Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Hütter über die Berufung des Dr. K B, vertreten durch Dr. R F, Rechtsanwalt, G, N 51/II, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 21.04.2006, GZ.:
A5-277/2005-9, Ref. 11, betreffend Übertretungen des Steiermärkischen Pflegeheimgesetzes wie folgt entschieden: Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Die erste Instanz warf dem Beschuldigten Dr. K B mit Straferkenntnis eine neunfache Verletzung des § 18 Abs 2 in Verbindung mit § 9 Stmk. Pflegeheimgesetz vor, wobei die Tat wie folgt umschrieben wurde: Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als nach außen Verantwortlicher der H - S Seniorenheim GmbH, die persönlich haftende Gesellschafterin der H - S Seniorenheim GmbH &Co KG ist, welche am Standort G, B 80 ein Pflegeheim im Sinne des Steiermärkischen Pflegeheimgesetzes betreibt, zu verantworten, dass die Pflegedokumentationen von insgesamt 9 BewohnerInnen des Pflegeheimes gemäß der einen integrierenden Bestandteil der Aufforderung zur Rechtfertigung bildenden Mängelauflistung, am 2.8.2005 nicht den gesetzlichen Bestimmungen des Pflegeheimgesetzes entsprachen. Die Pflegedokumentationen der BewohnerInnen 1.) B F 2.) O M 3.) M M 4.) K H 5.) S A 6.) Z M 7.) J G 8.) R M 9.) P B enthielten am 2.8.2005 mangelhafte Angaben zur Pflegeanamnese, Pflegediagnose, Pflegeplanung und zu den Pflegemaßnahmen. Die Taten wurden durch Verhängung von neun Verwaltungsstrafen sanktioniert. Erst in der Begründung des Straferkenntnisses sind die einzelnen Dokumentationsmängel wie folgt näher dargestellt: Hr. B F:
Ausmaß der Sachwalterschaft ist nicht ersichtlich.
Medikamenteneinnahme laut Durchführungsnachweis erforderlich, in der Diagnosestellung und Pflegeplanung jedoch nicht enthalten. Nachtmedikamente sind täglich verordnet, laut Durchführungsnachweis aber nur 3 mal im Monat gegeben worden. Der laut Pflegeplanung täglich durchzuführende Wäschewechsel durch das Pflegepersonal wurde laut Durchführungsnachweis lediglich 5 mal getätigt. Fr. O M: Medikamenteneingabe laut Durchführungsnachweis erforderlich, in der Diagnosestellung und Pflegeplanung jedoch nicht enthalten. Die als Pflegemaßnahme geplante mundgerechte Vorbereitung der Speisen hat laut Durchführungsnachweis nie stattgefunden. Das in der Pflegeplanung erwähnte Trinkprotokoll wurde nicht übermittelt. Hr. M M: Medikamenteneingabe laut Durchführungsnachweis erforderlich, in der Diagnosestellung und Pflegeplanung jedoch nicht enthalten. Laut Pflegeanamnese ist der Bewohner nicht in der Lage zu gehen. Im Durchführungsnachweis wurde jedoch 11 mal im Monat Gehen abgezeichnet. Der Durchführungsnachweis ist insgesamt lückenhaft geführt. Hr. M soll nach ärztlicher Anordnung nachts ein Medikament erhalten, im Durchführungsnachweis wird dies nicht berücksichtigt. Die aktuelle Wundbehandlung ist nicht ärztlich angeordnet bzw. abgezeichnet. Die Therapie ist seit 15. 04. 2005 unverändert. Aus dem Pflegebericht geht hervor, dass sich der Wundzustand nicht verbessert hat, es ist in den übermittelten Unterlagen nicht nachvollziehbar, wie weit und ob überhaupt der behandelnde Arzt darüber informiert wurde. Hr. Ing. K H: Laut Pflegeanamnese erhält der Bewohner Normalkost, im Stammdatenblatt ist die Kostform nicht ersichtlich. Laut ärztlichem Medikamentenverordnungsblatt wurden 2 Medikamente zur Behandlung eines Diabetes mellitus verordnet, der Bewohner ist offensichtlich Diabetiker. In den Unterlagen (Blutzuckerüberwachungsblatt) scheinen starke Schwankungen des Blutzuckerspiegels auf, eine Verabreichung einer entsprechenden Diät ist jedoch nicht nachweisbar. In der Pflegeanamnese scheinen widersprüchliche Angaben zur Mobilität auf. Der Durchführungsnachweis ist insgesamt lückenhaft geführt. Das in der Pflegeplanung erwähnte Trinkprotokoll wurde nicht übermittelt. Fr.
