Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Christoph Lehne über die Berufung des Herrn K. S., D-H., vertreten durch Rechtsanwälte H. und K. und D., XY 5a, K., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 24.04.2006, Zl KS-7154-2005, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit §§ 24, 51, 51c und 51e VStG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, am 21.11.2005, um 21.20 Uhr, das Sattelzugfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XY (D), dessen zulässige Gesamtmasse mehr als 7,5 t betrage, auf der A-12 Inntalautobahn, bei Str-Km 24,300, in Fahrtrichtung Westen gelenkt zu haben, obwohl das Fahren mit Sattelkraftfahrzeugen mit einer höchsten zulässigen Gesamtmasse von mehr als 7,5 t gem § 3 der VO des Landeshauptmannes für Tirol vom 20.10.2004, LGBI 79/2004, zwischen 1. November und 30. April eines jeden Jahres von 20.00 Uhr bis 05.00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 23.00 Uhr bis 05.00 Uhr auf der A-12 Inntalautobahn, zwischen Str-Km 20,359 im Gemeindegebiet von Kundl und Str-Km 66,780 im Gemeindegebiet von Ampass verboten sei. Die Fahrt sei zudem nicht unter die Ausnahmebestimmung der zitierten Verordnung gefallen.
Der Berufungswerber habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 30 Abs 1 Z 4 Immisionsschutzgesetz-Luft (IG-L) iVm § 3 der VO d LH v Tirol, LGBI 79/2004, verletzt und wurde nach § 30 Abs 1 Z 4 Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) zur Entrichtung einer Geldstrafe in Höhe von Euro 180,00 (Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden) sowie zur Bezahlung eines Beitrages zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens verpflichtet.
Dagegen brachte der Berufungswerber fristgerecht das Rechtmittel der Berufung ein. In dieser monierte er, dass das erstinstanzliche Verfahren mangelhaft sei, da ihm in Nürnberg keine Akteneinsicht gewährt worden sei; vielmehr hätte er lediglich in Kufstein Akteneinsicht nehmen können, was jedoch mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden gewesen wäre. Zudem habe es sich bei den von ihm geladenen Gütern um Äpfel gehandelt, welche unverzüglich nach der Ernte an das Zentrallager zu liefern gewesen seien, da ansonsten die Gefahr bestünde, dass das Obst verderbe. Aus diesem Grund habe die Ausnahmebestimmung des § 4 der gegenständlichen Verordnung vorgelegen. Der Berufungswerber habe daher keinen Verwaltungsstraftatbestand begangen. Sollte die Behörde dennoch der Meinung sein, dass den Berufungswerber ein Verschulden treffe, so sei dieses lediglich geringfügig und sei daher nach § 21 VStG vorzugehen gewesen. Im Übrigen sei bei der Strafzumessung mildernd zu berücksichtigen, dass die Frage der Haltbarkeitsdauer schwer zu beurteilen sei. Aus diesen Gründen stellte der Berufungswerber den Antrag, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben, das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen und in eventu die ausgesprochene Strafhöhe herabzusetzen.
Aufgrund dieser Berufung wurde am 31.08.2006 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. In dieser wurde Beweis aufgenommen durch die Einvernahme des Berufungswerbers und des Meldungslegers und die Verlesung des erstinstanzlichen Aktes. Der Meldungsleger wies darauf hin, dass es sich bei dem Transportgut um Äpfel gehandelt habe. Aufgrund dieser Jahreszeit wäre nicht anzunehmen, dass es frisch geerntete Äpfel seien und seien diese nicht als leichtverderbliche Lebensmittel im Sinn des Immissionsschutzgesetzes-Luft anzusehen.
