Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Franz Triendl über die Berufung des Herrn Rechtsanwalt Dr. E. J., XY-Straße, I., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 23.05.2006, VK-10719-2006 betreffend eine Übertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), nach öffentlicher mündlicher Verhandlung, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Nach § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 20 Prozent der verhängten Strafen, das sind Euro 7,20 zu bezahlen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Tatzeit: 03.05.2006 um 07.15 Uhr
Tatort: Gemeinde Schönberg, Römerstraße Höhe Haus Nr 33
Fahrzeug: Kombinationskraftwagen, XY
Sie haben den Straßenzug trotz des deutlich sichtbar aufgestellten Verbotszeichens ?Fahrverbot? (in beiden Richtungen), ausgenommen Fahrzeuge für die Anrainer, befahren, obwohl Sie nicht unter diese Ausnahme fielen?.
Dadurch habe der Beschuldigte gegen § 52 lit a Z 1 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) verstoßen.
Über diesen wurde gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO 1960 eine Geldstrafe von Euro 36,00, Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden, verhängt und ein anteiliger Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens vorgeschrieben.
Dagegen hat der Beschuldigte fristgerecht Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol erhoben und darin ausgeführt wie folgt:
?In umbezeichneter Verwaltungsstrafsache wurde dem Einschreiter das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 23.05.2006 am 26.05.2006 zugestellt. Der Einschreiter erhebt gegen dieses Straferkenntnis binnen offener Frist die Berufung wegen Vorliegens gravierender Verfahrensmängel, unrichtiger Feststellungen, insbesondere aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt die Aufhebung des bekämpften Straferkenntnisses und ersatzlose Behebung desselben.
Der Einschreiter fuhr am 03.05.2006 auf der Römerstraße mit seinen zwei Kindern, um dort im Gastronomiebetrieb ?MC Donalds? zu frühstücken. Eingangs der Römerstraße ist das Verbotszeichen ?Fahrverbot? aufgestellt, jedoch ausgenommen Fahrzeuge für die Anrainer. Der Restaurantbetrieb ?MC Donalds? ist eine Anrainerliegenschaft und fallen damit auch Besucher und Angestellte dieses Anrainers unter die Ausnahmebestimmung. Der Einschreiter war sohin berechtigt, die Römerstraße zu befahren.
Der Einschreiter hat am 26.05.2006 bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck Akteneinsicht genommen und die Möglichkeit eingeräumt erhalten, binnen 4 Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Trotz dieser Möglichkeit wurde dem Einschreiter am 26.05.2006 das Straferkenntnis vom 23.05.2006 zugestellt. Dem Einschreiter wurde sohin ein Parteiengehör in diesem Verfahren verwehrt. Das angefochtene Straferkenntnis ist sohin auch aus diesem Grunde mit Rechtswidrigkeit behaftet.
Der Beschuldigte stellt sohin die Anträge:
1. Die belangte Behörde möge in Form einer Berufungsvorentscheidung iSd § 51 b VStG nach allfälligen weiteren Ermittlungen das von ihr erlassene Straferkenntnis ersatzlos aufheben und das gegen den Beschuldigten eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einstellen.
In eventu
2. Der Unabhängige Verwaltungssenates in Tirol möge in Stattgebung des vorliegenden Rechtsmittel nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und allfälliger weiterer Beweisaufnahme das angefochtene Straferkenntnis aufheben und das gegen den Beschuldigten eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen?.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt, Einsichtnahme in Auszüge aus dem TIRIS vom 09.06.2006 und in den Aktenvermerk über ein Telefonat mit RI D. N. sowie Einvernahme des Beschuldigten anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 26.06.2006.
Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:
Bei ihrer Entscheidung ist die Behörde von nachstehendem Sachverhalt ausgegangen:
Der Beschuldigte fuhr am 03.05.2006 um 17.15 Uhr mit seinem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XY im Gemeindegebiet Schönberg auf der Römerstraße Richtung Norden. Er befuhr diesen Straßenzug trotz des deutlich sichtbar aufgestellten Verbotszeichens ?Fahrverbot, ausgenommen Fahrzeuge für die Anrainer?. Anlässlich der Kontrolle durch Organe der Polizeiinspektion Fulpmes auf Höhe der Hauses Römerstraße 33 gab der Beschuldigte an, er wolle mit seinen Kindern zum Mc-Donalds-Restaurant fahren. Dieses Restaurant befindet sich am Parkplatz/Raststätte ?Europabrücke? der Brennerautobahn A 13. Um über die Römerstraße zu diesem Restaurant zu gelangen, ist es erforderlich, von der Römerstraße auf die Autobahnzu- und -abfahrt aufzufahren und auf der Fahrspur der Autobahnabfahrt (für den aus Schönberg kommenden Verkehr) zum Parkplatz/Raststätte ?Europabrücke?, welcher auf der andere Seite der A 13 liegt, zu fahren. Die Römerstraße selbst führt weiter entlang der Richtungsfahrbahn Innsbruck (also südlich) der A 13 bis zur Europabrücke.
Dieser Sachverhalt steht aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens fest und wird auch seitens des Berufungswerbers nicht bestritten. Er bringt jedoch zusammenfassend vor, dass das Mc-Donalds-Restaurant über den Römerweg erreichbar sei, dieses daher als Anrainer im Sinne der StVO anzusehen sei und er daher die vorgeworfene Tat nicht begangen habe.
