TE UVS Burgenland 2006/11/21 003/02/06093

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Veröffentlicht am 21.11.2006
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch seinen Präsidenten Mag Grauszer über die am 13 10 2006 eingelangte Beschwerde des Herrn *** (BF), geboren am ***,  wohnhaft in ***, vertreten durch Rechtsanwalt *** aus ***,  wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Abnahme der Kennzeichentafeln und des Zulassungsscheines nach § 57 Abs 8 KFG betreffend das Kleinkraftrad der Marke Rieju, behördliches Kennzeichen: ***, am 03 09 2006 um 15 00 Uhr in Strem durch ein Polizeiorgan im Verantwortungsbereich der Bezirkshauptmannschaft Güssing (belangte Behörde, BH)  in der heutigen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 67c Abs 3 AVG wird der Beschwerde Folge gegeben und die obige Abnahme der Kennzeichentafeln und des Zulassungsscheins  für rechtswidrig erklärt.

 

Gemäß § 79a Abs 3 und 4 AVG iVm. der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 334/2003, hat der Bund (BMVIT) dem Beschwerdeführer Kosten in der Höhe von 660,80 Euro für Schriftsatzaufwand und von 826,-- Euro für Verhandlungsaufwand sowie die Gebühren nach dem Gebührengesetz 1957, das sind 13,-- Euro für die Eingabe und 14,40 Euro für die Beilagen, zu ersetzen.

Text

1.1. Der BF begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abnahme der Kennzeichentafeln und des Zulassungsscheines betreffend das Kleinkraftrad der Marke Rieju, behördliches Kennzeichen: ***, am 03 09 2006 gegen 15 00 Uhr in Strem wegen mangelnder Verkehrs- und Betriebssicherheit gemäß § 57 Abs 8 KFG  durch ein Polizeiorgan der Grenzpolizeiinspektion ***.  Er sei entgegen einem Gebotszeichen in einem Kreisverkehr  gefahren, wobei er von Polizeibeamten beobachtet worden sei, die ihn dann verfolgt und angehalten hätten. Nach der von ihnen erstatteten Anzeige vom 4 9 2006 habe das Fahrzeug übermäßigen Lärm verursacht, weil Änderungen am Auspuff durchgeführt worden seien. Diese Behauptung der Polizeiorgane sei objektiv falsch. Eine Lärmpegelmessung  sei nicht erfolgt. Der Austausch von Teilen des Vergasers und Auspuffes habe lediglich eine Fahrgeschwindigkeit von 61 km/h ermöglicht, er sei auch nicht schneller gefahren (gemeint sind wohl die in der Anzeige erwähnten 70 km/h, die im Nachfahren mit dem Dienstwagen festgestellt worden seien). Außerdem habe keine Gefahr im Verzuge vorgelegen, die die beschriebene faktische Amtshandlung erlaubt hätte.

 

1.2. Die BH erstattete keine Gegenschrift und verteidigte die bekämpfte Amtshandlung nicht. Sie legte nur den Verwaltungsakt zur Zahl *** vor. In ihm erliegt die obgenannte Polizeianzeige. Danach hat der Angezeigte angegeben, dass der Auspuff nicht der Originalauspuff sei und Änderungen am Vergaser durchgeführt worden seien, um eine höhere Geschwindigkeit (als die Bauartgeschwindigkeit von 45 Km/h) erreichen zu können. So habe er das Moped bereits gekauft. Der Angezeigte  habe zugegeben, dass eine Geschwindigkeit von 60 km/h erreicht werden könne. Die KFZ-Tafel und der Zulassungsschein seien ?gem. § 57/8 KFG abgenommen? worden, ?da aufgrund der technischen Änderungen die Verkehrs- u Betriebssicherheit nicht mehr gewährleistet war und Gefahr im Verzug bestand?. Außerdem wird festgehalten, dass durch den ?unsachgemäßen Betrieb übermäßiger Lärm entstanden sei, da Änderungen am Auspuff durchgeführt wurden.? Die Änderungen am Auspuff und Vergaser, ?um eine höhere Bauartgeschwindigkeit zu erreichen?,  seien dem Landeshauptmann nicht angezeigt worden.

