TE UVS Tirol 2006/09/15 2006/15/0723-8

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.09.2006
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Margit Pomaroli über die Berufung des Herrn K. B., P., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. R. E., XY-Straße 13/II, I., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 30.01.2006, Zl VK-40131-2005, nach der am 06.09.2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird die gegenständliche Berufung zu 1. und 2. als unbegründet abgewiesen.

 

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG wird der Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens mit jeweils 20 Prozent der verhängten Geldstrafe, das sind zu 1. Euro 30,00 und zu 2. Euro 40,00, festgesetzt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber vorgeworfen wie folgt:

 

?Tatzeit: 31.03.2005, 08.45 Uhr

Tatort: Pfunds, auf der Spisser Straße L348, bei km 0,600 in Fahrtrichtung Spiss

Fahrzeug: Omnibus, XY

 

Der Beschuldige, B. K., geb. XY, wohnhaft in P., Hausnr 290, ist

1. mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und hat nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt, obwohl er auch dem Geschädigten seinen Namen und seine Anschrift nicht nachgewiesen hat.

2. mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und hat sein Fahrzeug nicht sofort angehalten.

 

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1.

§ 4 Abs 5 StVO

2.

§ 4 Abs 1 lit a StVO?

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschuldigten zu

1. gemäß § 99 Abs 3 lit b StVO eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 150,00 (Ersatzarrest 48 Stunden) und zu 2. gemäß § 99 Abs 2 lit a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 200,00 (Ersatzarrest 60 Stunden) unter gleichzeitiger Festsetzung von Verfahrenskosten verhängt.

 

Dagegen wurde rechtzeitig die Berufung eingebracht und in dieser ausgeführt, dass den Berufungswerber an der gegenständlichen Übertretung kein Verschulden treffe. Die Zeugen M. H., F. P., J. H. und M. J. seien im Verfahren nicht einvernommen worden. Im Übrigen sei der Berufungswerber zum behaupteten  Tatzeitpunkt mit seinem Bus gestanden. Es bestehe keine Verpflichtung des Berufungswerbers, das bereits vorbeigefahrene Fahrzeug weiter zu beobachten. Der Unfallszweitbeteiligte hätte die Möglichkeit gehabt, den Berufungswerber auf den Unfall aufmerksam zu machen. Nachdem der Berufungswerber den Unfall nicht hatte wahrnehmen können, habe auch keinerlei Verpflichtung bestanden, die Polizei zu verständigen und es sei kein Sachbefund eingeholt worden und das Parteiengehör nicht gewahrt worden.

 

Aufgrund dieses Vorbringens wurde im gegenständlichen Verfahren ein Sachverständigengutachten eingeholt und eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der der Berufungswerber anwaltlich vertreten war. In der Verhandlung wurde weiters vorgebracht, dass der Berufungswerber keine Ladung erhalten habe.

 

Im Sachverständigengutachten wurde ausgeführt wie folgt:

?Befund

Als Befundunterlage dient der gesamte vorliegende Akt einschließlich der nunmehr vorliegenden originalen Fotobeilage der Polizeiinspektion Pfunds.

 

Gutachten

Bei der Beurteilung der Frage, ob bei gehöriger Aufmerksamkeit objektive Umstände zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden zu erkennen gewesen wäre, gibt es drei Kriterien:

 

A) Hören

B) Spüren

C) Sehen

 

Zu A)

Aufgrund der eher ?geringfügigen? Beschädigungen am PKW (VW Multivan) bzw durch die Fremdgeräusche (Motor, Gebläse, voll besetzter Schibus etc) des Omnibusses war die leichte Streifung für den Beschuldigten nicht unbedingt zu hören. Mitfahrende Fahrgäste im Schibus konnten zudem gegenständliche Kollision akustisch auch nicht wahrnehmen.

 

Zu B)

Aufgrund der großen unterschiedlichen Massenverhältnisse (PKW/Omnibus) bzw der eher geringfügigen Beschädigungen an den am gegenständlichen Verkehrsunfall beteiligten Fahrzeugen war eine Kollision für den beschuldigten Lenker mit Sicherheit auch nicht zu spüren.

 

Zu C)

Der Anstoßpunkt am Omnibus (am Stoßfänger unter dem Hauptscheinwerfer vorne links) lag nicht im direkten Sichtbereich des beschuldigten Lenkers.

Von einem Berufskraftfahrer kann jedoch verlangt werden, dass er die fahrzeugspezifischen Eigenschaften seines Omnibusses (insbesondere das Wissen um dessen Abmessungen bzw des größeren Platzbedarfes beim Durchfahren enger Kurven) kennt.

 

Aufgrund der gegebenen Situation (Rechtskurve, enge Fahrbahn, Gegenverkehr) hätte sich der beschuldigte Lenker jedoch nach dem Ereignis davon überzeugen müssen, ob nicht durch das gegenständliche ?kritische? Fahrmanöver des Herrn M. (gefährlich knappe seitliche Annäherung an den Omnibus im Zuge des Vorbeifahrens) ein Verkehrsunfall mit Sachschaden stattgefunden hat.?

