TE UVS Steiermark 2006/12/22 30.1-20/2005

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Veröffentlicht am 22.12.2006
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Peter Schurl über die Berufung des Herrn Mag. G Z, vertreten durch H B A & Partner Rechtsanwälte GMBH, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 18.10.2005, GZ: 15.1 14551, wie folgt entschieden: Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und daher als gem. § 9 Abs. 1 VStG Verantwortlicher der Firma Z Umweltservice GmbH, zu verantworten, dass im Jahre 2004 durch die genannte Firma insgesamt 11 grenzüberschreitende Verbringungen von Reject-Zöpfen ohne Notifizierung zur Verwertung nach Deutschland verbracht wurden, obwohl die Verbringung dieser Abfälle gemäß Art 10 der EG-VerbringungsV notifizierungs- und zustimmungspflichtig sei. Er habe dadurch § 79 Abs. 2 Z 18 iVm § 69 Abs. 1 AWG 2002 verletzt und wurde über ihn gemäß ersterer Vorschrift jeweils (11x) eine Geldstrafe in Höhe von ? 1.800,--, im Uneinbringlichkeitsfall 3Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt. In seiner rechtzeitigen Berufung brachte der Berufungswerber vor, dass die zur Verwertung ins Ausland verbrachten Reject-Zöpfe der grünen Liste des Anhanges II der AbfallverbringungsV zuzurechnen seien, sodass eine Notifizierung nicht erforderlich wäre. Selbst wenn aber die erkennende Behörde zum Ergebnis komme, dass eine Notifizierungspflicht gegeben gewesen sei, treffe ihn kein Verschulden, da er sich vor der Verbringung bei seinem Rechtsvertreter erkundigt habe und dieser die oben angeführte Rechtsansicht vertreten habe. Darüber hinaus führte er an, dass die 11 Verbringungen bei Bejahen der Bewilligungspflicht nicht 11 Übertretungen, sondern ein fortgesetztes Delikt darstellten. Er beantragte daher die Einstellung des Verfahrens, in eventu die Strafe erheblich herabzusetzen. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark stellt hiezu nach Durchführung einer Verhandlung am 7.6.2006, bei welcher ein Prokurist des Unternehmens als Zeuge einvernommen worden ist, und nach Einholung eines abfalltechnischen Gutachtens Nachfolgendes fest:

Sachverhalt: Die Fa. Z Umweltservice GmbH mit Sitz in P, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Berufungswerber ist, hat im Jahr 2004 im Rahmen eines Entsorgungsvertrages mit zwei Unternehmen der Papierindustrie mit 11 Transportfahrten ca. 250 Tonnen Reject-Zöpfe nach Deutschland zur Entsorgung verbracht. Die 250 Tonnen stellten lediglich einen Bruchteil der Gesamtmenge dar, welche nach Deutschland verbracht hätte werden sollen. Diese Reject-Zöpfe entstehen bei der Trennung von Zellstoff und Störstoffen. Dabei handelt es sich vorwiegend um Metalldrähte, mit welchen die Papierballen zusammen gebunden sind, aber auch aus Kunststoff und Papierresten. Für diese Verbringung lag eine Notifizierung nicht vor, da das Unternehmen in der Meinung, der Abfall sei der grünen Liste der EG-VerbringungsV zuzuordnen, um eine Genehmigung gar nicht angesucht hatte. Anlässlich einer Kontrolle des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft am 10. März 2004 im Unternehmen wurde die obige Vorgangsweise festgestellt. Vom Amtssachverständigen des Ministeriums wurde festgehalten, dass es sich bei diesem Material um keinen gelisteten Abfall handle, sodass die Verbringung nach Deutschland notifizierungspflichtig gewesen wäre, wobei gegen eine Genehmigung jedoch keine Bedenken bestünden. Auf Grund dieser Aussage wurden die Transporte eingestellt. Rechtliche Erwägungen:

Gemäß Art 10 der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1.2.1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (EG-VerbringungsV) gelten für die Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfälle des Anhangs V sowie von zur Verwertung bestimmten Abfällen, die noch keinem der Anhänge II, III oder IV zugeordnet worden sind, die Verfahren der Artikel 6 bis 8 mit der Ausnahme, dass die zuständigen Behörden ihre Zustimmung schriftlich vor Beginn der Verbringung zu erteilen haben. Gemäß Art 1 Abs. 3 EG-AbfallverbringungsV gilt die Verordnung nicht für die Verbringung von ausschließlich zur Verwertung bestimmten und im Anhang II angeführten Abfälle. Gemäß § 66 Abs. 1 AWG 2002 sind für die Verbringung von Abfällen die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, insbesondere die EG-VerbringungsV, anzuwenden. Gemäß § 67 Abs. 1 AWG 2002 hat, wer eine gemäß EG-VerbringsV notifizierungspflichtige Verbringung von Abfällen aus Österreich durchzuführen beabsichtigt, dies dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, zu notifizieren. § 69 AWG 2002 regelt Verfahren und Voraussetzungen betreffend Notifizierung. Gemäß § 79 Abs. 2 Z 18 AWG 2002 begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe von 360 ?

