TE UVS Burgenland 2006/10/09 B02/11/05013

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Veröffentlicht am 09.10.2006
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied Mag. Latzenhofer über die Berufung vom 08.08.2005 des Herrn ***, geboren am ***, wohnhaft in ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom 22.07.2005, Zl. EU-BA-103-51/1-22, betreffend Vorschreibung von Auflagen nach § 79 Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO) 1994 zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) in Verbindung mit § 74 Abs. 2, 4, 6, § 79 Abs. 1 GewO 1994 wird der Berufung Folge stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

Text

Mit dem am 28.07.2005 an Herrn ***, Inhaber einer Gastgewerbebetriebsanlage am Standort ***, Gst.-Nr. ***, KG ***, in ***, zugestellten, nunmehr in Berufung gezogenen Bescheid wurden verschiedene Auflagen im Zusammenhang mit dem Einbau und dem Betrieb einer Fettabscheideanlage mit einer Nenngröße von mindestens 4 Litern/Sekunde bis spätestens 31.12.2006 gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 vorgeschrieben.

In der dagegen am 10.08.2005 eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber im Wesentlichen aus, dass er am erwähnten Standort das Gastgewerbe von 2001 bis 28.2.2005 lediglich in der Form des Heurigenbuffets betrieben habe. Davor sei die Betriebsanlage überhaupt nur landwirtschaftlich (Buschenschank) benutzt gewesen. Aufgrund einer Anzeige wegen Überschreitung des Gewerbeumfangs im Jahr 2005 ? der Berufungswerber habe nunmehr zusätzlich warmes Kraut und ?Somlauer? verabreicht - habe man ihn auf der Bezirkshauptmannschaft dahingehend informiert, dass er seine Gewerbeberechtigung ?Heurigenbuffet? auf ?Gastgewerbe mit den Berechtigungen nach § 111 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 eingeschränkt auf die Verabreichung von gebratenen, gegrillten oder gesottenen Würsten, gebratenem oder gegrilltem Fleisch, gegrilltem Geflügel und Fisch, Pommes Frites, Fleisch- und Wurstsalaten, Fleisch und Wurstmajonäsesalaten, diversen Strudeln im kalten und warmen Zustand, gebackenen Hendl, Faschierten Laibchen, diversen Mehlspeisen, sowie Mozarella mit Tomaten, Brotaufstrichen, belegten Brötchen, üblichen kalten Beigaben, Knödeln, warmes Kraut sowie Rindsuppe, von vorverpackt angeliefertem Speiseeis sowie der Ausschank von alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken? ändern sollte. Diese Änderung sei auch durchgeführt worden. Am Speisenangebot und der Küchenausstattung habe sich jedoch seit der gewerbebehördlichen Genehmigung der Anlage nichts geändert. Nach einer Überprüfung der Anlage am 20.04.2005 habe ihm die Behörde jedoch mit dem angefochtenen Bescheid die Errichtung und den Betrieb einer Fettabscheideanlage vorgeschrieben. Dies sei jedoch nicht erforderlich. Die aus dem Betrieb seiner Betriebsanlage resultierende Abwasserbelastung sei infolge der Geringfügigkeit seines Küchenbetriebes (jährlicher Speisenumsatz lediglich 14.000 Euro) zu vernachlässigen und würde die Abwasserbelastung ohnehin unter dem Grenzwert der Abwasseremissionsverordnung liegen. Dies könne auch durch Messung festgestellt werden. Die Behörde habe jedoch eine sol

che Messung bisher unterlassen. Sie habe vielmehr aufgrund der Küchenausstattung (Dimensionen der Abwasseremittenten) die Fettabscheideanlage vorgeschrieben. Diese Vorschreibung sei zudem unverhältnismäßig, da sie aufgrund der örtlichen Verhältnisse nur mit großem Aufwand (ca. 18.000 ?) umsetzbar sei.

