Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Felizitas Schiessendoppler-Luchner über die Berufung des Herrn V. V., D-80469 München, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. L. L., 6020 Innsbruck, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 06.03.2006, Zahl VA-398-2005, sowie gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 23.01.2006, Zahl 704-4-379-2005-FSE wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG zur Einstellung gebracht.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 35 FSG wird der Berufung Folge gegeben, der erstinstanzliche Bescheid behoben und das Verwaltungsverfahren zur Einstellung gebracht.
Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Sie lenkten am 05.11.2005, um 20:20 Uhr, den PKW, Renault, Kz: XY (D) in Fieberbrunn, vom Haus P. nach Hochfilzen zum Veranstaltungssaal und zurück nach Fieberbrunn, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand. Der Test am geeichten Alkomaten ergab einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,98 mg/l.?
Dem Beschuldigten wurde eine Übertretung nach § 99 Abs 1 lit a iVm § 5 Abs 1 StVO zur Last gelegt und wurde über ihn gemäß § 99 Abs 1 lit a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 1.200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 276 Stunden) sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber fristgerecht Berufung erhoben und in dieser zusammengefasst im wesentlichen ausgeführt, am 05.11.2005 habe J. V. festgestellt, dass in seinem Haus Geld verschwunden sei. Er habe vermutet, dass H. H. das Geld entwendet haben könnte. J. V. habe Herrn H. H. aufgefordert, das gestohlene Geld herauszugeben. Die Situation sei eskaliert und H. H. habe Teile der Kücheneinrichtung und das Telefon zerstört. Er habe zwei Messer aus dem Küchenblock ergriffen und diese an Brust und Hals von V. V. gehalten und ihm daraufhin mit dem Umbringen gedroht. Ebenso sei J. V. bedroht worden. H. H. sei nicht zu beruhigen gewesen. V. V. habe sich schließlich losreißen können, den Autoschlüssel mitnehmen und aus dem Haus flüchten können. Aufgrund des zerstörten Telefons habe V. V. vom Haus P. keinen Notruf absetzen können. Er sei deshalb zum Veranstaltungssaal in Hochfilzen gefahren, wo der Notruf abgesetzt werden konnte. V. V. sei unter Schock gestanden und habe große Angst um das Leben seines Bruders J. V. gehabt, der nach wie vor von H. H. bedroht worden sei.
Unmittelbar danach sei V. V. zum Tatort zurückgefahren, habe sein Auto abgestellt und vor dem Haus auf das Eintreffen der Polizei gewartet. Die Fahrt vom Haus P. zum Veranstaltungssaal in Hochfilzen und retour habe V. V. in einem nicht alkoholisierten Zustand unternommen. Noch vor Ankunft der Exekutive seien beim Haus P. H. H. und H. M. eingetroffen, die von der Notlage ihres Bekannten erfahren hatten und zu Hilfe eilen wollten. Der Beschuldigte habe aus einer im Eingangsbereich des Hauses abgestellten Schnapsflasche Alkohol getrunken. Dies sei von J. V., H. M. und H. H. beobachtet worden. Danach habe er kein Kraftfahrzeug mehr in Betrieb genommen. Die Zeugeneinvernahme von V. V. bei der Polizeiinspektion Fieberbrunn hätte um 21.45 Uhr begonnen. Der Aufforderung zum Alkomattest um 22.05 Uhr sei V. V. nachgekommen. Um 22.27 Uhr habe der Alkomattest einen Messwert von 0,98 mg/l ergeben.
Die am Berufungswerber vorgenommenen Alkomatmessungen seien mit einem funktionstüchtigen Gerät vorgenommen worden. Im Zeitraum Herbst 2005 habe der Alkomat unrichtige Messergebnisse geliefert. Die Messungen von J. V. seien nicht verwertet worden, da eine zu große Probendifferenz vorgelegen sei. Die Messung bei H. H. habe kein Ergebnis gebracht und sei abgebrochen worden. Die ermittelnden Beamten seien nach dem Notruf, der um 20.30 Uhr erfolgt sei, im Haus P. eingeschritten und hätten den Berufungswerber vor Ort angetroffen. Es sei ihnen keine Alkoholisierung des Berufungswerbers aufgefallen. Dies stehe im Einklang mit den Angaben des Berufungswerbers. Die Beamten hätten zu diesem Zeitpunkt keine Alkoholisierung des Berufungswerbers feststellen, da sich der von ihm nach seiner Ankunft beim Haus bis zum Eintreffen der Polizei konsumierte Schnaps erst in der Anflutungsphase befunden habe. Erst im Zuge der Einvernahme hätten die Beamten eine zunehmende Eintrübung des Berufungswerbers festgestellt und veranlassten aufgrund der offensichtlichen Alkoholisierung daraufhin die Atemluftmessung, welche um 22.27 Uhr durchgeführt worden sei. Diese könne jedoch keine Alkoholisierung des Berufungswerbers zum Zeitpunkt 20.20 Uhr widerspiegeln.
