Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Hermann Riedler über die Berufung des Herrn H. R. W., geb. XY, XY-Weg, R., vom 02.04.2006, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 24.03.2006, Zahl 3-FSE-821/6-2005, nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm § 35 FSG wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Der Spruch des angefochtenen Bescheides wird insoweit präzisiert, als die Wortfolge ?für die Dauer der Nichteignung entzogen? durch die Wortfolge ?bis zur behördlichen Feststellung der Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung entzogen? ersetzt wird und die von der Erstbehörde angeführten Rechtsgrundlagen durch nachfolgende Bestimmungen ergänzt werden:
§ 8 und § 25 Abs 2 FSG
§ 3 Abs 1 Z 1 und 4 sowie § 13 und § 17
Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung
Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst wurde dem Berufungswerber gemäß § 24 Abs 1 Z 1 und § 3 Abs 1 Z 3 Führerscheingesetz, BGBl Nr 120/1997 (FSG) idgF die Lenkberechtigung für die Fahrzeuge der Gruppen B, C, F und G, Führerschein ausgestellt von der Bezirkshauptmannschaft Imst am 06.10.1994 unter Zahl 252/65, mangels gesundheitlicher Eignung im Sinne des § 3 Abs 1 Z 3 FSG für die Dauer der Nichteignung entzogen und wurde verfügt, dass gemäß § 3 Abs 2 FSG dem Berufungswerber während der Dauer der Nichteignung keine Lenkberechtigung erteilt werden darf.
Gemäß § 64 Abs 2 AVG 1991 wurde einer allfälligen Berufung im Interesse des öffentlichen Wohles und der Verkehrssicherheit die aufschiebende Wirkung aberkannt. Des weiteren wurde dem Berufungswerber gemäß § 32 Abs 1 Z 1 und § 25 Abs 1 Führerscheingesetz iVm § 57 AVG das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Motorfahrrädern ab dem Tag der Zustellung dieses Bescheides (am 28.03.2006) auf die Dauer des ausgesprochenen Entzuges der Lenkberechtigung ausdrücklich verboten.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides verwies die Erstbehörde auf das Gutachten des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 21.03.2006, in welchem festgestellt wurde, dass aufgrund folgender Umstände die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind: Auf Grund des Universitätsgutachtens von Prof. Dr. H. vom 07.03.2006 ist Herr W. H. R., geb. am XY, nicht geeignet, Kraftfahrzeuge der Gruppe B, C, F und G zu lenken, insbesondere wegen schizophrener Psychose mit manischen Phasen und bipolaren affektiven Störungen, weiters wegen unzureichender kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen insbesondere im Bereich der Sorgfaltsleistungen, reaktiven Belastbarkeit, der Verkehrsauffassung und der sensomotorischen Koordination und wegen ausgeprägter Spätdyskinesie. Da die gesundheitliche Eignung, so die Erstinstanz, eine allgemeine Voraussetzung für die Erteilung der Lenkberechtigung sei, habe diese aufgrund des Ergebnisses der amtsärztlichen Untersuchung und der vom Amtsarzt festgestellten (derzeitigen) Nichteignung die Lenkberechtigung zu entziehen gehabt, wobei wegen Gefahr im Verzug im Interesse des öffentlichen Interesses im Hinblick auf die Verkehrssicherheit einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid wurde von Herrn H. W. mit Schreiben vom 02.04.2006 fristgerecht Berufung eingebracht und ausgeführt, dass die ihn belastenden Krankheitsbilder von Prof. Dr. H. mit Erfolg auskuriert seien und der Entzug seiner Lenkberechtigung zu Unrecht erfolge. Er fahre 41 Jahre lang, von 1965 bis 2006, unfallfrei Auto und habe nicht einmal einen Blechschaden bei anderen Fahrzeugen verursacht. Er bitte deshalb, seine Berufung positiv zu erledigen.
