TE UVS Steiermark 2006/05/22 30.16-28/2006

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Veröffentlicht am 22.05.2006
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl Heinz Liebenwein über die Berufung des Herrn N M, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 06.03.2006, Zl. III/S-35.381/05, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Text

I. Mit dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe als Zulassungsbesitzer eines nach dem Kennzeichen bestimmten Kraftfahrzeuges aufgrund der schriftlichen Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers vom 18.11.2005 eine falsche Lenkerauskunft darüber erteilt, wer das angeführte Kraftfahrzeug am 13.07.2005 um 14.07 Uhr in G, P, Fahrtrichtung Süden, gelenkt hat. Wegen Verletzung des § 103 Abs 2 KFG wurde über ihn daher gemäß § 134 Abs 1 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von ? 100,00, für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 2 Tagen verhängt. II. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung, in Verbindung mit dem Verbesserungsauftrag vom 05.04.2006 im Ergebnis vorgebracht wurde, dass aufgrund umfangreicher Recherchen festgestellt worden sei, dass die betreffende Person, nicht wie irrtümlich angegeben, L W, sondern aufgrund einer Auskunft des Zentralen Melderegisters L A heiße. Es sei dem Beschuldigten unerklärlich, warum in seinen internen Aufzeichnungen Herr L mit dem falschen Vornamen W geführt wurde. Der Berufungswerber ersuche daher höflichst die gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren wegen Verletzung gemäß § 103 Abs 2 KFG einzustellen und das Verfahren richtigerweise an den Verursacher einzuleiten. III. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat erwogen: Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine ? 2.000,00 übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben. Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung abgesehen werden. Auf Grundlage des der Berufungsbehörde vorliegenden Verfahrensaktes der Strafbehörde I. Instanz werden zunächst nachstehende Feststellungen getroffen: Die Bundespolizeidirektion Graz erstattete gegen den unbekannten Lenker eines dem behördlichen Kennzeichen nach näher bestimmten Kraftfahrzeuges wegen einer am 13.07.2005 begangenen Verletzung des § 52a Z 2 StVO 1960 Strafanzeige. Mit Strafverfügung vom 27.10.2005 wurde zunächst der Berufungswerber als Zulassungsbesitzer des erwähnten Kraftfahrzeuges - eine Lenkeranfrage gemäß § 103 Abs 2 KFG fand nicht statt - wegen der oa. Übertretung bestraft. Gegen diese Strafverfügung wurde vom nunmehrigen Berufungswerber Einspruch erhoben und in dieser ausgeführt, dass das Fahrzeug zum angeführten Zeitpunkt nicht von ihm gelenkt worden sei. Erst auf diesen Einspruch hin richtete die belangte Behörde am 18.11.2005 ein schriftliches, auf § 103 Abs 2 KFG gestütztes Lenkerauskunftsbegehren an den Berufungswerber. Dieses Lenkerauskunftsbegehren wurde vom Berufungswerber beantwortet und in weiterer Folge das gegen ihn wegen Verdachts der Übertretung nach § 52a Z 2 StVO eingeleitete Strafverfahren eingestellt. In weiterer Folge wurde der benannte Lenker wegen des Vergehens gegen die Bestimmungen der StVO 1960 bestraft, dieser erhob ebenfalls Einspruch, indem er sich nicht als Lenker bekannte, worauf die belangte Behörde gegen eine weitere benannte Person mit Strafverfügung wegen der Verletzung des § 52a Z 2 StVO vorging. Auch gegen diese Strafverfügung wurde Einspruch erhoben und auf diesen hin das Verwaltungsstrafverfahren gegen Herrn A L eingestellt, während das gegen Herrn W L eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren der Aktenlage nach offensichtlich bis dato noch nicht eingestellt wurde. IV. In rechtlicher Hinsicht ist nunmehr auszuführen: Gemäß § 103 Abs 2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Fall von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen (Verfassungsbestimmung). Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück. Wer der Vorschrift des § 103 Abs 2 KFG zuwiderhandelt, begeht nach § 134 Abs 1 KFG eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu ? 