 

Aufgrund der vorliegenden Akten ergibt sich folgender

 

Sachverhalt:

 

Der Berufungswerber ist Weinbauer in der Stadtgemeinde ***. Am angeführten Standort in der *** in *** betreibt er jedenfalls seit Ende der Neunzigerjahre einen Buschenschankbetrieb. Der Keller, in dem sich die jetzige Betriebsanlage befindet, wurde am 28.04.1998 für die Verwendung als Buschenschank baubehördlich bewilligt (vgl. Auszug aus dem Bauakt der Stadtgemeinde ***). Mit Bescheid vom gleichen Tag wurden dem Berufungswerber und seiner Gattin (die den Betrieb mit ihm gemeinsam führt) hinsichtlich der Ausführung des Buschenschankes in den Räumlichkeiten des Kellers in der *** nach § 4 Abs. 1 BuschenschankG, LGBl. Nr. 57/1979, Auflagen betreffend den Betrieb des Buschenschanks erteilt. In diesen Auflagen finden sich keinerlei Vorschreibungen hinsichtlich des Speisenangebotes (vgl. den Bescheid vom 28.04.1998 nach § 4 Abs. 1 BuschenschankG, LGBl. Nr. 57/1979). Am 22.08.2001 richtete der Berufungswerber ein Schreiben an die Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung, in dem er seinen derzeitigen Buschenschankbetrieb (ca. 50 Sitzplätze im Keller und weitere 20 vor dem Keller) näher beschrieb und ausführte, dass er in Zukunft vorhabe ein oder zwei warme Speisen anzubieten. Die Küche sei zwar gut eingerichtet, aber sehr klein und ließe keine größeren Speisenzubereitungen zu. Mit Schreiben vom 23.08.2001 beantragte der Berufungswerber die Erteilung einer gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung für Bau und Errichtung eines Heurigenbuffets am Standort ***, Grundstück *** der KG ***. Am 28.08.2001 zog der Berufungswerber sein Genehmigungsansuchen vom 23.08.2001 zurück und erklärte (wohl über Vorschlag der Bezirkshauptmannschaft), dass er beabsichtige, seinen Buschenschankbetrieb als freies Gastgewerbe nach § 143 Z. 7 GewO 1994 (Heurigenbuffet) auszuüben und er hiermit der Gewerbebehörde unter Hinweis auf § 74 Abs. 4, 6 GewO 1994 anzeige, dass die baubehördlich bewilligte Buschenschenke in den Charakter einer gewerbebehördlichen Betriebsanlage umgewandelt werde. Er nehme zur Kenntnis, dass die Betriebsanlage einer Überprüfung gemäß § 338 GewO 1994 unterzogen werden und erforderlichenfalls zusätzliche Auflagen nach § 79 Abs. 1 GewO 1994 vorgeschrieben werden (vgl. BH-Akt).

 

Am 28.10.2004 langte bei der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung ein Schreiben anonymer Herkunft ein, in dem gegen den Berufungswerber verschiedene Vorwürfe dahingehend erhoben wurden, dass er ohne entsprechende gewerberechtliche Berechtigung in seinem Buschenschank warme Speisen verkaufe und Hygiene- und Sicherheitsvorkehrungen außer Acht lasse sowie ebenfalls ohne Fettabscheider seine Abwässer in den Ortskanal einleite (vgl. BH-Akt).

 

Am 28.02.2005 legte der Berufungswerber seine am 01.08.2001 angemeldete Gewerbeberechtigung für den Betrieb des Heurigenbuffets gemäß § 143 Z. 7 GewO 1994 zurück und meldete unter einem das reglementierte Gewerbe ?Gastgewerbe gemäß § 94 Z. 26 GewO 1994 mit den Berechtigungen gemäß § 111 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994, eingeschränkt auf die Verabreichung von gebratenen, gegrillten oder gesottenen Würsten, gebratenem oder gegrilltem Fleisch (ausgenommen Innereien) von Rindern und Schweinen, gegrilltem Geflügel und Fisch, Pommes Frites, Fleisch- und Wurstsalaten, Fleisch- und Wurstmajonäsesalaten, diversen Strudeln im kalten und warmen Zustand, gebackenen Hendl, Faschierten Laibchen, diversen Mehlspeisen, sowie Mozarrella mit Tomaten, Brotaufstrichen, belegten Brötchen, üblichen kalten Beigaben, Knödeln, warmes Kraut sowie Rindsuppe, von vorverpackt angeliefertem Speiseeis sowie der Ausschank von alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken? am Standort *** an (vgl. Gewerberegister).