Der Berufungswerber sei im Zuge der Alkomatmessung zum Trinkverhalten im Zeitraum vor der Messung nicht befragt worden. Die Behörde hätte auch H. H., H. M. und J. V. zum Ablauf nach der Autofahrt des Berufungswerbers, insbesondere zum Nachtrunk, sowie F. K. als Inhaber des Lokals, in dem der Notruf abgesetzt worden sei, zur laut Anzeigensachverhalt bereits um 20.20 Uhr behaupteten Alkoholisierung des Berufungswerbers einvernehmen müssen.
Die dem Berufungswerber vorgeworfene Verwaltungsübertretung sei nicht rechtswidrig und auch nicht schuldhaft. Obgleich ausdrücklich bestritten bleibe, dass der Berufungswerber die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung objektiv begangen habe, würde aus anwaltlicher Vorsicht an dieser Stelle der Rechtfertigungsgrund der Notwehr bzw Nothilfe unter Schuldausschließungsgrundes des Notstandes geltend gemacht, welche grundsätzlich ein an sich tatbestandmäßiges Verhalten auf der objektiven Tatseite voraussetzen. Durch den gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff des H. H. mit Küchenmessern auf die körperliche Unversehrtheit des Berufungswerbers und seines Bruders J. V. und der vorangegangenen Zerstörung des Telefons habe sich der Berufungswerber in einer Nothilfe- bzw Notstandssituation befunden. Mangels Möglichkeit zum Absetzen eines Notrufes habe die Fahrt vom Haus P. zum Veranstaltungszentrum Hochfilzen allein dazu gedient, das Leben bzw die körperliche Unversehrtheit des Bruders des Berufungswerbers zu rettten bzw zu schützen. Den Schutz des Lebens als hochwertigstem Rechtsgut über die Vorschriften der StVO in dieser Situation zu stellen, sei nicht vorwerfbar. Es werde beantragt, das Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung zu bringen.
Mit Bescheid vom 15.11.2005, Zahl 704-4-379-2005-FSE, wurde dem Berufungswerber wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des § 7 Abs 3 Z 1 FSG 1997 das Recht aberkannt, von seinem Führerschein der Klasse 3, ausgestellt vom Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt München am 18.01.1983, in Österreich Gebrauch zu machen. Gemäß § 25 Abs 3 FSF wurde die Dauer des Fahrverbotes mit sechs Monaten, gerechnet ab 05.11.2005, dem Tag der vorläufigen Abnahme, festgesetzt.
Außerdem wurde angeordnet, dass der Berufungswerber vor der Wiedererteilung der Lenkberechtigung ein amtsärztliches Gutachten beizubringen habe, welches eine verkehrspsychologische Stellungnahme zu beinhalten habe. Unter Spruchpunkt 3. wurde festgehalten, dass der Berufungswerber sich einer Nachschulung für alkoholauffällige Kraftfahrzeuglenker zu unterziehen habe.
Gegen diesen Bescheid hat der Berufungswerber Vorstellung erhoben, der mit Bescheid vom 23.01.2006 keine Folge gegeben wurde.
