Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Felizitas Schiessendoppler-Luchner über die Berufung des Herrn K. R., XY, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. G. T. und Dr. G. J., XY, XY, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 07.09.2005, Zl VA-123-2005, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 20 Prozent der verhängten Strafe, das sind Euro 240,--, zu bezahlen.
Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Tatzeit: 09.06.2005, 15.27 Uhr
Tatort: 9900 Lienz, Zettersfeldstraße, ca. auf Höhe des Hauses Nr 11, L73, km 0,480
Fahrzeug: Kombinationskraftwagen, XY
Sie haben das angeführte Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Der Test am geeichten Alkomaten ergab einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,82 mg/l.?
Dem Beschuldigten wurde eine Übertretung nach § 99 Abs 1 lit a iVm § 5 Abs 1 StVO zur Last gelegt und wurde ihm gemäß § 99 Abs 1 lit a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 1.200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens aufgetragen.
Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter Berufung erhoben und in dieser zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt:
Herr R. sei nach dem gegenständlichen Verkehrsunfall aufgrund einer Gehirnerschütterung nicht dispositions- und diskretionsfähig gewesen und sei in das Krankenhaus Lienz eingeliefert worden. Er sei in keiner Weise handlungsfähig gewesen und habe auch keinerlei Erinnerung an das Geschehen. Es fehle ihm jede Erinnerung an irgendeine Alkomatmessung, aber auch an das sonstige Geschehen. Die Bezirkshauptmannschaft gehe jedoch davon aus, dass Herr R. nach dem Unfall sehr wohl bei Bewusstsein gewesen sein müsse. Diese Feststellung, die eigentlich nur eine behördliche Vermutung sei, stützt die Bezirkshauptmannschaft auf eine einseitige und selektive Sachverhaltsermittlung. Die bereits in der Vorstellung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 17.06.2005 und in der darauf folgenden Stellungnahme vorgebrachten Argumente und Beweisanbote seien ignoriert worden. Die angebotenen Beweise seien nicht aufgenommen worden. Herr R. sei nach dem Unfall nicht ansprechbar gewesen. Dies könne ein unbeteiligter Zeuge bestätigen. Der Zeuge habe auch ein Foto vom Unfallort aufgenommen, das bereits mit der Vorstellung vorgelegt worden sei. Daraus gehe eindeutig hervor, dass Herr R. offensichtlich völlig desorientiert und nicht bei vollem Bewusstsein gewesen sei. Die Beurteilung der Bezirkshauptmannschaft, Herr R. blicke auf dem Foto in Richtung des Rot-Kreuz-Helfers und sei daher offensichtlich bei Bewusstsein, sei nicht nachvollziehbar und entbehre jeder Überprüfbarkeit. Tatsächlich sei Herr R. nach dem Unfall so sehr beeinträchtigt gewesen, dass mit ihm nicht vernünftig gesprochen werden konnte. Er sei eindeutig nicht dispositions- und diskretionsfähig gewesen. Aufgrund der Schwere der Verletzungen sei es auch für medizinische Laien plausibel nachvollziehbar, dass es zu einem völligen Erinnerungsausfall/zur Handlungsunfähigkeit kommen könne. Herr R. habe für den Fall, dass die Bezirkshauptmannschaft Lienz seinen medizinischen Zustand bezweifle, die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens und der Kranken
geschichte des a.ö. Bezirkskrankenhauses Lienz beantragt. Die Bezirkshauptmannschaft Lienz habe diese Beweise weder aufgenommen noch schlüssig dargelegt, weshalb die Beweise nicht aufzunehmen waren. Stattdessen berufe sie sich ausschließlich auf die Diagnose eines Laien, der nicht einmal medizinische Kenntnisse behauptet.