bis 7.270 ?, bei Gewerbsmäßigkeit jedoch mindestens 1.800 ? zu bestrafen ist, der entgegen § 69 Abfälle ohne die erforderliche Bewilligung verbringt oder Auflagen in Bescheiden gemäß § 69 nicht einhält. Gemäß § 22 Abs. 1 VStG sind die Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt. Dem Berufungswerber ist zunächst zu folgen, dass es sich bei der Verbringung der Abfälle, sofern ein strafbarer Tatbestand überhaupt gegeben ist, was unten noch zu untersuchen sein wird, um ein fortgesetztes Delikt handelt. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH handelt es sich bei einem fortgesetzten Delikt um eine Reihe von gesetzwidrigen Einzelhandlungen, die vermöge der Gleichartigkeit der Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines (noch) erkennbaren zeitlichen Zusammenhang sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzeptes des Täters zu einer Einheit zusammen treten (siehe z.B. VwGH 19.4.1979, 668, 669/78 u.a.). Das Unternehmen, für welches der Berufungswerber gemäß § 9 Abs. 1 VStG strafrechtlich verantwortlich ist, beabsichtigte etwa 4000 t von Reject-Zöpfen, welche auf dem Firmengelände lagerten, nach Deutschland zu verbringen, wo der Abfall verwertet werden sollte. Da das Unternehmen der Meinung war, dass dieser Abfall der grünen Liste des Anhanges II der EG-VerbringungsV zuzurechnen sei, hat es begonnen, ohne Einholung einer Genehmigung das Material nach Deutschland zu transportieren. Die strafbare Handlung besteht somit nicht im einzelnen Transportvorgang, sondern im Gesamtvorsatz, 4000 t ins Ausland ohne Notifizierung zu verbringen. Dass der einzelne LKW-Transport nicht maßgeblich sein kann, erhellt sich allein daraus, dass das Unternehmen den Transport auch mittels Eisenbahn hätte durchführen können, wobei die 250 t ohne weiteres auf einmal transportiert hätten werden können. Das Unternehmen hatte ein Gesamtziel, nämlich die Verbringung von etwa 4000 t nach Deutschland, ins Auge gefasst und wollte dieses durch mehrere Teilakte, nämlich Transporte mittels LKW, erreichen. Auch eine allfällige Genehmigung für die Verbringung hätte sich nicht auf die einzelnen Transporte, sondern vielmehr auf die Gesamtmenge bezogen. Dass möglicherweise als Auflage vorgeschrieben worden wäre, dass die einzelnen Transporte dem Ministerium oder welcher Stelle immer angezeigt hätten werden müssen, ändert an der Zuordnung nichts, da eine Genehmigung nicht vorlag und damit dem Berufungswerber auch nicht die Nichteinhaltung von Auflagen vorgeworfen werden konnte. Es liegen daher keine 11 getrennt zu verfolgende Delikte, sondern ein fortgesetztes Delikt vor. Abfälle aus Metallen und Metalllegierungen (ohne Dispersionsrisiko) sind in der Grünen Liste des Anhanges II der EG-VerbringungsV angeführt. Die Verbringung solcher Abfälle ins Ausland ist nicht notifizierungspflichtig. Bei den Reject-Zöpfen handelt es sich um Abfälle der Gruppe Eisen- und Stahlschrott gemäß der Grünen Liste, wobei jedoch die Metalle mit Papier und Kunststoffen, welche ebenfalls der Grünen Liste angehören, mit einem Prozentsatz von 10 bis 40 Prozent vermengt sind. Dass der europäische Gesetzgeber bei der Zuordnung von Stoffen zu einer bestimmten Liste nicht davon ausging, dass diese Stoffe immer rein, d.h. unvermischt vorliegen, ist aus dem Eingangssatz der Grünen Liste zu schließen. Demnach dürfen unabhängig davon, ob gewisse Abfälle in dieser Liste aufgeführt sind, sie nicht als Abfälle der Grünen Liste, und somit unter anderem genehmigungsfrei, befördert werden, falls sie mit anderen Materialien in einem Ausmaß kontaminiert sind, dass a) sie die mit dem Abfall verbundenen Risiken soweit erhöhen, dass sie auf die Gelbe oder die Rote Liste gesetzt werden müssten, oder b) die umweltverträgliche Verwertung des Abfalls unmöglich geworden ist. Die belangte Behörde geht daher in Anlehnung an die Rechtsmeinung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft fälschlich davon aus, dass alle, in der Grünen Liste angeführten Materialien unvermengt vorliegen müssen, um dieser Liste zugerechnet werden zu können. Von der erkennenden Behörde war vielmehr sachverständig zu prüfen, ob durch die Beimengungen von Papier und Kunststoff Einschränkungen vorliegen, wie sie im Einleitungssatz zur Grünen Liste enthaltenen sind. Dazu hat der beigezogenen Amtssachverständige für