 

1.3. Am heutigen Tag wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der die BH nicht erschienen ist. Der als Zeuge einvernommene Polizeibeamte RI J St , der die Abnahme durchführte, bestätigte im Wesentlichen die aus der Anzeige bekannten Daten.

 

2. Hierüber wurde erwogen:

 

2.1. Aus der Anzeige, der Zeugenaussage und dem Beschwerdevorbringen ergibt sich übereinstimmend und zweifelsfrei, dass die KFZ- Tafeln und der Zulassungsschein in Strem zur angegebenen Zeit von einem Polizeiorgan anlässlich einer Verkehrskontrolle abgenommen wurden. Bei dieser Kontrolle an Ort und Stelle wurden technische Änderungen am Auspuff und Vergaser festgestellt, von denen vom Polizeiorgan angenommen wurde, dass dadurch eine höhere Geschwindigkeit als die zugelassene Bauartgeschwindigkeit von 45 km/h erreicht werden konnte. Weiters wurde angenommen, dass wegen dieser (unzulässigen) Änderungen die Verkehrs- und Betriebssicherheit nicht mehr gewährleistet gewesen sei und Gefahr im Verzug vorgelegen habe. Die Abnahme wurde (nur) auf  § 57 Abs 8 KFG gestützt.

 

2.2. In rechtlicher Hinsicht:

 

§ 57 KFG lautet:

?Verfahren bei der Überprüfung?

(1) Bei der besonderen Überprüfung (§ 56) ist ein Gutachten darüber einzuholen, ob das Fahrzeug

1.

den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit und

2.

soweit dies durch das prüfende Organ beurteilt werden kann, den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht und

 3. bei Kraftfahrzeugen darüber hinaus, ob mit ihnen nicht übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch oder schädliche Luftverunreinigungen verursacht werden.

Dieses Gutachten ist auf Grund einer Prüfung des Fahrzeuges abzugeben.

(2) Das Gutachten (Abs 1) ist bei einem gemäß § 125 bestellten Sachverständigen, bei der Bundesanstalt für Verkehr oder bei einem vom Landeshauptmann gemäß Abs 4 zur Abgabe von solchen Gutachten Ermächtigten einzuholen.

(3) [............]

(5) Der Zulassungsbesitzer hat sein Fahrzeug zur Prüfung (Abs 1) vorzuführen und das Fahrzeug-Genehmigungsdokument vorzulegen. Er hat dafür zu sorgen, dass das zur Prüfung vorgeführte Fahrzeug gereinigt ist.

(6) Ergibt die Überprüfung, dass das Fahrzeug den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht, so hat die Behörde dies auf dem Typenschein oder dem Bescheid über die Einzelgenehmigung und auf dem Zulassungsschein zu bestätigen. Diese Bestätigung unterliegt keiner Stempelgebühr.

(7) Entspricht das Fahrzeug nicht den Vorschriften (Abs 6), so hat die Behörde auszusprechen, welche Mängel zu beheben sind und bei Fahrzeugen, die sich nicht in verkehrs- und betriebssicherem Zustand befinden oder bei denen übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch oder schädliche Luftverunreinigungen verursacht werden, wann das Fahrzeug zur neuerlichen Prüfung vorzuführen ist.

(8) Wird die Verkehrssicherheit durch die weitere Verwendung des Fahrzeuges gefährdet, so sind bei Gefahr im Verzug, unbeschadet der Bestimmungen des § 44 Abs 1 lit a über die Aufhebung der Zulassung, der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln

unverzüglich abzunehmen.

(9) [............]. ?

§ 58 KFG lautet:

?Prüfung an Ort und Stelle

(1) Die Wirksamkeit der Teile und Ausrüstungsgegenstände eines Fahrzeuges, die bei seinem Betrieb betätigt werden und für die Verkehrs- oder Betriebssicherheit von Berufungsentscheidung Beutung sind, und der Zustand seiner Reifen kann jederzeit von der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, oder von den ihr zur Verfügung stehenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes an Ort und Stelle geprüft werden. Wird die Verkehrssicherheit durch die weitere Verwendung des Fahrzeuges gefährdet, so sind die Bestimmungen des § 57 Abs 8 anzuwenden. Weist das Fahrzeug Beschädigungen auf, die gegenwärtig seine weitere Verwendung offensichtlich ausschließen, so ist dies der Behörde, anzuzeigen.