S A: In den Pflegediagnosen wird ein Selbstfürsorgedefizit in der Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr angegeben. In der Pflegeplanung sind die Maßnahmen mundgerechte Vorbereitung der Speisen und Führung eines Trinkprotokolls festgelegt, um die Ziele isst 2/3 der Portion und trinkt 1500 ml zu erreichen. Die mundgerechte Vorbereitung der Speisen ist im Durchführungsnachweis nicht berücksichtigt bzw. nicht abgezeichnet. Im übermittelten Trinkprotokoll werden Angaben wie Kaffee + Brot oder Mittag gemacht. Es ist nicht nachvollziehbar, wie viel Flüssigkeit tatsächlich eingenommen wurde und ob die Klientin ausreichend
Nahrung zu sich nimmt. Fr. Z M: Die Flüssigkeitseinfuhrliste ist unzureichend geführt, die Menge ist nicht nachvollziehbar. Im übermittelten Trinkprotokoll werden Angaben wie Kaffee + Brot oder Mittag gemacht. Als Hinweis, dass der Pflegeprozess offensichtlich nicht verstanden wird, sei die ärztliche Anordnung zur Verabreichung von Infusionen bei Unterschreitung einer bestimmten Flüssigkeitsmenge erwähnt. Im Pflegebericht ist am 17. und am 31. 07. 2005 eine Wunde bzw. ein Verband am linken Unterschenkel dokumentiert. Eine Wunddokumentation mit Beschreibung, Verlauf und Behandlung der Wunde ist nicht vorhanden. Hr. J G: Die Mundpflege ist 3 mal tgl. geplant, laut Durchführungsnachweis jedoch nur 1 mal tgl. abgezeichnet. Haarwäsche 1 mal pro Woche lt. Pflegeplanung, den ganzen Juli nicht durchgeführt. In der Wunddokumentation ist die Beschreibung der Wunde unvollständig.
Fr. R M: Der Umfang der Sachwalterschaft ist in der Pflegedokumentation nicht ersichtlich. Die Mundpflege ist 2 mal tgl. geplant, jedoch nur 1 mal tgl. durchgeführt. Fr. P B: Als Pflegediagnose ist Körperliche Mobilität beeinträchtigt angezeigt durch Unfähigkeit, alleine zu gehen (braucht eine Pflegeperson) angeführt. In der Pflegeanamnese wird Gehen jedoch als selbständig bezeichnet. Diese Angaben sind vor allem in Zusammenhang der Tatsache, dass immer wieder Personen als selbständig gehfähig analog zum Bewilligungsbescheid bezeichnet werden, die es tatsächlich aber nicht sind. Die Mundpflege ist 2 mal tgl. geplant, laut Durchführungsnachweis jedoch nur 1 mal tgl. abgezeichnet. Die als Pflegemaßnahme geplante mundgerechte Vorbereitung der Speisen hat laut Durchführungsnachweis nie stattgefunden. Nach Wiedergabe der rechtlichen Bestimmungen, des Vorbringens des Beschuldigten und der Stellungnahme der Amtssachverständigen M L MSc kam die erste Instanz zum Ergebnis, aus der näheren Umschreibung der einzelnen Komponenten der Pflegedokumentation in § 14 Abs 2 Z 1 bis 4 GuKG bzw § 9 Z 1 bis 9 Stmk. PHG ließen sich jedenfalls die Mängel der Pflegedokumentation betreffend Pflegeanamnese, Pflegediagnose, Pflegebedarf und Pflegemaßnahmen ableiten. Demgegenüber machte der Beschuldigte in seiner Berufung mit folgender Begründung Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Bestimmungen des formellen und materiellen Rechts geltend: 1. Da es die in § 18 Abs 2 Stmk. PHG genannten Verordnungen im Zusammenhang mit Pflegedokumentation nicht gebe, könne als Prüfungsmaßstab nur das Gesetz herangezogen werden. § 9 Abs 1 Stmk. PHG regle nicht, wie die einzelnen Bereiche in der Pflegedokumentation inhaltlich auszuführen seien. Er habe sich zum Beweis der Richtigkeit seiner Verantwortung, dass die Pflegedokumentation durchaus ordnungsgemäß erstellt sei, auf die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Geriatrie und eines weiteren aus dem Fachgebiet des Medizinrechts berufen. Diesen Beweisanträgen habe die erste Instanz keine Folge gegeben. 