Gegen diesen abweisenden Bescheid gegen die Vorstellung hat der Berufungswerber fristgerecht Berufung erhoben und in dieser zusammengefasst im wesentlichen dasselbe ausgeführt wie in der Berufung gegen das Straferkenntnis. Außerdem hat der Berufungswerber festgehalten, die Behörde erster Instanz habe sich in der Bescheidbegründung auf die floskelhafte Phrase, dass sie ?durch das durchgeführte Ermittlungsverfahren zu Gunsten des Vorstellungswerbers keine neuen Tatsachen bekannt geworden sind, welche geeignet wären, eine Herabsetzung der Entziehungsdauer zu rechtfertigen? begründet. Der Berufungswerber habe in seiner Vorstellung vorgebracht, dass er nach der Rückkehr vom Gasthaus in Hochfilzen und erfolgter Überwältigung des H. H. unter Schock gestanden sei. Schließlich hätten sich Minuten zuvor dramatische Szenen im Haus P. abgespielt. Dies ergebe sich aus der Niederschrift des Berufungswerbers und seines Bruders. Im Schockzustand und nach der Erleichterung, dass weder er noch sein Bruder körperlich zu Schaden gekommen seien, habe der Berufungswerber schluckweise Schnaps aus einer im Bereich der Diele gelagerten Flaschen getrunken. Die Berufungsbehörde hätte H. H., H. M. und J. V. zum Ablauf der Autofahrt des Berufungswerbers, insbesondere zum Nachtrunk, einvernehmen müssen. Die Einvernahme der in der Vorstellung genannten Zeugen hätte die Richtigkeit des vom Berufungswerber angegebenen Nachtrunk nach der Autofahrt nachgewiesen und wäre bewiesen worden, dass der Berufungswerber sein Fahrzeug nicht mit einer strafbaren Alkoholisierung von über 0,5 Promille gelenkt habe. Es sei weder das Nachtrunkverhalten des Berufungswerbers geklärt noch wurde von der Einvernahme der angeführten Zeugen mit ausreichender Begründung der erstinstanzlichen Behörde abgesehen. Der Berufungswerber sei zum Trinkverhalten im Zeitraum vor der Messung der Polizeibeamten nicht befragt worden. Das Thema der niederschriftlichen Einvernahme des Berufungswerbers hätte ausschließlich die Straftat von H. gebildet. Aus dieser gehe lediglich die Kon
sumation eines Biers gegen 15.00 Uhr hervor. Die Behörde erster Instanz hätte daher zur Überprüfung des Nachtrunks die ermittelnden Beamten einvernehmen müssen, ob sie den Beschuldigten ausdrücklich zum Nachtrunk befragt hätten. Der Berufungswerber habe seinen Hauptwohnsitz in München und sei auch unter dieser Anschrift der gegenständliche Bescheid zugestellt worden. In Österreich bestehe kein Hauptwohnsitz, weshalb der Ausspruch von begleitenden Maßnahmen nach § 24 Abs 3 FSG nicht zulässig sei. Die Behörde ordne die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens sowie eine Nachschulung an. Die kumulative Anordnung beider Maßnahmen sei unzulässig. Dem angefochtenen Bescheid haftet daher schon allein aus diesem Grund eine materielle Rechtswidrigkeit an. Der Berufungswerber sei unbescholten und weder in Deutschland noch in Österreich wegen einem alkoholbedingtem Verkehrsdelikt auffällig geworden. Das Ermessen der Behörde mit der Entziehung für die Dauer von sechs Monaten sei daher unzweckmäßig ausgeübt worden. Es liege aufgrund des psychologischen Ausnahmezustandes und der Traumatisierung des Berufungswerbers jedenfalls ein Strafausschließungsgrund vor. Es werde beantragt, den Bescheid erster Instanz zu beheben und das Verwaltungsverfahren zur Einstellung zu bringen.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt und Verwaltungsakt. Außerdem wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung abgehalten, zu der sowohl der Berufungswerber als auch sein Bruder J. V. sowie RI P. S. und GI C. E. und auch der Zeuge H. M. erschienen sind und einvernommen werden konnten. Es wurde Einsicht genommen in das Protokoll der Hauptverhandlung zu 22 Hv 66/06i. Weiters wurde Einsicht genommen in den Aktenvermerk der Kanzlei L., wonach der Zeuge L. H. zur Hauptverhandlung am 26.05.2006 nicht erschienen ist.
H. H., der krankheitshalber entschuldigt war, hat am 16.01.2006 schriftlich bezeugt, dass am 05.11.2005 der Berufungswerber nach der Rückkehr vom Gasthaus in H. Schnaps aus einer Flasche zu sich genommen hat.
Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht fest, dass den Berufungen Berechtigung zukommt.
