Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag. Schmied über die Berufung der Frau Irmgard Re., vertreten durch RA, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat Döbling, vom 24.10.2006, Zl. S 90282/D/06, betreffend Übertretungen 1.) des § 4 Abs 1 lit. a StVO und 2.) des § 4 Abs 5 StVO, nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung durch Bescheidverkündung am 21.9.2007 entschieden:
I.) Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung zu Punkt 1) keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt bestätigt.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG wird der Berufungswerberin zu Punkt 1) ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 12,-- Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, auferlegt. II.) Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung zu Punkt 2) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt. Gemäß § 65 VStG wird der Berufungswerberin zu Punkt 2) kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vorgeschrieben. III.) Gemäß § 52a Abs 1 VStG wird die durch die Verkündung am 21.9.2005 bereits rechtskräftige Berufungsentscheidung insofern abgeändert, als in der Tatumschreibung im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses die Wortfolge ?mit Sachschaden? gestrichen wird.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin zur Last gelegt, sie habe am 17.6.2006 um 10.55 Uhr in Wien, B-gasse, als Lenkerin des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen W-47, obwohl ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gestanden hat,
1) es unterlassen, sofort am Unfallort anzuhalten, sondern ihre Fahrt fortgesetzt und
2) obwohl kein Identitätsaustausch mit dem Zweitbeteiligten an Ort und Stelle erfolgte, es unterlassen, unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall zu verständigen. Wegen dieser Übertretungen des § 4 Abs 5 StVO und des § 4 Abs 1 lit. a StVO wurden über die Berufungswerberin gemäß § 99 Abs 3 lit. b bzw. gemäß § 99 Abs 3 lit. a StVO zwei Geldstrafen von jeweils 60,-- Euro (Ersatzarreststrafen von jeweils 30 Stunden) verhängt und ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt 12,-- Euro vorgeschrieben.
Das angefochtene Straferkenntnis basiert auf der Unfallmeldung von Frau Kristina Annegret Ro. vom 17.6.2006 um 11.10 Uhr auf der Polizeiinspektion S-gasse (siehe Blatt 1 des Aktes). Nachdem die Berufungswerberin nach Erhalt der Aufforderung zur Rechtfertigung durch ihren anwaltlichen Vertreter die ihr zur Last gelegten Taten bestritten und Fotos von ihrem keine Schäden aufweisenden Fahrzeug vorgelegt hatte, wurde im erstinstanzlichen Verfahren Frau Kristina Annegret Ro. zeugenschaftlich befragt und sagte aus, am 17.6.2006 unmittelbar vor der Berufungswerberin eingeparkt zu haben, als diese gerade ausparken wollte. Sie sei dann von der Berufungswerberin aufgefordert worden, etwas weiter vorzufahren und habe dies auch ein paar Zentimeter ? weiter sei es nicht möglich gewesen - getan. Dann sei es beim Versuch der Berufungswerberin auszuparken zu einem ersten Kontakt zwischen den Fahrzeugen gekommen. Beide Lenkerinnen seien aus den Fahrzeugen ausgestiegen, hätten aber keinen sichtbaren Schaden wahrgenommen. Dann habe die Zeugin der Berufungswerberin bei deren neuerlichem Versuch auszuparken den Abstand zu dem hinter ihr geparkten Motorrad angezeigt. Trotzdem sei die Berufungswerberin - diesmal mit Schwung -neuerlich an das Fahrzeug der Zeugin angeprallt. Dann habe sie noch einmal reversiert und sei davongefahren. Kennzeichen und Fahrzeugtype seien vom Kind der Zeugin notiert worden. Nachdem die Berufungswerberin mit diesem Beweisergebnis konfrontiert worden war, hat sie mit einem weiteren anwaltlichen Schriftsatz die ihr zur Last gelegten Taten nach wie vor in Abrede gestellt und die Einstellung des Verfahrens beantragt. Daraufhin erließ die erstinstanzliche Behörde das gegenständliche Straferkenntnis, welches der Berufungswerberin zu Handen ihres anwaltlichen Vertreters am 27.10.2006 zugestellt wurde. In der dagegen fristgerecht von ihrem anwaltlichen Vertreter eingebrachten Berufung werden beide Delikte in Abrede gestellt und wird die Durchfürung einer Stellprobe beantragt.
