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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AHG 1949 §11;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2000/04/0143Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über den Antrag des Landesgerichtes Innsbruck vom 15. August 2000, gemäß § 11 Abs. 1 Amtshaftungsgesetz die Rechtswidrigkeit
1) des Bescheides des Landeshauptmannes von Tirol vom 27. März 1996, Zl. IIa-60.023/18-95, betreffend Verfügung gemäß § 360 Abs. 4 GewO 1994, und
2) des Bescheides des Landeshauptmannes von Tirol vom 28. März 1996, Zl. IIa-60.033/30-94, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage
(weitere Parteien des Verfahrens gemäß § 64 VwGG: 1. die H GmbH, vertreten durch Dr. Hans Forcher-Mayr und Dr. Josef Kantner, Rechtsanwälte in Innsbruck, Colingasse 8/I, 2. der Bund und 3. der Landeshauptmann von Tirol), festzustellen, zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 67 VwGG wird festgestellt, dass die Bescheide des Landeshauptmannes von Tirol vom 27. März 1996 und vom 28. März 1996 rechtswidrig waren.
Das Kostenbegehren der unter 1. genannten Verfahrenspartei wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 16. Mai 1994 wurde der unter 1. genannten Verfahrenspartei gemäß den §§ 74, 77 und 359 Abs. 1 GewO und unter Anwendung des § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz die Genehmigung zum Betrieb einer - näher beschriebenen - gewerblichen Betriebsanlage (Sonnenstudio) unter Einhaltung von im Einzelnen genannten Auflagen erteilt; die Einwendungen der am gewerbebehördlichen Verfahren als Parteien beteiligten Nachbarn wegen Gesundheitsgefährdung und Geruchsbelästigung wurden als unbegründet abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid wurde von Parteien des gewerbebehördlichen Verfahrens, deren Einwendungen als unbegründet abgewiesen worden waren, Berufung erhoben.
Die Berufungsbehörde holte das Gutachten eines chemischen Amtssachverständigen zur Klärung der Frage ein, mit welchen Emissionen bei der in Rede stehenden Betriebsanlage zu rechnen sei, inwiefern dadurch eine Geruchsbelästigung für die Berufungswerber bestehen könnte und ob die von den Berufungswerbern behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen in einem ursächlichen Zusammenhang mit Emissionen von den in der Betriebsanlage verwendeten Solarien stehen könnten.
Der chemische Amtssachverständige legte in seinem Gutachten u. a. dar, er habe am 13. Oktober 1994 einen Lokalaugenschein vorgenommen. In der Betriebsanlage habe keine Geruchsbelästigung festgestellt werden können, wohl aber in der - im zweiten Obergeschoß über der im Erdgeschoß situierten Betriebsanlage gelegenen - Wohnung D. Der selbe Geruch habe in wesentlich geringerer Konzentration im gesamten über der Betriebsanlage befindlichen Hausteil festgestellt werden können. Nach einem Aufenthalt von einer Stunde in der Wohnung D. habe der Amtssachverständige den Augenschein wegen unangenehmer Beschwerden im Haus abgebrochen. Der Amtssachverständige vermute, dass es sich um so genannte "polare Stoffe" gehandelt habe. Am 10. Jänner 1995 seien in der Wohnung D. Luftproben gezogen und analysiert worden. Bei der massenspektroskopischen Untersuchung hätten Bestandteile mit der Masse 17, 19, 40, 55, 56, 57, 58, 64, 84 und 86 identifiziert werden können, die in einer deutlich höheren Konzentration als in den Vergleichsgasen vorhanden gewesen seien. Da auf Grund der massenspektrometrischen Ergebnisse vermutet worden sei, dass Ozon vorhanden sei, sei in der Wohnung D. ein Messgerät aufgestellt worden, das geeignet sei, Ozonimmissionen zu messen. Dabei seien allerdings nur geringe Ozonkonzentrationen festgestellt worden. Der Halbstundenmittelwert habe 1 bis 2 ppm Ozon während der gesamten Messdauer betragen. Die einzelnen maximalen Konzentrationen könnten aber natürlich deutlich höher liegen, als die Halbstundenmittelwerte. Ozon reagiere mit Alkenen und anderen ungesättigten Verbindungen wie z.B. der Ölsäure. Dabei könnten eine Vielzahl von organischen Stoffen entstehen. Ob alle diese Reaktionen bereits in der Betriebsanlage, während der Diffusion in die darüber liegende Wohnung oder erst in den betreffenden Wohnungen stattfänden, könne nicht ausgesagt werden. Durch die Reaktion von Ozon mit organischen Verbindungen entstünden jedenfalls eine Reihe von geruchsintensiven und teilweise sehr toxischen Stoffen (z.B. Formaldehyd). Bei starken UV-Quellen, wie sie Schnellbräunungsgeräte darstellten, würden laut Fachliteratur in der Innenraumluft Ozonkonzentrationen von über 120 µg/m3 auftreten. In der Literatur sei festgestellt worden, dass durch die Reaktion von UV-Licht in Solarien mit den Lichtbestandteilen Stickoxide und Kohlenmonoxid entstehe und zwar in Konzentrationen von 27 bis 35mg NO2/m3 und 38 bis 48 mg CO/m3. Da so hohe Konzentrationen dieser Luftschadstoffe beim Solarienbetrieb entstehen könnten, müsse ebenso angenommen werden, dass durch die Reaktion von UV-Licht mit organischen Stoffen, welche wesentlich leichter mit dem UV-Licht reagierten als Stickstoff und Sauerstoff, eine Vielzahl von Stoffen in vergleichbaren Konzentrationen entstehen, welche mindestens ebenso bedenklich seien wie Stickoxide und Kohlenmonoxid. Eine ausreichende Absaugung könne anscheinend Geruchsbelästigung in der Innenraumluft in Solarien vermeiden, wobei der übliche, behördlich genehmigte Umluftbetrieb in der kalten Jahreszeit angesichts dieser Untersuchungen neu zu überdenken sei. Aus Sicht des chemischen Amtssachverständigen sei die Geruchsbelästigung unzumutbar und auf Grund eigener Erfahrungen nach dem Aufenthalt von nur einer Stunde in der Wohnung D. sei aus chemischer Sicht mit einer Gesundheitsbeeinträchtigung zu rechnen.
