Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alfred Stöbich über die Berufung des Herrn J. L., H., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 15.9.2004, Zahl FSE-72/2004, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit § 35 Abs 1 Führerscheingesetz (FSG) wird der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
Mit dem angefochtenen Bescheid befristete die Erstbehörde die Lenkberechtigung des Berufungswerbers, Führerschein ausgestellt von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck am 10.2.1972, Zahl 205/72, Klassen A, B, C, E, F und G, auf die Dauer von 24 Monaten, aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens. In der Begründung bezog sich die Erstbehörde lediglich auf die amtsärztliche Untersuchung des Berufungswerbers vom 31.8.2004.
Innerhalb offener Frist wurde dagegen von J. L. Berufung erhoben. In diesem Schreiben erklärte er, dass ein ärztliches Gutachten nachgesendet werde.
Nach Vorlage des erstinstanzlichen Aktes forderte die Berufungsbehörde den Berufungswerber auf, ein ergänzendes ärztliches Gutachten vorzulegen.
In der Folge langte bei der Berufungsbehörde eine ?Psychiatrische Stellungnahme über die Fahrtauglichkeit von J. L.? des Univ.Prof. Dr. W. L. vom 24.10.2004 ein. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Berufungswerber Symptome eines leichten hirnorganischen Psychosyndroms mit leichter Merkfähigkeitsstörung biete, die auf ein Schädelhirntrauma vor fast 40 Jahren rückführbar seien. Eine Verschlechterung sei jedoch auszuschließen. Eigentliche psychiatrische Krankheitssymptome bestünden nicht und sei aus psychiatrischer Sicht die Fahrtauglichkeit des Untersuchten nicht zu bezweifeln. Das leichte hirnorganischen Psychosyndrom bestehe seit Jahrzehnten, ohne den Berufungswerber beim Lenken von Kraftfahrzeugen irgendwie zu behindern.
Seitens der Berufungsbehörde wurde über die Amtsärztin der Erstbehörde jenes Gutachten eingeholt, auf welches sich die Erstbehörde im angefochtenen Bescheid stützt. Demnach leide der Berufungswerber an einem Frontobasalem Psychosyndrom mit Affektlabilität nach einem Schädelhirntrauma, wobei ein Anfallsgeschehen nach einem Schädelhirntrauma auch bei regelmäßigen EEG-Kontrollen nicht auszuschließen sei. Ergänzend teilte die Amtsärztin der Erstbehörde mit, dass eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes (unter anderem Anfallsgeschehen) möglich sei und dass eine Einschränkung (hauptsächlich bezüglich der Führerschein-Gruppe 2) der Fahrtauglichkeit möglich sei.
Seitens der Berufungsbehörde wurde im Hinblick auf den Umstand, dass für den Berufungswerber ein Sachwalter bestellt ist, das Sachwalterschaftsgericht ersucht, im Sachwalterschaftsakt befindliche ärztliche oder psychologische Stellungnahmen oder Gutachten in Kopie zu übermitteln. Diesbezüglich teilte das Bezirksgericht Telfs mit, dass Bedenken betreffend die Übermittlung von Befunden aus dem Sachwalterschaftsakt bestünden und wurde lediglich ein Beschluss betreffend die Bestellung eines Sachwalters übermittelt.
Nachdem dem Berufungswerber die Ermittlungsergebnisse (Schriftverkehr zwischen der Berufungsbehörde und der Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck) übermittelt wurden, machte er von der Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme Gebrauch. In einem Schreiben vom 28.1.2005 verwies der Berufungswerber auf eine Bestätigung der Universitätsklinik für Innere Medizin, wonach zwar im Zusammenhang mit einem Conn-Syndrom Hypokaliämien, nicht jedoch Epileptische Anfälle aufgetreten seien.
In weiterer Folge wurde die Landessanitätsdirektion beim Amt der Tiroler Landesregierung um die Abgabe einer gutachterlichen Stellungnahme ersucht, wobei es im Wesentlichen um die Beantwortung nachfolgender Fragen ging:
1. ?Inwieweit liegt beim Berufungswerber eine Krankheit vor, die eine Beeinträchtigung der kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfähigkeit befürchten lässt? (Inwieweit ist also von einem stabilen, nichteignungsausschließenden Zustand oder von einer fortschreitenden, möglicherweise eignungsausschließenden Erkrankung auszugehen?)