Abfalltechnik schlüssig dargelegt, dass sowohl das in den Reject-Zöpfen enthaltene Papier, der Kunststoff und das Eisenmetall chemisch untereinander nicht in einer Form reagieren, dass eine Erhöhung des Risikos für Mensch und Umwelt zu erwarten ist. Wenn das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in seinem Schreiben vom 14.12.2004 anführe, dass die Reject-Zöpfen betreffend Risikomaterial jenen Abfällen vergleichbar seien, welche aus dem Bereich Kommunale Abfälle und Hausmüll stamme, müsse festgestellt werden, dass dies aus fachlicher Sicht unzutreffend sei. Kommunale Abfälle und Hausmüll enthalten neben geringen Mengen von Metallen, Kunststoffen und Papier zulässigerweise auch Abfallfraktionen wie Babywindel, Hygieneartikel, gebrauchtes Verbandsmaterial und vieles anderes mehr. Ein vergleichbares Risiko für Mensch und Umwelt ist daher allein auf Grund der Keimbelastung solcher Abfälle nicht ableitbar. Hinsichtlich der lit. b des Einleitungssatzes stellte der ASV fest, dass die Reject-Zöpfe beinahe ausschließlich aus einer Mischung von Metalldrähten, Kunststoffen und Papier bestünden. Eine umweltverträgliche Verwertung der Abfälle erfolgt nach mechanischer Trennung der Metall- von der Leichtfraktion. Die Leichtfraktion wird der thermischen Verwertung zugeführt, das Eisen der Sekuntärmetallurgie. Eine rein mechanische Trennung der Fraktionen ist möglich und wird auch in der Praxis durchgeführt. Da sie einzelnen Abfallfraktionen nur mechanisch miteinander verbunden (verflochten) sind, sind weder thermische noch chemische Verfahren für diese Trennung erforderlich. Nach ihrer Trennung kann eine Verwertung der einzelnen Fraktionen in derselben Weise erfolgen, als ob sie getrennt gesammelt worden wären. Das Kriterium, dass die umweltverträgliche Verwertung des Abfalls unmöglich geworden wäre, trifft daher nicht zu. Zusammengefasst stellte der ASV daher fest, dass die Reject-Zöpfe der Grünen Liste zugeordnet werden können. Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung, ebenso wie das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, auch auf die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 25.6.1998, Rs. C-192/96. Dabei übersieht sie jedoch, dass diesem Urteil ein anderer Sachverhalt zu Grunde lag. Bei dem der Vorabentscheidung zugrunde liegenden Abfall handelte es sich nicht, wie hier, um eine Vermengung von 3 Abfallarten, die einzeln der Grünen Liste zuzuordnen sind, sondern um einen vielschichtigen Abfall. Daher kommt der Gerichtshof in seinem Spruch 1. zum Ergebnis, dass auch Abfälle, die hauptsächlich aus den in der Grünen Liste aufgeführten Abfällen, die mit einer geringen Menge dort nicht genannter Stoffe vermischt sind, unter den Begriff Kommunale Abfälle oder Hausmüll fallen. Schließlich stützt die belangte Behörde ihre Entscheidung auf die angebliche Nichtverwertbarkeit der Reject-Zöpfe, wobei sie auch diesbezüglich keine eigenen Ermittlungen geführt hat, sondern sich auf die geradezu oberflächlichen Erhebungen des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stützt. Ein einziges Telefonat mit einem der Entsorgungsbetriebe in Deutschland hätte ergeben, dass eine Verwertung und nicht nur ein Versuch stattgefunden hat. Das Argument, es seien die Zöpfe im Werksgelände in P deponiert worden, führt ebenfalls ins Leere. Eine Vernehmung des Berufungswerbers oder des Betriebsleiters hätte sofort klargestellt, dass das Unternehmen die Trennung der einzelnen Fraktionen ursprünglich selbst durchführen wollte. Da sich die vorhandene maschinelle Ausrüstung jedoch dafür als zu wenig geeignet erwiesen hat, wurde der Abfall nach Deutschland zu Unternehmen verbracht, die diesbezüglich besser ausgerüstet waren. Ohne jeden Belang bleibt, dass die Fa. Z für die Verwertung keinen Erlös erzielt hat. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die Reject-Zöpfe der Grünen Liste zuzuordnen sind, sodass eine bewilligungsfreie Verbringung nach Deutschland möglich war. Der Berufungswerber hat daher die ihm vorgeworfene Tat nicht begangen und war somit seiner Berufung Folge zu geben, der Bescheid zu beheben und das Verfahren einzustellen.

Schlagworte
Notifizierung Verbringung grüne Liste Ausnahme Amtsachverständigergutachten
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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