Der von der Berufungsbehörde beigezogene medizinische Amtssachverständige führte in seinem Gutachten aus, D. habe ein ärztliches Zeugnis betreffend Diagnose eines offensichtlich toxisch bedingten diffusen Haarausfalls sowie einen Erfahrungsbericht betreffend gesundheitliche Beeinträchtigungen der Bewohner des Hauses, in dem die Betriebsanlage situiert sei, vorgelegt; darin würden Reizungen der Augen, der Schleimhäute im Halsbereich, Kopfschmerzen, Brechreiz, Schwindel, Benommenheit und Ähnliches angeführt. Der Amtssachverständige habe am 9. Februar 1995 einen Augenschein in der Wohnung D. vorgenommen. Beim Betreten der Wohnung sei von ihm ein "dezenter 'Schwimmbadgeruch'" wahrgenommen und auf der Zunge eine etwas säuerlich-frische Geschmacksempfindung ausgelöst worden. Während des Aufenthaltes im Wohnzimmer sei es zu einer Verstärkung des Geschmackseindruckes und zu einem brennenden Gefühl auf der Zunge und im Rachen sowie in der Nase gekommen. Zusätzlich sei ein leicht dumpfer Druck im Kopf aufgetreten, insbesondere in der Schläfenregion. Gut eine Stunde nach Beendigung des Lokalaugenscheins seien diese Missempfindungen wieder abgeklungen. Der am Augenschein ebenfalls teilnehmende Sachbearbeiter der Gewerberechtsabteilung habe berichtet, dass etwa 5 bis 10 Minuten nach Beginn des Augenscheins seine Augen zu brennen begonnen hätten und gegen Ende des Aufenthalts in der Wohnung D. auch die Zunge. Beide Erscheinungen seien über eine Stunde nach dem Aufenthalt noch spürbar gewesen. Gestützt auf einschlägige wissenschaftliche Untersuchungen sei festzustellen, dass es beim Betrieb von Solarien durch elektrische Entladung zur Bildung von Ozon komme, daneben zur Bildung von Stickoxiden und von Kohlenmonoxid in nicht unbeträchtlichen Konzentrationen. Wie im Gutachten des chemischen Amtssachverständigen ausgeführt, reagiere Ozon rasch mit organischen Verbindungen, wodurch eine Reihe von geruchsintensiven und teilweise sehr toxischen Stoffen entstehe. Dadurch könnten Befindlichkeitsstörungen, wie sie von den Hausparteien mitgeteilt und von den Behördenvertretern selbst erfahren worden seien, verursacht werden. Gestützt auf die ärztlichen Befunde, insbesondere aber auf die Befindlichkeitsberichte der mit der Sache befassten Behördenvertreter (chemischer Amtssachverständiger, medizinischer Amtssachverständiger, Sachbearbeiter der Gewerberechtsabteilung), sei aus medizinischer Sicht die Feststellung zu treffen, dass durch die Geruchsbelastung und insbesondere Belastung mit toxischen Reaktionsprodukten des Ozons, welche ihren Ursprung offenbar in der gegenständlichen Betriebsanlage hätten, eine konkrete Gefährdung für die Gesundheit der Nachbarn gegeben sei und somit eine Zustimmung zur Genehmigung der Betriebsanlage nicht abgegeben werden könne.
Auf Grund des medizinischen Sachverständigengutachtens wurde am 28. März 1995 als Sofortmaßnahme gemäß § 360 Abs. 4 GewO 1994 die Steuerleitung für den Hauptschütz der Solarien im Hauptverteiler im Wäscheraum der Betriebsanlage abgeklemmt und plombiert. Über diese Maßnahme, durch die "gewährleistet ist, dass ein Betrieb der Solarien nicht mehr möglich ist", wurde "der schriftliche Bescheid" des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 3. April 1995 gemäß § 360 Abs. 4 GewO 1994 erlassen.