Diesem Vorbringen ist zu entgegnen wie folgt:
Der Begriff ?Anrainer? umfasst neben dem Eigentümer einer neben der Straße gelegenen Liegenschaft auch jene Personen, welche an solchen Liegenschaften ein Bestandsrecht besitzen (vgl etwa VwGH 19.11.1982, 2695/80). Gegenständlich waren aber auch ?Fahrzeuge für die Anrainer? vom Fahrverbot ausgenommen. Im Lichte der diesbezüglichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl etwa VwGH 03.10.1984, 84/03/0079; 06.11.2002, 2002/02/0107) wäre daher im gegenständlichen Fall grundsätzlich auch der Verkehr der Besucher (Kunden) eines Anrainers von der Ausnahme umfasst.
Das Mc-Donalds-Restaurant am Parkplatz/Raststätte ?Europabrücke? der Brennerautobahn A 13 ist jedoch nicht als Anrainer im obigen Sinne anzusehen. Das gegenständliche Verbotszeichen bezieht sich auf die Römerstraße. Nur solche Objekte, die sich an der Römerstraße befinden, dh unmittelbar über die Römerstraße erreichbar sind, könnten daher als Anrainer angesehen werden. Dies ist hier nicht der Fall. Die Römerstraße selbst führt nicht zum Mc-Donalds-Restaurant. Dazu ist es erforderlich, von der Römerstraße auf die Autobahnzu- und -abfahrt aufzufahren und auf der Fahrspur der Autobahnabfahrt (für den aus Schönberg kommenden Verkehr) zum Parkplatz/Raststätte ?Europabrücke?, welcher auf der andere Seite der A 13 liegt, zu fahren. Dass hier keine entsprechenden Abschrankungen vorhanden sind, ist nicht entscheidend. Vielmehr kommt es darauf an, dass eine Autobahnabfahrt benützt werden muss, um überhaupt zum Autobahnparkplatz bzw zur Autobahnraststätte zu gelangen. In dieser Fallkonstellation ist das gegenständliche Restaurant jedoch keinesfalls mehr als Anrainer anzusehen.
Der Berufungswerber hat daher jedenfalls den objektiven Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung verwirklicht.
Was die subjektive Tatseite betrifft, ist anzuführen, dass gemäß § 5 Abs 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Im Falle eines ?Ungehorsamsdeliktes? - als welches sich auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung darstellt - tritt somit insofern eine Verlagerung der Behauptungslast ein, als die Behörde lediglich die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes zu beweisen hat, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Dies ist dem Beschuldigten jedoch nicht gelungen
Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte vorsätzlich gehandelt hat. Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Dies wird vom Beschuldigten auch gar nicht bestritten. Die vom Beschwerdeführer gegen die Annahme, er habe schuldhaft gehandelt, vorgebrachten Einwendungen beziehen sich in Wirklichkeit auf sein Unrechtsbewusstsein, ein Schuldelement, das von jenem des Vorsatzes zu unterscheiden ist (vgl VwGH 15. 06.1992, 91/10/0146 und 11.9.1997, 96/07/0223). Vorwerfbar handelt nur, wer unrecht tut, obwohl er entweder weiß, dass seine Handlung Unrecht ist oder dies zumindest hätte erkennen können. Nicht vorwerfbar handelt hingegen der, der sich in einem entschuldbaren Rechts(Verbots)irrtum gemäß § 5 Abs 2 VStG befindet.
Nach § 5 Abs 2 VStG ist die Unkenntnis der übertretenen Verwaltungsvorschriften nur dann beachtlich, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnten. Auch die irrige Auslegung einer Norm ist ein Rechtsirrtum gemäß § 5 Abs 2 VStG. Die bloße Argumentation im Verwaltungsstrafverfahren mit einer ? allenfalls sogar plausiblen ? Rechtsauffassung allein vermag ein Verschulden am objektiv unterlaufenen Rechtsirrtum nicht auszuschließen. Gerade als Rechtsanwalt hätte er, um fehlendes Verschulden darzulegen, bei der zuständigen Behörde entsprechende Auskünfte einholen müssen. Dass er einschlägige Informationen eingeholt hat, wurde vom Berufungswerber nicht einmal behauptet, weshalb auch nicht von einer unverschuldeten Fehlinterpretation der maßgeblichen Rechtsnormen ausgegangen werden kann und folgerichtig das Vorliegen eines entschuldigenden Rechtsirrtums zu verneinen ist
Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nach Abs 2 sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Diese sind aufgrund der Angaben des Berufungswerbers in der mündlichen Verhandlung vom 26.06.2006 jedenfalls als zumindest durchschnittlich anzusehen.
Erschwerend waren einschlägige Verwaltungsstrafvormerkungen bei der Bezirkshaupt-mannschaft Innsbruck anzusehen. Die verhängte Strafe bewegt sich am untersten Ende des Strafrahmens (bis zu Euro 726,00) und bestand sohin kein Grund, diese sehr milde Strafe in Anbetracht der oben angeführten Strafzumessungsgründe noch weiter herabzusetzen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.