TE UVS Steiermark 2006/05/22 30.13-22/2006

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Veröffentlicht am 22.05.2006
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Barbara Lehofer über die Berufung des Herrn Dr. W M, D, W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 23.01.2006, GZ.: A10/1P-2518901, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird die Berufung abgewiesen. Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von ? 7,00 binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, laut Feststellung eines beeideten Aufsichtsorganes am 04.08.2005 das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W im Beobachtungszeitraum vom 13.21 Uhr bis 13.34 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in G vor dem Haus J Nr. 6 geparkt zu haben und dabei die laut Automatenparkschein Nr. 1878 bezahlte Parkzeit, die um 13.00 Uhr geendet habe, bis 13.34 Uhr überschritten zu haben. Dadurch sei die vorgeschriebene Parkgebühr verkürzt worden. Wegen Übertretung des § 2 des Stmk. Parkgebührengesetzes 1979 iVm §§ 2, 3 und 4 der Grazer Parkgebührenverordnung 1997, jeweils in der zur Tatzeit geltenden Fassung, wurde über ihn gemäß § 6 Abs 1 leg cit eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von ? 35,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG eine Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden verhängt. In der dagegen erhobenen Berufung wurde Folgendes vorgebracht: Die Begründung des Straferkenntnisses ist falsch, mangelhaft und lückenhaft. Die Unterstellung einer Fahrlässigkeit und die Ablehnung meiner Behinderung als Schuldausschließungsgrund ist ein ungeheuerlicher Willkürakt, da es für jeden einigermaßen vernunftbegabten und seines Sehsinnes mächtigen Menschen ganz klar und offensichtlich ist, dass ich aufgrund meiner körperlichen Verhältnisse nicht in der Lage bin, die Parkgebührenautomaten zu bedienen, und sich der Leiter ihrer Behörde, Dr. P, davon bei der persönlichen Vorsprache am 5.8.2005 selbst überzeugen konnte. Diese Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit gemäß der zitierten Definition nach § 6 Abs 1 StGB hat ihre Behörde außerdem in einem Schreiben an den Behindertenbeauftragten des Landes Steiermark vom 21.9.2005 bereits praktisch anerkannt, in dem sie eine Ausnahmegenehmigung anbot. Es kann weiters auch nur der offensichtlichen Willkür von Dr. P zugeschrieben werden, wenn es für die Behörde nicht schlüssig ist, dass bei diesem Parkvorgang ein Automatenparkschein ordnungsgemäß gelöst wurde. Bei der Vorsprache am 5.8.2005 habe ich ihn informiert, dass dieser Schein von einer Bekannten gelöst worden war, die mit mir im Auto mitgefahren war, sich dann aber verabschiedet hat und für eine allfällige Nachlegung eines Parkscheins nicht mehr zur Verfügung stand. Ich bot ihm auch an diese Bekannte als Zeugin zu benennen, was ihn aber überhaupt nicht interessierte. Stattdessen bestand er bei dieser Vorsprache darauf, dass ich ja irgendeinen Passanten um die Lösung eines Parkscheins ersuchen könne, was aber nach eindeutiger Auskunft des Behindertenbeauftragten des Landes Steiermark ebenfalls als unzumutbar und diskriminierende Anmaßung zu werten ist. Weiters ist es natürlich ebenfalls unzumutbar, dass ich mein Fahrzeug aus der gebührenpflichtigen Kurzparkzone entfernen soll, wenn ich die Parkscheinautomaten nicht bedienen kann, da in G ja die gesamte Innenstadt eine solche darstellt, womit ich praktisch einem lückenlosen Park- und Halteverbot ausgesetzt wäre. Das würde auch bedeuten, dass ich nicht in die G Innenstadt fahren könnte, da mir die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zugemutet werden kann (laut entsprechender Eintragung im Behindertenausweis) und ich daher auf mein Kfz angewiesen bin. Dieses Ansinnen