2. Die von der Behörde als Amtssachverständige apostrophierte Frau M L sei ihm als Kontrollorgan (und nicht als Amtssachverständige) bekannt. Ihre Note vom 19.12.2005 werde als Stellungnahme und nicht als Gutachten bezeichnet und sei auch inhaltlich nicht als solches zu werten, da sie einer Trennung in Befund und Gutachten entbehre. Die Behörde erster Instanz habe sich daher aktenwidrig und unrichtig auf das Vorliegen eines Gutachtens einer Amtssachverständigen berufen. Es sei ihr nicht zugestanden, die Beweisanträge des Beschuldigten als gegenstandslos zu betrachten. Hätte er vorher von der Beiziehung von Frau L als Amtssachverständige gewusst, hätte er sie als befangen abgelehnt, da sie als ehemalige Mitarbeiterin im Unfrieden aus seinem Betrieb ausgeschieden sei und er hätte dann der Behörde auch Privatgutachten vorlegen können um nachzuweisen, dass den Ausführungen der Frau L keine gutachterliche Qualität inne wohnt.
3. Die Ausführungen im Bescheid zeigten, dass der Behörde die Bestimmungen des GuKG bekannt seien und sie wisse, dass die Führung der Pflegedokumentation nach den §§ 5 und 14 GuKG eine Berufspflicht der Angehörigen der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe sei und diese Berufspflicht ausdrücklich zum eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich dieser Berufsgruppe gehöre. Der Gesetzestext des GuKG und die dazugehörigen Materialien (Regierungsvorlage) zeigten eindeutig, dass es einer der wesentlichsten Punkte dieses Gesetzes sei, dass ein eigenverantwortlicher Tätigkeitsbereich der Gesundheits- und Krankenpfleger geschaffen und abgesichert werde. Dieser eigenverantwortliche Tätigkeitsbereich sei so zu verstehen, dass die Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege vollständig weisungsfrei seien und diese Berufsangehörigen für Schäden, die sie infolge nicht ordnungsgemäßer Erfüllung dieses Tätigkeitsbereiches verursachten, selbst zu haften hätten. Die belangte Behörde hätte von vornherein erkennen müssen, dass der Beschuldigte zwar handelsrechtlicher Geschäftsführer der Gesellschaft sei, die das Pflegeheim betreibe, die Erstellung der Pflegedokumentation aber eine Sache sei, die im eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich der Gesundheits- und Krankenpfleger liege, der Beschuldigte dabei überhaupt kein Weisungsrecht habe und deswegen, weil es ihm nach den Bestimmungen des GuKG gesetzlich verwehrt sei, auf die inhaltliche Gestaltung der Pflegedokumentation Einfluss zu nehmen, nicht für allfällige inhaltliche Mängel der Pflegedokumentation zur Verantwortung gezogen werden könne. Selbst wenn man zum Ergebnis käme, dass die Pflegedokumentation inhaltlich nicht in Ordnung gewesen sei, hätte gegen den Beschuldigten kein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet und mit Bestrafung erledigt werden dürfen, weil ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Er habe eben keine Möglichkeit, auf eine inhaltliche Gestaltung der Pflegedokumentation einzuwirken, weil sie dem eigenverantwortlichen und weisungsfreien Tätigkeitsbereich der Gesundheits- und Krankenpfleger obliege. 4. Zwar würden die Bestimmungen des Steiermärkischen Pflegeheimgesetzes bestimmte Kriterien nennen, auf die in der Pflegedokumentation einzugehen sei, das Gesetz treffe aber hinsichtlich der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung dieser Kriterien keine näheren Regelungen. Die Behörde hätte daher von vornherein zu prüfen gehabt, ob eine Pflegedokumentation vorliege und ob auf die in § 9 Abs 1 Z 1 bis 9 genannten Kriterien eingegangen worden sei. Der belangten Behörde obliege wegen § 14 GuKG auf Basis der Bestimmungen des Steiermärkischen Pflegeheimgesetzes nicht die inhaltliche Überprüfung. Aus den Bestimmungen des Steiermärkischen Pflegeheimgesetzes lasse sich ein öffentliches Interesse an ordnungsgemäßer Dokumentation nur dahingehend ableiten, dass die in § 9 Abs 1 Z 1 bis 9 genannten Kriterien in der jeweiligen Pflegedokumentation erwähnt werden. Was konkret zu den einzelnen Kriterien inhaltlich ausgeführt werde, werde nicht durch § 9 Stmk. PHG geregelt und obliege nicht einem aus dessen Bestimmungen ableitbaren öffentlichen Interesse. Die behördlichen Ausführungen:
