Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Hermann Riedler über die Berufung des Herrn R. F., XY 4, D-C., vom 25.08.2006, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 19.06.2006, Zahl VK-3795-2006, betreffend eine Übertretung nach der StVO 1960, gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wie folgt:
Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.
Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 02.03.2006, Zahl VK-3795-2006, wurde Herrn R. F. folgender
Sachverhalt zur Last gelegt:
?Tatzeit: 17.01.2006 um 11.21 Uhr
Tatort: A12, bei km 96.000, beim Autobahnparkplatz vor der Raststätte Rosenberger
Fahrzeug: Anhänger, XY
Sie haben einen Anhänger ohne Zugfahrzeug ohne Ladetätigkeit auf der Fahrbahn stehen gelassen, obwohl unbespannte Fuhrwerke, Anhänger ohne Zugfahrzeug sowie Transportbehälter zur Güterbeförderung (wie Container, Lademulden udgl) nur während des Beladens oder Entladens auf der Fahrbahn stehen gelassen werden dürfen.?
Der Beschuldigte habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 23 Abs 6 StVO verletzt und wurde über diesen gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe von Euro 50,00 verhängt.
Gegen diesen Einspruch wurde vom Beschuldigten mit Schreiben vom 10.03.2006 fristgerecht Berufung eingebracht und darauf hingewiesen, dass er einem türkischen LKW-Fahrer Fremdstarthilfe gegeben habe. Dabei habe er seinen LKW Renault-Magnum absatteln müssen, weil die Batterien in der Mitte und vor der Sattelkupplung sich befänden. Vom türkischstämmigen LKW-Fahrer habe er weder Adresse oder Kennzeichen des LKW?s.
Dem Einspruch war eine Skizze beigeschlossen, welche die Situation auf der Raststätte Rosenberger im Zuge der vom Beschuldigten behaupteten Starthilfe darstellte.
Nachdem in weiterer Folge zum Einspruchsvorbringen eine schriftliche Stellungnahme des Meldungslegers Insp. G. vom 02.04.2006 eingeholt wurde, in welcher darauf hingewiesen wurde, dass in der Nähe des geparkten Anhängers keine in den Anspruchsangaben angegebenen Tätigkeiten festgestellt worden waren und auch keine Lade- bzw Entladetätigkeiten wahrgenommen werden konnten, erging in weiterer Folge das Straferkenntnis vom 19.06.2006, Zahl VK-3795-2006, nachstehenden Inhaltes:
?Gemäß § 49 Abs 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird dem Einspruch der/des F. R., wohnhaft in C., XY 4, gegen das Ausmaß der mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, Zahl VK-3795-2006, verhängten Strafe Folge gegeben und die Strafe auf
Euro, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
1. 36,00, 0 Stunden
herabgesetzt.
Nach § 64 Abs 1 und 2 VStG hat R. F. einen Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens in Höhe von 10 Prozent der verhängten Geldstrafe, das sind Euro 3,60 zu bezahlen.?
In der gegen dieses Straferkenntnis von R. F. eingebrachten Berufung vom 25.08.2006 wiese dieser daraufhin, dass er die Welt nicht mehr verstehe, warum er eine Strafe zahlen solle, wenn er einem Kollegen beim Fremdstarten geholfen habe. Bei einem mit dem Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck geführten Telefonat sei ihn zugesichert worden, keine Strafe zu erhalten. Es wurde nochmals ersucht, den Vorfall zu überprüfen.
Die Berufungsbehörde hat hiezu wie folgt erwogen:
Nach § 49 Abs 1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen 2 Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.
Nach § 49 Abs 2 VStG ist, wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird, das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem aufgrund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.
Im verfahrensgegenständlichen Fall hat die Erstbehörde unzulässigerweise den Einspruch des Beschuldigten vom 10.03.2006 gegen die Strafverfügung vom 02.03.2006, Zahl VK-3795-2006, lediglich als Einspruch gegen das Ausmaß der verhängten Strafe und nicht als vollen Einspruch, somit auch als Einspruch gegen die Schuldfrage, angesehen. Der Einspruchswerber hatte vielmehr in seinem Einspruch darauf hingewiesen, dass er das Tatbild des § 23 Abs 6 StVO durch das Gewähren von Starthilfe nicht erfüllt hat. Aufgrund des Umstandes, dass somit durch den eingebrachten Einspruch die gesamte Strafverfügung außer Kraft getreten ist, hätte die Erstinstanz das ordentliche Verfahren einzuleiten und ein den Erfordernissen des § 44a VStG entsprechendes Straferkenntnis zu erlassen gehabt. Der Spruch hätte, wenn er nicht auf Einstellung gelautet hätte, jedenfalls die als erwiesen angenommene Tat, die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung, sowie eine Entscheidung über die Kosten zu enthalten gehabt. Den Erfordernissen des § 44a Z 1, 2 und 3 VStG wurde durch das nunmehr angefochtene Straferkenntnis jedenfalls nicht entsprochen.
Aus Anlass der eingebrachten Berufung sieht sich die Berufungsbehörde veranlasst, darauf hinzuweisen, dass das Fehlen eines wichtigen Grundes für das Stehenlassen eines Anhängers auf der Fahrbahn ein wesentliches Sachverhaltselement der Übertretung nach § 23 Abs 6 StVO darstellt, welches gemäß § 44a Z 1 VStG in den Bescheidspruch aufzunehmen ist (vgl VwGH 25.09.1986, 86/02/0055). Diesem Erfordernis wurde innerhalb der gesetzlichen Verfolgungsverjährungsfrist nicht Rechnung getragen.
Aus den dargelegten Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.