ihrer Behörde ist daher auch nach eindeutiger Einschätzung des Behindertenbeauftragten des Landes Steiermark schwerst diskriminierend und daher rechtswidrig. Im übrigen ist die Begründung des Straferlasses auch unvollständig, da nicht auf das von mir im Einspruch vorgebrachte Argument des Notstands nach § 6 VStG eingegangen wurde. Am 02.05.2006 wurde eine Verhandlung durchgeführt, an der der Berufungswerber und Dr. G P als Vertreter der belangten Behörde teilnahmen und in welcher der Berufungswerber als Partei sowie Dr. A A als Zeugin vernommen wurden. Nach Durchführung des Beweisverfahrens werden folgende, für das gegenständliche Verfahren wesentliche, Feststellungen getroffen: Der Berufungswerber ist Zulassungsbesitzer eines aufgrund seiner körperlichen Behinderung - er besitzt keine Arme - speziell für ihn umgebauten Fahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen W. Er hat seinen Hauptwohnsitz in W und dort über Antrag bei der zuständigen Behörde - Magistrat der Stadt W - eine für W geltende Bescheinigung erhalten, dass er mit diesem Fahrzeug gemäß § 3 Abs 2 des W Parkometergesetzes von der Entrichtung der Parkometerabgabe in gebührenpflichtigen Kurzparkzonen in W bei Anbringen dieser Bescheinigung an der Windschutzscheibe befreit ist. Der Berufungswerber hat einen Nebenwohnsitz in G. Eine Befreiung von der Parkgebühr für gebührenpflichtige Kurzparkplätze in G ist nicht gegeben. Da der Berufungswerber keine Gehbehinderung aufweist, kann er keinen Behindertenausweis gemäß § 29 b StVO erhalten. Laut Behindertenpass des Bundessozialamtes liegt ein Grad der Behinderung von 100 % vor, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar. Wie ein Ortsaugenschein bei einem Parkscheinautomaten im Zuge der Verhandlung gezeigt hat, ist die Bedienung der Parkscheinautomaten in G dem Berufungswerber aufgrund seiner körperlichen Behinderung ohne die Hilfe anderer Personen nicht möglich. Am 04.08.2005 fuhr der Berufungswerber mit seinem Fahrzeug in die G Innenstadt und parkte es am J. Ihm war zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt, dass er selbst nicht dazu in der Lage ist, einen Parkschein ohne die Hilfe einer anderen Person zu lösen. Er war an diesem Tag mit Frau Dr. A A verabredet, die für diesen Parkvorgang um den Betrag von ? 1,70 einen Parkschein löste, der in das Fahrzeug eingelegt wurde und knapp eineinhalb Stunden, und zwar bis 13.00 Uhr, Gültigkeit hatte. Der Berufungswerber besuchte mit Frau Dr. A ein Caféhaus und entschied sich, nachdem er sich von ihr wieder getrennt hatte, noch einen Einkauf zu tätigen, wobei er in Kauf nahm, dadurch die bezahlte Parkzeit zu überschreiten. Um 13.21 Uhr kontrollierte das beeidete Aufsichtsorgan für die Überwachung gebührenpflichtiger Kurzparkzonen in G, R H, das Fahrzeug des Berufungswerbers und stellte fest, dass die bis 13.00 Uhr bezahlte Parkzeit überschritten war. Nach einer Beobachtungszeit von 13 Minuten stellte sie um 13.34 Uhr eine Organstrafverfügung aus. Der gewählte Parkplatz befindet sich innerhalb einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone. Diese Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf den eigenen Angaben des Berufungswerbers und den von ihm vorgelegten Unterlagen sowie einem Ortsaugenschein bei einem Parkscheinautomaten. Die Daten zur Fahrzeugkontrolle und hinsichtlich der Überschreitung der Parkzeit wurden dem Anzeigen- und Kontoblatt des erstinstanzlichen Aktes entnommen und werden vom Berufungswerber nicht bestritten. Rechtliche Beurteilung: Der Berufungswerber bestreitet nicht die Überschreitung der bezahlten Parkzeit, sondern sein Verschulden daran, da er aufgrund seiner körperlichen Behinderung keinen Parkscheinautomaten bedienen könne. Im Anlassfall handelt es sich jedoch darum, dass die