 

Zusätzlich wurde der Sachverständige im gegenständlichen Verfahren befragt und gab dieser an, dass sich der Unfall im unmittelbaren Bereich des Lenkers ereignet hat. Der Buslenker sitzt vorne links und die gegenständliche Beschädigung am Bus erfolgte ebenfalls links auf der Vorderseite. Der Sachverständige gab an, dass der Buslenker aufgrund der Umstände und zwar einer engen Rechtskurve und der Tatsache, dass der Buslenker mit dem Bus die Fahrbahnmitte verkehrsbedingt überschreiten musste und es sich beim unfallszweitbeteiligten Fahrzeug nicht um ein Kleinfahrzeug, sondern um einen VW-Bus gehandelt hat, der eine entsprechende Höhe aufwies, die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles erkennen hätte müssen. Der Berufungswerber gab unmittelbar nach dem Unfall an, dass es möglich ist, dass M. (der Unfallszweitbeteiligte) beim Zurückfahren die Stoßstange des Busses streifte.

 

Nach § 4 Abs 5 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehen, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen.

 

Nachdem der Berufungswerber aufgrund der unmittelbaren Annäherung der Fahrzeuge bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte feststellen müssen und die Meldung an die nächste Polizeidienststelle unterlassen hat, hat er die ihm zu Punkt 1. vorgeworfene Übertretung begangen.

 

Nach § 4 Abs 1 lit a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

 

Im Gegenstandsfalle hat der Berufungswerber zwar sein Fahrzeug verkehrsbedingt anhalten müssen, um dem Unfallszweitbeteiligten ein Passieren zu ermöglichen, dies stellt jedoch kein Anhalten im Sinne des § 4 Abs 1 lit a StVO 1960 dar. Es ist das Fahrzeug im Falle eines Verkehrsunfalles nicht nur kurzfristig anzuhalten, sondern auch den sonstigen Lenkerverpflichtungen nachzukommen. Der Tatbestand des § 4 Abs 1 lit a StVO 1960 ist auch dann verwirklicht, wenn der in einem Verkehrsunfall mit einem ursächlichen Zusammenhang stehende Lenker eines Kraftfahrzeuges aus irgendwelchen Gründen kurz anhält, dann aber weiterfährt, ohne den weiteren Lenkerverpflichtungen nachzukommen.

 

Nach § 51f Abs 2 VStG hindert dies weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses, wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist.

 

Die Zustellung der Ladung an den Berufungswerber erfolgte über den Vertreter, welcher Zustellungsbevollmächtigter ist.

 

Nach § 9 Abs 3 Zustellgesetz hat die Behörde, ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen.

 

Die Ladung des Berufungswerbers wurde ordnungsgemäß vom Vertreter des Berufungswerbers, Herrn Rechtsanwalt Dr. E., übernommen.

 

Voraussetzungen für die Anhaltepflicht nach § 4 Abs 1 lit a StVO und der Meldepflicht nach § 4 Abs 5 leg cit ist nur das objektive Tatbestandsmerkmal des Eintrittes eines Sachschadens, sondern in subjektiver Hinsicht das Wissen oder fahrlässige Nichtwissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens. Der Tatbestand ist daher schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit wenigstens einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte. Dies trifft auf den Gegenstandsfalle zu.

 

Nach § 99 Abs 3 lit b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu Euro 726,00, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest  bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer in anderer als der in den Abs 2 lit a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalls nicht Hilfe leistet.

 

Nach § 99 Abs 2 lit a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von Euro 36,00 bis Euro 2.180,00, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs 1 und 2 zuwider handelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leiste oder herbei holt oder nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt.

 

Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Durch das Nichtmelden zum Zwecke der Erfüllung der sonstigen Verpflichtungen nach einem Sachschadenunfall durch den Lenker wird die Aufklärung von Unfallsursachen erschwert. Der Unrechtsgehalt derartiger Übertretungen ist daher nicht unbeträchtlich. Beim Verschulden ist jeweils von Fahrlässigkeit auszugehen. Der Milderungsgrund der bisherigen Straffreiheit fehlt  beim Berufungswerber, erschwerend bei Bemessung der Strafe war nichts. Der Vertreter des Berufungswerbers hat zu dessen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen keine Auskünfte erteilen können, sodass von Durchschnittseinkommen beim Berufungswerber ausgegangen wird.

 

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

 

Hinweis: Der Verwaltungsgerichtshof hat die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Schlagworte
Der, Berufungswerber, gab, unmittelbar, nach, dem, Unfall, an, dass, es, möglich, sei, dass M. (der Unfallszweitbeteiligte), beim, Zurückfahren, die, Stoßstange, des, Busses, streifte, objektive, Umstände, zu, Bewusstsein, hätten, kommen, müssen
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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