TE UVS Burgenland 2006/08/08 023/14/06001

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.08.2006
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied Dr Schwarz über die Berufung des Herrn ***, geboren am ***, wohnhaft in ***, vertreten durch die Rechtsanwälte ***, vom 19 04 2006, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 31 03 2006, Zl 300-10465-2005, wegen Bestrafungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs 1 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Text

Der Schuldspruch des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 31 03 2006, Zl 300-10465-2005, lautet wie folgt:

 

?Sie haben als Gewerbeinhaber in *** und somit als Arbeitgeber dem Arbeitnehmer *** den LKW der Marke VOLVO F 10/IC-320, blau, pol Kennzeichen: ***, welcher mit der Ladebordwand Interhydraulik SLSS 1500, Bauj: 1988, Plattformabmessung 2470 mm x 1500 mm, und dem Ladebordwand Oberteil (ca 2470 mm x 1050 mm) welches mittels Gasdruckfedern nach oben geklappt und offen gehalten wird, ausgestattet war, zum Beladen und Transportieren von Gütern überlassen, wobei nachträglich eine Aluminiumstütze ohne Arretierung (Sperrvorrichtung) zum Hochhalten des Ladebordwandteiles auf der linken Seite des LKW-Aufbaus angebracht wurde.

 

Das oa Arbeitsmittel wurde dem Arbeitnehmer überlassen, obwohl

1. die Gasdruckfedern nicht funktionsfähig waren, sodass sie den beweglichen Teil des Arbeitsmittels offen halten konnten und Arbeitsmittel nicht benutzt hätten werden dürfen, wenn Beschädigungen festzustellen sind, die die Sicherheit beeinträchtigen können oder die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen nicht funktionsfähig sind.

2. die nachträglich eingebaute Aluminiumstütze ohne Arretierung keine Maßnahme gegen ein unbeabsichtigtes Zufallen von beweglichen Teilen darstellt, wonach das unbeabsichtigte Zufallen von beweglichen Teilen von Arbeitsmitteln durch geeignete Maßnahmen verhindert sein muss, wenn dadurch Gefahren für die Arbeitnehmer entstehen können.

Tatzeit: 26 08 2005

Tatort: Transportunternehmens ***

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

1. § 35 Abs 1 Z 5 iVm § 130 Abs 1 Z 16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz BGBl Nr 450/1994 zul geändert durch BGBl I Nr 159/2001

2. § 41 Abs 4 Arbeitsmittelverordnung, BGBl II Nr 164/2000 iVm § 130 Abs 1 Z 16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl Nr 450/1994 zul geänd durch BGBl I Nr 159/2001 idgF?

 

Über den Beschuldigten wurde jeweils eine Geldstrafe von 500 Euro, falls diese uneinbringlich sind, eine Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 96 Stunden verhängt.

 

Dagegen erhob der Beschuldigte mit Schreiben vom 19 04 2006 Berufung.

 

Hierüber wurde Folgendes erwogen:

 

Nach den übereinstimmenden Stellungnahmen des Berufungswerbers, des Arbeitsinspektorates vom 09 06 2006 sowie nach Einsichtnahme in den Akt der Staatsanwaltschaft Steyr zur Zl *** ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

 

Dem gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige des Arbeitsinspektorates Linz (AI) vom 10 10 2005, Zl 041-155/1-9/05, zugrunde. Demnach führte das AI am 26 08 2005 eine Kontrolle des gegenständlichen LKW durch, nachdem es durch eine Mitteilung der Sicherheitsbehörde Kenntnis vom Unfall der Arbeitnehmerin *** am gleichen Tag erlangt hatte.