 

Am 20.04.2005 führte die Gewerbebehörde am Ort der Betriebsanlage eine Überprüfungsverhandlung unter Beiziehung eines wasserbautechnischen Amtssachverständigen durch. Der Sachverständige stellte fest, dass in der Küche als Abwasseremittenten Einspülbecken mit Ablauf DN 40 und ein Geschirrspüler vorhanden seien. Aus diesen Anfallstellen resultiere gemäß EN 1825 unter Berücksichtigung der Dimensionsberechnung des Amtes der Bgld. Landesregierung die Notwendigkeit einer eine Fettabscheideanlage mit einer Nennleistung von 4 l / s. Ferner stellte der Sachverständige fest, dass bei einem Speiseangebot eines Heurigen keine fetthältigen Abwässer zu erwarten seien, die zu einer Beeinträchtigung des Kanalsystems führen. Werde jedoch das Speisenangebot ausgeweitet, sei davon auszugehen, dass eine höhere Fettbelastung in den Abwässern auftrete. Ein Küchenbetrieb wie in Restaurants oder Gasthäusern üblich, sei als diesbezügliche Ausweitung des Speisenangebotes zu verstehen. Eine solche Ausweitung könne zu Ablagerungen im Kanalsystem und dadurch zu einer Schädigung der Kanaleinbauten führen. Der Pumpenbetrieb in der Kläranlage könne beeinträchtigt werden. Bei Ausfall der Pumpen komme es zu Einspeisung ungereinigter Abwässer in die Gewässer. Die Abwässer aus der Betriebsanlage seien daher vor Einleitung in die Kanalisation über eine Fettabscheideanlage vorzureinigen. Aufgrund des Platzangebotes in der Betriebsanlage im Kellerlokal sei nur die Abtrennung der Abwasseremittenten und Sammlung der Abwässer in einem Hebewerk möglich. Der Fettabscheider könne im Bereich des Vorplatzes eingebaut werden, in dem das Hebewerk die Abwässer einleite. Die Gattin des Berufungswerbers erklärte bei dieser Verhandlung, dass man innerhalb von 14 Tagen nach  dem  Tag  der Verhandlung hinsichtlich der Frage Einbau einer Fettabscheideanlage oder Reduzierung des Speisenangebotes auf ein Heurigenbuffet eine schriftliche Stellungnahme abgeben werde (vgl. Verhandlungsschrift).

 

Ob die Gattin des Berufungswerbers tatsächlich der Bezirkshauptmannschaft zugesagt hat, dass das Speisenangebot zwar nicht geändert werde, dennoch aber die Fettabscheideanlage eingebaut werden solle (vgl. die Aktenvermerke vom 17.05.2005 und vom 30.05.2005), lässt sich nach der Beweiswürdigung des erkennenden Mitglieds nicht mehr feststellen, da es diesbezüglich nur handschriftliche Aktenvermerke einer Sachbearbeiterin der Bezirkshauptmannschaft gibt und diese beiden Aussagen miteinander logisch und auch im Vergleich zum bisherigen Geschehen widersprüchlich sind. Im Übrigen ist dies im Hinblick auf die rechtliche Bewertung des Sachverhaltes aber nicht entscheidungserheblich (vgl. unten).

In der Folge erließ die Bezirkshauptmannschaft den angefochtenen Bescheid und brachte der Berufungswerber die dargestellte Berufung ein, nachdem er im Verwaltungsverfahren keine weitere Stellungnahme mehr abgegeben hatte.

