Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein M0itglied Dr. Franz Triendl über die Berufung des Herrn Z. D., XY-Straße 98, K., vd P. und S. Anwaltspartnerschaft OEG, XY-Straße 4, F., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 21.09.2006, Zl VK-46065-2006, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber spruchgemäß folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Tatzeit: 08.11.2005
Tatort: Nauders auf der Reschenstraße B180, bei km 46,070 (zu Pkt. 1)
Tösens, auf der Reschenstraße B180, bei km 22,000 (zu Pkt. 2)
Fahrzeug: Sattelkraftfahrzeug, XY, XY
Der Beschuldigte, D. Z., geb. XY, wohnhaft in K., St. XY-Straße 98, hat
1. um 16.00 Uhr die nachfolgend beschriebenen Anordnungen eines Straßenaufsichtsorgans nicht befolgt, obwohl dies ohne Gefährdung von Personen und ohne Beschädigung von Sachen möglich gewesen wäre. AI A. ordnete am 08.11.05 gg. 09.00 Uhr an, die Weiterfahrt auf der B180 zu unterlassen und zurück nach Italien zu fahren. Entgegen dieser Weisung fuhr er zum tatgegenständlichen Zeitpunkt in Richtung Landeck weiter.
2. um 16.40 Uhr die nachfolgend beschriebenen Anordnungen eines Straßenaufsichtsorgans nicht befolgt, obwohl dies ohne Gefährdung von Personen und ohne Beschädigung von Sachen möglich gewesen wäre, RI S. ordnete an, dass das Sattelkraftfahrzeug zu wenden und zurück nach Italien zu fahren ist. Dieser Aufforderung ist er vorerst nicht nachgekommen.?
Der Berufungswerber habe dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
Zu 1. und 2. § 97 Abs 4 StVO. Über ihn wurde gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe in Höhe von je Euro 150,00 (Ersatzfreiheitsstrafe je 36 Stunden) verhängt sowie ein Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahrens vorgeschrieben.
In der fristgerecht dagegen erhobenen Berufung brachte der rechtsfreundlich vertretene Beschuldigte zusammenfassend vor, die gegenständlichen Anweisungen seien infolge der Rechtswidrigkeit des Reschenfahrverbotes ebenfalls rechtswidrig gewesen.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den erstinstanzlichen Akt.
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat wie folgt erwogen:
Der Berufung kommt Berechtigung zu.
Die Bezirkshauptmannschaft Landeck hat aufgrund der §§ 43 Abs 1 lit b Z 1 und Abs 2 lit a, 94 b sowie 94 f der StVO 1960, BGBl 159, idF des BGBl I 2003/71 am 10.05.2004, Zl: 3-4265, auf der B-180 Reschen Straße im Bereich von Str-Km 8,76 bis Str-Km 46,22 (Nauders/Staatsgrenze) ein Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge (Lastkraftwagen, Lastkraftwagen mit Anhängern, Sattelkraftfahrzeuge und Sattelzugfahrzeuge) mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t in beide Richtungen verordnet.
Wie die Behörde I. Instanz selbst angeführt hat (vgl Aktenvermerk vom 03.05.2006), hat der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol in seinem Berufungserkenntnis vom 14.04.2006, uvs-2005/17/1784-4 festgestellt, dass das Reschenfahrverbot mangelhaft kundgemacht war. Wird eine Verordnung gesetzwidrig kundgemacht, so ist sie von den Gerichten und den Unabhängigen Verwaltungssenaten nicht anzuwenden, dh als nicht existent zu betrachten, da sie keine Rechtswirkung entfaltet hat (vgl Art 89 Abs 1 iVm Art 129a Abs 3 und Art 135 Abs 4 B-VG; VwGH 21.51996, 96/05/0109).