Gegen diesen Bescheid erhob die unter 1. genannte Verfahrenspartei Berufung und legte das Gutachten eines Zivilingenieurs für technische Chemie vor. Diesem Gutachten zufolge würden die in der Betriebsanlage eingesetzten Bestrahlungsgeräte dem gesetzlich vorgegebenen Stand der Technik entsprechen und - anders als ältere Geräte - kein Ozon emittieren. Die abgestrahlte Energie sei nämlich nicht ausreichend, um aus Luftsauerstoff Ozon zu bilden. Es sei auch durch die vorgenommenen Untersuchungen weder in der Betriebsanlage noch in der Wohnung D. Ozon nachgewiesen worden. Niemals seien in der Betriebsanlage Stickoxide oder Kohlenmonoxid gemessen worden. Die Geruchsentwicklung in der Wohnung D. werde nicht durch die Betriebsanlage verursacht. Es werde durch die Sachverständigengutachten auch nicht schlüssig bewiesen, dass die in der Raumluft der Wohnung D. bestehende Gesundheitsgefährdung auf die Betriebsanlage zurückzuführen sei.
Die unter 1. genannte Verfahrenspartei legte in der Folge Emissions- und Immissionsmessungen des Zivilingenieurs für Chemie vor, die dieser am 21. Juni 1995 unter Betriebsbedingungen vorgenommen hatte. Als Ergebnis dieser Messungen sei festzuhalten, dass der chemische Amtssachverständige von unzutreffenden Annahmen ausgegangen sei: Statt der auf Grund von Literaturangaben angenommenen mehr als 120 µg/m3 Ozon in der Raumluft sei tatsächlich 9,8 µg/m3 gemessen worden, statt 27 bis 35 mg/m3 NO2 sei 0,028 mg/m3 gemessen worden und statt 38 bis 48 mg/m3 CO sei 0,87 mg/m3 gemessen worden. Die vom chemischen Amtssachverständigen beispielhaft genannte Reaktionsmöglichkeit von Ozon mit Ölsäure unter UV-Bestrahlung trete - wie näher dargelegt - mit Sicherheit nicht auf. Auch die prognostizierte Bildung einer Vielzahl von organischen Stoffen sei durch die Messungen widerlegt worden. Der geringfügig erhöhte Gehalt von Aceton in der Abluft des Solariums stamme von einer Teilreaktion des Ozons mit dem im Überschuss vorhandenen Isopropanol. Die Betriebsanlage arbeite äußerst emissionsarm. Die Ozonfracht an einem Vollbetriebstag habe nur etwas mehr als 2 g betragen. Teilweise seien die Konzentrationen der gefundenen Stoffe so gering, dass es auf Grund des Massenwirkungsgesetzes wahrscheinlich überhaupt zu keiner intermolekularen Reaktion kommen könne. Auch Diffusionsprozesse durch Mauerwerk und Decken seien auszuschließen, weil die Messung stets einen leichten Unterdruck in der Betriebsanlage festgestellt habe. Bei Betrieb würden 14.400 m3 Abluft pro Stunde ausgeblasen. Da es keinen eigenen Zuluftkanal gebe, sondern die Zuluft diffus über Öffnungen angesaugt werde, sei eine Diffusion über Decken und Wände höchst unwahrscheinlich.
Die Berufungsbehörde holte eine Stellungnahme des chemischen Amtssachverständigen ein. Dieser führte u.a. aus, er habe sich anlässlich des Augenscheins am 13. Oktober 1994 in der Wohnung D. alle im Haushalt vorhandenen "Chemikalien" zeigen lassen und festgestellt, dass selbst bei einer übertriebenen Anwendung dieser einzelnen damals im Haushalt des Ehepaares D. vorhandenen Reinigungsmittel die festgestellte intensive Geruchsbelästigung durch diese Stoffe nicht erklärt hätte werden können. Eine Geruchsbelästigung durch Klebstoffe aber auch durch Tapetenkleister habe er ausgeschlossen, weil die entsprechenden Möbel, Bodenbeläge und Tapeten nicht vorhanden oder schon zu alt gewesen seien, als dass noch Geruchsprobleme hätten auftreten können. Eine Lagerung von "nicht haushaltsüblichen Chemikalien", die ebenfalls eine Ursache der Geruchsbelästigung hätten sein können, habe er gleichfalls ausgeschlossen. Durch das Öffnen der Fenster habe sich der Geruch nicht verflüchtigt. Anschließend seien die bereits erwähnten Beschwerden aufgetreten. Was die so genannten "ozonfreien" UV-Lampen anlange, die in Solarien eingesetzt würden, sei zu bemerken, dass diese die Ozonemissionen nur reduzierten. Die Erfahrung, die der Amtssachverständige bei selbst durchgeführten Messungen an solchen Lampen gemacht habe, hätten gezeigt, dass das alleinige Ausschließen von UV-Licht mit einer Wellenlänge von unter 242 mm nicht ausreiche, um die Ozonbildung gänzlich auszuschließen. Ozon zerfalle unter bestimmten Bedingungen so rasch, dass eine Analyse schwer möglich sei. Es sei bei einer Konzentration von 2 ppm (ca. 4mg/m3) noch riechbar. Einige Literaturstellen würden sogar eine Geruchsschwelle