Der Anzeige der Polizeiinspektion St. Johann in Tirol vom 06.11.2005 ist zu entnehmen, dass am 05.11.2005 um 20.30 Uhr der Berufungswerber bei der BLZ Kitzbühel Anzeige über eine gefährliche Drohung mittels Messer im Hause P. in F. erstattet und um dringendes Einschreiten ersucht habe. Die Sektorstreife KI S. P. und GI K. J. G. seien zu diesem Einsatz bei diesem Objekt beordert worden. Beim Eintreffen der Beamten hätten sich die Brüder V. vor dem Objekt befunden. Im Zuge der Aufnahme der angezeigten gefährlichen Drohung sei Freiherr v. H. H. seien die bedrohten V.-Brüder auf der Polizeiinspektion Fieberbrunn niederschriftlich einvernommen worden, wobei V. V. selbst angegeben habe, die angezeigte Fahrt als Lenker durchgeführt zu haben. Aufgrund der offensichtlichen Alkoholisierung sei V. V. von KI S. um 22.05 Uhr während der Befragung zur Durchführung des Alkomattestes aufgefordert worden, dem er zugestimmt habe. Die Durchführung sei von GI C. E. im Beisein von RI O. überwacht worden. Die Tests seien ca. 2 Stunden nach dem Lenken des Fahrzeuges durchgeführt worden. Der Anzeige ist weiters zu entnehmen, dass der Test um 22.27 Uhr einen Messwert von 0,98 mg/l ergeben habe und keine Angaben über Sturztrunk und Nachtrunk getätigt worden sind.
Hinsichtlich der Verantwortung des Berufungswerbers bezüglich seines Alkoholkonsums, der erst nach der durchgeführten Autofahrt zum Absetzen eines Notrufes gravierend gewesen sei, ist auf die Einvernahmen der Zeugen zu verweisen. Der Beschuldigte selbst teilte mit, dass er zunächst aus dem Haus geflohen sei, weil ihm von H. zwei Messer vor den Körper gehalten habe. Eines habe er vor sein Gesicht gehalten und eines vor seinen Oberkörper. Von H. habe ihm dabei um den Hals gefasst und das eine Messer gegen die Brust gehalten. Er sei total erschrocken und unter Schock gestanden. Es sei ihm dann gelungen, aus dem Haus zu laufen. Er habe die Autoschlüssel bei sich gehabt. Herr H. sei ihm sogar noch nachgelaufen. Er sei selbst dann ins Auto gesprungen und weggefahren. Bei K. Treff habe er dann einen Polizeinotruf absetzen können. Das Auto habe er genommen, weil er so große Angst gehabt habe und so schnell wie möglich weg wollte vom Haus und so schnell wie möglich Hilfe holen wollte. Herr M. und Herr H. seien fünf Minuten nach ihm bei seinem Haus eingelangt. Herr H. habe noch im Haus gewartet und Herr M. habe Herrn H. dann zu Recht gewiesen und beruhigt. Er selbst sei dermaßen unter Schock gestanden und habe daher, um sich zu beruhigen, eine Flasche Schnaps aus einem Kühlschrank im Gang geholt. Dieser Schnaps habe 50 Prozent. Er habe eine große Menge daraus getrunken. Nach ca. 15 Minuten sei dann die Polizei gekommen. Er habe heute noch psychische Probleme wegen dieser Attacken. Er brauche von seinem Ferienwohnsitz zum Gasthof K. ca. 10 Minuten bis zu einer Viertelstunde. Herr M. und auch Herr H. hätten gesehen, dass er Schnaps aus der Flasche getrunken habe. Er sei nicht zu einem Sturztrunk und zu einem Nachtrunk befragt worden.
J. V., der Bruder des Berufungswerbers, bestätigte im wesentlichen die Angaben seines Bruders. Er ergänzte, dass sein Bruder, als Herr H. die Messer an sich gerissen und auf die Arbeitsfläche hatte, vollkommen schockiert neben ihm gesessen sei und gesagt habe, Herr H. soll das lassen. Daraufhin habe Herr H. das Messer gegen ihn gerichtet. Er selbst hätte seinem Bruder nicht zu Hilfe kommen können, da er im Schock völlig gelähmt gewesen sei. Herr H. habe die Messer dann auch auf den Hals und die Brust seines Bruders gerichtet. Es sei seinem Bruder dann gelungen freizukommen und das Haus zu verlassen. Als sein Bruder das Haus verlassen hatte, habe Herr H. ihn bedroht. Er selbst sei nicht im Stand gewesen, irgend etwas dagegen zu tun. Nachdem sein Bruder zurückgekommen sei, seien kurze Zeit später Herr M. und Herr H. ins Haus gekommen. Herr M. habe Herrn H. dann gepackt und ihn festgehalten, bis die Polizei gekommen sei. Herr H. habe sich selbst in den Finger geschnitten bei diesen Messerattacken. Er habe beobachten können, wie der Bruder aus dem Kühlschrank eine Schnapsflasche genommen und aus dieser getrunken habe. Zu diesem Zeitpunkt sei er gesessen und habe aus der Küche rausgeschaut. Es sei eine Literschnapsflasche gewesen und sein Bruder habe ungefähr ein Viertel oder ein Drittel daraus getrunken. Zum Abendessen hätten sie Wein zusammen getrunken. Dies sei nach 17.00 Uhr gewesen. Herr von H. habe sein Handy zerschlagen, deshalb habe niemand mehr angerufen werden können und deswegen musste sein Bruder den Notruf außerhalb absetzen.
