TE Vfgh Erkenntnis 1998/12/7 WI-4/97

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Veröffentlicht am 07.12.1998
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
Oö KommunalwahlO §63

Leitsatz

Keine Stattgabe der Anfechtung einer Gemeinderatswahl; rechtmäßige Beurteilung der Gültigkeit eines Stimmzettels

Spruch

Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Am 5.10.1997 fanden die von der oberösterreichischen Landesregierung mit Kundmachung vom 26.6.1997, LGBl. 1997/70, ausgeschriebenen Wahlen zum Gemeinderat der Gemeinden des Landes Oberösterreich, darunter die Gemeinde Ried in der Riedmark (politischer Bezirk Perg), statt.

Dieser Wahl lagen die von den folgenden wahlwerbenden Parteien eingebrachten, gemäß §34 O.ö. Kommunalwahlordnung, LGBl. 1996/81, abgeschlossenen und veröffentlichten Wahlvorschläge zugrunde:

Liste 1: Österreichische Volkspartei (ÖVP),

Liste 2: Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ),

Liste 3: Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ).

Laut Kundmachung der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Ried in der Riedmark vom 6.10.1997 entfielen von den insgesamt 2.236 abgegebenen gültigen Stimmen - 82 Stimmzettel wurden als ungültig gewertet - auf

SPÖ 1.084 Stimmen (13 Mandate),

ÖVP 917 Stimmen (10 Mandate),

FPÖ 235 Stimmen (2 Mandate).

2.1. Mit ihrer am 3.11.1997 zur Post gegebenen, an den Verfassungsgerichtshof gerichteten und auf Art141 Abs1 lita B-VG gestützten Wahlanfechtungsschrift begehrt die ÖVP,

"der Verfassungsgerichtshof wolle in Stattgebung dieser Anfechtung das Verfahren zur Wahl der Mitglieder des Gemeinderates der Gemeinde Ried in der Riedmark am 5. Oktober 1997 vom Ermittlungsverfahren der Sprengelwahlbehörden an für nichtig erklären und als rechtswidrig aufheben."

Begründend wird dazu im wesentlichen folgendes vorgebracht:

"Wie aus den Wahlakten hervorgeht, wurde ein Stimmzettel des Wahlsprengels 2 für gültig erklärt, obwohl in keinem der neben jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreise ein Zeichen angebracht wurde. Bei diesem zu Unrecht für gültig erklärten Stimmzettel wurd die Kurzbezeichnung SPÖ insofern durchgestrichen, als über dem Buchstaben 'Ö' ein liegendes Kreuz angebracht wurde, dh daß dieser Buchstabe durchgestrichen wurde. Damit hat der Wähler seine Entscheidung nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht. Es ist möglich, daß er die Striche, die ein liegendes Kreuz darstellen, nur irrtümlich nicht in den Kreis neben der Parteibezeichnung gesetzt hat und ungewollt in die Rubrik mit der Kurzbezeichnung geraten ist. Es darf dabei aber nicht übersehen werden, daß Striche, die über einer leeren Stelle gezeichnet werden, eine andere Bedeutung haben, als Striche, mit denen ein Text oder ein Buchstabe durchgestrichen wird. Striche letzterer Art gelten im allgemeinen als ein Durchstreichen des darunter befindlichen Textes, als Ausdruck der Ungültigkeit und Verneinung (VfSlg. 5144/1965).

Bei der beispielsweisen Aufzählung der Zeichen, die eindeutig Aufschluß über den Willen des Wählers geben, werden in §60 O.Ö. Kommunalwahlordnung 'Anhaken', 'Unterstreichen', 'sonstige entsprechende Kennzeichnung', 'Durchstreichen der übrigen wahlwerbenden Parteien' oder 'Eintragung eines, mehrerer oder aller Bewerber einer Parteiliste' angeführt. Ein 'Durchstreichen' ist keine 'Kennzeichnung'. Auch die O.Ö. Kommunalwahlordnung geht daher von der allgemeinen Bedeutung eines 'Durchstreichens' im Sinne eines Streichens, einer Beseitigung, einer Negation aus, wenn es in dem Durchstreichen der übrigen wahlwerbenden Parteien, also deren Verneinung, die Entscheidung für die verbliebene eine Partei erblickt (VfSlg. 5144/1965). Der beschriebene Stimmzettel wurde daher zu Unrecht für gültig erklärt."

Was den Einfluß dieser Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens auf das Wahlergebnis anlangt, so wird in der Anfechtungsschrift folgendes ausgeführt:

Aufgrund des von der Gemeindewahlbehörde festgestellten und kundgemachten Wahlergebnisses (s. dazu oben Pkt. 1.) betrage die Wahlzahl 83,38. Würde dagegen die der Anfechtung zugrundeliegende Stimme als ungültig gewertet, so würde die Wahlzahl 83,36 betragen und es entfielen auf die SPÖ nur 12, auf die ÖVP aber 11 Mandate.

2.2. Die Bezirkswahlbehörde Perg hat die Wahlakten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der sie ua. folgendes ausführt:

Die Beschlüsse der Gemeindewahlbehörde hinsichtlich der Gültigkeit der Stimmen und der Anzahl der gültig abgegebenen Stimmen seien einstimmig gefaßt worden. Hinsichtlich der Gültigkeit der angefochtenen Stimme habe sich die Wahlbehörde davon leiten lassen, "daß eine Durchstreichung nicht vorliegt, sondern vielmehr durch das Kreuz der Wählerwille hinreichend dokumentiert ist."