Nach der Judikatur des Verfassungsgerichthofes komme eine Blutabnahme bei bewusstlosen Personen nicht in Betracht. Es widerspreche dem Anklageprinzip, jemanden zu verpflichten, seinen Körper für medizinische Eingriffe mit anderen Worten als Beweismittel gegen sich selbst zur Verfügung zu stellen. Dies gelte aber auch für die gegenständliche Atemluftbestimmung. Herr R. sei zu keinem Zeitpunkt nach dem Unfall bis zur angeblichen Atemluftmessung ausreichend bei Bewusstsein gewesen. Es fehle ihm auch jegliche Erinnerung an das Geschehen. Es sei daher unzulässig, eine Atemluftprobe vorzunehmen, wobei ihm überdies durch die gesetzwidrige Vorgangsweise die Möglichkeit genommen worden sei, gemäß § 5 Abs 8 StVO vorzugehen und die Blutabnahme zwecks Bestimmung des Blutalkohols zu verlangen. Angesichts der relativ geringfügigen Überschreitung des Grenzwertes (0,82 mg/l) wäre dies aus seiner Sicht betrachtet zwecks Wahrung seiner Rechte jedenfalls erforderlich gewesen. Da sich Herr R. zum Zeitpunkt der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt noch nicht wieder bei ausreichendem Bewusstsein befunden habe, sei der Eingriff gesetzlos gewesen und hätte ihn in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Achtung seines Privatlebens verletzt. Wie sehr Herr R. beeinträchtigt gewesen sei, zeige, dass er auch später im Spital unsinnigerweise angegeben habe, er sei Selbstzahler, obwohl er sozialversichert gewesen sei. Das Krankenhaus habe ihm daraufhin Honorarnoten übermittelt. Insgesamt sei davon auszugehen, dass der Bescheid rechtswidrig erlassen worden sei, da die dem Bescheid zugrunde liegende Atemluftbestimmung aufgrund der massiven Bewusstseinsbeeinträchtigung des Herrn R. gesetzwidrig erfolgt sei. Die Bezirkshauptmannschaft Lienz habe auch das Vorbringen des Herrn R., er habe äußerst knapp vor dem Unfall noch Alkohol konsumiert, nachdem er einem Bekannten beim Heu einbringen geholfen habe, als reine Schutzbehauptung abgetan, ohne dazu Beweise aufzunehmen. Es habe die Bezirkshauptmannschaft Lienz ihre Verpflich tung, den Sachverhalt umfassend festzustellen, gröblich verletzt. Tatsächlich habe Herr R. unmittelbar vor dem Unfall eine größere Menge an Alkohol getrunken. Darauf sei zurückzuführen, dass der Alkoholgehalt nach dem Unfall auf 0,82 mg/l angestiegen sei. Es sei davon auszugehen, dass wohl auch der Bezirkshauptmannschaft Lienz der Umstand bekannt sei, dass gerade beim Heu einbringen in der heißesten Zeit des Jahres durch die enorme körperliche Anstrengung bei dieser Tätigkeit im Freien unter direkter Sonneneinstrahlung, oft auf steilen Hängen, eine enorme Austrocknung des Körpers eintrete, sodass ein großer Flüssigkeitsbedarf entstehe. Der Umstand, dass Herr R. nach der Arbeit und unmittelbar vor der Abfahrt und dem Unfall eine größere Menge getrunken habe (Sturztrunk), um den Flüssigkeitsmangel auszugleichen, sei daher äußerst nachvollziehbar und glaubwürdig und könne nicht pauschal und ohne Beweisaufnahme als Schutzbehauptung abgetan werden. Aus der Messung um 16.46 Uhr und 16.47 Uhr ergebe sich daher ein verzerrtes Bild. Zum Unfallzeitpunkt selbst - 15.27 Uhr ? sohin eine Stunde und 20 Minuten vor der Messung der Atemluft, sei Herr R. weitaus weniger alkoholisiert gewesen. Der festgestellte Alkoholgehalt von 0,82 mg/l sei weitaus überhöht und entspreche nicht dem Alkoholgehalt zum Tatzeitpunkt.
