Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alois Huber über die Berufung des Herrn P. P., S., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H. P., S., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 11.07.2006, Zahl VK-381-2006, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Tatzeit: 16.01.2006 um 16.30 Uhr
Tatort: Kleinfeldweg 2, Parkplatz Allianz-Versicherung
Fahrzeug: Personenkraftwagen, XY
Sie haben das angeführte Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichen Verkehr gelenkt, obwohl Sie nicht im Besitze einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung der betreffenden Klasse oder Unterklasse, in die das gelenkte Kraftfahrzeug fällt, waren, da Ihnen diese mit Bescheid entzogen wurde. Behörde:
Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung Bescheid vom 20.12.2005, GZ: 6-8077-2005.?
Dem Beschuldigten wurde eine Verwaltungsübertretung nach § 37 Abs 1 iVm § 1 Abs 3 des Führerscheingesetzes zur Last gelegt und wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 800,00, im Uneinbringlichkeitsfalle 10 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht Berufung erhoben. In dieser Berufung wurde die Begehung der zur Last gelegten Verwaltungsübertretung bestritten.
Unabhängig vom Vorbringen in dieser Berufung kommt dem Rechtsmittel aus nachstehenden Gründen Berechtigung zu:
Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs 2 und 3) vorgenommen worden ist.
Gemäß § 32 Abs 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung und dgl), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
Eine Verfolgungshandlung, die den Eintritt der Verfolgungsverjährung verhindert, hat sich auf einen konkreten Tatort und eine konkrete Tatzeit zu beziehen. Eine taugliche Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten hat nämlich das ihm zur Last gelegte Handeln unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z 1 VStG in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift (gemäß § 44a Z 2 VStG) näher zu konkretisieren und individualisieren (VwGH 12.05.1989, 87/17/0152 ua).
Die Berichtigung von wesentlichen Tatbestandsmerkmalen durch die Berufungsbehörde setzt voraus, dass innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs 2 VStG eine entsprechende Verfolgungshandlung hinsichtlich dieses Merkmals erfolgt ist (VwGH 24.03.1993, 92/03/0033).
Betreffend den Tatort ist festzuhalten, dass dieser im Spruch des Straferkenntnisses wie folgt angelastet wird:
?Kleinfeldweg 2, Parkplatz Allianz-Versicherung?. Auch in der innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist ergangenen Aufforderung zur Rechtfertigung vom 08.02.2006 findet sich dieser ?Tatort?.
Somit ist die politische Gemeinde, in der das Fahrzeug gelenkt worden ist, nicht benannt. Dazu ist anzuführen, dass bezüglich der ausreichenden örtlichen Konkretisierung zweifelsfrei von Delikt zu Delikt unterschiedliche Maßstäbe anzulegen sein werden. Im gegenständliche Fall, der Übertretung nach § 1 Abs 3 FSG, ist hinsichtlich der örtlichen Konkretisierung sicherlich ein großzügigerer Maßstab anzulegen, wobei jedoch zweifelsfrei in Verbindung mit der zur Last gelegten Tatzeit gewährleistet sein muss, dass der Beschuldigte einerseits in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und andererseits rechtlich davor geschützt ist, wegen desselben Verhaltens neuerlich zur Verantwortung gezogen zu werden.
In zeitlicher Hinsicht wurde dem Beschuldigten im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses der 16.01.2006 um 16.30 Uhr angelastet. Auch in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 08.02.2006 ? die einzige Verfolgungshandlung innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist ? scheint dieselbe Tatzeit auf. Diese Tatzeit ist jedoch nicht korrekt. Diese Tatzeit scheint zwar in der Anzeige der Polizeiinspektion Reutte vom 28.01.2006 zu Zahl A1/436/01/2006 auf. Im Berufungsverfahren wurde die Polizeiinspektion Reutte mit Schreiben vom 12.09.2006 um Mitteilung ersucht, ob es zutrifft, dass dem Beschuldigten um 16.25 Uhr mitgeteilt worden ist, dass ihm die Lenkerberechtigung entzogen worden ist und er trotzdem kurze Zeit später das Fahrzeug um 16.30 Uhr gelenkt hat. Hierauf teilte die Polizeiinspektion Reutte mit Schreiben vom 16.09.2006 mit, dass der Beschuldigte am 16.01.2006 um ca. 15.25 Uhr durch Gr Insp H. vom Entzug der Lenkberechtigung informiert worden sei und ihm das Lenken des Kraftfahrzeuges untersagt worden sei. Der Beschuldigte habe trotz erfolgter Belehrung den Kombi Citroen Xantia, Kennzeichen XY (A), am 16.01.2006 um 15.30 Uhr im Ortsgebiet von Reutte (vom Kirchweg in Richtung Lindenstraße) gelenkt.
Auf Grund dieser Mitteilung wurde die Polizeiinspektion Reutte neuerlich mit 05.10.2006 um Auskunft ersucht, ob das Lenken ohne Lenkerberechtigung am 16.01.2006 um 16.30 Uhr (wie in der Anzeige angeführt) oder aber schon um 15.30 Uhr erfolgt ist. Hierauf teilte die Polizeiinspektion Reutte mit Schreiben vom 09.10.2006 mit, dass nach Überprüfung der Anzeige und der Aktenunterlagen (Anfrageergebnis des Zentralen Führerscheinregisters vom 16.01.2006, 16.16 Uhr) festzustellen ist, dass die in der Anzeige angeführt Uhrzeit (16.30 Uhr) nicht richtig ist und der Beschuldigte den Kombi mit dem Kennzeichen XY bereits um 15.30 Uhr in Reutte auf dem Kleinfeldweg in Richtung Lindenstraße gelenkt hat. Somit wurde innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist keine Verfolgungshandlung gesetzt, die eine korrekte Tatzeit, nämlich
15.30 Uhr, beinhaltet hätte. Damit wurde in örtlicher Hinsicht keine hinreichende Tatortbezeichnung angelastet und in zeitlicher Hinsicht eine unrichtige Tatzeit zur Last gelegt. Aufgrund dieser Umstände liegt keine taugliche Verfolgungshandlung vor, sodass das erstinstanzliche Straferkenntnis wegen Verfolgungsverjährung zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen war.