kann dies nachteilige Auswirkungen auf die Pflege selbst haben bzw wird dadurch auch das Recht derjenigen Person geschmälert, die in die Pflegedokumentationen Einsicht nehmen können seien auf Basis der Bestimmungen des Stmk. PHG weder begründet noch nachvollziehbar. Es gehe im konkreten Fall nicht um nachteilige Auswirkungen der Pflege selbst. Würden nachteilige Auswirkungen wegen einer mangelhaften Pflegedokumentation vorliegen, wäre die Durchführung eines ganz anderen Verfahrens geboten und zwar eines solchen gegen die eigenverantwortlich handelnden Gesundheits- und Krankenpfleger. Es sei logisch nicht begründbar, eine Schmälerung des Rechts von Personen anzunehmen, die in die Pflegedokumentation Einsicht nehmen können. Nach den Bestimmungen des Stmk. PHG habe nur der Heimbewohner selbst das Recht, in die Dokumentation Einsicht zu nehmen und könnte dritten Personen eine Einsichtnahme gestatten. Es werde nach wie vor die Auffassung vertreten, dass § 9 Abs 3 Stmk. PHG in Widerspruch zu § 14 Abs 2 Stmk. PHG stehe und in diesem Bereich eine verfassungswidrige weil unklare Norm vorliege und die Behauptung der belangten Behörde, es werde dadurch auch das Recht derjenigen Personen geschmälert, die in die Pflegedokumentationen Einsicht nehmen können sei nicht nachvollziehbar, weil eine Einsichtnahme in die Pflegedokumentation durchaus gestattet worden sei und eine Verweigerung der Einsichtnahme nicht einmal verfahrensgegenständlich sei und ein solches Rechtschutzinteresse nicht von der Sanktionsnorm des § 18 Abs 2 Stmk. PHG umfasst sei. Er beantrage die Aufhebung des gegenständlichen Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens durch den zuständigen Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark. Bei der Berufungsverhandlung wurden I R, Beauftragte des Sozialamts des Magistrates Graz und behördliches Kontrollorgan, und M L, Amtspflegefachkraft des Magistrates Graz - Sozialamt, als Zeuginnen vernommen. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark gelangt zu folgenden Feststellungen: Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der H - S Seniorenheim GmbH, die persönlich haftende Gesellschafterin der H - S Seniorenheim GmbH & Co KG, jeweils mit Sitz in G, B 80, ist. Die zuletzt genannte Gesellschaft betreibt an dieser Adresse ein Pflegeheim. I R, vom Magistrat Graz - Sozialamt damit beauftragt, die Einhaltung des Steiermärkischen Pflegeheimgesetzes in Grazer Heimen zu kontrollieren, nahm in die Pflegedokumentation im Haus H, B 80, zuletzt bei einer Kontrolle im April 2005 Einblick. Es handelte sich dabei um einzelne Datenblätter, die als Konvolut in einer Mappe abgeheftet waren. Da hieraus der Pflegeprozess für die Amtspflegefachkräfte nicht nachvollziehbar war, verlangten sie von der Pflegedienstleitung, Frau M, die Anpassung der Dokumente und deren Übermittlung. Am 02.08.2005 langten beim Magistrat Graz - Sozialamt per Fahrradboten Kopien von zehn Pflegedokumentationen ein, die der Magistrat bis Ende Juli eingefordert hatte. Die Hülle jeder Pflegedokumentation bildete ein sogenanntes Arbeitsblatt, das eine neue Form des Durchführungsnachweises war. Durchführungsnachweise sind Dokumente für die Umsetzung der Pflegemaßnahmen. Für die Amtspflegefachkräfte ist es erforderlich, in Pflegedokumentationen Einblick zu nehmen, um Visitationen von Heimbewohnern durchführen zu können. Nur aus der Pflegedokumentation geht die Versorgung der Heimbewohner ganz allgemein hervor bzw ist eruierbar, ob die Bedürfnisse der Bewohner abgedeckt werden. Die Pflegedokumentationen der neun im Spruch genannten Heimbewohner wiesen jene Mängel auf, die auf den Seiten 4 und 5 des Straferkenntnisses angeführt sind.