Im Berufungsverfahren teilte Frau Ro. mit, sie könne ihr Fahrzeug nicht zu einer Stellprobe vorführen, da aufgrund eines von ihr nicht verschuldeten Verkehrsunfalls Totalschaden eingetreten sei. Im Übrigen gab sie den Namen und die Anschrift ihrer minderjährigen Tochter bekannt und ersuchte, das Kind in der Verhandlung als Zeugin einzuvernehmen.
Am 21.9.2007 wurde in dieser Angelegenheit eine öffentliche, mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien durchgeführt, zu der neben der Berufungswerberin und ihrem anwaltlichen Vertreter noch die Zeuginnen Kristina und Micaela Ro. sowie der kraftfahrzeugtechnische Sachverständige Ing. G. ladungsgemäß erschienen sind.
Die Berufungswerberin gab in der Verhandlung folgende Rechtfertigung zu Protokoll:
?Zum Zeitpunkt des gegenständlichen Vorfalls war mir Frau Ro. noch nicht bekannt. Ich habe erst danach festgestellt, dass sie im selben Wohnhaus lebt, wie ich damals. Inzwischen bin ich aber wieder weggezogen. Ich kann mich noch ungefähr an den gegenständlichen Vorfall erinnern. Ich wollte damals ausparken, was leicht möglich gewesen wäre, weil der Parkplatz vor mir frei war. Ich habe aber noch ein Telefongespräch durchgeführt und hat sich während dessen Frau Ro. vor mir eingeparkt. Da hinter mir ein Moped abgestellt war und ich nach hinten aus meinem Fahrzeug schlecht abschätzen konnte, wie weit es entfernt ist, habe ich die Fahrzeuglenkerin, die sich gerade eingeparkt hatte, ersucht ein Stück nach vor zu fahren. Sie hat dies nicht getan und mit bloß erklärt, ich könne wohl nicht Autofahren. Dann habe ich mit der Handbremse versucht, mein Fahrzeug aus der Parklücke herauszuschaukeln. Die andere Fahrzeuglenkerin ist mit ihrer Tochter aus dem Fahrzeug ausgestiegen und hat mir mit der Hand gedeutet, wie viel Platz nach hinten noch ist. Ich bin dann aus der Parklücke herausgekommen und weg gefahren. Da es knapp war, habe ich aufgepasst und bin mir sicher, nirgendwo angefahren zu sein. Mein Fahrzeug, mit dem ich heute hier bin und das im Zuge der Verhandlung besichtigt werden kann, ist seit dem gegenständlichen Vorfall im Bereich der vorderen Stoßstange nicht repariert worden, nur das Kennzeichen wurde ausgetauscht, die Kennzeichenhalterung ist jedoch unverändert. Das Fahrzeug war damals nicht schwer beladen, sondern bin nur ich im Fahrzeug gesessen. Die Entfernung zum Moped schätze ich als sehr gering ein. Auf Grund der örtlichen Gegebenheiten kann ich ausschließen, dass ich beim Ausparken auf den Gehsteig gekommen bin. Auch zum vor mir eingeparkten Fahrzeug war der Abstand sehr knapp. Ich musste daher ca. 4 ? 5 Mal nach vor und zurück reversieren, um ausparken zu können.?