Der Berufungswerber gab Folgendes zu Protokoll:
?Ich fuhr am 21.11.2005 um 21.20 Uhr mit dem Sattelzug der Firma Seubert und transportierte Äpfel. Ich habe auf die genaue Haltbarkeit der Äpfel nicht geachtet. Für mich waren es frische Äpfel. Sie hätten in ein Zentrales Wareneingangslager zur R. Zentral AG in K. geliefert werden sollen. Ich wusste grundsätzlich, dass ein Fahrverbot nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft besteht. Auch wusste ich, dass Lebensmittel mit einer Haltbarkeit von nur wenigen Tagen vom Fahrverbot ausgenommen sind. Ich bin sowohl vor dem Tattag als auch nach dem Tattag mit Waren der gleichen Art und Güte gefahren und jeweils durchgelassen worden. Nur dieses eine Mal wurde ich angezeigt. Möglicherweise beträgt die Dauer der Fahrt maximal 2 Tage, um zu den jeweiligen Zentrallagern zu kommen, wobei R. aber nur einer der belieferten Unternehmen ist. Ich fahre auch bis Berlin.?
Nach Gewährung des Parteiengehörs durch Zusendung der Verhandlungsschrift legte der Berufungswerber folgende Urkunden vor zum Beweis dafür, dass er vor und nach der Tat mit Waren gleicher Art und Güte im Fahrverbotsbereich des IG-Luft gefahren worden wäre, ohne beanstandet worden zu sein. Es waren dies 1. die Kopie der Tachoscheibe vom 10.02.2006 auf den 11.02.2006, 2. die Abrechnung der Autobahn- und Schnellstraßen-Finanzierungs-AG vom 10.02.2006, die Frachtbriefe vom 10.02.2006 (Ladung Äpfel Pink Lady bzw Golden Delicius) Kühltemperatur 2 bis 3 Grad Celsius bzw 3 bis 4 Grad Celsius, 4. Kopie der Tachoscheibe vom 17.11.2005 auf den 18.18.2005, 5. die Abrechnung der E. LKW Mautsystem GmbH vom 17.11.2005, 6. die Frachtpapiere vom 17.11.2005 (Ladung Golden Delicius), 7. die Kopie der Tachoscheibe vom 26.04.2005 auf den 27.04.2005, 8. die Abrechnung der E. LKW Mautsystem GmbH vom 27.04.2005, 9. die Frachtpapiere vom 26.04.2005 (Ladung Äpfel natura Idared) Kühltemperatur 2 bis 4 Grad Celsius.
Aufgrund dieser Bescheinigungsmittel kann davon ausgegangen werden, dass der Berufungswerber nicht nur am Tattag sondern auch vor und nach dem Tattag mit dem gleichen Ladegut unterwegs war, ohne beanstandet worden zu sein, während er am Tattag vom Meldungsleger beanstandet wurde, weil dieser ihm mitteilte, dass die Äpfel nicht unter die Ausnahme des Immissionsschutzgesetzes-Luft fallen würden.
Daraus ergibt sich Folgendes:
Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung bildet, begeht nach § 30 Abs 1 Z 4 Immissionsschutzgesetzes-Luft (IG-L) eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu Euro 2.180,00 zu bestrafen, wer einer gemäß §§ 14 und 16 Abs 1 Z 4 erlassenen und entsprechend kundgemachten Anordnung gemäß § 10 zuwiderhandelt.
Gemäß §§ 10, 11 und 14 des IG-L, BGBI 1 Nr 115/1997, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBI I Nr 34/2003, wurde vom Landeshauptmann für Tirol am 20.10.2004 eine Verordnung erlassen, mit der in Tirol verkehrsbeschränkende Maßnahmen bestimmt wurden (LGBl Nr 79/2004).
Nach § 2 dieser Verordnung ist als Sanierungsgebiet im Sinne des § 2 Abs 8 IG-L der Abschnitt der A 12 Inntalautobahn zwischen km 20,359 im Gemeindegebiet von Kundl und km 66,780 im Gemeindegebiet von Ampass festgelegt.