(2) Die Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich ein Fahrzeug befindet, oder die ihr zur Verfügung stehenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes können jederzeit an Ort und Stelle prüfen, ob mit dem Fahrzeug mehr Lärm, Rauch, übler Geruch oder schädliche Luftverunreinigungen verursacht werden, als bei ordnungsgemäßem Zustand und sachgemäßem Betrieb unvermeidbar ist. Wird dabei festgestellt, dass mit dem Fahrzeug auf Grund unzulässiger, nicht genehmigter Änderungen oder auf Grund von schadhaften Teilen oder Ausrüstungsgegenständen unzulässig starker Lärm, Rauch, übler Geruch oder schädliche Luftverunreinigungen verursacht werden, so sind bei Gefahr im Verzug, unbeschadet der Bestimmungen des § 44 Abs 1 lit a über die Aufhebung der Zulassung, der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln unverzüglich abzunehmen. Durch Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie können nähere Kriterien, wann Gefahr in Verzug anzunehmen ist und der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln abzunehmen sind, festgelegt werden.

(2a) Fahrzeuge der Klassen M2, M3, N2, N3, O3 und O4 sind unabhängig ihrer Herkunft von der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, oder von den ihr zur Verfügung stehenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes technischen Prüfungen an Ort und Stelle (technischen Unterwegskontrollen) zuzuführen. Das Ergebnis der Prüfung ist in einem Prüfbericht festzuhalten. Eine Durchschrift des Prüfberichtes ist dem Lenker auszuhändigen. Die Behörde hat schwerwiegende Mängel an einem Nutzfahrzeug, das Eigentum eines Gebietsfremden ist, insbesondere Mängel, auf Grund deren die Benutzung des Fahrzeugs vorläufig untersagt wurde, den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem das Fahrzeug zugelassen ist oder in Verkehr gebracht wurde, auf der Grundlage des Musters des Prüfberichtes unbeschadet einer verwaltungsstrafrechtlichen Ahndung im Inland zu melden. Die Anzahl, Durchführung, Umfang und Dokumentation (Prüfbericht) dieser Prüfungen ist durch Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie festzusetzen.

(2b) [.........]

 (3) Kraftfahrzeuglenker,

1. die mit ihrem Fahrzeug mehr Lärm, Rauch, üblen Geruch oder

schädliche Luftverunreinigungen verursachen, als bei ordnungsgemäßem

Zustand und sachgemäßem Betrieb unvermeidbar ist, oder

2. bei deren Fahrzeug die Wirksamkeit von Teilen und

Ausrüstungsgegenständen, die für die Verkehrs- und

Betriebssicherheit von Bedeutung sind, beeinträchtigt erscheint,

haben das Fahrzeug auf Verlangen der Organe des öffentlichen

Sicherheitsdienstes an einem geeigneten, nicht mehr als 10 km von

ihrem Weg zum Fahrziel entfernten Ort zur Prüfung gemäß Abs 2

vorzuführen.

(4) [...............].

 

Der § 57 KFG regelt das Verhalten der Behörde (und nicht der Polizei) bei ?besonderen Überprüfungen (§ 56 KFG)?, also bei von ihr wegen bei ihr entstandener Bedenken (etwa aufgrund einer Polizeianzeige) hinsichtlich insbesondere der Verkehrssicherheit eines KFZs angeordneten Überprüfungen, wobei über den Zustand des vorgeführten KFZs ein Gutachten einzuholen ist. Wird bei einer solchen Überprüfung am vorgeführten KFZ festgestellt, dass seine weitere Verwendung die Verkehrssicherheit gefährdet, so kann die Behörde gemäß § 57 Abs 8 KFG (neben der Aufhebung der Zulassung) den Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln unverzüglich abnehmen. Aus der letztgenannten Vorschrift ist (unmittelbar) keine Ermächtigung der Polizei zu einer solchen Abnahme abzuleiten.