 

Im Zuge des Berufungsverfahrens traf der wasserbautechnische Amtssachverständige noch weitere Feststellungen über die Möglichkeiten, wie fetthaltige Abwässer den Betrieb der Kläranlage der Gemeinde beeinträchtigen könnten. Weiters führte er aus, dass der Berufungswerber am 28.02.2005 das freie Gastgewerbe ?Heurigenbuffet? zurückgelegt und eine Gastgewerbeberechtigung nach § 111 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 angemeldet habe. Dadurch sei es auch offiziell zu einer Änderung der Betriebsweise gekommen, die Auswirkungen auf das Schutzinteresse nach § 74 Abs. 2 Z. 5 GewO 1994 (Grundwasser) habe. Durch die Zubereitung von Verabreichung von warmen, fettigen Speisen sei mit einem höheren Fettanteil im Abwasser zu rechnen und könne dieses stärker fetthaltige Abwasser die dargestellten, nachteiligen Einwirkungen auf die Beschaffenheit der Gewässer haben bzw. könnten diese nicht ausgeschlossen werden (vgl. Stellungnahme vom 26.01.2006).

 

Die einzelnen Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die angeführten Beweismittel und die dargestellte Beweiswürdigung.

 

Auf Grundlage des festgestellten Sachverhalts trifft der Unabhängige Verwaltungssenat folgende

 

rechtliche Beurteilung:

 

Für die Entscheidung waren folgende Rechtsvorschriften maßgeblich:

 

Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), Stammfassung:

BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004, Gewerbeordnung 1994 BGBl. Nr. 314/1994 idF BGBl. I Nr. 84/2006 (alle im Folgenden wiedergegebenen Rechtstexte werden in der anzuwendenden Fassung wiedergegeben).

 

Im Einzelnen (neben dem lediglich die Zuständigkeit des UVS als Berufungsbehörde begründenden § 66 Abs. 4 AVG):

 

§ 74 Abs. 2, 4 und 6 GewO:

?(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

(4) Bergbauanlagen, in denen vom Bergbauberechtigten auch gewerbliche Tätigkeiten ausgeübt werden, die mit Tätigkeiten der im § 2 Abs. 1 oder im § 107 des Mineralrohstoffgesetzes - MinroG, BGBl. I Nr. 38/1999, in der jeweils geltenden Fassung, genannten Art in wirtschaftlichem und fachlichem Zusammenhang stehen, bedürfen keiner Genehmigung gemäß Abs. 2, wenn sie nach bergrechtlichen Vorschriften bewilligt sind und der Charakter der Anlage als Bergbauanlage gewahrt bleibt. Weist eine Anlage nicht mehr den Charakter einer Bergbauanlage, sondern den Charakter einer gewerblichen Betriebsanlage auf, so hat dies der Anlageninhaber unverzüglich der Bergbehörde, die die Anlage bewilligt hat, und der nunmehr zur Genehmigung der Anlage zuständigen Gewerbebehörde anzuzeigen. Ab dem Einlangen dieser Anzeige bei der Gewerbebehörde gilt die Anlagenbewilligung nach bergrechtlichen Vorschriften als Genehmigung gemäß Abs. 2.

(6) Abs. 4 vorletzter und letzter Satz gilt sinngemäß für eine nach anderen als bergrechtlichen Vorschriften genehmigte oder bewilligte Anlage, die nicht mehr den Charakter einer solchen vom Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgenommenen Anlage, sondern den Charakter einer gewerblichen Betriebsanlage im Sinne des Abs. 2 aufweist.?

 

§ 79 Abs. 1 GewO:

?Ergibt sich nach Genehmigung der Anlage, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, so hat die Behörde die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen  oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben; die Auflagen haben gegebenenfalls auch die zur Erreichung dieses Schutzes erforderliche Beseitigung eingetretener Folgen von Auswirkungen der Anlage zu umfassen; die Behörde hat festzulegen, dass bestimmte Auflagen erst nach Ablauf einer angemessenen, höchstens drei Jahre, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen (z. B. bei Betriebsübernahmen) höchstens fünf Jahre, betragenden Frist eingehalten werden müssen, wenn der Inhaber der Betriebsanlage nachweist, dass ihm (z. B. wegen der mit der Übernahme des Betriebes verbundenen Kosten) die Einhaltung dieser Auflagen erst innerhalb dieser Frist wirtschaftlich zumutbar ist, und gegen die Fristeinräumung keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen bestehen. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.?