Die Zeugin Micaela Magdalena Ro. erstatte folgende Aussage:
?Ich bin damals mit meiner Mama heimgekommen. Wir wohnen in der A-gasse, die B-gasse ist die selbe Adresse. Meine Mama hat eingeparkt. Dann hat die Frau P. ? damals habe ich sie noch nicht gekannt ? an die Scheibe unseres Autos geklopft und meine Mama ersucht, vorzufahren, weil sie ausparken möchte und hinter ein Moped steht und nicht viel Platz ist. Meine Mama ist dann ein kleines Stück nach vorne gefahren. Dann bin ich mit meiner Mama ausgestiegen. Meine Mama hat Frau P. gedeutet, wie weit sie noch zurückfahren kann. Diese ist dann ein Stückchen zurückgefahren, dann nach vor gefahren und in unser Auto hinein gefahren. Dann ist sie ausgestiegen und hat sich ihr Auto angesehen. Meine Mama hat damals noch nichts gesagt. Dann ist Frau P. wieder eingestiegen, hat noch einmal zurückgeschoben und ist noch einmal nach vorne gefahren. Dabei ist sie wieder an unser Auto angestoßen. Dann hat sie noch einmal zurückgeschoben und ist aus der Parklücke herausgefahren. Dabei ist sie nicht mehr stehen geblieben, sondern weggefahren. Meine Mama hat mir nicht gesagt, ich solle das Kennzeichen aufschreiben, dies habe ich selber gemacht. Ich hatte nämlich mein Malzeug dabei. Das Auto habe ich damals im Gegensatz zu Frau P. schon gekannt, weil es öfters in der Gegend stand. Weder meine Mama noch ich haben unser Auto gleich auf Schäden angeschaut. Erst etwas später nachdem wir zuerst in der Wohnung waren und etwas geholt haben, ist uns aufgefallen, dass ein paar Dellen hinten auf der Stoßstange waren. Es waren neue Dellen, zuvor waren keine auf der Stoßstange. Meine Mama ist sicher ein bisschen nach vor gefahren, aber es war nur ein ganz kleines Stück, weil nicht mehr ging. Als meine Mutter ausgestiegen ist, bin ich auch ausgestiegen, weil ich nicht im Auto sitzen und warten wollte. Ich bin am Gehsteig gestanden und meine Mama ist auf der Straße gestanden und hat Frau P. gezeigt, wie viel Platz nach hinten ist. Ich glaube nicht, dass Frau P. auch nachgeschaut hat, ob auch an unserem Auto ein Schaden ist, als sie nach dem ersten Anprall ausgestiegen ist. Wie oft Frau P. reversieren musste, um auszuparken kann ich nicht mehr genau sagen, es war aber sicher mehrmals. Auf dem Gehsteig ist Frau P. beim Zurückfahren nicht gekommen. An der Stoßstange habe ich mehrere nur sehr kleine Dellen gesehen.?
Die Zeugin Kristina Annagret Ro. gab folgende Aussage zu Protokoll:
?Ich kann mich an den gegenständlichen Vorfall noch erinnern. Ich bin damals mit meiner Tochter mit dem Auto nach Hause gekommen und habe in der B-gasse eingeparkt. Mich hat dann meine Tochter aufmerksam gemacht, dass an eine Frau an die Scheibe klopft. Diese Frau hat mich gefragt, ob ich ein Stück nach vor fahren könne, weil sie ausparken möchte. Ich bin dann auch ein kleines Stück nach vor gefahren, es ging aber nur ca. 10 cm, weil nach vorne nicht mehr Platz war. Ich habe dann, als ich noch im Auto war einen ersten Anprall gespürt. Dann erst bin ich ausgestiegen, ob meine Tochter schon früher ausgestiegen ist, kann ich nicht mehr sicher sagen. Auch die andere Frau ist dann ausgestiegen und hat ihr Auto angeschaut. Ich habe dann gesagt, ob sie nicht ausparken kann, sie hat gesagt, wenn es so bergab geht und hinter ihr ein Moped steht, dann sei es halt schwierig. Dann hat sich die Frau wieder in ihr Auto gesetzt. Ich bin dann auf der Fahrbahn gestanden, während meine Tochter am Gehsteig war. Von der Fahrbahn aus habe ich der Frau angezeigt, wie weit sie noch nach hinten zurückfahren kann. Aus welchen Gründen auch immer, aber die Frau ist beim Ausparken dann noch einmal an mein Fahrzeug gestoßen. Ich habe dies wahrgenommen, in dem ich den Anprall gehört habe und gesehen habe, wie mein Auto leicht schaukelt. Dann ist die Frau ganz schnell noch einmal zurückgefahren, ist glaube ich, mit dem Hinterrand an die Gehsteigkante gestoßen, dann nach vorne heraus und weggefahren. Ich war nach diesem Vorfall zunächst perplex und bin mit meiner Tochter nach oben in die Wohnung gegangen. Dort hat mir meine Tochter erzählt, dass sie das Fahrzeugkennzeichen aufgeschrieben hat. Außerdem hat sie mir gesagt, dass das Auto