Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Rudolf Rieser über die Berufung von Frau H. A., geb. am 06.06.1956, wohnhaft in XY, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 24.08.2006, Zl SI-265-2006, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 ? AVG in Verbindung mit §§ 51, 51e und 56 Verwaltungsstrafgesetz 1991 ? VStG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren nach dem Tiroler Landespolizeigesetz gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin
Folgendes angelastet:
?Tatzeit: 18.06.2006, um 17.50 Uhr
Tatort: Gemeinde XY, XY
Sie haben sich am angeführten Ort und Zeitpunkt aufgehalten, und zwei Beamte der Polizeiinspektion Jenbach (BezInsp. E., RevInsp. E.) im Zuge einer Amtshandlung an einem öffentlichen Ort vor mehreren Personen als ?Verrückte? beschimpft bzw verspottet, und dadurch in ihrer Ehre gekränkt.?
Der Beschuldigten wurde dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 20 lit c Tiroler Landespolizeigesetz angelastet und wurde gegen sie gemäß § 21 Abs 1 Tiroler Landespolizeigesetz eine Geldstrafe in Höhe von Euro 100,-- bzw 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe zuzüglich 10 Prozent Verfahrenskosten verhängt.
In der fristgerecht eingebrachten mündlichen Berufung hat die Berufungswerberin Folgendes ausgeführt:
?Grundsätzlich verweise ich auf meine Angaben in der Niederschrift vom 21.07.2006 bzw vom 11.08.2006. Wie schon angeführt, habe ich die Beamten nicht persönlich beleidigt bzw als ?Verrückte? bezeichnet. Dieses Aussage war lediglich gegen die geführte Amtshandlung gerichtet.
Ich wünsche eine mündliche Verhandlung beim Unabhängigen Verwaltungssenat. Ich stelle die vorgeworfene Verwaltungsübertretung jedenfalls in Abrede. Auch habe ich mich über die Vorgehensweise der Beamten schon beim Bezirkspolizeikommando Schwaz beschwert, es folgt auch eine schriftliche Beschwerde.?
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat wie folgt erwogen:
Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige der Polizeiinspektion Jenbach zu Grunde. In der Anzeige wird als anzeigender Beamter E. Ch. und als Unterzeichner der Polizeibeamte H. E., der selbst am Vorfall nicht beteiligt war, namentlich angeführt.
Die im gegenständlichen Verfahren anzuwendenden maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen lauten wie folgt:
Tiroler Landespolizeigesetz
§ 20
Ehrenkränkungen
Eine Ehrenkränkung begeht, wer vorsätzlich
a) einen anderen einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen;
b) einem anderen eine gerichtlich strafbare Handlung vorwirft, für welche die Strafe schon vollzogen oder wenn auch nur bedingt nachgesehen oder nachgelassen oder für die der Ausspruch der Strafe vorläufig aufgeschoben worden ist;
c) einen anderen beschimpft, verspottet, am Körper misshandelt oder mit einer körperlichen Misshandlung bedroht.
§ 21
Strafbestimmung
(1) Ehrenkränkungen sind als Verwaltungsübertretungen mit einer Geldstrafe bis zu 215,- Euro zu bestrafen.
(2) Ehrenkränkungen gelten jedoch nicht als Verwaltungsübertretungen, wenn die Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.
(3) Ehrenkränkungen sind nur zu verfolgen und zu bestrafen, wenn der Verletzte binnen sechs Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem er von der Übertretung und der Person des Täters Kenntnis erlangt hat, bei der zuständigen Behörde einen Strafantrag stellt.
(4) § 56 Abs 2, 3 und 4 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl Nr 52, ist anzuwenden.
Verwaltungsstrafgesetz 1991 ? VStG
§ 56
Privatanklagesachen
(1) Die Verwaltungsübertretung der Ehrenkränkung ist nur zu verfolgen und zu bestrafen, wenn der Verletzte binnen sechs Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem er von der Verwaltungsübertretung und der Person des Täters Kenntnis erlangt hat, bei der zuständigen Behörde einen Strafantrag stellt (Privatankläger).