Der Zeuge KI P. S. teilte hinsichtlich der Abnahme des Alkotests beim Berufungswerber mit, dass er nicht mehr wisse, ob er den Berufungswerber gefragt habe, ob er Alkohol nach der Fahrt mit seinem Auto zu sich genommen habe (Nachtrunk) oder nicht. Er müsse auf die Niederschrift verweisen.
Der Zeuge GI C. E. bestätigte, dass es um eine gefährliche Drohung mit Messer ging und dass ein ziemlicher Auflauf beim Haus P. geherrscht habe. Die Personen hätte man immer wieder getrennt halten müssen, da wiederholt Tumulte ausgebrochen seien. Das Alkomatgerät selbst sei funktionsfähig gewesen. Der Proband, nämlich der Berufungswerber, hätte im gegenständlichen Fall drei Mal geblasen und drei Mal hätte das Gerät ?Blaszeit zu kurz? ausgeworfen. Erst dann habe es ein Ergebnis gegeben. Er selbst habe weder Angaben über Sturztrunk noch Nachtrunk getätigt. Das habe Insp. S. gemacht. Er habe lediglich den reinen Test durchgeführt und keine weiteren Fragen gestellt. Es sei nicht richtig, dass er zum Probanden gesagt habe, mit diesem Gerät hätte es technische Probleme gegeben.
Der Zeuge S. teilte dann noch ergänzend mit, dass er die routinemäßige Abfragung bei der Alkomatmessung durchgeführt hab, selbstverständlich auch Fragen zum Sturztrunk und zum Nachtrunk. Im gegenständlichen Fall habe er jedoch hinsichtlich des Sturztrunkes keine Fragen gestellt. Er könne jedoch nicht mehr hundertprozentig behaupten, dass der Berufungswerber nach dem Nachtrunk befragt worden sei, aber er führe diese Befragung an und für sich routinemäßig durch. Das Geschehen rund um die gefährliche Drohung sei für ihn sicher wichtiger gewesen.
Der Zeuge H. M. konnte konkretere Aussagen hinsichtlich des Geschehens nach Absetzen des Notrufes im Haus P. tätigen. Er sei mit H. H. zum Haus gefahren und habe dort den Berufungswerber hinter einem Stromkasten versteckt kauernd aufgefunden. Er habe ziemlich gezittert und habe Angst gehabt. Der Berufungswerber habe ihm dann erklärt, was passiert sei und er sei sehr nervös und aufgeregt gewesen. Er selbst sei dann ins Haus gegangen und habe Herrn H. angeschrieen und ihn sich vom Leib gehalten. Währenddessen sei der Berufungswerber ins Haus gekommen. Er habe dann beobachten können, wie V. V. aus einer Schnapsflasche getrunken habe. Das habe er gesehen. Er sei immer wieder in die Küche rein und raus und habe auch noch den zweiten Deutschen angeschrieen und konnte dabei beobachten, wie Herr V. im Hausgang gestanden sei und ?genackelt und gezittert habe?. Der Berufungswerber sei sehr aufgeregt gewesen. Er habe immer wieder gestammelt, man solle die Polizei anrufen und habe vor lauter Schock vergessen gehabt, dass er das schon selber gemacht habe. Es sei dann die Polizei vorgefahren. Er sei rund 15 Minuten im Haus geblieben und konnte beobachten, wie Herr V. aus der Flasche getrunken habe, das habe er aus dem Blickwinkel beobachtet. Er habe das ein-, zweimal mitbekommen, aber sein Augenmerk habe vor allem Herrn von H. gegolten. Als er aus der Küche rausgekommen sei, habe er einmal bewusst wahrgenommen, wie der Berufungswerber Schnaps trinke. Dann habe er mehrmals beobachtet, dass der Berufungswerber Schlucke aus der Schnapsflasche getrunken habe und er selbst glaube, dass er dies getan habe, weil er einfach komplett fertig war und nicht mehr gewusst habe, was er da tue. Es sei durchaus möglich, dass H. H. auch beobachten konnte, wie der Berufungswerber Schnaps getrunken habe.
