Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Hofrat Dr. Peter Schurl über die Beschwerde des Herrn M T, vertreten durch Mag. M und Mag. A H, Rechtsanwälte in S, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wie folgt entschieden: Gemäß §§ 67 a Abs. 1 Z 2 und 67c Abs. 1 und 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), in Verbindung mit § 35 VStG, §§ 29, 38, 81 und 88 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) sowie Art. 3 EMRK wird die durch Organe der politischen Expositur der Bezirkshauptmannschaft Liezen in Gröbming am 9.9.2006 zwischen 2.15 und 2.30 Uhr durchgeführte Amtshandlung für rechtswidrig erklärt. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat dem Beschwerdeführer gemäß § 79a AVG in Verbindung mit der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl II Nr. 2003/334, den mit ? 1.499,80 bestimmten Kostenaufwand binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
I. Beschwerdevorbringen - Gegenschrift Beschwerdevorbringen:
Mit der Eingabe vom 18.10.2006 hat Herr M T, vertreten durch die Rechtsanwälte Mag. M und Mag. A H Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der politischen Expositur der Bezirkshauptmannschaft Liezen in Gröbming erhoben. Im Wesentlichen und zusammengefasst wurde Folgendes vorgebracht: Der Beschwerdeführer sei am 9.9.2006 um ca. 2.00 Uhr gemeinsam mit einem Freund auf einer Bank im Ortszentrum von S gesessen, als er von einem Polizisten aufgefordert worden sei, diesen Ort zu verlassen. Dies hätte er auch sofort getan, während sich sein Freund nach dem Kauf eines Kebab neuerlich dorthin gesetzt habe. Als er von der Ferne sah, dass sein Freund festgenommen werde, sei er näher getreten und habe sich erkundigt, warum sein Freund festgenommen worden wäre. Daraufhin sei ein Polizist auf ihn zugestürzt, habe ihn an den Haaren zu Boden gezogen und ihm einen Tritt verpasst. Er sei durch diese Misshandlung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterzogen zu werden, verletzt worden. Er beantragte, seiner Beschwerde Folge zu geben und der belangten Behörde die Tragung der Kosten für das Einschreiten aufzuerlegen. Mit der Eingabe vom 21.11.2006 hat die politische Expositur der Bezirkshauptmannschaft Liezen in Gröbming eine Gegenschrift vorgelegt und dabei im Wesentlichen ausgeführt, die Polizei, die im Rahmen des Mountainbikes - Worldcups verstärkte Kontrollen durchgeführt habe, sei von Jugendlichen beschimpft worden. Da der Beschwerdeführer die Festnahme eines Jugendlichen behindert habe und verbal aggressiv gegen die Polizei vorgegangen sei, habe ein Polizeibeamter ihn am Genick erfasst und weggezogen. Der Beschwerdeführer habe sich dagegen gewehrt und in Richtung des Beamten getreten. Daher sei dieser gezwungen gewesen, körperliche Kraft anzuwenden und habe dem Berufungswerber einen leichten Stoß gegen den Oberschenkel versetzt. Die Amtshandlung sei rechtmäßig gewesen, weshalb die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde. II. Ermittlungsverfahren: Die erkennende Behörde hat am 18.12.2006 eine Verhandlung durchgeführt, bei welcher der Beschwerdeführer und P S, RI B sowie GI S als Zeugen einvernommen wurden. Auf Grund von Beschwerde und Gegenschrift, soweit sich diese nicht widersprechen, insbesondere aber auf Grund des Ergebnisses der Verhandlung ergibt sich folgende Sachverhaltsfeststellung: Am 09.09.2006, um ca. 2.15 Uhr, verließ der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinem Freund S die Diskothek S kaufte sich am unmittelbar daneben befindlichen Kebab-Stand einen Kebab und setzte sich in der Nähe der röm. kath. Pfarrkirche im Ortszentrum von S auf eine Bank. Auf dem Platz war auch eine Gruppe von ca. 10 uniformierten Polizisten und mehreren in Zivil, welche eine verstärkte Kontrolle von Jugendlichen im Rahmen des Mountainbikes - Worldcups vornahmen. Insbesondere sollte ein möglicher Drogenmissbrauch verhindert werden und hielten die Polizisten nach einem bestimmten Dealer Ausschau. Auf dem Platz war auch eine größere Anzahl von Jugendlichen, die in Gruppen beieinander