Beweiswürdigung: Der Sachverhalt stützt sich auf das Firmenbuch und die Aussage der Zeuginnen I R und M L. Rechtliche Beurteilung:
1. Im Gesetz vom 11.10.1994, mit dem Vorschriften über die stationäre Betreuung Pflegebedürftiger erlassen wurden (Steiermärkisches Pflegeheimgesetz), LGBl Nr. 108/1994 in der Fassung LGBl Nr. 70/2001, das am 01.11.2003 außer Kraft getreten ist, waren die Anforderungen an die Pflegedokumentation unter anderem in den Z 2 und 3 des § 6 Abs 1 wie folgt definiert: (1) Über jede pflegebedürftige Person ist eine Pflegedokumentation anzulegen. In dieser ist jedenfalls darzustellen: 1. ...; 2. Angaben über den Pflegebedarf, Einstufung nach den Pflegegeldgesetzen, das Pflegegeldverfahren und die Pflegeziele bei der Aufnahme und im weiteren Verlauf; 3. Angaben über pflegerische, therapeutische und ärztlich angeordnete Verrichtungen; ... 2. Die im gegenständlichen Fall relevanten Bestimmungen des Steiermärkischen Pflegeheimgesetzes in der zur Tatzeit geltenden Fassung, LGBl 77/2003, lauten: § 8 Personalausstattung, Pflegedienstleitung (1) Pflegeheime müssen über ausreichend fachlich qualifiziertes Personal und Hilfspersonal verfügen. (2) Die Anzahl des einzusetzenden fachlich qualifizierten Personals richtet sich nach der Anzahl der Heimbewohner und deren Pflegebedarf. Das Ausmaß des Pflegebedarfes ist nach der Pflegegeldeinstufung zu beurteilen. Die Landesregierung hat durch Verordnung nähere Regelungen über den Personalschlüssel zu treffen. (3) Der Träger eines Pflegeheimes hat für den Aufgabenbereich Pflege eine Fachkraft aus dem gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege zur Pflegedienstleitung im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses und eine Stellvertretung der Pflegedienstleitung zu bestellen. (4) Der Träger eines Pflegeheimes hat für den Aufgabenbereich Organisation, Qualitätssicherung und Leitung des Pflegeheimes zusätzlich zur Pflegedienstleitung eine Heimleitung zu bestellen.
(5) Der Träger eines Pflegeheimes hat dafür zu sorgen, dass jederzeit genügend geeignetes Personal für die Pflege und für den sonstigen Heimbetrieb zur Verfügung steht. (6) Die Pflegedienstleitung trägt die Verantwortung für den gesamten Aufgabenbereich Pflege und hat vorzusorgen, dass im Falle ihrer dienstlichen Abwesenheit eine Stellvertretung mit den Aufgaben der Pflegedienstleitung betraut wird. (7) Den Mitarbeitern ist die erforderliche berufsbegleitende Fortbildung und Supervision zu ermöglichen. § 9 Pflegedokumentation (1) Über jeden Heimbewohner ist ab dem Tag des Heimeintrittes eine Pflegedokumentation anzulegen. In dieser ist jedenfalls darzustellen: 1. Stammdaten;
2. Anlass und Datum der Aufnahme; 3. Pflegeanamnese; 4. Pflegediagnose; 5. Pflegeplanung, die mit den Heimbewohnern zu vereinbaren ist; 6. Pflegemaßnahmen; 7. Einstufung nach den Pflegegeldgesetzen; 8. Heimbewohnerwünsche; 9. Aufzeichnungen über die Art der Ernährung. (2) Die Pflegedokumentation ist derart zu verwahren, dass eine missbräuchliche Kenntnisnahme ihres Inhalts ausgeschlossen ist. (3) Auskünfte aus der Pflegedokumentation sind nur mit Zustimmung des Heimbewohners zulässig. (4) Die Dokumentation ist ab Beendigung des Vertragsverhältnisses zehn Jahre lang aufzubewahren. § 10 Ärztliche Behandlung (1) Die ärztliche Behandlung muss durch freie Arztwahl ermöglicht werden. Ärztliche Anordnungen und deren Durchführung sind vom behandelnden Arzt zu paraphieren und vom Pflegepersonal zu dokumentieren. (2) Heimbewohner haben das Recht auf ungestörte Gespräche mit dem Arzt. (3) Die Pflegedienstleitung hat zu gewährleisten, dass ärztliche Hilfe in angemessener Zeit erbracht werden kann. § 18 Strafbestimmungen (1) ... (2) Wer den sonstigen Bestimmungen dieses Gesetzes und den hiezu erlassenen Verordnungen, insbesondere betreffend Personalausstattung, Pflegedokumentation, bauliche und technische Anforderungen, Verschwiegenheits- und Meldepflicht, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu ? 