2. Inwieweit erscheint auf der Grundlage des derzeitigen Gesundheitszustandes des Berufungswerbers eine amtsärztliche Untersuchung erforderlich und bejahendenfalls, inwieweit erscheint dafür der ins Auge gefasste Zeitraum von 24 Monaten angemessen?
3. (Soweit die Erforderlichkeit einer amtsärztlichen Nachuntersuchung überhaupt bejaht wird:) Inwieweit erscheint die Erforderlichkeit zur Durchführung einer amtsärztlichen Nachkontrolle, insbesondere im Hinblick auf die Führerscheingruppe 2 besonders gegeben??
Diesem Schreiben waren auch die bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen angeschlossen.
In der Folge wurde ein mit 8.8.2005 datiertes Gutachten der Landessanitätsdirektion übermittelt. In diesem wurde die bereits angesprochene psychiatrische Stellungnahme des Univ. Dr. W. L. aus ?jetziger amtsärztlicher Sicht nachvollziehbar? bezeichnet. Ein depressives Zustandsbild hätte bei der amtsärztlichen Untersuchung nicht festgestellt werden können. Ein Zustand nach einem epileptischen Anfall sei lediglich in einem ärztlichen Attest aus dem Jahr 1995 erwähnt. In der zuletzt beigebrachten Bestätigung der Universitätsklinik für Innere Medizin sei festgehalten, dass laut vorliegender Arztbriefe epileptische Anfälle in der Zeit der Hypokaliämien nie aufgetreten seien.
Im Bezug auf einen Nebennierenrindentumor, welcher längere Zeit unerkannt zu massiven gesundheitlichen Problemen mit stationärem Aufenthalt aufgrund erniedrigter Kaliumwerte geführt hätte, sei es zu einer operativen Entfernung des Tumors im Jahr 2003 gekommen und hätte entsprechend dem Attest der Universitätsklinik Heilung erzielt werden können.
Es sei jedoch eine Bluthochdruckerkrankung in Erfahrung gebracht worden und hätte eine im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung durchgeführte Blutdruckmessung deutlich erhöhte Werte ergeben. Ein medikamentös gut eingestellter Blutdruck hätte vom Berufungswerber nicht glaubhaft gemacht werden können. Dem Berufungswerber sei die Möglichkeit gegeben worden, in etwa 14 Tagen zu einer erneuten Blutdruckmessung zu kommen und die zwischenzeitlich über den Tag verteilten selbst gemessenen Werte mitzuteilen, wobei jedoch von dieser Gelegenheit nicht Gebrauch gemacht worden sei, sodass derzeit von einer insuffizient behandelten Bluthochdruckerkrankung auszugehen sei. Der weitere Verlauf dieser Erkrankung sei schwer abschätzbar. Bei den zuletzt gemessenen hohen Blutdruckwerten könne es jederzeit zu Blutungszwischenfällen, Kreislaufversagen, Niereninsuffizienz aber auch zu Netzhautschäden kommen. Daher sei die Lenkberechtigung befristet auf ein Jahr zu erteilen.
Der Berufungswerber führte in einem darauf Bezug habenden Schreiben aus, dass er einer weiteren Blutdruckmessung bei der Amtsärztin entschuldigt nicht nachgekommen sei. Unter anderem bezog er auch Stellung zu den Ausführungen betreffend den Bluthochdruck. Er habe normale Werte und den Blutdruck gut unter Kontrolle. Er nehme auch Blutdrucktabletten.
Daraufhin wurde der Berufungswerber seitens der Berufungsbehörde mit Schreiben vom 13.9.2005 aufgefordert, innerhalb einer Frist von 3 Wochen einen ärztlichen Befund betreffend das Vorliegen/Nichtvorliegen einer Bluthochdruckerkrankung vorzulegen und mögen aus diesem Befund Zeitpunkte und jeweils gemessenen Blutdruckwerte hervorgehen.
