Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch die Kammermitglieder Dr. Liebenwein, Dr. Hütter und Dr. Ruiner über die Berufung der Almgenossenschaft H Alm; L, H 79, vertreten durch den Obmann F T, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von
Steiermark vom 03.05.2006, GZ.: FA8A-75 H 34/6-2006, betreffend
Vorschreibung einer Entkeimungsanlage wie folgt entschieden: Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben. Rechtsgrundlagen: § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG; § 39 Abs 1 Z 13 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz - LMSVG; § 5 Z 5 Trinkwasserverordnung - TWV.
Die erste Instanz erließ gegenüber der Almgenossenschaft H Alm einen Bescheid mit dem Spruch, dass dieser Almgenossenschaft, vertreten durch ihren Obmann, auf Grund der bakteriologischen Belastung des Wassers aus der Almgenossenschaft H Alm die Installation einer Entkeimungsanlage (Dauerchlorierung oder UV-Desinfektionsanlage) vorgeschrieben wird und setzte zur Erfüllung eine Frist bis 30.06.2006. Sie stützte sich begründend auf eine Begutachtung der am 02.06.2005 gezogenen Trinkwasserprobe durch das Hygieneinstitut der Universität Graz, die eine erhöhte Anzahl an Bakterien (Escherichia coli, coliformer Keime und Enterokokken) ergeben habe. Sie habe den Betreiber der Wasserversorgungsanlage mit Schreiben vom 14.06.2005 aufgefordert, die Anlage binnen 30 Tagen in den gesetzmäßigen Zustand zu versetzen und durch eine neuerliche Untersuchung die Trinkwassereignung nachzuweisen. Der Nachweis sei nicht erbracht worden, dem Betreiber daher mit dem Bescheid vom 26.07.2005 die Verwendung des Wassers aus der Wasserversorgungsanlage als Lebensmittel und zur Herstellung von Lebensmitteln wegen bakteriologischer Verunreinigung sofort untersagt worden. Dem Betreiber sei mit dem Schreiben vom 22.09.2005 mitgeteilt worden, dass die Absicht bestehe, eine UV-Wasserdesinfektionsanlage vorzuschreiben und es sei ihm Gelegenheit gegeben worden, das Parteiengehör wahrzunehmen, was jedoch nicht geschehen sei. Die Lebensmittelaufsicht habe am 03.03.2006 Stellung genommen und auf fortlaufende Probleme mit dem Trinkwasser auf der H Alm hingewiesen, so auf die letzten Untersuchungen vom 28.06.2004, 17.08.2004 und 02.06.2005, die eine massive Verunreinigung mit Keimen ergeben hätten. Daher sei die bescheidmäßige Vorschreibung einer UV-Wasserdesinfektionsanlage aufrecht zu erhalten.
Abschließend heißt es im Bescheid: Aufgrund ... der Ergebnisse mehrmalig gezogener Wasserproben, sowie der Tatsache, dass bis dato keine Maßnahmen gesetzt wurden, um eine einwandfreie Qualität des abgegebenen Trinkwassers zu gewährleisten, war im Sinne des Schutzes der menschlichen Gesundheit spruchgemäß zu entscheiden.