 

Der oben dargestellte § 79 Abs. 1 GewO 1994, der von der Bezirksverwaltungsbehörde herangezogen wurde, ermächtigt die Bezirksverwaltungsbehörde nur dann zur Vorschreibung von Auflagen, wenn die Schutzinteressen des § 74 Abs. 2 GewO 1994 trotz Einhaltung im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen, sohin also bei rechtmäßigem, konsensgemäßem Betrieb nicht hinreichend geschützt sind. Mit anderen Worten: Auflagen nach § 79 Abs. 1 GewO 1994 können nur zur Hintanhaltung von Beeinträchtigungen von Schutzinteressen vorgeschrieben werden, die sich bei rechtmäßigem Betrieb der Anlage ergeben können. Beeinträchtigungen der Schutzinteressen hingegen, die auf Grund von konsenswidrigem Vorgehen des Anlageninhabers entstehen, sind nicht mittels Auflagen nach § 79 Abs. 1 GewO 1994 hintanzuhalten. Solche Beeinträchtigungen haben vielmehr zur Einleitung von Strafverfahren wegen dem genehmigungslosen Errichten bzw. Betreiben bzw. genehmigungslosen Ändern einer Betriebsanlage zu führen und sind allenfalls mit Maßnahmen nach § 360 GewO zu bekämpfen.

 

Die im konkreten Fall vorgeschriebene Errichtung eines Fettabscheiders ist eine Maßnahme, die nicht zur Abwehr von bei konsensgemäßem Betrieb möglichen Beeinträchtigungen der Schutzinteressen des § 74 Abs. 2 GewO 1994 erforderlich ist. Vielmehr ist das für diese Beeinträchtigung kausale Verhalten, nämlich der von der Behörde erster Instanz und dem Sachverständigen angenommene, erweiterte Küchenbetrieb des Berufungswerbers konsenswidrig.

 

Was im Zusammenhang mit dem § 79 Abs. 1 GewO 1994 als rechtmäßiges Betreiben einer Anlage angesehen werden kann, ergibt sich nicht aus den berufsrechtlichen Bestimmungen der Gewerbeordnung. Die Gewerbeanmeldungen sind daher für diese Frage belanglos. Vielmehr ist auf Grund des systematischen Zusammenhanges auf die betriebsanlagenrechtliche Erlaubtheit eines bestimmten Verhaltens bzw. einer bestimmten Betriebsweise der Anlage abzustellen. Welche Betriebsweise der Anlage im konkreten Fall der Anlage des Berufungswerbers als vom Konsens erfasst anzusehen ist, ergibt sich auf Grund der oben dargestellten Bestimmungen des § 74 Abs. 4 und 6 GewO 1994 aus dem von der Rechtsordnung gedeckten Zustand der Anlage am 23.08.2001. Denn zu jenem Zeitpunkt hat der Berufungswerber der Bezirkshauptmannschaft angezeigt, dass auf Grund der Ausweitung des Betriebes in der Anlage, also aufgrund des Wechsels vom bloßen Buschenschankbetrieb zum Heurigenbuffet nach der Gewerbeordnung die Anlage in den Geltungsbereich der Gewerbeordnung fällt.

 

Für dieses ?Hinübergleiten? in den Geltungsbereich der Gewerbeordnung entfällt nach § 74 Abs. 4 und 6 GewO 1994 die Notwendigkeit einer betriebsanlagenrechtlichen Genehmigung. Stattdessen gilt die nach den vormals anwendbaren Rechtsvorschriften erteilte Genehmigung ? im vorliegenden Fall also die Genehmigung nach dem Burgenländischen Buschenschankgesetz vom 28.04.1998 sowie die Baufreigabe nach § 17 Abs. 4 des Burgenländischen Baugesetzes vom selben Datum ? als betriebsanlagenrechtliche Genehmigung. Da es entgegen dem Vorbringen des Berufungswerbers seit der Anzeige vom 28.08.2001 zu keiner weiteren gewerberechtlichen Genehmigung gekommen ist, richtet sich der Stand des betriebsanlagenrechtlichen Konsenses im konkreten Fall nach den erwähnten landesrechtlichen Genehmigungen vom 28.04.1998. Nach diesen Genehmigungen ist dem Berufungswerber aber die Verabreichung warmer Speisen nicht gestattet, da nach § 2 Abs. 9 GewO 1994 die Verabreichung von warmen Speisen im Rahmen eines Buschenschankbetriebes nicht erlaubt ist. Daher kann aus einer buschenschankrechtlichen Genehmigung (noch weniger aus einer baurechtlichen Genehmigung) keine anlagenrechtliche Deckung für die Verabreichung warmer Speisen abgeleitet werden.