II. Über die - zulässige - Wahlanfechtung wurde erwogen:

1. Der Stimmzettel zeigt folgendes Bild:

(STIMMZETTEL NICHT DARSTELLBAR !)

2.1. Der mit "Gültige Ausfüllung des Stimmzettels für die Wahl des Gemeinderates" überschriebene §60 Kommunalwahlordnung lautet:

"(1) Zur Stimmenabgabe darf nur der vom Wahlleiter gleichzeitig mit dem Wahlkuvert und dem amtlichen Stimmzettel für die Wahl des Bürgermeisters dem Wähler übergebene amtliche Stimmzettel für die Wahl des Gemeinderates verwendet werden.

(2) Der Stimmzettel ist gültig ausgefüllt, wenn aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte. Dies ist der Fall, wenn der Wähler in einem der neben jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreise ein Kreuz oder ein anderes Zeichen mit Tinte, Farbstift oder Bleistift und dgl. anbringt, aus dem eindeutig hervorgeht, daß er die in derselben Zeile angeführte Parteiliste wählen will. Der Stimmzettel ist aber auch dann gültig ausgefüllt, wenn der Wille des Wählers auf andere Weise, zum Beispiel durch Anhaken, Unterstreichen, sonstige entsprechende Kennzeichnung einer wahlwerbenden Partei, durch Durchstreichen der übrigen wahlwerbenden Parteien oder durch Eintragung eines, mehrerer oder aller Bewerber einer Parteiliste, eindeutig zu erkennen ist."

2.2. §63 Kommunalwahlordnung - übertitelt mit "Ungültige Stimmzettel für die Wahl des Gemeinderates" - bestimmt:

"(1) Der Stimmzettel für die Wahl des Gemeinderates ist ungültig, wenn

1. ein anderer als der amtliche Stimmzettel zur Abgabe der Stimme verwendet wurde, oder

2. der Stimmzettel durch Abreißen eines Teiles derart beeinträchtigt wurde, daß nicht mehr eindeutig hervorgeht, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte, oder

3. keine Parteiliste und auch kein Bewerber angezeichnet wurden, oder

4. zwei oder mehrere Parteilisten angezeichnet wurden, oder

5. der Wähler ausschließlich Bewerbern verschiedener Parteilisten Vorzugsstimmen gibt, oder

6. aus dem vom Wähler angebrachten Zeichen oder der sonstigen Kennzeichnung nicht eindeutig hervorgeht, welche Parteiliste er wählen wollte.

(2) Wahlkuverts, die leer sind oder keinen Stimmzettel für die Wahl des Gemeinderates enthalten, zählen als ungültige Stimmzettel für die Wahl des Gemeinderates. Enthält ein Wahlkuvert mehrere Stimmzettel für die Wahl des Gemeinderates, die auf verschiedene wahlwerbende Parteien bzw. auf Bewerber verschiedener Parteien lauten, zählen sie, wenn sich ihre Ungültigkeit nicht schon aus anderen Gründen ergibt, als ein ungültiger Stimmzettel für die Gemeinderatswahl.

(3) Worte, Bemerkungen oder Zeichen, die auf den amtlichen Stimmzetteln außer zur Kennzeichnung der wahlwerbenden Partei oder zur Vergabe von Vorzugsstimmen angebracht wurden, beeinträchtigen die Gültigkeit eines Stimmzettels nicht, wenn sich hiedurch nicht einer der vorangeführten Ungültigkeitsgründe ergibt. Im Wahlkuvert befindliche Beilagen aller Art beeinträchtigen die Gültigkeit des amtlichen Stimmzettels nicht."

3. Der Verfassungsgerichtshof geht aufgrund der Aktenlage davon aus, daß auf dem streitverfangenen Stimmzettel ein Kreuz angebracht ist, das sich innerhalb des Buchstabens "Ö" in der Kurzbezeichnung "SPÖ" befindet.

Die gültige Ausfüllung eines Stimmzettels erfordert, daß "aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte" (§60 Abs2 erster Satz Kommunalwahlordnung). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Wähler in einem neben jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreis ein Zeichen anbringt, aus dem eindeutig hervorgeht, daß er die in derselben Zeile angeführte Parteiliste wählen will (§60 Abs2 zweiter Satz Kommunalwahlordnung). Der Stimmzettel ist aber auch dann gültig ausgefüllt, wenn der Wille des Wählers auf andere Weise, z.B. durch Anhaken, Unterstreichen, sonstige entsprechende Kennzeichnung einer wahlwerbenden Partei, eindeutig zu erkennen ist (Satz 3 leg. cit.).

Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, daß der Wähler im vorliegenden Fall durch das Anbringen eines Kreuzes innerhalb des Buchstabens "Ö" in der Kurzbezeichnung "SPÖ", somit durch eine "sonstige entsprechende Kennzeichnung" dieser wahlwerbenden Partei, eindeutig zu erkennen gegeben hat, daß er diese Partei wählen wollte. Dagegen trifft es nicht zu, daß - wie die Anfechtungswerberin behauptet - "über dem Buchstaben 'Ö' ein liegendes Kreuz angebracht wurde, dh ... dieser Buchstabe durchgestrichen wurde" (Hervorhebung durch den VfGH). Insoferne besteht aber auch kein Anlaß anzunehmen, der Wähler habe damit ein "Zeichen der Verneinung" (vgl. VfSlg. 5144/1965) setzen wollen, was zur Ungültigkeit des Stimmzettels geführt hätte.

4. Da somit dem Wahlverfahren die geltend gemachte Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Wahlanfechtung als unbegründet abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Wahlen, Stimmzettel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:WI4.1997

Dokumentnummer

JFT_10018793_97W00I04_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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