ein Toyota Yaris ist, wie ihn die Mieterin unter uns hat. Dann habe ich mir gedacht, dass kann es aber nicht sein und habe beschlossen, bei der Polizei Fahrerfluchtanzeige zu erstatten. Bevor ich zur Polizei gegangen bin, habe ich mein Fahrzeug auf Schäden untersucht und dabei ein paar kleine weiße Kratzer an meiner Stoßstange entdeckt. Mir ging es dabei nicht um den Schaden, sondern um die Tatsache der Fahrerflucht. Den Schaden habe ich nie reparieren lassen, weil mein Fahrzeug schon mehrere Kratzer hatte. Es waren auch Kratzer an der hinteren Stoßstange, das Fahrzeug war damals schon 12 Jahre alt. Ich bin mir aber sicher, dass die geschilderten weißen Kratzer neu waren, ich habe sie vorher nie gesehen gehabt. Ich wollte auch deshalb keine Reparatur- und Versicherungsmeldung durchführen, weil ich einige Tage nach dem Vorfall erfahren habe, dass die fahrerflüchtige Lenkerin, die künftige Schweigertochter der Mieterin unter mir ist und ich im Haus Frieden haben wollte. Ich glaube, dass eher der zweite Anprall die Schäden an der Stoßstange verursacht hat, weil der erste Anprall nur sehr leicht war, so wie wenn man beim Parken gerade noch Kontakt hat. Außerdem war das Fahrzeug der Bw beim zweiten Anprall schon etwas schräg in Ausparkposition. Die Polizei hat mir dann geraten, Fotos von beiden Fahrzeugen zu machen, wenn dies noch möglich ist. Ich habe dann einige Tage später das Fahrzeug der Bw mit Hilfe meiner Tochter wieder gefunden und fotografiert. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Kennzeichentafel an den äußeren Enden leicht aufgebogen war. Die Bw hat, nachdem sie nach dem ersten leichten Anprall ausgestiegen ist, nur ihr Auto, nicht einmal meines angeschaut. Die Bw hat sicher mindestens vor- und zurück reversiert, um ausparken zu können. Meiner Einschätzung nach war das Ausparken ohne weiteres möglich, weil zum Moped genug Abstand war.?
Der Sachverständige führte aus, es erscheine unter Berücksichtigung der Höhe der jeweiligen Stoßstangen bzw. des Kennzeichens unwahrscheinlich, dass die gegenständlichen Schäden am Toyota Carina (die auf den Fotos ersichtlichen weißen Kratzer) tatsächlich von dem geschilderten Anprall mit den Toyota Yaris der Berufungswerberin stammen. Es könne zwar nach den Schilderungen der Zeugen durchaus ein zweifacher Anprall stattgefunden haben, doch sei nicht gesagt und - wie oben ausgeführt - sogar unwahrscheinlich, dass daraus die auf den Fotos ersichtlichen Schäden an der Stoßstange des Toyota Carina entstanden sind. In seinen Schlussausführungen gab der anwaltliche Vertreter der Berufungswerberin zu Protokoll, er halte die Berufung in vollem Umfang aufrecht. Punkt 2) sei auf Grund der Ausführungen des Sachverständigen, wonach eine Schadenskausalität auszuschließen sei, jedenfalls einzustellen. Es sei aber auch Punkt 1) einzustellen, zumal die Zeugin Ro. Anzeige erstattet und dabei einen Sachschaden behauptet habe, obwohl ein solcher nach Angaben des Sachverständigen ausgeschlossen worden sei. Wenn der zweite Anprall wirklich so heftig gewesen wäre, wie die Zeugin Ro. dies vor der Polizei behauptet hätte, wäre es auszuschließen, dass kein Schaden entstanden wäre. Vor diesem Hintergrund erwiesen sich die Aussagen der beiden Zeuginnen als unglaubwürdig.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:
Maßgebliche Rechtsvorschriften:
Gemäß § 4 Abs 1 lit. a StVO haben Lenker von Kraftfahrzeugen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofort anzuhalten. Von einem ?Anhalten? im Sinne dieser Rechtsvorschrift kann nach der einschlägigen höchstgerichtlichen Judikatur nur dann gesprochen werden, wenn der Lenker sich nach dem Anhalten auch vergewissert, ob durch den Unfall eine Situation entstanden ist, die es notwendig macht, Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden für Personen oder Sachen zu treffen (siehe VwGH vom 15.4.1971, Zl. 1305/70 sowie vom 2.7.1979, Zl. 1781/77).
Gemäß § 4 Abs 5 StVO haben diese Personen, sofern bei dem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- und Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub von dem Unfall zu verständigen, sofern sie nicht einander ihre Identität nachgewiesen haben.