Nach der Judikatur des VwGH führe die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt mit einem Gerät, das den Alkoholgehalt der Atemluft misst und entsprechend anzeige, zu einem Ergebnis nur bezogen auf den Zeitpunkt der Untersuchung. Ein Sturztrunk vor Fahrtantritt wirke sich auf den Alkoholgehalt des Blutes und der Atemluft erst nach einer gewissen Zeit aus. Maßgebend für eine Bestrafung gemäß § 5 Abs 1 StVO sei aber der durch Alkohol beeinträchtigte Zustand zum Zeitpunkt des Lenkens bzw des Inbetriebsnehmens eines Fahrzeuges.
Es werde daher beantragt, das Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung zu bringen.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt, in den Arztbrief über den Patienten K. R., verfasst von Prim. Dr. M. M. am 31.10.2005, chirurgische Abteilung des a.ö. Bezirkskrankenhaus Lienz sowie in den Aufnahmebefund und in den Laborbefund, sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, welches dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol am 06.03.2006 durch Dr. F. K., Landessanitätsdirektion beim Amt der Tiroler Landesregierung, vorgelegt wurde. In diesem Sachverständigengutachten ist Nachstehendes ausgeführt:
?Fragestellung:
Mit Ersuchen des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol soll zu den Verletzungen, insbesondere der Frage einer Gehirnerschütterung mit dadurch bedingter Einschränkung der Dispositions- und Diskretionsfähigkeit sowie zur Alkoholisierung des K. R. zum Vorfallszeitpunkt Stellung genommen werden. In diesem Zusammenhang soll auch die Frage beantwortet werden, ob eine Contusio capitis und Gesichtsschädelkontusion so schwere Verletzungen darstellen, dass diese zu einem völligen Erinnerungsausfall bzw zur Handlungsunfähigkeit führen. Hinsichtlich der Berechnung der Alkoholisierung des K. R. zum Unfallszeitpunkt soll auch berücksichtigt werden, dass dieser knapp vor dem Unfall noch Alkohol konsumiert habe. Indiz dafür sei, dass der Alkohol nach dem Unfall auf 0,82 mg/1 angestiegen sei.
Sachlage:
Laut Anzeige des Gendarmerieposten Lienz ist K. R. am 09.06.2005, um
15.27 Uhr, auf der Gaimbergstraße, ca. auf Höhe des Hauses Petersfeldstraße Nr 11, Lienz, gegen einen Baum geprallt und verletzt worden. K. R. wurde von den Rettungskräften sowie vom Notarzt Dr. Z. erstversorgt. Er war ansprechbar und wurde um 15.40 Uhr durch Rev. Insp. D. W. zum Alkotest aufgefordert, welcher erst später im BKH Lienz, wohin der Verletzte in der Folge verbracht worden war, durchgeführt wurde.
Die Alkomatuntersuchung erfolgte nach den ärztlichen Behandlungsmaßnahmen am 09.06.2005 und ergab um 16.46 Uhr eine Atemalkoholkonzentration von 0,83 mg/l Ausatemluft und um 16.47 Uhr von 0,82 mg/l Ausatemluft.
Aus den ärztlichen Behandlungsunterlagen:
Laut Aufnahmebefund der chirurgischen Abteilung des BKH Lienz wurde K. R. dort am 09.06.2005, ab 15.45 Uhr ärztlich versorgt und in weiterer Folge zur Beobachtung bis 10.06.2005 stationär aufgenommen. Bei der spitalsärztlichen Untersuchung gab der Patient an Halswirbelsäule, Brustkorb, Brustwirbelsäule und Becken keine Schmerzen an. Er konnte sich an den Unfall erinnern und war laut eigener Aussage gegen Tetanus immunisiert. Mit einer Pulsfrequenz von 62 Schlägen pro Minute und einem Blutdruck von 124/81 mmHg sowie einer Sauerstoffsättigung von 97 Prozent waren diese Befunde unauffällig. Es fanden sich mehrere oberflächliche Hautabschürfungen, Nasenbluten und eine lappenförmige Rissquetschwunde der Oberlippe linksseitig mit einem stark gequetschten Lappen. Das Nasenskelett war klinisch fest. Der Harnbefund zeigte eine leichte Blutbeimengung bei Flankenprellung. Es wurden Röntgenaufnahmen des Schädels, der Halswirbelsäule und des Gesichtsschädels angefertigt. Auf diesen konnten keine frischen knöchernen Verletzungen gesehen werden.