5.000,00, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen. (3) ... 3. Der schriftliche Bericht des Ausschusses für Soziales und Kindergärten, Beilage Nr. 177 zu den stenografischen Berichten, Steiermärkischer Landtag XIV. GP führt zu den §§ 8 und 9 des geltenden Pflegeheimgesetzes Folgendes aus: (Zu § 8): Die Rolle des Personals und speziell der Heim- und Pflegedienstleitung wird durch die ausführlicheren Bestimmungen verdeutlicht. Neu ist, dass nunmehr ein duales System eingeführt wird (Trennung von Heim und Pflegedienstleitung auf organisatorischer Basis). Sichergestellt ist nunmehr, dass jederzeit genügend geeignetes Personal vorhanden und für die Pflege jederzeit eine entsprechend ausgebildete Person anwesend ist. Auch beim Heimleiter, welcher auch der Träger sein kann, ist darauf zu achten, dass die Person die entsprechenden Qualifikationen besitzt. Diese Maßnahmen sollen genauso wie die erforderliche Weiterbildung zur Qualitätssicherung und -steigerung sowohl auf der organisatorischen, wie auf der pflegerischen Seite beitragen. (Zu § 9): Neu gegenüber der derzeitigen Gesetzeslage ist die Aufbewahrungspflicht. Im Anhörungsverfahren hat sich ein überwiegender Teil für eine zehn Jahre lange Aufbewahrungsfrist ausgesprochen. Außerdem wurden die Erfordernisse an die Pflegedokumentation an das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz angepasst. 4. Die für den Berufungsfall relevanten Bestimmungen des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes - GuKG, BGBl I Nr. 108/1997 in der Fassung BGBl I Nr. 69/2005, lauten:
Pflegedokumentation § 5 (1): Angehörige der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe haben bei Ausübung ihres Berufes die von ihnen gesetzten gesundheits- und krankenpflegerischen Maßnahmen zu dokumentieren. (2) Die Dokumentation hat insbesondere die Pflegeanamnese, die Pflegediagnose, die Pflegeplanung und die Pflegemaßnahmen zu enthalten. (3) Den betroffenen Patienten, Klienten oder pflegebedürftigen Menschen oder deren gesetzlichen Vertretern ist auf Verlangen Einsicht in die Pflegedokumentation zu gewähren. (4) Bei freiberuflicher Berufsausübung (§ 36) sind die Aufzeichnungen sowie die sonstigen der Dokumentation dienlichen Unterlagen mindestens zehn Jahre aufzubewahren. Eigenverantwortlicher Tätigkeitsbereich § 14 (1): Die Ausübung des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege umfasst die eigenverantwortliche Diagnostik, Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle aller pflegerischen Maßnahmen im intra- und extramuralen Bereich (Pflegeprozess), die Gesundheitsförderung und -beratung im Rahmen der Pflege, die Pflegeforschung sowie die Durchführung administrativer Aufgaben im Rahmen der Pflege. (2)
Der eigenverantwortliche Tätigkeitsbereich umfasst insbesondere:
1. Erhebung der Pflegebedürfnisse und des Grades der Pflegeabhängigkeit des Patienten oder Klienten sowie Feststellung und Beurteilung der zur Deckung dieser Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Ressourcen (Pflegeanamnese), 2. Feststellung der Pflegebedürfnisse (Pflegediagnose), 3. Planung der Pflege, Festlegung von pflegerischen Zielen und Entscheidung über zu treffende pflegerische Maßnahmen (Pflegeplanung), 4. Durchführung der Pflegemaßnahmen, 5. Auswertung der Resultate der Pflegemaßnahmen (Pflegeevaluation), 6. ..., 7. ..., 8. Dokumentation des Pflegeprozesses, 9. Organisation der Pflege, 10. Anleitung und Überwachung des Hilfspersonals, 11. Anleitung und Begleitung der Schüler im Rahmen der Ausbildung und 12. Mitwirkung an der Pflegeforschung. 