bereits bezahlte Parkzeit überschritten wurde. Der Berufungswerber hat mit Hilfe von Frau Dr. A A einen Parkschein gelöst, der bis 13.00 Uhr Gültigkeit hatte. Laut eigenen Angaben hat er sich - als er nicht mehr in Begleitung von Frau Dr. A A war - entschieden, noch einen Einkauf zu tätigen, obwohl im bewusst sein musste, dass er dadurch die bezahlte Parkzeit überschreiten würde. Vielmehr hat er sich darauf verlassen, dass ihm, wie bereits zwei Jahre zuvor in einem vergleichbaren Fall, die Strafe erlassen würde. Der Berufungswerber hat zwar in seiner Berufung gerügt, dass man sich nicht mit der Anwendung des § 6 VStG - Notstand - auseinandergesetzt hat, hat jedoch in keiner Weise vorgebracht, aus welchem Grund ein Notstand vorgelegen sein soll, der es ihm nicht ermöglicht hätte, rechtzeitig zu seinem Fahrzeug zurückzukehren und wegzufahren. Gemäß der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist unter Notstand ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten zu verstehen, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im Allgemeinen strafbare Handlung begeht. Dass der Einkauf eine solche Notstandssituation dargestellt hätte, kann nicht angenommen werden und wurde auch nicht behauptet. Auch dass er wegen seiner körperlichen Behinderung nicht rechtzeitig zum Fahrzeug gelangen konnte, wurde nicht behauptet. Es geht im Anlassfall nicht um die Frage, ob es dem Berufungswerber grundsätzlich möglich ist oder nicht, einen Parkschein zu lösen, sondern ausschließlich darum, dass die bereits bezahlte Parkzeit überschritten wurde. Dass dafür mangelndes Verschulden aufgrund seiner körperlichen Behinderung vorliegt, kann nicht gesehen werden. Er hätte auch die Möglichkeit gehabt, bereits beim Lösen des Parkscheines durch Frau Dr. A für eine längere Parkzeit zu bezahlen, da die maximale Parkdauer drei Stunden beträgt und von ihm lediglich eine Dauer von knapp eineinhalb Stunden gewählt wurde. Es liegt somit fahrlässiges Verhalten vor. Zur Strafbemessung: Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Zu den verletzten Schutzzwecken wird auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Straferkenntnis verwiesen. Neben den objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat kommt im ordentlichen Verfahren als Strafbemessungsgrundlage die Prüfung der subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat, somit auch die in der Person des Beschuldigten gelegenen Umstände, hinzu. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) daher die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Als Verschuldensform ist wie erwähnt Fahrlässigkeit gegeben. Zur Tatzeit liegt der Milderungsgrund der absoluten Unbescholtenheit vor, der von der belangten Behörde nicht berücksichtigt wurde. Erschwerungsgrund ist keiner gegeben. Weiters gab der Berufungswerber an, über ein monatliches Einkommen von ? 2.900,-- netto zu verfügen, Sorgepflichten für ein minderjähriges Kind zu haben und anteilig für die Pflegeheimkosten seiner Mutter Beiträge leisten zu müssen. Angesichts sämtlicher Strafzumessungskriterien, auch unter Berücksichtigung des hinzugekommenen Milderungsgrundes, ist die von der belangten Behörde festgesetzte Strafe in der Höhe von ? 35,--, angesichts des bis zu ? 218,-- reichenden Strafrahmens, tat- und schuldangemessen. Die Festsetzung des Kostenbeitrages zum Verwaltungsstrafverfahren zweiter Instanz ergibt sich aus § 64 VStG, wonach im Fall der vollinhaltlichen Bestätigung des Straferkenntnisses erster Instanz durch die Berufungsbehörde dieser Betrag mit 20 % der verhängten Strafe festzusetzen ist.

Schlagworte
Parkscheinautomat Bedienung Unmöglichkeit Behinderung Notstand
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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