Die Rissquetschwunde wurde in örtlicher Betäubung chirurgisch versorgt. Aus den Untersuchungsbefunden wurden die Diagnosen einer Contusio capitis (ist gleich Schädelprellung), einer Rissquetschwunde der Oberlippe links, einer Prellmarke über dem rechten Schlüsselbein und multiple oberflächliche Hautabschürfungen an beiden oberen Extremitäten festgestellt und der Patient zur Kontrolle von Blutdruck, Puls und der Vigilanz stationär aufgenommen. Diesbezüglich ergaben sich gemäß den weiteren Eintragungen in Fieberkurve und Pflegebericht keine Auffälligkeiten. Nach ungestörtem Beobachtungsverlauf wurde der Patient am Folgetag auf eigenen Wunsch entlassen.
In der Berufung des K. R. führte dieser zu den erlittenen Verletzungen sinngemäß an, dass er nach dem Unfall überhaupt nicht ansprechbar war. Aus dem Foto eines unbeteiligten Zeugen gehe eindeutig hervor, dass Herr R. offensichtlich völlig desorientiert und nicht bei vollem Bewusstsein war. Auf Grund der Schwere der Verletzungen (Contusio capitits und Gesichtsschädelkontusion) sei auch für medizinische Laien plausibel nachvollziehbar, dass es zu einem völligen Erinnerungsausfall bzw zur Handlungsunfähigkeit kam. Es war daher unzulässig, eine Atemluftprobe vorzunehmen, da ihm überdies die Möglichkeit genommen wurde, gemäß § 5 Abs 8 StVO vorzugehen und die Blutabnahme zwecks Bestimmung des Blutalkohols zu verlangen. Angesichts der relativ geringfügigen Überschreitung des Grenzwertes (0,82 mg/l) wäre dies zwecks Wahrung seiner Rechte jedenfalls erforderlich gewesen. Herr R. habe nach der Arbeit (Heueinbringen) und unmittelbar vor der Abfahrt und dem Unfall eine größere Menge getrunken (Sturztrunk), um den Flüssigkeitsmangel auszugleichen. Aus den Messungen um 16.46 Uhr und 16.47 Uhr ergibt sich daher ein verzerrtes Bild. Zum Unfallszeitpunkt selbst (15.27 Uhr), sohin 1 Stunde und 20 Minuten vor der Messung der Atemluft, sei Herr R. weitaus weniger alkoholisiert gewesen.