5. Die parlamentarischen Materialien führen zu § 14 GuKG aus, dass zum richtigen Verständnis des Begriffes Eigenverantwortlichkeit klarzustellen sei, dass die Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege bei der Ausübung der Tätigkeiten, die ihr Berufsbild umfasst, eigenverantwortlich handelten. Der rechtliche Begriff der Eigenverantwortlichkeit bedeute die fachliche Weisungsfreiheit jedes zur Berufsausübung berechtigten Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege im Rahmen seines Berufsbildes, freilich unbeschadet allfälliger grundlegender Anordnungen im Rahmen der Organisation des Pflegedienstes. Mit dem Wort eigenverantwortlich werde aber auch zum Ausdruck gebracht, dass Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege für den Schaden, den sie infolge nicht fachgemäßer Behandlung verursacht haben, selbsthaften(GPXX.,RV709). 6. Im Erkenntnis VfSlg 13.237 betreffend den von der Bundesregierung nach Art. 138 Abs 2 B-VG gestellten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, ob die Erlassung einer gesetzlichen Regelung, wie sie sich aus Art. I des beigeschlossenen Gesetzentwurfes, mit dem vom gesundheitlichen Standpunkt aus an Pflegeheime zu stellende Anforderungen getroffen werden (Pflegeheimgesetz), ergebe, in die Zuständigkeit des Bundes (zur Gesetzgebung über die Grundsätze) oder in die der Länder falle, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass für die Erlassung eines solchen Gesetzes nach Art. 15 Abs 1 B-VG die Länder zuständig seien. Pflegeheime seien Einrichtungen zur Aufnahme von Menschen, die ständiger Pflege und fallweise ärztlicher Betreuung bedürften. Hiebei handle es sich um drei Gruppen von Menschen: 1. Chronisch Kranke, 2. vorübergehend oder dauernd pflegebedürftige Menschen (also sowohl solche, die voraussichtlich nur eine gewisse Zeit, als auch solche, die voraussichtlich bis an ihr Lebensende eine Pflege benötigen), 3. Behinderte. Wesentlich für alle drei erfassten Kreise von Personen sei, dass sie während der Zeit ihrer Unterbringung in einem Pflegeheim einer permanenten (und allenfalls sachkundigen) Pflege bedürften. Der Aspekt der ärztlichen Betreuung trete dabei zurück. Diese sei, wenn überhaupt, nur fallweise erforderlich. Dadurch unterschieden sich die Pflegeheime im Sinn des vorgelegten Gesetzentwurfes von Krankenanstalten im Sinn des Kompetenztatbestandes Heil- und Pflegeanstalten im Art. 12 Abs 1 Z 1 B-VG. Pflegeheime einerseits und Krankenanstalten andererseits erforderten demnach in personeller und sachlicher Hinsicht eine voneinander abweichende Ausstattung. Zum Kompetenztatbestand Gesundheitswesen in Art. 10 Abs 1 Z 12 B-VG gehörten nur jene staatlichen Maßnahmen, die der Abwehr von Gefahren für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung (für die Volksgesundheit) dienten. Obwohl die Entwurfsbestimmungen der §§ 9 ff, 17 und 25 des Gesetzentwurfes die ärztliche Aufsicht, Betreuung und Behandlung, die Bestellung eines Arztes als Pflegeheimhygieniker und die behördliche Aufsicht regelten, sähen sie keine Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die Volksgesundheit vor, sondern seien auf die Abwehr von Gefahren gerichtet, die für Pflegeheime typisch seien. Im Vordergrund stünden Anliegen der Errichtung und des Betriebes von Pflegeheimen. Der Tatbestand Gesundheitswesen biete daher keine kompetenzrechtliche Grundlage für die in Art. 1 des vorgelegten Entwurfes vorgesehenen Regelungen. 