Die Almgenossenschaft berief durch ihren Obmann: Die früheren Wasseruntersuchungen seien immer in Ordnung gewesen. Erst in den letzten beiden Jahren sei aus unerklärlichen Gründen ein erhöhter Keimgehalt festgestellt worden. Dies sei vielleicht auch auf die übermäßigen Niederschlagsmengen im Jahr 2004 zurückzuführen. Durch mehrmaliges gewissenhaftes Reinigen und Desinfizieren der gesamten Anlage sei der Keimgehalt laufend reduziert worden. Außerdem sei auf Anraten der Baubezirksleitung Liezen die Einzäunung der Quelle im Vorjahr um ein Vielfaches vergrößert worden. Es sei zu hoffen, dass damit die Wasserqualität der Quelle positiv beeinflusst werde. Dass dies der Fall sei, zeige die letzte Wasseruntersuchung vom 03.11.2005. Auch sei man mit der Firma S wegen einer neuartigen Filterungsanlage im Gespräch, die schon längere Zeit in Krankenhäusern Verwendung finde. Da die Almgenossenschaft sehr großen Wert auf eine hervorragende Wasserqualität lege, hoffe man, dass durch diese Maßnahmen der Bescheid vom 03.05.2006 aufgehoben werde. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark gelangt auf Grund der Aktenlage zu folgenden Feststellungen: Die Almgenossenschaft H Alm, die durch F T als Obmann vertreten wird, betreibt auf der H Alm in L eine Wasserversorgungsanlage, wobei eine Quelle gefasst und ein Hochbehälter errichtet wurde. Der Prüf- und Überwachungsbericht des Institutes für Hygiene in Graz vom 06.06.2005 erbrachte für die Probe, die am 02.06.2005 entnommen wurde, folgendes bakteriologische Ergebnis: Escherichia coli 1, coliforme Bakterien 3 und Enterokokken 2, die Gesamtbeurteilung ergab Nicht genusstauglich. Das Hygieneinstitut empfahl, die Quellsammelstube zu reinigen und zu desinfizieren. Zugleich stellte sie fest, dass der baulich-hygienische Zustand der Wasserversorgungsanlage und ihrer Umgebung keinen Grund zu einer Beanstandung ergeben habe. Der Landeshauptmann forderte die Almgenossenschaft H Alm daraufhin mit dem Schreiben vom 14.06.2005 auf, Maßnahmen zur Wiederherstellung der einwandfreien Qualität des Wassers zu ergreifen, um spätestens innerhalb von 30 Tagen den Parameterwerten zu entsprechen und die Trinkwassereignung des Wassers durch eine neuerliche Untersuchung nachzuweisen. Da die Almgenossenschaft der Aufforderung offensichtlich nicht nachkam, untersagte der Landeshauptmann mit dem Bescheid vom 26.07.2005 ab sofort die Verwendung des Wassers aus der Wasserversorgungsanlage der Almgenossenschaft als Lebensmittel bzw zur Herstellung von Lebensmitteln wegen bakteriologischer Verunreinigung, sprach aus, dass es zu Trinkzwecken und zur Erzeugung und Zubereitung von Lebensmitteln erst nach drei Minuten dauerndem Abkochen oder durch ein anderes geeignetes Verfahren, zum Beispiel Chlorung oder UV-Entkeimung, verwendet werden darf, und ordnete weiter an die dauerhafte Anbringung von Schildern mit der Aufschrift Kein Trinkwasser an allen Leitungsausläufen, die öffentlich zugängig sind, eine gründliche Reinigung und Desinfektion der Quellsammelstube und schließlich nach Durchführung der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen die neuerliche Untersuchung des Wassers durch eine staatlich autorisierte Untersuchungsanstalt und Information der Bezirkshauptmannschaft Liezen von diesem Befund. Die Fachabteilung 8B, Lebensmittelaufsicht, ersuchte die Fachabteilung 8A mit dem Schreiben vom 16.09.2005 um Vorschreibung einer UV-Desinfektionsanlage bis 30.05.2006 für die gegenständliche Wasserversorgungsanlage, da die