Stellungnahme:
Laut Aktenlage sowie den ärztlichen Behandlungsunterlagen des BKH Lienz war zu schließen, dass K. R. im Rahmen des gegenständlichen Verkehrsunfalles am 09.06.2005, um 15.27 Uhr, eine Nierenprellung mit leichter Blutbeimengung im Harn, eine Contusio capitis (ist gleich Schädelprellung) und Gesichtsschädelkontusion (ist gleich Gesichtsschädelprellung), eine Rissquetschwunde der Oberlippe links, multiple oberflächliche Hautabschürfungen an beiden oberen Extremitäten und eine Prellmarke in der rechten Schlüsselbeinregion erlitten hatte. Laut Polizeibericht war K.R. im Rahmen der Erstversorgung durch die Rettungskräfte und den Notarzt Dr. Z. ansprechbar. Laut Aufnahmebefund des BKH Lienz konnte sich der Verletzte an den Unfall erinnern, wurde aber aufgrund seiner (Gesichts-) Schädelprellung bis zum Folgetag stationär aufgenommen und hinsichtlich Blutdruck, Puls und Vigilanz beobachtet. Dabei fanden sich keinerlei Auffälligkeiten. Die Versorgung der Rissquetschwunde erfolgte in örtlicher Betäubung. Laut den Untersuchungsbefunden wurde eine Schädel- und Gesichtsschädelprellung, nicht aber eine Gehirnerschütterung oder Gehirnprellung diagnostiziert. Es fanden sich auch klinisch dafür keinerlei Hinweise, wie zB Bewusstlosigkeit, Übelkeit oder Erbrechen. Nach gutachterlichem Dafürhalten ist aus der Aktenlage einschließlich der ausführlichen ärztlichen Behandlungsunterlagen kein Hinweis auf eine Bewusstlosigkeit oder relevante Bewusstseinseintrübung des Mannes abzuleiten. Der von K.R. angegebene Erinnerungsverlust an das gegenständliche Unfallsgeschehen im Sinne einer retrograden Amnesie erscheint eher unwahrscheinlich, zumal der Mann während der gesamten Zeit keinerlei Symptome einer Gehirnerschütterung zeigte und eine Schädel- bzw Gesichtsschädelprellung nicht zwangsweise mit einer solchen einhergehen muss. Es ist aber wohl davon auszugehen, dass sich K.R., bedingt durch den Verkehrsunfall, in einem Schockzustand befand und in einer solchen Situation - auch unter Berücksichtigung der nachgewiesenen Alkoholisierung - eine
leichte Einschränkung der Dispositions- und Diskretionsfähigkeit aus medizinischer Sicht letztlich nicht ausgeschlossen werden kann. Bei K.R. ergab die Alkomatuntersuchung am 09.06.2005, um 16.47 Uhr, eine Atemalkoholkonzentration von 0,82 mg/1 Ausatemluft. Den Berechnungsvorgaben des VwGH folgend, resultiert daraus eine Blutalkoholkonzentration von 1,64 Promille zum Zeitpunkt der Alkomatmessung. Unter der Voraussetzung einer weitgehend abgeschlossenen Alkoholresorption und Berücksichtigung eines stündlichen Alkoholabbaues von 0,10 Promille, ergibt sich daraus bei K. R. rein rechnerisch (ohne Berücksichtigung allfälliger Nach- oder Sturztrunkangaben) für den Unfallszeitpunkt am 09.06.2005, um 15.27 Uhr, eine Blutalkoholkonzentration von 1,77 Promille. Die Berücksichtigung einer allenfalls relevanten Schluss- bzw Sturztrunkbehauptung ist gutachterlicherseits erst möglich, nachdem konkrete Angaben zu den Alkoholkonsumationen (Art und Menge der alkoholischen Getränke, genaue zeitliche Verhältnisse) vor dem gegenständlichen Unfall vorliegen. Aus den unterschiedlichen Messergebnissen der beiden Alkomatuntersuchungen um 16.46 Uhr und 16.47 Uhr können keine Rückschlüsse hinsichtlich eines bestimmten Trinkverhaltens vor dem Unfall, wie zB Schluss- bzw Sturztrunk, getroffen werden.?