von 0,015 ppm (30 µg/m3) angeben. In "reiner" Luft betrage der Ozongehalt etwa 50 µg/m3. Völlig reines Ozon sei sehr lange haltbar. Einen "natürlichen" Zerfall gebe es bei Ozon praktisch nicht. Es zerfalle nie harmlos, sondern immer in Form von Reaktionen. Ozon sei 1,65 mal schwerer als Luft. Dennoch seien Diffusionsprozesse in so niedrigen Konzentrationen wie im vorliegenden Fall selbst "bei anscheinend unmöglichen" Wegen nicht ausgeschlossen. Im Übrigen seien die niedrigen gemessenen Ozonkonzentrationen nicht unerwartet. Selbst in der Abluft von Ozonisierungsanlagen eines näher bezeichneten chemischen Betriebes erreiche man durch Zugabe organischer Stoffe, die mit Ozon reagierten, dass praktisch keine Ozonemissionen entstünden. Statt den gemessenen Werten von durchschnittlich 31 µg/m3 sei anzunehmen, dass zunächst zusätzlich ca. 125 µg/m3 Ozon entstehe, wenn man nur die Reaktion mit Isopropylalkohol zu Aceton berücksichtige. Durch die vom Institut für Ionenphysik der Universität Innsbruck durchgeführte Innenraumluftmessung in der Wohnung D. sei, obwohl die Betriebsanlage schon einige Wochen geschlossen gewesen sei, Acetonitril nachgewiesen worden. Da in der Solariumabluft ebenfalls Acetonitril festgestellt worden sei und einige Abbau- bzw. Reaktionsprodukte selbst geruchsintensiv und sogar sehr giftig seien, sei damit die Vermutung, dass das Solarium für die Geruchsbelästigung direkt oder indirekt verantwortlich sei, bestätigt worden. Sowohl in der Abluft des Solariums als auch in der Innenraumluft der Wohnung D. sei Styrol festgestellt worden, was die Vermutung bestätige, dass die Geruchsbelästigungen durch das Zusammenwirken mehrerer Komponenten entstanden seien, zumal Styrolimmissionen für Solarien nicht üblich seien. Die Styrolemissionen könnten auf die Verwendung eines styrolhaltigen Klebers oder auf Dichtungsmaterial im Lüftungsschacht zurückzuführen sein. Auf Grund der vorliegenden Messberichte sei ungeklärt, warum z.B. Dichlorbenzole in der Wohnung D. nachgewiesen worden seien. Außerdem seien nicht identifizierbare Substanzen sowohl in der Solariumabluft als auch bei der Innenraumluftmessung in der Wohnung D. nachgewiesen worden. Nicht "einfach wegdiskutiert" werden könne jedenfalls, dass der Geruch nach der Außerbetriebnahme der Betriebsanlage deutlich abgenommen habe, und nach ca. 4 Wochen völlig verschwunden sei. Weiterhin könne nicht ausgesagt werden, welche Stoffe die Geruchsbelästigung verursachen und wie diese entstehe. Es sei jedoch mit sehr großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Geruchsbelästigung in ursächlichem Zusammenhang mit der gegenständlichen Betriebsanlage stehe. Jedenfalls seien die Geruchsimmissionen nach dem Abschalten der Solarien deutlich geringer geworden. Die ständige Abnahme des Geruchs in der Wohnung D. seit der Außerbetriebnahme der Betriebsanlage sei ein deutlicher Hinweis auf die Ursache der Geruchsbelästigung.
Die unter 1. genannte Verfahrenspartei legte eine Stellungnahme des erwähnten Ziviltechnikers zu den Ausführungen des chemischen Amtssachverständigen vor, in der u.a. dargelegt wird, es sei unmöglich, Ozon, das in einer Betriebsanlage im Erdgeschoß entstehe, im zweiten Stock noch zu riechen. Ozon reagiere nämlich bereits mit geringsten Luftverunreinigungen, wie sie in der Umwelt tagtäglich vorhanden seien. Jeder Versuch, Ozon durch Wände oder Decken diffundieren zu lassen, sei rein theoretisch und praktisch unmöglich. Weder in der Ausblasluft des Solariums, noch in der Innenraumluft des Solariums, noch in irgendeiner Besonnungskabine sei Acetonitril in einer Konzentration festgestellt worden, die über jene in der normalen häuslichen Raumluft hinausgehe. In der Wohnung D. sei vom Institut für Wohnungsphysik eine Acetonitril-Konzentration gemessen worden, die 400 mal geringer sei, als die maximale Arbeitsplatzkonzentration - also weder riechbar, noch von irgendeiner gesundheitlichen Relevanz. Es sei nicht Aufgabe des Ziviltechnikers gewesen, Innenraumluftmessungen in der Wohnung D. durchzuführen, sondern die Emissions- und Immissionssituation in der Betriebsanlage zu messen. Diese habe gezeigt, dass der Betrieb keine geruchsintensiven Stoffe und auch keine gesundheitsrelevanten Emissionen freisetze. Die Styrolemissionen stammten nicht von den Besonnungsbänken, sondern von Klebern oder Isoliermaterial der Luftschächte des Hauses.