Die Angaben des Zeugen H. M. waren absolut glaubwürdig und seriös. Der Zeuge erzählte verantwortungsbewusst und nachvollziehbar das Geschehene und konnte die Fragen der Vorsitzenden ohne Zögern und ohne Widersprüche beantworten. Es ist der Eindruck entstanden, dass der Zeuge absolut die Wahrheit gesagt hat. Die Angaben des Zeugen KI S. waren ebenfalls grundsätzlich glaubwürdig, auch wenn er keine Angaben hinsichtlich der exakten Befragung nach Sturztrunk und Nachtrunk tätigen konnte. Dies ist wohl damit zu erklären, dass Inspektoren dermaßen oft solche Alkotests durchführen müssen, dass es nicht verwunderlich ist, wenn sie manchmal keine ganz genauen Angaben zu den einzelnen Fällen tätigen können bzw in der Erinnerung den einzelnen Fällen zuordnen können. Es muss dahingestellt bleiben, ob der Berufungswerber tatsächlich zu einem Nachtrunk befragt worden ist.
Für die Berufungsbehörde steht jedoch außer Zweifel, dass der Berufungswerber einen Nachtrunk getätigt hat. Dies wurde sowohl von seinem Bruder als auch von H. M. beobachtet und es liegt eine schriftliche Bestätigung des H. H. vor. Die Berufungsbehörde geht daher von einem Nachtrunk ausgeht und ist somit nicht mehr feststellbar, wie viel Alkoholgehalt der Berufungswerber zum Zeitpunkt des Lenkens in seiner Atemluft aufgewiesen hat.
Im gegenständlichen Fall ist jedoch auch auf den besonderen Umstand des Notstandes hinzuweisen.
Ein entschuldigender Notstand liegt vor, wenn jemand eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um einen unmittelbar drohenden Nachteil für sich oder einen anderen abzuwenden. Diese Person ist dann entschuldigt, wenn der aus der Tat drohende Schaden nicht unverhältnismäßig schwerer wiegt als der Nachteil, den sie abwenden soll und in der Lage des Täters von einem mit dem rechtlich geschützten Wert des verbundenen Menschen kein anderes Verhalten zu erwarten war.
In der vorliegenden Rechtssache ist davon auszugehen, dass ein unmittelbar drohender bedeutender Nachteil, nämlich die gefährliche Bedrohung durch zwei große Küchenmesser und die damit verbundene Gefahr einer drohenden schweren Körperverletzung oder gar dem Tod abzuwenden waren. Der Berufungswerber hat hier vollkommen nachvollziehbar reagiert, indem er aus dem Haus geflüchtet ist, in sein Auto gesprungen und weggefahren ist. Dieses Fluchtverhalten im Zusammenhang mit der großen Angst und dem Schock, unter dem der Berufungswerber laut allen Zeugenaussagen übereinstimmend gestanden ist, haben ihn sicher dazu getrieben, den größeren Nachteil, nämlich die drohende Körperverletzung oder der Tod, mit dem geringeren Nachteil, nämlich mit dem alkoholisierten Lenken, abzuwenden. Diese gegenwärtige oder unmittelbar drohende Gefahr hat sein Verhalten entschuldigt. Der Schaden aus seiner eigenen Handlung war ungleich geringer als der Nachteil, gegen den sie sich gewendet hat.
Im gegenständlichen Fall war daher das Verhalten des Berufungswerbers als entschuldigender Notstand einzustufen und aus diesem Grund das Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung zu bringen. Wie schon zuvor ausgeführt, wäre jedoch auch ohne diesen entschuldigenden Notstand aufgrund der verifizierten Nachtrunkbehauptung des Berufungswerbers das Verwaltungsstrafverfahren ebenfalls zur Einstellung zu bringen gewesen. Da eine Bindungswirkung des Führerscheinentzugsverfahrens an das Verwaltungsstrafverfahren besteht, war aus den oben angeführten Gründen das Verwaltungsverfahren ebenfalls zur Einstellung zu bringen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.