 

Auch die Anmeldung des freien Gewerbes ?Heurigenbuffet? hat keine solche anlagenrechtliche Deckung für die Verabreichung warmer Speisen bewirkt, weil diese bloß berufsrechtlich wirkt.

 

Seit der Ausübung gewerblicher Tätigkeit in der Anlage des Berufungswerbers, also jedenfalls seit der Ausübung des am 28.08.2001 angemeldeten Gewerbes ?Heurigenbuffet? und der damit verbundenen Anwendbarkeit des gewerblichen Betriebsanlagenrechtes war dem Berufungswerber daher in der verfahrensgegenständlichen Anlage die Verabreichung warmer Speisen betriebsanlagenrechtlich nur erlaubt, soweit die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Schutzinteressen des § 74 Abs. 2 GewO 1994 auszuschließen war (und folglich keine Genehmigungspflicht nach § 74 Abs. 2 GewO 1994 gegeben war). Da aber mit der Verabreichung einer wahrnehmbaren Menge warmer Speisen regelmäßig Gerätschaften bzw. Emissionen (Gasöfen und Ähnliches bzw. fetthältige Abwässer, für die bewohnte Nachbarschaft belästigende Gerüche) verbunden sind, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die Schutzinteressen des § 74 Abs. 2 GewO 1994 zu beeinträchtigen, war eine solche Verabreichung von warmen Speisen (in wahrnehmbarer Menge) dem Berufungswerber im konkreten Fall anlagenrechtlich nicht erlaubt und hat sich daran mangels anlagenrechtlicher Genehmigung seit dem nichts geändert.

 

Daran ändert sich auch durch die Bestimmungen der §§ 74 Abs. 4 und Abs. 6 GewO 1994 nichts. Denn diese Bestimmungen ordnen nicht etwa die Ausweitung einer früher, nach anderen Rechtsvorschriften erteilten Genehmigung an, sondern vielmehr bloß deren Fortgeltung als gewerberechtliche Genehmigung. Bei verständiger, dem Sachlichkeitsgebot der Bundesverfassung verpflichteter Auslegung kann die Genehmigungsfiktion des § 74 Abs. 6 GewO 1994 ? insbesondere vor dem Hintergrund des Vorbildes ?Bergbauanlage? ? nur so verstanden werden, dass aus Gründen der administrativen Erleichterung und Kostenersparnis (so auch die Erläuterungen RV 575 BlgNR. XX. GP, zu Z. 3 der Regierungsvorlage) eine Anlagengenehmigung, die bereits im Wesentlichen die nach dem Betriebsanlagenrecht zu berücksichtigenden Schutzinteressen bedacht hat, trotz Wechsels der Anlage in das Anlagenregime des gewerblichen Betriebsanlagenrechtes weiterhin ausreicht, weil eben den Schutzinteressen der Gewerbeordnung ohnedies durch die alte Genehmigung ausreichend Rechnung getragen wurde. Hingegen kann dem Gesetzgeber vernünftigerweise nicht unterstellt werden, er habe eine neue Beeinträchtigung der Schutzinteressen des gewerblichen Betriebsanlagenrechtes durch Ausweitung des Betriebes einer bisher nicht dem gewerblichen Betriebsanlagenrecht unterliegenden Anlage zulassen und in dieser Weise die Inhaber solcher ?übergleitender? Anlagen im Vergleich zu sonstigen Betriebsausweitungen unsachlich privilegieren wollen. Vor diesem Hintergrund hat im Übrigen der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Genehmigungsfiktion des § 74 Abs. 6 GewO 1994 voraussetzt, dass sowohl die Identität der ursprünglich bewilligten mit der nunmehr betriebenen Anlage als auch die Identität der von der ursprünglichen Bewilligung erfassten Tätigkeit mit der nunmehr ausgeübten Tätigkeit gegeben ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/04/0128). In der Tat wäre es nicht einleuchtend, wenn beispielsweise durch Ausweitung einer vormals als Buschenschank betriebenen Anlage in ein regionales Dis kothekenzentrum auf Grund der Genehmigungsfiktion des § 74 Abs. 6 GewO 1994 die Rechtmäßigkeit des nunmehr ?plötzlich aufgetauchten? Diskothekenbetriebes anzunehmen wäre.