Die Berufungsbehörde holte ein ergänzendes Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen ein, in dem u.a. ausgeführt wird, für die gesichert nachgewiesene Geruchsbelästigung sei nicht bloß ein einziger Faktor als dafür verantwortlich auszumitteln. Abbau- und Reaktionsprodukte aus - im Einzelnen beschriebenen - Substanzen (Ozon, Acetonitril, Ammoniak, Aceton, Isopropylalkohol, Styrol, Toluol, Xylol und Kohlenmonoxid) und auch diese selbst, wie auch noch andere, chemisch nicht identifizierte oder identifizierbare Verbindungen dürften gemeinsam, in allerdings aus medizinischer Sicht nicht exakt nachvollziehbarer Weise, für jene Geruchseindrücke sorgen, wie sie auch bei den Ortsaugenscheinen während des Zeitraumes der noch in Betrieb befindlichen Anlage empfunden worden seien. Jedenfalls lägen Berichte der Hausbewohner von Anfang Februar 1995 über subjektive Befindlichkeitsstörungen vor, die mit den Beeinträchtigungswahrnehmungen der Behördenvertreter übereinstimmten. Nach der Betriebsschließung des Solariums seien bei dem am 26. April 1995 in der Wohnung D. durchgeführten Ortsaugenschein außer einer dezenten Geruchsempfindung nach länger dauerndem Aufenthalt keine sonstigen organischen Befindlichkeitsstörungen mehr aufgetreten und es habe höchstens von einer geringfügigen Beeinträchtigung gesprochen werden können. Seit der Betriebsschließung sei es zu einer weiteren ständigen Abnahme der Geruchsempfindungen in der Wohnung D. sowie zu einem Verschwinden der gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei D. und bei den übrigen Hausbewohnern gekommen, wie dies dem medizinischen Sachverständigen im November 1995 berichtet worden sei. Diese Feststellungen ließen aus medizinsicher Sicht keinen vernünftigen Zweifel offen, dass zwischen dem Betrieb des Solariums und den objektiv nachgewiesenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Geruchsbelastungen der Hausbewohner im Hausteil oberhalb der Betriebsanlage ein Zusammenhang gesehen werden müsse. Dadurch sei eine konkrete Gefährdung der Gesundheit der Nachbarn gegeben; eine Zustimmung zur Genehmigung der Betriebsanlage sei aus medizinischer Sicht nicht möglich.
Über Anregung der unter 1. genannten Verfahrenspartei, einen - näher bezeichneten - nichtamtlichen Sachverständigen aus dem Gebiet der Hygiene und Sozialmedizin (Univ. Prof. Dr. K.) mit der Beurteilung der Schlüssigkeit der vorliegenden Gutachten und Schlussfolgerungen der Amtssachverständigen zu beauftragen, wurde dieser beigezogen und führte in seiner Stellungnahme aus, die in der Betriebsanlage produzierten Stoffe lägen den vorgenommenen Messungen zufolge praktisch durchwegs im Rahmen jener Konzentrationen, die in Innenräumen von Wohnungen herrschten. Während der gesamten Untersuchung sei es zu keiner auffälligen Steigerung der Immissionsbelastung gekommen. Dies sei auf das installierte Ventilationssystem zurückzuführen. Der Ziviltechniker gehe davon aus, dass deshalb ein geringer Unterdruck im Arbeitsraum des Solariums herrsche, wodurch der Anteil, der über Diffusion in die Wände dringe, geringer sei als ohne Unterdruck. Wenn auch alle Einzelkomponenten, die im Innenraum gemessen worden seien, in der Luft eines Wohnraumes vorkommen können, so stehe doch außer Diskussion, dass die Zusammensetzung insgesamt nicht als typisch für einen Wohninnenraum zu bezeichnen sei. Aus den vorliegenden Daten bestehe kein Grund für die Annahme, dass die Innenraumluft aus toxikologischer Sicht eine Gesundheitsgefährdung darstellen könnte. Trotzdem seien zahlreiche Stoffe enthalten, die in Gegenwart geeigneter Reaktionspartner grundsätzlich Ausgangspunkt für weitere chemische Reaktionen werden könnten. Faktum sei, dass im Zuge des Verfahrens vom Amtssachverständigen in Räumen der Wohnung D. und anderen Räumen als gesundheitsgefährdend eingestufte Geruchsbelastungen bzw. Sinneswahrnehmungen attestiert worden seien. Diese Wahrnehmungsqualitäten seien während des durchgeführten Untersuchungsbetriebes weder im Untersuchungsraum selbst noch irgendwo im Hause aufgetreten. Im Rahmen des Verfahrens hätten keine exakten Angaben darüber gemacht werden können, welche der Emissionskomponenten mit welchen Stoffen reagierten. Es liege aber nahe, dass es sich dabei um eingebaute Baumaterialien handeln dürfte. An diese könne man allerdings nicht direkt gelangen. Die Argumentation, dass durch den allmählichen Rückgang der Geruchsbelastungen mit Außerbetriebnahme der vermuteten Emissionsquellen die Kausalität des Zusammenhangs zwischen dem Betrieb der Solarien und dem Auftreten der Reizstoffe (Geruchsstoffbildung) belegt werde, zumal nach der Ortsaugenscheinserhebung andere Möglichkeiten der Reizstoffbildung praktisch ausgeschlossen werden könnten, erscheine schlüssig, möge auch die naturwissenschaftliche Kausalkette mangels Kenntnissen über die Bauweise des Hauses nicht nachvollziehbar gemacht werden können. So lange keine entsprechend qualifiziert begründeten Maßnahmen geschaffen seien, deren Wirksamkeit durch eine "Form von Probebetrieb" überprüft werden könne, könne man sich der Argumentation des medizinischen Amtssachverständigen nur anschließen.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 28. März 1996 wurde der Bescheid des Bürgermeisters vom 16. Mai 1994 (mit Ausnahme der Kostenentscheidung) behoben und die beantragte Genehmigung der Betriebsanlage gemäß § 77 Abs. 1 i.V.m.