 

Der § 58 Abs 1 erster Satz  Satz KFG erlaubt der Behörde (zusätzlich zu § 57 KFG)  jederzeit an Ort und Stelle die Wirksamkeit ?einzelner Teile? und Ausrüstungsgegen-   stände ?eines Fahrzeuges, die bei seinem Betrieb betätigt werden können? (und für die Verkehrs- und Betriebssicherheit von Bedeutung sind) und den Zustand der Reifen zu überprüfen. Insoweit sind ihr Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gleichgestellt. Bei solchen Vor ? Ort ? Überprüfungen darf aber nicht das gesamte Fahrzeug (wie nach § 57 KFG) überprüft werden sondern dürfen nur Teile davon und zwar solche, die beim Betrieb des Fahrzeuges ?betätigt? werden (wie zB die Lenkung, Kupplung, die Bremsanlage, die Lichtanlage) überprüft werden. Insoweit ist der Prüfungsumfang enger als nach § 57 KfG (vgl VwGH 30 05 2001, 2001/11/0037; Grundtner-Pürstl, KFG, Manz Verlag, 7 Auflage, Seite 176, FN 3). Wird dabei ein Mangel im vorgenannten Sinn festgestellt, der die Annahme rechtfertigt, dass durch die weitere Verwendung des Fahrzeuges die Verkehrssicherheit gefährdet wird, so dürfen die Behörde und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, wenn weiters Gefahr im Verzug anzunehmen  ist, wie in § 57 Abs 8 KFG vorgesehen,  den Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln abnehmen. Betrifft ein bei einer Prüfung vor Ort festgestellter Mangel nicht einen Teil oder Ausrüstungsgegenstand, der betätigt werden kann, oder den Zustand der Reifen, so darf  § 57 Abs 8 KFG nicht sinngemäß angewendet werden (vgl Grundtner ? Pürstl, aaO, FN 7). In einem solchen Fall kann eine Abnahme durch Polizeiorgane (oder die Behörde) rechtens nicht auf § 57 Abs 8 iVm § 58 Abs 1 zweiter Satz KFG gestützt werden.

 

Ein solcher Sachverhalt liegt im Anlassfall vor. Bei der Verkehrskontrolle wurden ?technische Änderungen am Auspuff und am Vergaser? (iSv Mängel des Fahrzeuges,  welche die Verkehrssicherheit gefährden) festgestellt. Diese Fahrzeugteile können jedoch nicht ?betätigt? werden, weil sie für sich durch keinen Schalter, Hebel oder eine sonstige Vorrichtung in Gang gesetzt werden können. Diese Mängel sind deshalb keine solchen, die eine sinngemäße Anwendung des § 57 Abs 8 KFG durch das Polizeiorgan rechtfertigten. Die (nur) darauf gestützte Abnahme der Kennzeichentafeln und des Zulassungsscheins ist schon deshalb rechtswidrig. Ob die Verkehrssicherheit durch diese  Mängel bei einer Weiterverwendung des Fahrzeuges gefährdet war (also der Eintritt einer Unfallsituation zu befürchten war) und zusätzlich Gefahr im Verzug anzunehmen war, spielt deshalb hier keine Rolle mehr.

 

Es muss auch nicht beurteilt werden, ob die bekämpften Maßnahmen wegen der Lärmemissionen etwa nach § 58 Abs 2 KFG oder nach einer anderen Rechtsvorschrift rechtens gewesen wären, weil sie nicht darauf gestützt wurden. Der UVS hat nicht die abstrakte Zulässigkeit einer Maßnahme zu beurteilen (vgl VwGH 12 9 2006, 2005/03/0068).

 

3. Gemäß § 79a AVG steht der Partei, die in Fällen einer Beschwerde obsiegt, der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu. Die Entscheidung betreffend die Zuerkennung der Kosten für Vorlageaufwand und Schriftsatzaufwand sowie Stempelgebühren gründet sich auf den diesbezüglichen Antrag der obsiegenden Partei, auf die angeführte Gesetzesstelle sowie auf die UVS-Aufwandersatzverordnung 2003.

Schlagworte
Abnahme der Kennzeichentafeln und des Zulassungsscheins, faktische Amtshandlung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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