 

Demnach war und ist dem Berufungswerber in der verfahrensgegenständlichen Anlage die Verabreichung warmer Speisen (in wahrnehmbarem Umfang, der zu einer möglichen Beeinträchtigung der Schutzinteressen des gewerblichen Betriebsanlagenrechtes führen kann) anlagenrechtlich nicht erlaubt. Gerade aber die Annahme einer solchen (in spürbarer Menge erfolgenden) Verabreichung warmer Speisen war nach den Annahmen des gewerbetechnischen Sachverständigen im erstinstanzlichen Verfahren Grundlage  für  die von  der  Bezirkshauptmannschaft verfügte Vorschreibung einer Fettabscheideanlage nach § 79 Abs. 1 GewO 1994. Da aber eine solche Verabreichung nach den oben dargelegten Ausführungen anlagenrechtlich nicht erlaubt ist ? ob diese tatsächlich vorliegt, ist daher nach den obigen Ausführungen nicht entscheidungserheblich, wäre jedoch nicht bloß auf Grund einer Änderung der Gewerbeberechtigung sondern durch geeignete weitere Ermittlungen festzustellen ? durften zur Hintanhaltung der durch einen, allfälligen, erweiterten Küchenbetrieb verursachten Beeinträchtigungen der Kanalisationsanlage durch fetthältige Abwässer auch keine Auflagen nach § 79 Abs. 1 GewO 1994 vorgeschrieben werden. Wenn daher im Erlass des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Angelegenheiten vom 13.11.1997, Zl. 32.830/259-III/A/2/97, im Falle der Anwendbarkeit des § 74 Abs. 6 GewO 1994 eine Vorgangsweise nach § 79 Abs. 1 GewO 1994 nahe gelegt wird, sind diese Ausführungen zumindest missverständlich. Für den vorliegenden Fall erweist sich dieser ? für den Unabhängigen Verwaltungssenat selbstverständlich nicht normativ verbindliche, sondern bloß hinsichtlich seines allfälligen argumentativen Gehaltes berücksichtigungswürdige ? Erlass als im konkreten Fall unzutreffend.

 

Vielmehr stellt sich die Rechtslage im Hinblick auf die Anlage des Berufungswerbers so dar, dass die Verabreichung warmer Speisen in einem Ausmaß, der zur möglichen Beeinträchtigung der Schutzinteressen des § 74 Abs. 2 GewO 1994 führt, ohne das Vorliegen einer entsprechenden gewerberechtlichen Genehmigung den Tatbestand des § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO (genehmigungslose Änderung einer genehmigten Betriebsanlage bzw. betreiben einer geänderten Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung) erfüllen würde. Auf diesen Sachverhalt hätte die Bezirksverwaltungsbehörde daher nicht mit Vorschreibungen nach § 79 Abs. 1 GewO 1994 sondern mit Durchführung eines Strafverfahrens und allenfalls mit Maßnahmen nach § 360 GewO 1994 zu reagieren.

Die von der Bezirkshauptmannschaft nach § 79 Abs. 1 GewO 1994 verfügte Vorschreibung von Auflagen war daher mangels des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen spruchgemäß ersatzlos aufzuheben.

Schlagworte
Reichweite von nicht gewerberechtlichen Altgenehmigungen
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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