Am 5.10.2005 legte der Berufungswerber per Telefax einen Blutdruckpass vor, aus dem sich die Blutdruckwerte betreffend den Zeitraum vom 19.8.2005 bis zum 19.9.2005 ergeben. Der Berufungswerber verwies dabei darauf, dass diese Blutdruckwerte vom Arzt bestätigt worden seien und er keinen Bluthochdruck habe.
Die Richtigkeit dieses Blutdruckpasses wurde seitens der Berufungsbehörde überprüft und teilte der die diesbezüglichen Untersuchungen durchführende Arzt Dr. S. N. mit, dass die Werte korrekt, seinerseits nachvollziehbar seien und er diese Werte auch eigenhändig nachkontrolliert habe.
Nach dem Ersuchen durch die Berufungsbehörde an die bei der Landessanitätsdirektion tätige Amtsärztin eine ergänzende Stellungnahme auf der Grundlage der vorliegenden Blutdruckwerte zu erstellen, führte diese in einem Schreiben vom 17.2.2006 Folgendes aus:
?Bei bestehenden Bluthochdruckleiden ist einem deutlich erhöhten Risiko eines Myocardinfarktes und Apoplexie zu rechnen, sodass eine Befristung der Lenkberechtigung aus verkehrsmedizinischer Sicht jedenfalls, trotz medikamentöser Einstellung empfohlen werden muss.?
Nachdem dem Berufungswerber dies zur Kenntnis gebracht wurde, legte er schließlich einen internistischen Befund eines Facharztes für Innere Medizin und Nephrologie vom 10.4.2006 vor. In diesem ist unter Anderem festgehalten, dass der Patient jahrelang an einer arteriellen Hypertonie gelitten hätte und diese zuletzt mit einer 3- und 4-fach Kombination medikamentös eingestellt worden sei. Es habe sich um eine sekundäre Hypertonieform bei primärem Hyperaldosteronismus mit Nebennierenadenom (Conn-Syndrom) gehandelt. Seit der Adrenalektomie 2003 habe sich die arteriellen Hypertonie zurückgebildet. Bei der heutigen Ergometrie ohne antihypertensive Medikamente könne eine normale Blutdruckregulation dokumentiert werden. Hinweise für eine signifikante Coronarstenose hätten sich nicht ergeben. Es bestehe derzeit keine Indikation für eine antihypertnesive oder antianginöse Therapie. Die Beherrschung der einschlägigen Risikofaktoren sei anzustreben, wobei der Patient diesbezüglich gut motiviert sei. Gegen das Lenken von Kraftfahrzeugen würden von internistischer Seite keine Einwände bestehen. Auch eine Befristung der Lenkbewilligung wegen arteriellen Hypertonie sei nicht gerechtfertigt, da er von diesem Leiden mit der Adrenalektomie geheilt sei.
Nachdem der Amtsärztin bei der Landessanitätsdirektion dieses Gutachten zur Kenntnis gebracht wurde, führte sie in einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 9.5.2006, dass durch das in der Ergometrie festgestellte Vorhofflimmern zwar seltene Komplikationen wie Thrombenbildung oder sonstige Herzrythmusstörungen nicht ausschließbar seien, aber aufgrund der derzeit vorliegenden internistisch begutachteten Gesamtsituation sich derzeit für konkrete Befristungen keine Anhaltspunkte ergeben würden.
Nach Durchführung eines umfassenden Ermittlungsverfahrens besteht insbesondere im Hinblick auf die zuletzt getroffene Beurteilung durch die bei der Landessanitätsdirektion tätigen Amtsärztin keine Grundlage, eine Befristung der dem Berufungswerber erteilten Lenkberechtigung auszusprechen, zumal in sachverhaltsmäßiger Hinsicht keine Krankheit festgestellt werden kann, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss.
Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.
Hinweis::
Für die Vergebührung des Berufungsantrages (samt 4 Beilagen) sind Euro 27,40 zu entrichten. Dieser Betrag ist binnen zwei Wochen nach Erhalt des Zahlscheines einzuzahlen.