
Da der Berufungswerberin innerhalb der Verjährungsfrist keine konkrete Anbahnungshandlung zum Vorhalt gemacht wurde, steht die Identität der Tat nicht unverwechselbar fest und war auch eine Verbesserung des Spruches infolge eingetretener Verfolgungsverjährung nicht möglich.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.