(2) Der Privatankläger ist Partei im Sinne des AVG. Er kann jederzeit von der Verfolgung zurücktreten. Leistet er einer Ladung ungerechtfertigt keine Folge oder kommt er einem sonstigen das Verfahren betreffenden Auftrag der Behörde innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so wird angenommen, dass er von der Verfolgung zurückgetreten ist. In diesen Fällen ist das Verfahren einzustellen.
(3) Dem Privatankläger steht gegen die Einstellung das Recht der Berufung zu.
(4) Widerruft der Privatankläger den Strafantrag nach Fällung des Straferkenntnisses, so kann die Berufungsbehörde die verhängte Strafe in eine mildere Strafe umwandeln oder ganz nachsehen, auch wenn die Berufungsfrist bereits verstrichen ist.
Strafgesetzbuch
§ 115
Beleidigung
(1) Wer öffentlich oder vor mehreren Leuten einen anderen beschimpft, verspottet, am Körper misshandelt oder mit einer körperlichen Misshandlung bedroht, ist, wenn er deswegen nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen.
(2) Eine Handlung wird vor mehreren Leuten begangen, wenn sie in Gegenwart von mehr als zwei vom Täter und vom Angegriffenen verschiedenen Personen begangen wird und diese sie wahrnehmen können.
(3) Wer sich nur durch Entrüstung über das Verhalten eines anderen dazu hinreißen lässt, ihn in einer den Umständen nach entschuldbaren Weise zu beschimpfen, zu misshandeln oder mit Misshandlungen zu bedrohen, ist entschuldigt, wenn seine Entrüstung, insbesondere auch im Hinblick auf die seit ihrem Anlass verstrichene Zeit, allgemein begreiflich ist.
Ehrenkränkungen nach dem Tiroler Landespolizeigesetz sind Privatanklagesachen bei denen die Gekränkten binnen sechs Wochen nach Tatzeitende bei der zuständigen Behörde einen Strafantrag stellen können. Weiters ist zu beachten, dass Erkränkungen nach dem Tiroler Landespolizeigesetz dann nicht als Verwaltungsübertretungen gelten, wenn die Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Die Ehrenkränkung im Tiroler Landespolizeigesetz entspricht in wesentlichen Tatbestandsmerkmalen der Beleidigung in § 115 StGB wobei als weiters Tatbestandsmerkmal einer Beleidigung nach § 115 StGB hinzukommt, dass eine diesbezügliche Beschimpfung oder Verspottung öffentlich oder von mehreren Leuten begangen werden muss. Gemäß der Legaldefinition des § 115 Abs 2 StGB wird eine Handlung von mehreren Leuten dann begangen, wenn sie in Gegenwart von mehr als zwei vom Täter und vom Angegriffenen verschiedenen Personen begangen wird und diese sie wahrnehmen können.
Im gegenständlichen Falle wurde der Berufungswerberin eine Ehrenkränkung durch Beschimpfung angelastet, die vor mehreren Personen begangen wurde. Laut Akteninhalt waren dies zumindest drei vom Täter und vom Gekränkten verschiedene Personen (zwei Personen der Familie M. und Herr L. R.). Demgemäß wäre die angelastete Beschimpfung aufgrund der Begehung vor mehreren Leuten nicht als Ehrenkränkung nach dem Tiroler Landespolizeigesetz, sondern als Ehrenbeleidigung nach dem Strafgesetzbuch anzusehen. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang darauf, dass es sich bei einer strafbaren Handlung gegen die Ehre, wenn sie gegen einen Beamten während der Ausübung seines Amtes oder Dienstes begangen werden, um sogenannte Ermächtigungsdelikte gemäß § 117 StGB handelt.
Da die Voraussetzungen des § 21 Abs 2 Tiroler Landespolizeigesetz im gegenständlichen Fall vorlagen, war spruchgemäß der Berufung stattzugeben und das Straferkenntnis zu beheben und das eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren wegen Ehrenkränkung nach dem Tiroler Landespolizeigesetz einzustellen.
Abschließend wird noch darauf hingewiesen, dass Ehrenkränkungen nur zu verfolgen und zu bestrafen sind, wenn der Verletzte binnen sechs Wochen bei der zuständigen Behörde einen Strafantrag stellt. Wenn ein Sachverhalt durch eine Polizeiinspektion angezeigt wird, stellt diese Form noch keinen Strafantrag durch den Gekränkten dar.
Die getroffene Entscheidung erscheint ausreichend begründet.