Im zitierten Berufungserkenntnis stellte sohin der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol zusammenfassend fest, dass die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 10.05.2004, Zl: 3-4265, nicht ordnungsgemäß kundgemacht war und sohin gegenüber dem Berufungswerber keine Rechtswirkung entfalten konnte. Die Verordnung war daher auch nicht vom Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol anzuwenden. Das angefochtene Straferkenntnis war demzufolge zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
Im gegenständlichen Fall erfolgte eine Bestrafung wegen Missachtung einer polizeilichen Anordnung gemäß § 97 Abs 4 StVO. Diese Bestimmung lautet wie folgt:
?(4) Die Organe der Straßenaufsicht sowie die nach Abs 3 betrauten Organe sind, wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs erfordert, berechtigt, einzelnen Straßenbenützern für den Einzelfall Anordnungen für die Benützung der Straße zu erteilen, und zwar auch solche, die von den sonstigen diesbezüglichen Bestimmungen abweichen. Diese Anordnungen dürfen
a) nur gegeben werden, wenn ihre Befolgung ohne Gefährdung von Personen und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist,
b) nur befolgt werden, wenn dies ohne Gefährdung von Personen und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist.?
Es stellt sich nun die Frage, ob eine Missachtung einer polizeilichen Anordnung nach § 97 Abs 4 StVO, die unmittelbar und ausschließlich mit dem gegenständlichen Reschenfahrverbot in Zusammenhang steht, verwaltungsstrafrechtlich sanktionierbar ist. Zu dieser Problematik hat sich der Verwaltungsgerichtshof (vgl VwGH 20.10.1999, 99/03/0265) in einem vergleichbaren Fall wie folgt geäußert (Hervorhebungen durch den Gefertigten):
?Da die an der Stelle, an der der Lenker sein Fahrzeug abgestellt hatte, aufgestellten Verkehrszeichen gemäß § 52 lit a Z 13b StVO für sich allein - ohne Erlassung einer entsprechenden Verordnung - nicht die Rechtswirkungen eines Halteverbotes gemäß § 24 Abs 1 lit a StVO zeitigen konnten (Hinweis E 19.11.1982, 82/02/0137 und 22.4.1983, 82/02/0282), vermochten sie keine Situation zu begründen, die iSd § 97 Abs 4 StVO eine Ordnung des ruhenden Verkehrs erforderte. Fehlte es solcherart aber am genannten Erfordernis, dann mangelte dem Straßenaufsichtsorgan die Berechtigung zur Erteilung der Anordnung, das Fahrzeug aus dem Halteverbot und Parkverbot zu entfernen, sofern nicht erkennbar gewesen ist, dass die Entfernung etwa aus anderen Gründen für die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs erforderlich gewesen wäre. Die Nichtbeachtung einer unberechtigt erteilten Anordnung vermag aber keine Strafbarkeit nach § 99 Abs 3 lit j StVO zu begründen. Ob das Straßenaufsichtsorgan - subjektiv - der Meinung sein konnte, zur Erteilung der Anordnung berechtigt gewesen zu sein, ist unerheblich.?
Auf den gegenständlichen Fall umgelegt bedeutet dies, dass die Organe der Polizei in Bezug auf das Reschenfahrverbot die Anordnung, nach Italien zurückzufahren, nicht erteilen hätten dürfen. Diese Anordnung bezog sich ausschließlich auf das Reschenfahrverbot und nicht etwa auf andere Gründe wie zB die Untersagung der Weiterfahrt, um etwa die Einhaltung von Ruhezeiten zu gewährleisten (die diesbezügliche Anordnung der Untersagung der Weiterfahrt bis 16.00 Uhr wurde vom Beschuldigten beachtet ? siehe Aktenvermerk vom 08.11.2005, 09.10 Uhr). Ob die Polizeibeamten zum Zeitpunkt der Anhaltung dabei, aus ihrer ? subjektiven ? Sicht, zu Recht von einem aufrechten Bestehen des Reschenverbotes ausgegangen sind, mag etwa in einem Verfahren nach § 67a Abs 1 Z 2 AVG (?Maßnahmenbeschwerden?) von Belang sein, für das anhängige Verwaltungsstrafverfahren ist dies jedoch irrelevant.
Im Lichte der oben zitierten Entscheidung des VwGH war daher von keinem strafbaren Verhalten des Beschuldigten auszugehen und spruchgemäß zu entscheiden.