Sachverhaltsfeststellungen und Beweiswürdigung:
Aufgrund der glaubwürdig und authentisch vorgetragenen Ausführungen von Frau Kristina Ro. und ihrer erst 11 Jahre alten Tochter Micaela stellt der Unabhängige Verwaltungssenat Wien als erwiesen fest, dass die Berufungswerberin im Zuge des von ihr am 17.6.2002 um ca. 10.55 Uhr durchgeführten Ausparkmanövers zweimal mit dem davor abgestellten Fahrzeug von Frau Ro. kollidiert ist. Die erste Kollission war nur leicht und ist die Berufungswerberin nach selbiger ausgestiegen, um ihr eigenes Fahrzeug auf Schäden hin zu untersuchen. Bei einem weiteren Ausparkversuch ist die Berufungswerberin neuerlich ? und zwar heftiger - an das Fahrzeug von Frau Ro. angeprallt, ist aber diesmal nicht ausgestiegen, sondern hat nochmals reversiert und ist dann ohne anzuhalten davongefahren.
Die jeglichen Anprall an das vor ihr geparkte Fahrzeug bestreitenden Angaben der Berufungswerberin, die in der Verhandlung einen unsicheren Eindruck hinterlassen hat und deren Aussage abgesprochen und konstruiert wirkte, erweisen sich demgegenüber als unglaubwürdig. Dazu kommt, dass im gesamten Verfahren kein Grund dafür hervorgekommen ist, dass die beiden Belastungszeuginnen einen wirtschaftlichen Vorteil aus der ungerechtfertigten Beschuldigung der Berufungswerberin hätte erlangen können, oder dass sie einen anderen nachvollziehbaren Grund dafür gehabt hätten, die Berufungswerberin wahrheitswidrig zu belasten. Ganz im Gegenteil hat die Zeugin Kristina Ro. in der mündlichen Verhandlung ehrlich ausgeführt, ihr Fahrzeug nicht sofort nach dem Unfall auf Schäden untersucht zu haben und daher nicht mit Sicherheit zu wissen, dass die damals frischen weißen Kratzer an der Stoßstange ihres Fahrzeuges tatsächlich zwingend auf den von ihr und ihrer Tochter beobachteten Zusammenprall mit dem Fahrzeug der Berufungswerberin zurückzuführen sein müssen. Dementsprechend hat die Zeugin Kristina Ro. auch niemals Schadenersatzforderungen an die Berufungswerberin gestellt. Dass bei dem gegenständlichen Ausparkmanöver der Berufungswerberin das Fahrzeug von Frau Ro. beschädigt worden wäre, kann vor dem Hintergrund der oben wiedergegebenen Ausführungen des Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung nicht mit der für die Verhängung einer Verwaltungsstrafe erforderlichen Sicherheit festgestellt, andererseits aber auch nicht ausgeschlossen werden. Die Berufungswerberin ist den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen nicht auf vergleichbarem fachlichem Niveau entgegengetreten.
Rechtliche Beurteilung:
Ad I.):
Vor dem Hintergrund des als erwiesen festgestellten Sachverhaltes war das Tatbild des § 4 Abs 1 lit. a StVO als verwirklicht anzusehen. Der im Zuge des Ausparkmanövers erfolgte zweifache Anprall des ausparkenden Fahrzeuges der Berufungswerberin an das davor abgestellte Fahrzeug von Frau Kristina Ro. ist zweifelsfrei als Verkehrsunfall zu qualifizieren, der im Hinblick auf die enge Ausparksituation von der Berufungswerberin bei Wahrung der von einem geprüften Fahrzeuglenker zu erwartenden Sorgfalt wahrgenommen hätte werden müssen. Zumal die Berufungswerberin den ersten, nach beiden Zeugenaussagen etwas schwächeren Anprall auch tatsächlich wahrgenommen hat und nach diesem ersten Anprall noch ausgestiegen ist, um zumindest ihr eigenes Fahrzeug auf Schäden hin zu prüfen, muss sie auch den zweiten, deutlich stärkeren Anprall wahrgenommen haben, hat jedoch nach diesem Anprall das Ausparkmanöver fortgesetzt, ohne auszusteigen und ist in der Folge davongefahren. Durch dieses Verhalten hat die Berufungswerberin die Verwirklichung des Tatbestandes des § 4 Abs 1 lit. a StVO, der von jedem Fahrzeuglenker verlangt, dass er nach ursächlicher Beteiligung an einem Verkehrsunfall sofort anhält und sich davon überzeugt, dass weder Personen- noch Sachschäden entstanden sind, billigend in Kauf genommen, weshalb hinsichtlich der subjektiven Tatseite von vorsätzlichem Verhalten auszugehen und das angefochtene Straferkenntnis in seinem Spruchpunkt 1) (Übertretung des § 4 Abs 1 lit. A StVO) in der Schuldfrage zu bestätigen war.