Festgehalten wird, dass der Unfall am 9.6.2005 um 15.27 Uhr stattgefunden hat, der Alkotest um 16.46 Uhr begonnen wurde, somit über eine Stunde nach dem Unfall. Laut Aufnahmebefund der chirurgischen Abteilung des BKH Lienz wurde der Berufungswerber ab
15.45 Uhr ärztlich versorgt und gab er bei der spitalsärztlichen Untersuchung keine Schmerzen an. Er konnte sich an den Unfall erinnern und war laut eigener Aussage gegen Tetanus geimpft. Laut den Untersuchungsbefunden wurde eine Schädel- und Gesichtsschädelprellung, nicht aber eine Gehirnerschütterung oder Gehirnprellung diagnostiziert. Es haben sich auch klinisch keinerlei Hinweise wie zB Bewusstlosigkeit, Übelkeit oder Erbrechen gefunden. Es besteht nach gutachterlichem Dafürhalten kein Hinweis auf eine Bewusstlosigkeit oder relevante Bewusstseinseintrübung des Mannes. Da der Sachverständige davon ausgeht, dass der von K. R. angegebene Erinnerungsverlust an das gegenständliche Unfallsgeschehen eher unwahrscheinlich erscheine, zumal er während der gesamten Zeit keinerlei Symptome einer Gehirnerschütterung gezeigt habe und wohl davon auszugehen sei, dass sich K. R. in einem Schockzustand befunden habe, ist die Berufungsbehörde davon überzeugt, dass dieser angegebene Erinnerungsverlust über einen dermaßen langen Zeitraum eine Schutzbehauptung des Berufungswerbers darstellt.
Daran konnte auch die durchaus glaubwürdige und nachvollziehbare Aussage des Zeugen A. L. nichts ändern, da dieser nur über den ca. 15 - minütigen Zeitraum unmittelbar nach dem Unfall Auskunft geben konnte.
Dass der Berufungswerber nach dem Unfall längere Zeit nicht bei vollem Bewusstsein gewesen sein soll, ist auch nicht dem Foto, welches ein Zeuge beim Unfallsort aufgenommen hat, zu entnehmen. Der Berufungswerber hat die Augen offen und blickt in eine bestimmte Richtung. Er wirkt vielleicht etwas unter Schock, jedoch keinesfalls bewusstlos. Wenn der Berufungswerber behauptet, er sei nach dem Unfall so sehr beeinträchtigt gewesen, dass mit ihm nicht vernünftig gesprochen werden konnte, so glaubt die Berufungsbehörde ihm auch diese Verantwortung, allerdings begrenzt auf eine kurze Zeitspanne unmittelbar nach dem Unfall und nicht für die Dauer von über eine Stunde nach dem Unfall. Der Alkoholtest hat aber ? wie schon zuvor ausgeführt ? über eine Stunde nach dem gegenständlichen Unfall stattgefunden.
Die Rückrechnung des Gutachters hat eine Blutalkoholkonzentration von 1,77 Promille für den Unfallszeitpunkt am 09.06.2005 um 15.27 Uhr ergeben. Mangels genauer detaillierter Angaben zum Alkoholkonsum direkt vor dem gegenständlichen Unfall konnte diesbezüglich keine Rückrechnung stattfinden bzw Rückschlüsse hinsichtlich eines bestimmten Trinkverhaltens vor dem Unfall getroffen werden. Dies muss sich der Berufungswerber zu seinem Nachteil nunmehr gefallen lassen. Es wäre in seiner Verantwortung gelegen, genaueste Angaben hinsichtlich des Alkoholkonsums vor dem Unfall zu tätigen. Dies hat er jedoch nicht gemacht. Auch bei seiner Einvernahme vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol hat er keine konkreten, sondern nur ungefähre Angaben getätigt.
§ 5 Abs 1 StVO normiert, dass der, der sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen darf. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.
Hinsichtlich der vom Berufungswerber behaupteten Bewusstlosigkeit ist bereits vom Gutachter ausgeführt worden, dass eine solche nicht vorgelegen sein kann.
Wenn der Berufungswerber nunmehr vorbringt, er sei extrem beeinträchtigt gewesen und dies gehe auch daraus hervor, dass er im Krankenhaus angegeben habe, er sei Selbstzahler, obwohl er sozialversichert gewesen sei, so darf darauf hingewiesen werden, dass der Beschuldigte Beamter und somit pragmatisiert ist und als solcher in Tirol bei der KUF versichert ist. Hier wird zunächst die Rechnung selbst bezahlt und erst dann die Rechnung bei der Sozialversicherungsanstalt eingereicht. Es ist daher die vom Berufungswerber angegebene Selbstzahlertheorie gar nicht so unsinnig, wie es auf den ersten Blick scheinen möchte. Die Behauptung des Herrn R., wonach er vor dem Unfall noch Alkohol konsumiert hat, wurde von ihm nicht bewiesen. Er hätte zumindest eine ganz genaue und detaillierte Aufstellung der genossenen Alkoholika abgeben müssen.