Das dem nunmehr angefochtenen Bescheid zugrunde liegende amtsärztliche Gutachten wurde erstellt, nachdem der Berufungswerber mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 05.01.2006, Zahl 3-FSE-821/1/2006, aufgefordert wurde, sich zum Zwecke der Überprüfung seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer amtsärztlichen Untersuchung gemäß § 8 Führerscheingesetz zu unterziehen und die vom Amtsarzt verlangten fachärztlichen Befunde und Gutachten bzw Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme innerhalb von einem Monat beizubringen. Dieser bescheidmäßigen Aufforderung lagen begründete Bedenken, ob die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben ist, insofern zugrunde, als gegen den Berufungswerber einerseits von der Polizeiinspektion Ötz am 18.12.2005 Strafanzeige wegen Verdachtes des Vergehens nach § 107 StGB (gefährliche Drohung) unter GZ B1/13943/2005 erstattet wurde und der Berufungswerber andererseits nach Mitteilung der Polizeiinspektion Ötz im Hinblick auf eine Geschwindigkeitsübertretung in der Simmering-Galerie, in welcher er mit ca 150 km/h gemessen wurde, gegenüber Polizeibeamten die Ansicht vertrat, dass man in Tunnels schnell fahren solle, weil man diese so rasch wie möglich verlassen solle. Diese Rechtfertigung lasse offensichtlich einen Mangel an Verkehrszuverlässigkeit erkennen und gründe dies wahrscheinlich in der aktenkundigen Erkrankung des Berufungswerbers.
Im Zuge der amtsärztlichen Untersuchung durch den Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Imst wurde ein Facharztbefund und ein verkehrspsychologisches Gutachten angefordert und wurde ein solches Gutachten von Univ.-Prof. Dr. H. H., Universitätsklinik für Psychiatrie, Innsbruck, vom 07.03.2006, beigebracht. Gestützt auf eine ausführliche psychiatrische Untersuchung des Probanden und eine neuropsychologische Untersuchung vom 24.02.2006 kam der Gutachter zusammenfassend zur Beurteilung, dass beim Berufungswerber, laut den Ambulanzaufzeichnungen der Univ.-Klinik für Psychiatrie in Innsbruck, seit 1979 eine schizophrene Psychose bestehe, die aufgrund von kognitiven Defiziten angeordnete neuropsychologische Untersuchung habe Defizite in den Bereichen Sorgfaltsleistung, reaktive Belastbarkeit, sensomotorische Koordination und Verkehrsauffassung ergeben, sodass zum Untersuchungszeitpunkt von unzureichenden kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen auszugehen sei. Festgestellt wurden weiters beim Berufungswerber ausgeprägte Spätdyskinesien, welche nicht effektiv behandelt werden können und ihn sicherlich auch im Lenken von Kraftfahrzeugen beeinträchtigen. Zusammenfassend wurde der Berufungswerber aus psychiatrischer Sicht aufgrund des psychopathologischen und neurologischen Status sowie des neuropsychologischen Befundes nicht zum Lenken von KFZ als geeignet angesehen.
Gestützt auf dieses psychiatrische Gutachten von Univ.-Prof. Dr. H. H. und vom Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Imst wurde der Berufungswerber von der Bezirkshauptmannschaft Imst als nicht geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 anzusehen.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:
Gemäß § 24 Abs 1 Z 1 Führerscheingesetz ? FSG, BGBl I Nr 120/1997, idF BGBl I Nr 152/2005, ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.
Gemäß § 3 Abs 1 Z 3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9).
Gemäß § 24 Abs 4 FSG ist vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Bewegung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen.
Gemäß § 8 Abs 3 FSG ist im ärztlichen Gutachten abschließend auszusprechen, ob der Begutachtete geeignet, bedingt geeignet, eingeschränkt geeignet oder nicht geeignet ist.
Nach § 25 Abs 2 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung die Dauer der Entziehung aufgrund des gemäß § 24 Abs 4 eingeholten Gutachtens für die Dauer der Nichteignung festzusetzen.
In § 3 der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung idF BGBl II, finden sich allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen.
Abs 1 dieser Bestimmung lautet wie folgt:
?Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschrift
1.
die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,
2.
die nötige Körpergröße besitzt und
3.
ausreichend frei von Behinderungen ist,
4.
aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt.?