Ad II.):
Da die gemäß § 4 Abs 5 StVO vorgeschriebene Meldepflicht eines Verkehrsunfalls bei der nächsten Polizeidienststelle nur für den Fall gesetzlich zwingend vorgesehen ist, dass bei dem Unfall tatsächlich ein Sachschaden entstanden ist, ein solcher aber gegenständlich - wie oben dargelegt - nicht mit der für die Verhängung einer Verwaltungsstrafe erforderlichen Sicherheit erwiesen werden konnte, war dagegen zu Spruchpunkt 2) der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt zu beheben und das Verfahren im Zweifel zu Gunsten der Beschuldigten einzustellen.
Ad III.):
In der Tatumschreibung im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ist von einem ?Verkehrsunfall mit Sachschaden? die Rede. Ein Sachschaden konnte jedoch im Berufungsverfahren nicht mit der für die Verhängung einer Verwaltungsstrafe erforderlichen Sicherheit erwiesen werden, sodass durch die Wortfolge ?mit Sachschaden? das Gesetz zum Nachteil des Berufungswerbers offenkundig verletzt wird, was eine Streichung dieser Wortfolge nach Eintritt der Rechtskraft notwendig machte. Es erwies sich somit - wie im Fall des fehlerhaften Zitates der Strafsanktionsnorm (siehe dazu das Erkenntnis des VwGH vom 8.9.1998, Zl. 98/03/0036) - als erforderlich, den Berufungsbescheid in Anwendung des § 52a Abs 1 VStG entsprechend zu korrigieren.
Strafbemessung:
Der gesetzliche Strafrahmen für eine Übertretung des § 4 Abs 1 lit. a StVO reicht gemäß § 99 Abs 2 lit. a StVO von 36,-- Euro bis 2.180,-- Euro.
Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Durch die der Berufungswerberin unter Punkt 1) des angefochtenen Straferkenntnisses zur Last gelegte Übertretung des § 4 Abs 1 lit. a StVO wurde das öffentliche Interesse an der mit der gesetzlich verankerten Anhaltepflicht bei Verkehrsunfällen intendierten Ermöglichung einer raschen, exakten und reibungslosen Aufarbeitung solcher Unfälle erheblich beeinträchtigt. Deshalb war der Unrechtsgehalt der Tat selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen keineswegs gering.
Das in der Schuldform des Vorsatzes vorliegende Verschulden der Berufungswerberin war als schwerwiegend einzustufen, wäre es ihr doch ein Leichtes gewesen, auch nach dem zweiten Anprall an das Fahrzeug der Zeugin Ro. noch einmal auszusteigen und gemeinsam mit Frau Ro. nach allfälligen Schäden Ausschau zu halten. Dass ihr dies aufgrund besonderer Umstände nicht möglich oder nur schwer zuzumuten gewesen wäre, hat die Berufungswerberin nicht vorgebracht und ist derartiges im Verfahren auch nicht hervorgekommen.
Der besondere Milderungsgrund der laut Aktenlage zum Tatzeitpunkt gegebenen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit der Berufungswerberin wurde bereits im erstinstanzlichen Verfahren gebührend berücksichtigt. Sonstige Milderungsgründe sind nicht hervorgekommen. Da sich die Berufungswerberin bis zum Schluss des Verfahrens gänzlich uneinsichtig gezeigt hat, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass in spezialpräventiver Hinsicht auch eine niedrigere Strafe geeignet wäre, die Berufungswerberin in Zukunft von vergleichbaren Taten wirksam abzuhalten. Die Einkommens- Vermögens- und Familienverhältnisse, die von der Berufungswerberin in der mündlichen Verhandlung bekannt gegeben wurden (Einkommen von ca. 900,-- Euro monatlich, Vermögenslosigkeit und Sorgepflichten für ein Kind), sind als unterdurchschnittlich einzustufen, was bei der Strafbemessung berücksichtigt wurde.
In Ansehung der dargelegten Strafbemessungskriterien erscheint die ohnedies im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens angesetzte Strafe keineswegs überhöht, sondern im Gegenteil besonders milde bemessen, weswegen das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich Spruchpunkt 1) auch in der Straffrage zu bestätigen war.
Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs 1 und 2 VStG.