7. Aus § 18 Abs 2 Stmk. PHG geht nicht hervor, wer Adressat der Sanktionen für ein Zuwiderhandeln gegen die Bestimmungen betreffend die Pflegedokumentation ist. Nach Abs 6 des § 8 Stmk. PHG, der mit diesem Gesetz neu eingeführt wurde, hat die Pflegedienstleitung die Verantwortung für die gesamte Pflege zu tragen. Mit dieser Position kann nur eine Fachkraft aus dem gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege betraut werden. Zu deren eigenverantwortlichem Tätigkeitsbereich gehört nach § 14 GuKG die Durchführung des gesamten Pflegeprozesses (Erhebung der Pflegebedürfnisse - Pflegeanamnese; Feststellung der Pflegebedürfnisse - Pflegediagnose; Planung der Pflege; Durchführung der Pflegemaßnahmen; Dokumentation des Pflegeprozesses), wobei die Pflicht zur Durchführung der gesundheits- und krankenpflegerischen Maßnahmen und zu deren Dokumentation in § 5 Abs 1 und 2 GuKG gesondert angeführt ist. Wenn daher § 9 Abs 1 Stmk. PHG die Darstellung des Pflegeprozesses in der Pflegedokumentation verlangt, knüpft diese Bestimmung an § 8 Abs 6 Stmk. PHG an, dessen Inhalt seinerseits durch die §§ 14 und 5 Abs 1 und 2 GuKG aufgefüllt wird. Der Bericht des Ausschusses für Soziales und Kindergärten hat ja, wie erwähnt, zu § 9 ausdrücklich angeführt, dass die Erfordernisse an die Pflegedokumentation an das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz angepasst worden seien. Obwohl der Gesetzestext des § 9 Abs 1 Stmk. PHG selbst keine Verweisung oder tatbestandsmäßige Anknüpfung auf bzw an die §§ 5 und 14 GuKG enthält, zeigt der Ausschussbericht, dass es dem Gesetzgeber um die Anpassung der Anforderungen an die Pflegedokumentation an das GuKG ging. Gerade weil der Heimträger, wenn es sich dabei um eine natürliche Person handelt, in der Regel nicht die Voraussetzungen einer Fachkraft aus dem gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege erfüllt bzw diese Voraussetzungen nicht erfüllen muss, verlangt § 8 Abs 3 Stmk. PHG die Bestellung einer solchen Fachkraft durch den Heimträger. Da die Dokumentation zum eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege zählt, ist die Fachkraft hierbei frei von Weisungen durch Dienstgeber und Vorgesetzte. Dem steht die Berufspflicht gegenüber, diese Tätigkeiten entsprechend dem Stand der Pflegewissenschaft auszuführen und für allfällige Schäden zu haften, die bei unsachgemäßer Ausführung dieser Tätigkeiten entstehen (Lutz, infas 1997, 165). § 105 GuKG (Strafbestimmungen) sieht für einen Verstoß gegen die §§ 5 und 14 keine Sanktion vor. Das Berufungsvorbringen, der Berufungswerber als Repräsentant des Heimträgers sei in Fragen der Pflegedokumentation gegenüber der Pflegedienstleitung nicht weisungsberechtigt, ist daher zutreffend. Ausgenommen von der Weisungsfreiheit sind nach den erwähnten parlamentarischen Materialien lediglich grundlegende Anordnungen im Rahmen der Organisation des Pflegedienstes, um die es sich bei den beanstandeten Mängeln der Pflegedokumentation im Haus H jedoch nicht handelt, da es um pflegerische Details ging. Da somit der Heimbetreiber für die Darstellung der Pflegeanamnese, Pflegediagnose, Pflegeplanung und Pflegemaßnahmen in der Pflegedokumentation auf Grund der Regelung der Verantwortung in § 8 Abs 6 Stmk. PHG in Verbindung mit den entsprechenden Bestimmungen des GuKG nicht zuständig ist, kann er hiefür nach § 18 Abs 2 Stmk. PHG nicht bestraft werden. Der Berufung ist Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen. Ob die Pflegedienstleiterin für Mängel der Pflegedokumentation betreffend die Z 3 bis Z 6 des § 9 Abs 1 Stmk. PHG nur zivilrechtlich haftet oder nach § 18 Abs 2 Stmk. PHG verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann, ist in diesem Verfahren nicht zu beantworten, da sie nicht bestraft wurde. Ebenso kann auf sich beruhen, ob § 9 Abs 1 Z 3 bis 6 Stmk. PHG dem Determinierungsgebot des Art 18 B-VG entspricht.