letzten Untersuchungen keine einwandfreie Beschaffenheit des Trinkwassers ergeben hätten. In diesem Sinn wandte sich die Fachabteilung 8A mit dem Schreiben vom 22.09.2005 an die Almgenossenschaft und gab bekannt, dass sie sich veranlasst sehe, eine UV-Desinfektionsanlage vorzuschreiben, wobei eine Frist bis 30.05.2006 ins Auge gefasst sei. Hiezu könne die Almgenossenschaft innerhalb von vier Wochen Stellung nehmen. Da die Frist verstrich, wiederholte die Fachabteilung 8A mit dem Schreiben vom 09.11.2005 die Einladung zur Stellungnahme binnen vier Wochen. Die Bezirkshauptmannschaft Liezen legte daraufhin mit dem Schreiben vom 14.11.2005 der Fachabteilung 8A den Prüfbericht des Institutes für Hygiene Graz vom 08.11.2005 vor, der sich auf eine Probenahme vom 02.11.2005 beim Auslauf Küche S- Hütte auf der H Alm bezog und in der Gesamtbeurteilung bezüglich der bakteriologischen Analysenwerte keinen Grund zu einer Beanstandung ergab. Die Werte für Escherichia coli, coliforme Bakterien und Enterokokken waren jeweils mit 0 ausgewiesen. Auch der baulich- hygienische Zustand der Wasserversorgungsanlage und ihrer Umgebung wurde vom Institut für Hygiene nicht beanstandet. Die Fachabteilung 8A sah sich daraufhin veranlasst, der Almgenossenschaft mit dem Schreiben vom 18.11.2005 mitzuteilen, dass die mit Bescheid vom 26.07.2005 verfügte Maßnahme als aufgehoben betrachtet werden könne und stellte in Aussicht, dass das Verfahren zur allfälligen Vorschreibung einer UV-Desinfektionsanlage allenfalls nach Vorliegen einer fachlichen Stellungnahme der Lebensmittelaufsicht fortgeführt würde. Die Lebensmittelaufsicht (Fachabteilung 8B) sprach sich im Schreiben vom 03.03.2006 dafür aus. Es habe auf der
H Alm immer wieder Probleme mit dem Trinkwasser gegeben. Die Proben auf Grund der Untersuchungen (gemeint: Probenahmen) vom 28.06.2004, 17.08.2004 und 02.06.2005 hätten eine massive Belastung mit Keimen ergeben, daher werde auf jeden Fall die Vorschreibung einer UV-Desinfektionsanlage vorgeschlagen. Beigeschlossen waren die Prüfberichte des Institutes für Hygiene vom 02.07.2004, 25.08.2004 und 06.06.2005 mit Werten von 14, 6 und 1 für Escherichia coli, 20, 10 und 3 für coliforme Bakterien und 12, 4 und 2 für Enterokokken. Am 03.05.2006 erließ der Landeshauptmann daraufhin den nunmehr angefochtenen Bescheid. Die Fachabteilung 8A wandte sich am 30.05.2006 an die Fachabteilung 8B mit dem Ersuchen um Stellungnahme im Hinblick auf eine allfällige Berufungsvorentscheidung und legte die Berufung vom 11.05.2006 bei. In ihrer Antwort vom 14.08.2006 äußerte sich die Fachabteilung 8B wie folgt: In Beantwortung Ihres Schreibens vom 30. Mai d.J., obige GZ. betreffend, wird mitgeteilt, dass laut hieramtlicher Ansicht vom Betreiber der Wasserversorgungsanlage zumindest ein weiterer Wasseruntersuchungsbefund, welcher keine Überschreitung der zulässigen Werte aufweist, vorgelegt werden sollte, ehe über eine Bescheidaufhebung zu urteilen ist.
Rechtliche Beurteilung: § 39 LMSVG ist mit Maßnahmen überschrieben, sein erster Absatz lautet auszugsweise: Bei Wahrnehmung von Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften hat der Landeshauptmann mit Bescheid, gegebenenfalls unter einer gleichzeitig zu setzenden angemessenen Frist und unter Ausspruch der notwendigen Bedingungen oder Auflagen, die nach Art des Verstoßes und unter Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit erforderlichen Maßnahmen zur Mängelbehebung oder Risikominderung anzuordnen, wie insbesondere: 1. - 12. ...