§ 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 verweigert. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, den Darlegungen des medizinischen Amtssachverständigen sei eindeutig zu entnehmen, dass bei Betrieb des verfahrensgegenständlichen Sonnenstudios eine Beeinträchtigung der Gesundheit der Nachbarn gegeben bzw. zu erwarten sei. Der Kausalzusammenhang zwischen dem Betrieb des Sonnenstudios und den (bei den Nachbarn) auftretenden Geruchsbelästigungen sei eindeutig gegeben, weil die Beeinträchtigungen erst mit dem Betrieb des Sonnenstudios begonnen hätten und mit Einstellung des Betriebes nicht mehr aufgetreten seien. Dem Einwand der unter 1. genannten Verfahrenspartei, Beeinträchtigungen seien nur in der Wohnung D. aufgetreten und es könne daher eine Manipulation nicht ausgeschlossen werden, könne nicht gefolgt werden. Aus dem gesamten Verfahren gehe nämlich eindeutig hervor, dass die Geruchsbelästigungen im gesamten Haus oberhalb der Betriebsanlage aufgetreten seien, insbesondere in den Wohnungen E., H., D. und M., also in sämtlichen Stockwerken. Letztlich sei die Schlüssigkeit des medizinischen Gutachtens auch von dem über Wunsch der die Genehmigung beantragenden Verfahrenspartei beigezogenen Univ. Prof. Dr. K. bestätigt worden. Es sei somit als erwiesen anzusehen, dass von der gegenständlichen Betriebsanlage eine Gesundheitsgefährdung zu erwarten sei, die auch durch Auflagen nicht beherrscht werden könne; die angestrebte Genehmigung sei daher zu versagen gewesen.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 27. März 1996 wurde die Berufung der unter 1. genannten Verfahrenspartei gegen den Bescheid des Bürgermeisters von Innsbruck vom 3. April 1995 (Stilllegung der Betriebsanlage) als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, in Anbetracht des Gutachtens des medizinischen Amtssachverständigen und der Stellungnahme von Univ. Prof. Dr. K. sei ausreichend schlüssig erwiesen, dass einerseits eine Gesundheitsgefährdung im Sinne des § 360 Abs. 4 GewO 1994 vorliege und andererseits ein Kausalzusammenhang mit dem Betrieb der Solarien gegeben sei.
Über Berufung der unter 1. genannten Verfahrenspartei gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 28. März 1996 holte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten das technische Gutachten eines nichtamtlichen Sachverständigen (Univ. Prof. Dr. L.) ein, dem zufolge es auf Grund weiterer - näher dargestellter - Messungen von Luftschadstoffen in der Wohnung D. und im Solariumsbereich unzweifelhaft ausgeschlossen sei, dass gasförmige Komponenten in der Wohnung D. aus dem Solarium stammten und umgekehrt. Es seien aber andererseits in der Wohnung D. Komponenten wie Formaldehyd, Acetaldehyd und auch Tuluol in ausreichend hohen Konzentrationen vorhanden, dass sie sowohl starke Geruchsempfindlichkeit, wie auch Augen- und Schleimhautreizungen hervorrufen könnten.
Auf dieser Grundlage aufbauend führte der beigezogene medizinische Sachverständige (Univ. Prof. Dr. K.) aus, eine Gesundheitsgefährdung und auch eine unzumutbare Belästigung der Hausbewohner durch den Betrieb der in Rede stehenden Betriebsanlage könne ebenso ausgeschlossen werden, wie eine Gesundheitsgefährdung sowie eine unzumutbare Belästigung der Kunden sowie der im Solarium Beschäftigten. Mit Bescheid des Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 20. Oktober 1997 wurde der Berufung daher Folge gegeben, der Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 28. März 1996 behoben und der Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 16. Mai 1994 in Ansehung von im Einzelnen bezeichneten Auflagen geändert.
Mit Schriftsatz vom 27. April 1998 erhob die erstmitbeteiligte Partei beim Landesgericht Innsbruck Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich, die sie u. a. darauf stützte, dass die den Entscheidungen des Landeshauptmannes von Tirol zu Grunde gelegten Sachverständigengutachten nicht geeignet gewesen seien, diese Entscheidungen zu tragen. Bei entsprechender Berücksichtigung des von der unter 1. genannten Verfahrenspartei vorgelegten Gutachtens hätte dies der Landeshauptmann auch erkennen müssen. Bereits im Berufungsverfahren hätte problemlos festgestellt werden können, dass keine Zusammenhänge zwischen gasförmigen Schadstoffkonzentrationen u.a. in der Wohnung D. und im Solariumsbetrieb bestünden.