§ 13 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung bezieht sich auf psychische Krankheiten und Behinderungen. Demnach ist beim Verdacht einer psychischen Erkrankung, die die psychische Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme beizubringen, die die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen beurteilt. Eine Lenkberechtigung darf demnach nur dann erteilt oder belassen werden, wenn das ärztliche Gutachten aufgrund einer psychiatrischen fachärztlichen Stellungnahme, in der die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen beurteilt werden, die Eignung bestätigt.
Nach § 17 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung ist die Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle gemäß § 8 Abs 2 FSG im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten insbesondere dann zu verlangen, wenn der Bewerber um eine Lenkberechtigung oder der Besitzer einer Lenkberechtigung Verkehrsunfälle verursacht oder Verkehrsverstöße begangen hat, die den Verdacht
1.
auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit oder
2.
auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung erwecken.
Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen somit erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs 1 oder 2 FSG vorzulegen.
Das im gegenständlichen Fall eingeholte psychiatrische Gutachten vom 07.03.2006, welches sich auf eine ausführliche psychiatrische Untersuchung des Berufungswerbers und auf eine neuropsychologische Untersuchung vom 24.02.2006 stützt, erweist sich als nachvollziehbar und schlüssig. Vom Berufungswerber wurden trotz mehrfacher Zusicherungen und seitens der Behörde dazu eingeräumter Fristen keine Unterlagen nachgereicht, welche dieses vom Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Imst in weiterer Folge seinem negativen Gutachten zugrunde gelegte Gutachten von Univ.Prof. Dr. H. H. entkräften könnten. Lediglich ein bei der Berufungsverhandlung beigebrachter Arztbrief von Dr. med. H. B., Facharzt für Innere Medizin, vom 22.05.2006, welcher ebenso als Therapieempfehlung einen ergänzenden neurologischen Befund für erforderlich erachtet sowie der Hinweis des Berufungswerbers darauf, dass sich Prof. H. unzulässigerweise in seinem Gutachten auf Sachverhalte bezogen habe, welche bereits 1,5 Jahre zurückliegen und er im Jänner des Jahres 2005 aus dem Landesnervenkrankenhaus Hall als geheilt entlassen wurde, vermögen nicht die Schlüssigkeit und Aussagekraft dieses Gutachtens zu erschüttern. Ausgehend vom schlüssigen fachärztlichen Sachverständigengutachten fehlt somit derzeit dem Berufungswerber die Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges für Fahrzeuge der Gruppen B, C, F und G und war somit die Lenkberechtigung im Sinne des § 25 Abs 2 FSG für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung festzusetzen. Mit seinem Vorbringen, die Ergebnisse der psychiatrischen Untersuchung entsprächen nicht den tatsächlichen Verhältnissen, konnten vom Berufungswerber keine Gründe aufgezeigt werden, die die Verwertung des psychiatrischen Gutachtens im Rahmen des amtsärztlichen Gutachtens wegen Verstoßes gegen Bestimmungen der FSG-GV unzulässig gemacht hätten. Diesem Gutachten ist der Berufungswerber im Verwaltungsverfahren nicht durch die Beibringung eines auf gleicher fachlicher Stufe liegenden Gutachtens entgegen getreten, weshalb dieses auch der Ber ufungsentscheidung zugrunde zu legen war. Die von der Berufungsbehörde vorgenommene Spruchmodifikation stützt sich auf die Bestimmung des § 66 Abs 4 AVG und war vor allem zur Klarstellung erforderlich, dass für die Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung eine behördliche Feststellung erforderlich ist.
Ergänzend wird festgehalten, dass private und berufliche Umstände bei der Entziehung der Lenkberechtigung aus Gründen des öffentlichen Interesses, unter anderem verkehrsunzuverlässige Lenker von der Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen, außer Betracht zu bleiben haben (VwGH 20.02.2001, 2000/11/0218-1).
Der vom Berufungswerber bekämpfte Bescheid steht daher im Einklang mit der Rechtslage und war deshalb der Berufung ein Erfolg zu versagen.
Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.
Hinweis:
Für die Vergebührung des Berufungsantrages (samt Beilagen) sind Euro 13,00 zu entrichten. Dieser Betrag ist binnen zwei Wochen nach Erhalt des Zahlscheines einzuzahlen.