Gemäß § 3 der Verordnung ist in dem nach § 2 festgelegten Sanierungsgebiet an Werktagen in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr sowie an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in der Zeit von 23.00 Uhr bis 5.00 Uhr das Fahren mit Lastkraftwagen oder Sattelkraftfahrzeugen mit einer höchsten zulässigen Gesamtmasse von mehr als 7,5 t und Lastkraftwagen mit Anhängern, bei denen die höchste zulässige Gesamtmasse des Lastkraftwagens oder die höchste zulässige Gesamtmasse des Anhängers mehr als 7,5 t beträgt, verboten. In der Zeit zwischen 1. November und 30. April eines jeden Jahres ist an Werktagen in der Zeit von 20.00 Uhr bis 5.00 Uhr sowie an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in der Zeit von 23.00 Uhr bis 5.00 Uhr das Fahren mit Lastkraftwagen oder Sattelkraftfahrzeugen mit einer höchsten zulässigen Gesamtmasse von mehr als 7,5 t und Lastkraftwagen mit Anhängern, bei denen die höchste zulässige Gesamtmasse des Lastkraftwagens oder die höchste zulässige Gesamtmasse des Anhängers mehr als 7,5 t beträgt, verboten. Einer bescheidmäßigen Anordnung einer Behörde bedarf es nicht, das Verbot wirkt direkt.
Nach § 4 der Verordnung sind vom Verbot nach § 3 (über die Ausnahmen nach § 14 Abs 2 IG-L hinaus) ausgenommen:
1. Fahrten zum überwiegenden Transport leicht verderblicher Lebensmittel mit einer Haltbarkeit von nur wenigen Tagen oder zum ausschließlichen Transport von periodischen Druckwerken;
2. Fahrten zur Aufrechterhaltung dringender medizinischer Versorgung;
3.
Lebendtiertransporte;
4.
Fahrten, die den Straßenbauvorhaben auf der A 12 oder A 13 oder dem Ausbau der Zulaufstrecke Nord der Eisenbahnachse Brenner-München-Verona dienen;
5.
Fahrten des Abschleppdienstes oder der Pannenhilfe;
6.
unaufschiebbare Fahrten des Bundesheeres oder mit Fahrzeugen, die in Durchführung von Maßnahmen der Friedenssicherung im Rahmen einer internationalen Organisation, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa oder der Europäischen Union aufgrund eines Beschlusses im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik eingesetzt werden, oder Fahrten von Hilfstransporten anerkannter Hilfsorganisationen;
7 Fahrten mit Fahrzeugen, deren NOx-Emission nicht mehr als 3,5 g/kWh beträgt (Euroklassen IV und V), wenn dies durch ein entsprechendes Dokument nachgewiesen werden kann, das mitzuführen und auf Verlangen vorzuweisen und auszuhändigen ist.
Hinsichtlich des Begriffes ?leicht verderbliche Lebensmittel" ist im Wege der Analogie die Judikatur zur Straßenverkehrsordnung heranzuziehen. Demnach sind solche Lebensmittel leicht verderblich, deren Genießbarkeit durch Verfaulen, Frieren, Austrocknen und dergleichen leicht beeinträchtigt werden kann bzw nur kurzfristig erhalten bleibt (zB Fisch, Fleisch, Wild, frische Schlachtnebenprodukte, Brot- und Backwaren, Milcherzeugnisse, Most und Sturm in Gebinden oder Tankfahrzeugen; vgl dazu Anlagen 2 und 3 des Übereinkommens über die internationale Beförderung leicht verderblicher Lebensmittel, BGBl Nr 144/1978).
Da Äpfel bei entsprechender Lagerung, wie sie im vorliegenden Fall durch deren Kühlung gewährleistet war, eine Haltbarkeit von wesentlich mehr als nur wenigen Tagen aufweisen, stellen diese keine ?leicht verderblichen Lebensmittel? dar. Deren Beförderung fällt daher nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 4 Abs 1 der gegenständlichen Verordnung. Der Berufungswerber hat sohin durch die betreffende Fahrt objektiv gegen § 30 Abs 1 Z 4 IG-L iVm § 3 der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol (LGBI 79/2004) verstoßen.
Was die subjektive Tatseite anlangt, konnte der Berufungswerber aufgrund gleichartiger Fahrten bis zum Tattag davon ausgehen, dass Äpfel unter die Ausnahmebestimmungen des Immissionsschutzgesetzes-Luft fallen. Er wurde jedenfalls wegen dieses Produktes nicht bis zum Tattag beanstandet. Es kann ihm daher kein Verschulden zur Last gelegt werden, wenn er angenommen hat, dass die Äpfel als Ausnahme vom Fahrverbot nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft anzusehen wären. Daher ist das Verfahren einzustellen.