Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Franz Schett über die Berufung des Herrn S. W.-M., D-H., vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. G. S. und Mag. H. W., XY-Straße, L., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 11.05.2006, Zl VK-3558-2005, betreffend eine Übertretung nach dem Kraftfahrgesetz 1967 (KFG), wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung insofern Folge gegeben, als gemäß § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen und eine Ermahnung erteilt wird.
Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 11.05.2006, Zl VK-3558-2005, wurde Herrn W.-M. S., D-H., zur Last gelegt, er habe als Zulassungsbesitzer des PKWs mit dem deutschen Kennzeichen XY trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 07.12.2005 der Behörde nicht binnen zwei Wochen Auskunft darüber erteilt, wer dieses Fahrzeug am 20.07.2005 um 10.56 Uhr auf der B 108 Felbertauernstraße bei Strkm 26,950, Gemeindegebiet Matrei i.O., gelenkt hat.
Dadurch habe der Beschuldigte gegen § 103 Abs 2 KFG verstoßen. Über diesen wurde daher gemäß § 134 Abs 1 leg cit eine Geldstrafe in Höhe von Euro 100,00, Ersatzfreiheitsstraße 12 Stunden, verhängt. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens wurden gemäß § 64 VStG mit 10 vH der verhängten Geldstrafe festgesetzt.
Gegen dieses Straferkenntnis hat Herr W.-M. S. Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol erhoben. In der über Verbesserungsauftrag der Berufungsbehörde nachgereichten Berufungsbegründung hat Herr S., nunmehr rechtsfreundlich vertreten durch Dr. G. S. und Mag. H. W., Rechtsanwälte in L., ausgeführt wie folgt:
?Der Beschuldigte wurde schriftlich aufgefordert (mit Schreiben vom 07.12.2005) binnen 2 Wochen ab Zustellung bekannt zu geben, wer das Fahrzeug mit dem Kennzeichen XY am 20.07.2005 gegen 10.56 Uhr in der Gemeinde Matrei auf der B 108 bei Straßenkilometer 26950 gelenkt habe. Der Beschuldigte hat hiezu bereits angegeben, dass er nicht mehr mit Sicherheit angeben könne, wer am genannten Tag zur genannten Uhrzeit das Fahrzeug gelenkt hat. Er war zusammen mit seinem Cousin und seiner Frau im Fahrzeug. Im Bereich des Felbertauerntunnels, kurz vorher oder nachher hat es einen Wechsel des Lenkers gegeben. Er könne weder genau angeben wer dies war, noch wo genau dieser Wechsel stattgefunden hat. Abgesehen davon verweist der Beschuldigte darauf, dass eine der österr. Bestimmung des § 103 Abs 2 KFG entsprechende Bestimmung der deutschen Rechtsordnung fremd ist. Es fehlt dem Beschuldigten daher auch am Unrechtsbewusstsein. Letztendlich wird dem Straferkenntnis noch entgegengebracht, dass die behauptete Verwaltungsübertretung durch Unterlassung der Lenkerbekanntgabe begangen wurde.?
Der Berufungswerber hat daher die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.
Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:
A) Sachverhalt:
Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Strafakt sowie in den Berufungsakt.
Sachverhaltsfeststellungen:
Herr W.-M. S., geb am XY, wohnhaft in XY-Straße, D-H., ist Zulassungsbesitzer des Personenkraftwagens mit dem deutschen Kennzeichen XY.
Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 07.12.2005, Zl VK-3558-2005, wurde an ihn eine Anfrage folgenden Inhalts gerichtet:
?Betreff: Verwaltungsübertretung im Straßenverkehr
Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe
Sehr geehrte(r) Frau/Herr S.!
Sie werden gemäß
(X) § 103 Abs 2 KFG
( ) § 103a Abs 1 Z 3 KFG iVm § 103 Abs 2 KFG
( ) § 2 Abs 2 Tiroler Parkabgabegesetz 1997
(X) als (Verantwortlicher) Zulassungsbesitzer
( ) als eine zur Vertretung nach außen berufene Person gem § 9 VStG ( ) als vom Zulassungsbesitzer namhaft gemachter Auskunftspflichtige(r)
( ) als namhaft gemachter Mieter
des Personenkraftwagen mit dem Kennzeichen XY aufgefordert, der Bezirkshauptmannschaft Lienz binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens die Auskunft zu erteilen, wer Ihr Fahrzeug (Personenkraftwagen) am 20.07.2005 um 10.56 Uhr in der Gemeinde Matrei i.O. auf der Felbertauernstraße Matrei/Goldried B 108, km 0026.950
(X) gelenkt hat. ( ) zuletzt vor dem oben genannten Zeitpunkt dort abgestellt hat.