 

Ebenfalls mit Schreiben vom 10 10 2005, Zl 030-220/4-9/05, wurde vom AI eine Anzeige vom Unfallhergang am 26 08 2005 an die Staatsanwaltschaft Linz übermittelt, wobei der gleiche Sachverhalt wie im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren mitgeteilt wurde. Die Staatsanwaltschaft Steyr beim Bezirksgericht Enns leitete ein Strafverfahren wegen des Verdachts eines Vergehens nach § 88 StGB gegen den Berufungswerber ein. Am 07 12 2005 teilte die Staatsanwaltschaft dem Verdächtigen (Berufungswerber im gegenständlichen Verfahren) mit, dass die Durchführung des Strafverfahrens gegen ihn für eine Probezeit von einem Jahr vorläufig nach § 90f StPO unterbleibt. Weiters wurde dem Berufungswerber ein Beitrag zu den Kosten des gerichtlichen Strafverfahrens vorgeschrieben, den dieser auch leistete.

 

Rechtlich folgt daraus:

 

Nach Art 4 Abs 1 des 7 Zusatzprotokolls der Europäischen Menschenrechtskonvention (7 ZPMRK) darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

 

Eine Strafdrohung oder eine Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung ist gemäß Art 4 Abs 1 7 ZPMRK dann unzulässig, wenn sie bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war. Dies ist dann der Fall, wenn der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodass ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfasst (vgl VfSlg 14696). Strafverfolgungen bzw Verurteilungen wegen mehrerer Delikte, die auf Straftatbeständen fußen, die einander wegen wechselseitiger Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion jedenfalls bei eintätigem Zusammentreffen ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn und weil dadurch ein- und dieselbe strafbare Handlung mehrfach geahndet wird (vgl angeführtes Erkenntnis des VfGH, Slg 14696).

 

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 07 10 1998, Slg 15293, ausgesprochen, dass der im gegenständlichen Fall als verletzte Vorschrift herangezogene § 130 Abs 1 Z 16 ASchG einer verfassungskonformen, das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art 4 7 ZPMRK berücksichtigenden Interpretation zugänglich sei und die Bestrafung nach § 88 StGB die Bestrafung wegen desselben Verhaltens nach § 130 Abs 1 Z 16 ASchG ausschließe. Es sei daher in der Regel davon auszugehen ? so der Verfassungsgerichtshof weiter ?, dass das Delikt der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 StGB den Unrechts- und Schuldgehalt des Delikts des § 130 Abs 1 Z 16 ASchG vollständig erschöpft und Scheinkonkurrenz vorliegt. Entscheidend ist bei der Prüfung der Subsidiarität, ob das den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung erfüllende Verhalten auch ein wesentliches Sachverhaltselement des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung bilden könnte.

 

Im Anlassfall liegt dem strafgerichtlichen wie auch dem verwaltungsstrafrechtlichen Verfahren ein- und derselbe Sachverhalt zugrunde. Die im gerichtlichen Strafverfahren vorgehaltene Fahrlässigkeit nach § 88 StGB liegt ausschließlich in der Übertretung der im erstinstanzlichen Bescheid ausgeführten arbeitsrechtlichen Bestimmungen (§ 35 Abs 1 Z 5 ASchG, § 41 Abs 4 Arbeitsmittelverordnung), sodass das den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung erfüllende Verhalten auch ein wesentliches Sachverhaltselement des Tatbestandes der gerichtlich strafbaren Handlung bildet. Da der Berufungswerber wegen der gegenständlichen Handlung bereits von der Staatsanwaltschaft Steyr verfolgt wurde und über ihn diversionelle Maßnahmen nach § 90f StPO (Bestimmung einer Probezeit, Beitragsleistung zu den Kosten des Strafverfahrens) verhängt wurden und der Unrechts- und Schuldgehalt des § 130 Abs 1 Z 16 ASchG vollständig vom § 88 StGB umfasst ist, läge bei Verhängung einer Verwaltungsstrafe gemäß § 130 Abs 1 Z 16 ASchG eine unzulässige Doppelbestrafung vor, weshalb das Straferkenntnis der erstinstanzlichen Behörde zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

 

Da somit bereits aus diesen Gründen anhand der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, war von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG abzusehen und auf die weiteren Berufungsgründe nicht einzugehen.

Schlagworte
Unzulässige Doppelbestrafung, diversionelle Maßnahmen, Staatsanwaltschaft
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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