Das Landesgericht Innsbruck unterbrach das Verfahren mit Beschluss vom 10. Juli 2000 und stellte unter gleichzeitiger Vorlage der Gerichts- und Verwaltungsakten gemäß § 11 Abs. 1 Amtshaftungsgesetz den Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, die Rechtswidrigkeit der Berufungsbescheide des Landeshauptmannes von Tirol vom 27. März 1996, Zl. IIa-60.023/18-95 (Betriebsschließung), sowie vom 28. März 1996, Zl. IIa-60.033/30- 94 (Versagung der Genehmigung), festzustellen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 11 Abs. 1 Amtshaftungsgesetz (AHG) hat das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreites von der Frage der Rechtswidrigkeit des Bescheides einer Verwaltungsbehörde abhängig ist, über die noch kein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, und es den Bescheid für rechtswidrig hält, sofern die Klage nicht gemäß § 2 Abs. 2 leg. cit. abzuweisen ist, das Verfahren zu unterbrechen und beim Verwaltungsgerichtshof mit Beschwerde (Antrag) nach Art. 131 Abs. 2 B-VG die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides zu begehren. Nach Einlangen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes hat das Gericht das Verfahren fortzusetzen und den Rechtsstreit unter Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes zu entscheiden.
Der Antrag eines Gerichtes gemäß § 11 AHG ist nach hg. Judikatur als Beschwerde im Sinne des Art. 131 Abs. 2 B-VG aufzufassen. Im Falle der Stattgebung der Beschwerde ist die Rechtswidrigkeit des Bescheides festzustellen, andernfalls ist die Beschwerde abzuweisen. Allerdings sind die Voraussetzungen, die für Bescheidbeschwerden gegeben sein müssen, nämlich, dass es sich um letztinstanzliche, noch dem Rechtsbestand angehörige Bescheide handeln muss, bei Beschwerden nach dem 2. Unterabschnitt des VwGG "Besondere Bestimmungen über Beschwerden in Amts- und Organhaftungssachen" nicht zwingend notwendig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1998, Zl. 97/02/0496, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Im vorliegenden Fall ist der Antrag des Landesgerichtes Innsbruck daher unabhängig davon zulässig, ob die Bescheide, deren Überprüfung beantragt wurde, dem Rechtsbestand noch angehören.
Gemäß § 74 Abs. 1 GewO 1994 in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 63/1997, ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet und betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,
2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen, ...
Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf zumutbares Maß beschränkt werden.
Die Feststellung, ob die (sachverhaltsbezogenen) Voraussetzungen für die Genehmigung im Sinne des § 77 vorliegen, ist nach ständiger hg. Judikatur (vgl. die bei Kobzina-Hrdlicka, Gewerbeordnung 1994 (1994), 272 f, dargestellte hg. Judikatur) Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Den Sachverständigen obliegt es, auf Grund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten) über diese Fragen abzugeben. Der gewerbetechnische Sachverständige hat sich darüber zu äußern, welcher Art die von einer Betriebsanlage nach dem Projekt des Genehmigungswerbers zu erwartenden Einflüsse auf die Nachbarschaft sind, welche Einrichtungen der Betriebsanlage als Quellen solcher Immission in Betracht kommen, ob und durch welche Vorkehrungen zu erwartende Immissionen verhütet oder verringert werden und welcher Art und Intensität die verringerten Immissionen noch sein werden. Der technische Sachverständige hat sich bei der Beweisaufnahme nach Möglichkeit jener Hilfsmittel zu bedienen, die seine Wissenschaft entwickelt hat. Dem ärztlichen Sachverständigen fällt - fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen - die Aufgabe zu, darzulegen, welche Einwirkungen die zu erwartenden unvermeidlichen Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus (entsprechend den in diesem Zusammenhang im § 77 Abs. 2 enthaltenen Tatbestandsmerkmalen) auszuüben vermögen. Auf Grund der Sachverständigengutachten hat sich sodann die Behörde im Rechtsbereich ihr Urteil zu bilden.
Der Landeshauptmann von Tirol als Gewerbebehörde zweiter Instanz hat seinen Bescheid vom 28. März 1996 - den beigezogenen Amtssachverständigen folgend - auf die Feststellung gestützt, es seien sowohl organische Befindlichkeitsstörungen von Nachbarn der Betriebsanlage der unter 1. genannten Verfahrenspartei, als auch - als gesundheitsgefährdend zu beurteilende - Geruchsbelastungen in deren Wohnungen wahrgenommen worden und es müssten diese Auswirkungen auf den Betrieb des Solariums zurückgeführt werden, weil die Beeinträchtigungen erst mit Betriebsaufnahme begonnen hätten und nach der Betriebseinstellung aufgehört hätten. Weder wurden jedoch - wie das nach der dargelegten Judikatur erforderlich gewesen wäre - nachvollziehbare Feststellungen über Art und Umfang der von der Betriebsanlage der unter 1. genannten Verfahrenspartei ausgehenden Emissionen getroffen, noch darüber, welche Immissionen bei der Nachbarschaft auf Grund dieser Emissionen möglich und zu erwarten seien. Vielmehr wurde - umgekehrt - auf Grund der festgestellten Geruchsbelastung, von der von sachverständiger Seite selbst nicht gesagt werden konnte, wodurch sie entstehe, alleine wegen des zeitlichen Zusammenhanges eine Urheberschaft der Betriebsanlage dafür angenommen, obwohl die unter 1. genannte Verfahrenspartei auf sachverständiger Basis dargelegt hatte, dass von ihrer Betriebsanlage keine Emissionen ausgingen, die geeignet wären, zu entsprechenden Immissionen in der Nachbarschaft zu führen.