Selbst wenn man den Angaben des Berufungswerbers in Bezug auf den Alkoholkonsum folgen würde, würde ihm dies unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht zum Erfolg verhelfen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass es der Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft entspricht, dass Alkohol in der Anflutungsphase besonders nachteilige Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit zeitigt. Ein Sturztrunk kurz vor Fahrtantritt wirkt sich auf den Alkoholgehalt des Blutes und der Atemluft erst nach einer gewissen Zeit aus; die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit tritt aber sofort ein. Diese Ansicht bezieht sich nicht bloß auf den Sturztrunk von ?großen Alkoholmengen?. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes trifft dies auch auf Rotwein (ein Viertel Liter Gespritzer und ein Viertel Liter nicht Gespritzer) und Bier (1 Glas vor Fahrtantritt) zu (vgl VwGH 14.12.94, Z 94/03/0306, sowie 18.05.1994, Z 94/03/0090).
Zuletzt hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30.01.2004, Zl 2004/02/0011, ausgesprochen, dass es einen Wertungswiderspruch darstellen würde, wollte man diese Bestimmungen (§ 99 Abs 1 lit a, § 5 Abs 1 zweiter Satz StVO und § 14 Abs 8 FSG) allein auf jene Personen anwenden, welche die Alkoholresorption zum Zeitpunkt des Lenkens bzw des Inbetriebnehmens eines Fahrzeuges bereits abgeschlossen hatten, hingegen auf jene, die sich zu diesem Zeitpunkt in der für die Fahrtüchtigkeit ?besonders nachteiligen? Anflutungsphase befunden hatten, - zu ihren Gunsten ? nicht. Der Gerichtshof legt daher diese Bestimmung (insbesondere also die im Beschwerdefall relevante des § 99 Abs 1a StVO) dahin aus, dass die nachträgliche Feststellung des maßgebenden Wertes des Atemluftalkoholgehaltes bzw Blutalkoholgehaltes auch dann zur Anwendung dieser Bestimmung zu führen hat, wenn sich der Lenker im Lenkzeitpunkt (noch) in der Anflutungsphase befunden hat. (Nur nebenbei sei bemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang auch die Erforderlichkeit der Einvernahme eines Zeugen zum Beweis des Sturztrunkes, als auch die Einholung eines diesbezüglichen medizinischen Sachverständigengutachtens verneint.)
Nicht zuletzt aufgrund dieses aktuellen Erkenntnisses des VwGH vermag es die Berufungsbehörde nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die Erstbehörde von einem Verstoß des Berufungswerbers gegen § 5 Abs 1 StVO ausgegangen ist.
Bezüglich der Strafe ist auszuführen, dass die vom Berufungswerber missachtete Norm der Verkehrssicherheit dient und diesem Interesse in einem erheblichen Ausmaß zuwider gehandelt wurde. Die Tat blieb auch nicht ohne Folgen, zumal es zu einem Unfall gekommen ist. Es ist daher von einem erheblichen Unrechtsgehalt auszugehen. In subjektiver Hinsicht ist zumindest von grob fahrlässigem Verhaltens auszugehen. Der Berufungswerber konsumierte ja vor seinem Fahrtantritt Alkohol und musste sich im Klaren darüber sein, dass dies eine Alkoholbeeinträchtigung nach sich zieht.
Unter Bedachtnahme auf diese Strafbemessungskriterien erweist sich die von der Erstbehörde im untersten Bereich des Strafrahmens festgesetzte Strafe nicht als unangemessen hoch und lässt sich auch mit allenfalls ungünstigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und mit dem Milderungsgrund der Unbescholtenheit in Einklang bringen.
Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.