Hinweis:
Sie machen sich im Sinne obiger Bestimmungen strafbar, wenn Sie die verlangte Auskunft nicht, unrichtig oder nicht binnen 2 Wochen nach Zustellung dieses Schreibens geben.
Für den Bezirkshauptmann:
S. M.?
Diese Lenkeranfrage, welche dem Berufungswerber unstrittig zugegangen ist, wurde von diesem nicht beantwortet.
Beweiswürdigung:
Die vorstehenden Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich für die Berufungsbehörde in unzweifelhafter Weise aus den im erstinstanzlichen Strafakt einliegenden Schriftstücken und aus der schriftlichen Berufungsergänzung.
B) Rechtsgrundlagen:
Im gegenständlichen Fall haben folgende Bestimmungen Relevanz:
?1. Kraftfahrgesetz 1967, BGBl Nr 267/1967, in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes BGBl I Nr 117/2005:
§ 103
?
(2) Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer ? im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung ? zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.
....
§ 134
(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 der Verordnung (EWG) Nr 3820/85 sowie der Verordnung (EWG) Nr 3821/85 zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu Euro 2.180,00, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen. ....
2. Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl Nr 52/1991, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 117/2002:
§ 21
(1) Die Behörde kann ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.
....?
C) Rechtliche Beurteilung:
Zum Schuldspruch:
Aufgrund der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen steht für die Berufungsbehörde fest, dass der Berufungswerber tatbildlich im Sinne der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung gehandelt hat. Die Bezirkshauptmannschaft Lienz hat an ihn eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Lenkeranfrage gerichtet. Der Berufungswerber hat innerhalb der gesetzlich vorgesehenen zweiwöchigen Frist der sich aus § 103 Abs 2 KFG 1967 ergebenden Verhaltenspflicht nicht entsprochen. Nach dieser Bestimmung wäre er nämlich dazu verhalten gewesen, der Behörde fristgebunden mitzuteilen, wer Lenker des angefragten Fahrzeuges zu dem im Anfrageschreiben angeführten Zeitpunkt war, bzw wer diese Auskunft erteilen kann. Die Lenkeranfrage vom 07.12.2005 wurde aber bis jedenfalls zur Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses nicht beantwortet.
Sohin sind sämtliche objektiven Tatbestandselemente einer Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs 2 KFG verwirklicht.
Was die innere Tatseite anlangt, ist zunächst festzuhalten, dass es sich bei der Nichterteilung der Lenkauskunft um ein sog. ?Ungehorsamsdelikt? im Sinne des § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG handelt. Bei derartigen Delikten ist dann Fahrlässigkeit anzunehmen, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. ?Glaubhaftmachung? bedeutet dabei, dass die Richtigkeit einer Tatsache wahrscheinlich gemacht wird. Der Beschuldigte hat initiativ alles dazulegen, was für seine Entlastung spricht. Er hat also insbesondere ein geeignetes Tatsachenvorbringen zu erstatten und Beweismittel zum Beleg desselben bekannt zu geben oder vorzulegen (vgl VwGH 24.05.1989, 89/02/0017 ua).
Diese Glaubhaftmachung ist dem Berufungswerber allerdings nicht gelungen. Diese hat kein Vorbringen erstattet, wodurch ein fehlendes Verschulden dargetan werden könnte. In diesem Zusammenhang ist auch auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach der Zulassungsbesitzer in geeigneter Weise sicherzustellen hat, dass im Falle einer behördlichen Anfrage mit Bekanntgabe von Zeit und Ort des Lenkens eines bestimmten Kraftfahrzeuges der Lenker sofort ermittelt werden kann. Dass er entsprechende Vorkehrungen getroffen hat, hat der Berufungswerber aber selbst nicht behauptet.
Nichts zu gewinnen ist für den Berufungswerber auch mit dem Vorbringen, dass der deutschen Rechtsordnung eine dem § 103 Abs 2 KFG vergleichbare Bestimmung fremd sei und es ihm daher am Unrechtsbewusstsein gefehlt habe. Nach § 5 Abs 2 VStG ist nämlich die Unkenntnis der übertretenen Verwaltungsvorschrift nur dann beachtlich, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Wie nun aber der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, muss sich ein ausländischer Fahrzeuglenker über die Vorschriften, die er bei der Teilnahme am Straßenverkehr in Österreich zu beachten hat, ausreichend, und zwar insbesondere durch eine Rückfrage bei den zuständigen österreichischen Behörden, informieren (vgl VwGH v 30.10.1990, Zl 90/02/0149 uva). Dass er derartige Erkundigungen eingeholt hat, hat der Berufungswerber selbst nicht behauptet. Diesem kommt sohin auch kein entschuldigender Rechtsirrtum zugute. Im Ergebnis ist sohin festzuhalten, dass dem Berufungswerber auch ein Verschulden zur Last liegt.