13. die Durchführung baulicher, anlagentechnischer und ausstattungsmäßiger Verbesserungen; 14. ... Der Unternehmer hat die Kosten der Maßnahmen zu tragen. Nach § 2 Z 1 der Trinkwasserverordnung in der Fassung der Novelle BGBl II Nr. 254/2006 ist Wasser gemäß dieser Verordnung Wasser für den menschlichen Gebrauch gemäß § 3 Z 2 LMSVG (somit: Wasser vom Wasserspender bis zum Abnehmer zum Zweck der Verwendung als Lebensmittel und in Lebensmittelunternehmen gemäß Z 10 erster Satz). § 5 TWV ist mit Eigenkontrolle überschrieben, sein erster Satz und die Z 5 lauten: Der Betreiber einer Wasserversorgungsanlage hat ... 5. soweit bei Untersuchungen gemäß den Z 2 und 3 die Nichteinhaltung der mikrobiologischen oder chemischen Anforderungen gemäß Anhang I Teil A und B festgestellt wurde, unverzüglich Maßnahmen zur Wiederherstellung der einwandfreien Qualität des abgegebenen Wassers zu ergreifen, um spätestens innerhalb von 30 Tagen den Parameterwerten zu entsprechen; ... ... Anhang I betrifft Parameter und Parameterwerte, Teil A den mikrobiologischen Parameter, darunter beträgt der Wert für Escherichia coli und Enterokokken jeweils 0. Aus § 5 Z 5 TWV ergibt sich somit, dass der Betreiber einer Wasserversorgungsanlage bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstkonzentration (Parameterwert) unverzüglich Maßnahmen zur Wiederherstellung der einwandfreien Qualität des Wassers zu ergreifen hat; der Landeshauptmann hingegen hat nach § 39 Abs 1 LMSVG bei Wahrnehmung von Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Vorschreibungen die nach Art des Verstoßes und unter Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit erforderlichen Maßnahmen anzuordnen. Da der Betreiber im Berufungsfass bei Überschreitung der zulässigen Höchstkonzentration unverzüglich zu reagieren hatte, waren die vom Landeshauptmann zu setzenden Maßnahmen nach Art des Verstoßes ebenfalls unverzüglich anzuordnen. Es steht daher mit den genannten Bestimmungen nicht im Einklang, wenn sich der Landeshauptmann bei Erlassung des angefochtenen Bescheides auf die Prüfberichte vom 02.07.2004, 25.08.2004 und 06.06.2005, aus denen sich unzulässige Keimbelastungen ergaben, stützte, aber das Untersuchungsergebnis vom 08.11.2005, dass die Unbedenklichkeit des Trinkwassers ergab, außer Betracht ließ und in der Bescheidbegründung nicht einmal erwähnte. Der Betreiber der Wasserversorgungsanlage hat nach § 5 Z 5 dritter Spiegelstrich TWV die zuständige Behörde lediglich zu informieren und ihr alle erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, wenn die Nichteinhaltung der mikrobiologischen Anforderungen nach Anhang I Teil A und B festgestellt wurde. Im Übrigen hat er die Probenentnahme durch die Agentur, die Untersuchungsanstalten der Länder oder gemäß § 73 LMSVG berechtigte Personen vornehmen zu lassen, wobei sich die Probenhäufigkeit nach Anhang II richtet. Hat nun der letzte Prüfbericht vom 08.11.2005 ein für die Almgenossenschaft günstiges Ergebnis erbracht, lag bei Bescheiderlassung kein Verstoß im Sinn des § 39 LMSVG gegen eine lebensmittelrechtliche Vorschrift mehr vor; daher war die erste Instanz nicht befugt, sich bei der Vorschreibung der Desinfektionsanlage auf ältere Prüfberichte zu stützen, die die Genussuntauglichkeit ergaben. Sie wäre aber auch nach der TWV nicht berechtigt gewesen, der Almgenossenschaft vor Aufhebung ihres Bescheides die Vorlage eines weiteren Wasseruntersuchungsbefundes aufzutragen, wie dies die Fachabteilung 8A im Mail vom 14.08.2006 verlangt hat. Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben. Da keine Verhandlung beantragt war, konnte die Entscheidung auf Grund der Aktenlage getroffen werden (§67d Abs 3 AVG).