2.180,00, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Seitens der erkennenden Behörde ergab sich im Anlassfall - ungeachtet des eigentlichen Berufungsvorbringens - die Notwendigkeit von Amts wegen zu prüfen, inwieweit allenfalls durch das verfahrensgegenständliche Lenkerauskunftsbegehren ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), insbesonders gegen deren Art. 6 Abs 1 und 2 EMRK vorliegt. Dazu ist zunächst auszuführen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Fall Rieg gegen Österreich mit Urteil vom 24.03.2005 festgestellt hat, dass in diesem Fall keine Verletzung des Art. 6 EMRK vorliegt. Allerdings hat der EGMR in diesem Urteil, wie aber auch in seinem Urteil im Fall Weh gegen Österreich hervorgehoben, dass in beiden Fällen die Verwaltungsstrafverfahren wegen den der Nichterteilung der Lenkerauskunft gemäß § 103 Abs 2 KFG zugrunde liegenden Geschwindigkeitsüberschreitungen zu keinem Zeitpunkt gegen den jeweiligen Beschwerdeführer geführt wurden. Die genannten Fälle würden daher nicht die Verwendung von durch Zwang erlangten Informationen in einem nachfolgenden Strafverfahren betreffen. Das Verfahren wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung sei jeweils gegen einen unbekannten Täter geführt worden, als der Beschwerdeführer zur Offenlegung der Person des Lenkers aufgefordert wurde. Das Verfahren sei nicht gegen ihn geführt worden und es könne auch nicht angenommen werden, dass ein solches Verfahren gegen den Beschwerdeführer in Aussicht genommen worden wäre, da den Behörden keine Verdachtsmomente gegen ihn vorlägen. Es deute nichts daraufhin, dass der Beschwerdeführer wegen des Verkehrsdelikts angeklagt im Sinne des Art. 6 Abs 1 EMRK gewesen sei. Nur aufgrund seiner Eigenschaft als Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges sei er aufgefordert worden, die Lenkerauskunft zu erteilen. Überdies habe er nur eine einfache Tatsache mitteilen müssen, nämlich wer sein Fahrzeug gelenkt hätte, was selbst noch nicht belastend sei. V. Aus dem, dem gegenständlichen Fall zugrunde liegenden, eingangs geschilderten Verfahrensablauf ergibt sich nunmehr aber, dass sich der Anlassfall wesentlich von den vorerwähnten, den Urteilen des EGMR zugrunde liegenden Fällen unterscheidet. Wie bereits eingangs der Begründung ausgeführt, wurde im hier zu behandelnden Fall nämlich zuerst ein Strafverfahren gegen den nunmehrigen Berufungswerber wegen einer Verletzung des § 52a Z 2 StVO 1960 eingeleitet und erfolgte die Lenkeranfrage gemäß § 103 Abs 2 KFG erst, nachdem der Beschuldigte im Einspruch gegen die Strafverfügung der belangten Behörde vom 27.10.2005 angab, dass das angefragte Fahrzeug zum gegebenen Zeitpunkt nicht von ihm gelenkt worden sei. Zum Zeitpunkt der erwähnten Anfragebeantwortung hatte die belangte Behörde jedoch, wie sich aus der erwähnten Strafverfügung unzweifelhaft ergibt, einen konkreten Verdacht gegen den Berufungswerber geäußert. Das Verfahren, das Grunddelikt betreffend, wurde erst nach dem erwähnten Lenkerauskunftsbegehren vom 18.11.2005 und der auf dieses hin erteilten Auskunft mit Aktenvermerk vom 28.11.2005 eingestellt. VI. Es bestehen für die erkennende Behörde sohin bei dieser Vorgangsweise der Strafbehörde I. Instanz keine Bedenken, den rechtlichen Ausführungen im Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 10.06.2005, Zl. UVS-1-774/E1-2004 (vgl. sinngemäß aber auch das Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 07.02.2006, GZ: 30.6-120,121/2005-9) zu folgen, wonach im gegenständlichen Fall eine Bestrafung wegen einer nicht ordnungsgemäß erfolgten Beantwortung einer Lenkerauskunft nach § 103 Abs 2 KFG gegen das Recht nach Art. 6 Abs 1 EMRK sich nicht selbst bezichtigen zu müssen, verstoßen würde. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 103 Abs 2 KFG führt daher zum Ergebnis, dass das gegenständliche Straferkenntnis aufzuheben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

Schlagworte
Lenkeranfrage Zulässigkeit Beantwortungspflicht Selbstbelastung Strafandrohung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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