Die Bestrafung ist daher dem Grunde nach zu Recht erfolgt.
Zur Strafbemessung:
Im gegenständlichen Fall haben nun aber nach Ansicht der Berufungsbehörde die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 21 Abs 1 VStG vorgelegen.
Hier ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Berufungswerber bereits im Einspruch gegen die Strafverfügung vom 25.11.2005 mitgeteilt hat, er habe den PKW direkt vor dem Felbertauerntunnel übernommen. Damit hat er aber indirekt zugestanden, dass das Kraftfahrzeug zur angefragten Zeit von ihm selbst gelenkt worden ist. Der Berufungswerber war nämlich in Richtung Süden unterwegs und befindet sich der angefragte Tatort südlich vom Felbertauerntunnel. Zwar wäre der Berufungswerber dennoch verpflichtet gewesen, die Lenkeranfrage zu beantworten und ist auch nachvollziehbar, dass die Erstinstanz eine Anfrage gemäß § 103 Abs 2 KFG an ihn gerichtet hat, zumal die falsche Beantwortung einer solchen anders als eine allfällige unrichtige Mitteilung in einem Rechtsmittel verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert ist und der Berufungswerber im Einspruch ? offenkundig in Unkenntnis der örtlichen Verhältnisse ? auch angegeben hat, er sei sich sicher, das Fahrzeug nicht gelenkt zu haben, allerdings wurde durch die Nichtbeantwortung der Lenkeranfrage eine verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung des Lenkers grundsätzlich nicht verunmöglicht. Im Gegenteil hätte der Berufungswerber unter Zugrundelegung seiner eigenen Angaben zum Ort des Fahrzeugwechsels (Übernahme des Fahrzeuges durch ihn selbst) wegen des Grunddelikts verfolgt werden können. Zweck der betreffenden Bestimmung ist es sicherzustellen, dass der Lenker eines Fahrzeuges von der Behörde jederzeit, also ohne langwierige und aufwendige Erhebungen, festgestellt werden kann, um so insbesondere einen effizienten Gesetzesvollzug zu ermöglichen. Durch Nichtbeantwortung der in Rede stehenden Lenkeranfrage wurde dieser Gesetzeszweck ? wie zuvor ausgeführt ? grundsätzlich nicht beeinträchtigt, zumal aus den Einspruchsangaben auf die Lenkereigenschaft des Berufungswerbers hätte geschlossen werden können. Die Folgen der Tat waren sohin an sich unbedeutend. Was das Verschulden anlangt, ist davon auszugehen, dass es dem Berufungswerber aufgrund der fehlenden Ortskenntnis trotz Bekanntgabe des Tatortes der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung im Nachhinein nur sehr schwer möglich war, den Lenker festzustellen, zumal sich die mehreren Fahrzeuginsassen ? nicht widerlegbar ?beim Lenken des Fahrzeuges abgewechselt haben. Hinzu kommt, dass der Lenkeranfrage nicht etwa eine besondere, sich einprägende Verkehrssituation zugrunde gelegen hat, sondern eine geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitung. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass sich der Berufungswerber ? wie erwähnt ? bereits im Einspruch zur Lenkerfrage geäußert hat. Insofern ist es auch erklärbar, dass er auf die nachfolgende Lenkeranfrage nicht mehr reagiert hat, zumal ihm das im österreichischen Recht vorgesehene Regime der Lenkeranfrage mitteilungsgemäß auch nicht bekannt war Diese Umstände können den Berufungswerber entsprechend den vorstehenden Ausführungen zwar nicht entschuldigen, sein Verschulden ist aber nach Ansicht der Berufungsbehörde doch als gering zu werten.
Im Ergebnis war daher von einer Bestrafung abzusehen. Allerdings war eine Ermahnung auszusprechen, um sicherzustellen, dass der Berufungswerber die ihn bei der Teilnahme am Straßenverkehr in Österreich zu beachtenden Vorschriften in Zukunft genau beachtet.