Solcher Art beruhte der Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 28. März 1996 - wie dies in der Folge durch den Berufungsbescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 20. Oktober 1997 auch bestätigt wurde - auf einer gewerbetechnisch nicht näher begründeten Vermutung, die Betriebsanlage sei für die festgestellten Immissionen ursächlich, somit auf einem unzureichenden Ermittlungsverfahren. Er war daher rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG.
Gemäß § 360 Abs. 4 GewO 1994 hat die Behörde, um die durch eine diesem Bundesgesetz unterliegende Tätigkeit verursachte Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für das Eigentum abzuwehren oder um die durch eine nicht genehmigte Betriebsanlage verursachte unzumutbare Belästigung der Nachbarn abzustellen, entsprechend dem Ausmaß der Gefährdung oder Belästigung, mit Bescheid die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes, die Stilllegung von Maschinen oder sonstige die Anlage betreffende Sicherheitsmaßnahmen oder Vorkehrungen zu verfügen. Hat die Behörde Grund zur Annahme, dass zur Gefahrenabwehr Sofortmaßnahmen an Ort und Stelle erforderlich sind, so darf sie nach Verständigung des Betriebsinhabers, seines Stellvertreters oder des Eigentümers der Anlage oder, wenn eine Verständigung dieser Person nicht möglich ist, einer Person, die tatsächlich die Betriebsführung wahrnimmt, solche Maßnahmen auch ohne vorausgegangenes Verfahren und vor Erlassung eines Bescheides an Ort und Stelle treffen; hierüber ist jedoch binnen eines Monats ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die getroffene Maßnahme als aufgehoben gilt. Der Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn er gemäß § 19 des Zustellgesetzes wegen Unzustellbarkeit an die Behörde zurückgestellt worden ist.
Gemäß § 360 Abs. 5 GewO 1994 sind Bescheide u.a. nach Abs. 4 sofort vollstreckbar. Sie treten, wenn sie nicht kürzer befristet sind, mit Ablauf eines Jahres, vom Beginn der Vollstreckbarkeit an gerechnet, außer Wirksamkeit.
Dem Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol als Gewerbebehörde zweiter Instanz vom 27. März 1996 liegt die Auffassung zu Grunde, auf Grund des medizinischen Gutachtens sei erwiesen, dass durch den Betrieb der Betriebsanlage der unter 1. genannten Verfahrenspartei im Sinne des § 360 Abs. 4 GewO 1994 eine Gefahr für die Gesundheit von Menschen verursacht werde und daher die Betriebsschließung geboten sei.
Aus der Anordnung des § 360 Abs. 5 GewO 1994 folgt, dass die entsprechenden Bescheide als Leistungsbescheide zu erlassen sind. Demnach kommt es nicht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der faktischen Betriebsschließung, sondern auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung der Berufungsentscheidung an. Fällt allerdings während des Verfahrens eine der Voraussetzungen für die Maßnahme weg, so ist ein vergangenheitsbezogener Feststellungsbescheid zu erlassen. Diesfalls hat sich die Entscheidung auf den Zeitraum beginnend ab der (faktischen) Setzung der Maßnahme bis zum Wegfall der Voraussetzung zu beziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2001, Zl. 2001/04/0073).
Dem Wegfall einer Voraussetzung für die Maßnahme ist der Fall gleichzuhalten, in dem sich (erst) auf Grund späteren Wissensstandes erweist, dass es an einer Voraussetzung für die Maßnahme fehlt. Auch in einem solchen Fall ist daher ein vergangenheitsbezogener Bescheid zu erlassen, und zwar betreffend den Zeitraum von der (faktischen) Setzung der Maßnahme an bis zum Vorliegen eines, die Aufrechterhaltung der Maßnahme nicht (mehr) rechtfertigenden Ermittlungsergebnisses.
Bei Erlassung des Bescheides vom 27. März 1996, mit dem die verfügte Betriebsschließung aufrecht erhalten wurde, lag dem Landeshauptmann von Tirol als Gewerbebehörde zweiter Instanz ein in einem mängelfreien Verfahren gewonnenes Ermittlungsergebnis, demzufolge die Tatbestandsvoraussetzungen des § 360 Abs. 4 GewO 1994 für eine Schließung der Betriebsanlage im Entscheidungszeitpunkt sachverhaltsmäßig erfüllt gewesen wären, allerdings nicht vor; wurden doch - wie dargelegt - die in der Wohnung D. erhobenen und als gesundheitsgefährdend beurteilten Immissionen der Betriebsanlage ursächlich zugerechnet, ohne dass festgestellt worden wäre, auf welche konkreten, von der Betriebsanlage ausgehenden Emissionen diese Immissionen zurückzuführen seien.
Der Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 27. März 1996 war daher ebenfalls im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG rechtswidrig.
Dies war gemäß § 67 VwGG in Verbindung mit § 11 AHG festzustellen.
Die in einem Verfahren nach dem 2. Unterabschnitt des VwGG erwachsenden Kosten sind gemäß § 68 VwGG Kosten des Rechtsstreites vor dem antragstellenden Gericht. Das Kostenbegehren der unter 1. genannten Verfahrenspartei war daher zurückzuweisen.
Wien, am 24. Oktober 2001
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000040142.X00Im RIS seit
21.02.2002