standen. Auf dem Platz war es ziemlich laut und kam es zu wiederholten Beschimpfungen der Polizeibeamten durch Jugendliche. Der Zeuge RI B trat auf den Beschwerdeführer und dessen Freund, die in einer Entfernung von ca. 10 m im Rücken der Polizisten auf der Bank saßen und den Kebab aßen, zu und forderte sie auf, diesen Platz zu verlassen. Eine Begründung für diese Wegweisung nannte er nicht. Diesem Auftrag kamen die beiden auch nach. Der Beschwerdeführer schloss sich einer Gruppe von Jugendlichen an, die auf dem Platz standen, während sein Freund S neuerlich einen Kebab kaufte und sich nach Verlassen des Standes wiederum auf die Bank, auf der ein ihm unbekannter Mann saß, setzte. Als der Beschwerdeführer bemerkte, dass sein Freund S verhaftet wurde, näherte er sich den Polizisten und fragte, was da los sei. Er wurde zunächst vom Zeugen GI S aufgefordert, die Stelle zu verlassen und sich nicht in die Amtshandlung einzumischen. Da er sich aber neuerlich näherte, ließ der Zeuge RI B vom Zeugen S ab, machte einige Schritte auf den Beschwerdeführer zu, fasste diesen am Hinterkopf und zog ihn Richtung Boden. Dabei versetzte er dem Beschwerdeführer mit dem Oberschenkel einen Stoß gegen dessen Seite. Der Beschwerdeführer beobachtete, wie sein Freund S mittels Kleintransporter abtransportiert wurde und folgte gemeinsam mit einem anderen Freund zur Polizeistation nach, wo er jedoch nicht vorgelassen wurde. 2.) Beweiswürdigung: Die Feststellungen stützen sich in erster Linie auf die Aussagen des Beschwerdeführers und der Zeugen GI S und S. Sowohl der Beschwerdeführer als auch der Zeuge S hinterließen bei der Verhandlung einen äußerst glaubwürdigen Eindruck. Sie schilderten getrennt voneinander befragt völlig widerspruchsfrei das Geschehen, wobei keinerlei Anhaltspunkte gegeben waren, dass sie sich abgesprochen hätten. Auch der Aussage des Zeugen GI S war zu folgen, der glaubwürdig und nachvollziehbar darlegte, was er von der Amtshandlung gesehen hat und wie er selbst eingeschritten ist. Demgegenüber steht die Aussage des Zeugen RI B, der offensichtlich bemüht war, sein Fehlverhalten zu beschönigen. Seine Darstellung weicht zwar von jener des Beschwerdeführers und des Zeugen S nur in einigen, für die Entscheidung sogar unwichtigen Details, ab, macht seine Aussage aber insgesamt unglaubwürdig. So behauptet er etwa, dass der Beschwerdeführer die Festnahme von S verhindern wollte, indem er sich dazwischen gedrängt habe, während der Zeuge GI S, der in unmittelbarer Nähe stand, dies nicht bemerkt hat. Auch besteht überhaupt keine Veranlassung anzunehmen, dass der Beschwerdeführer geleugnet hätte, sich mit dem Zeugen S gemeinsam ein zweites Mal auf die Bank gesetzt zu haben., wie dies vom Zeugen RI B behauptet wird. III.) Rechtliche Erwägungen: 1.) Rechtzeitigkeit, Zuständigkeit und Zulässigkeit: Gemäß § 88 Abs. 1 SPG erkennen die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art 129 a Abs. 1 Z 2 BVG). Der Unabhängige Verwaltungssenat entscheidet gemäß § 88 Abs. 4 SPG über Beschwerden gemäß Abs. 1 durch eines seiner Mitglieder. Im Übrigen gelten die Bestimmungen der §§ 67 c bis 67 g Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz. Die Beschwerde langte am 23. Oktober 2006 beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark ein, wodurch die 6-wöchige Beschwerdefrist gemäß § 67 c Abs. 1 AVG gewahrt wurde. Auch ist die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark gegeben, da die von Organen der politischen Expositur Gröbming vorgenommene Handlung im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark durchgeführt wurde. 2.) Rechtliche Beurteilung der Beschwerde: Erweist sich ein Eingriff in Rechte von Menschen als erforderlich (§ 28a Abs. 3 SPG), so darf er gemäß § 29 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) dennoch nur geschehen, soweit er die Verhältnismäßigkeit zum Anlass und zum angestrebten Erfolg wahrt. Gemäß Abs. 2 haben die Sicherheitsbehörden und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unter Anderem von mehreren zielführenden Befugnissen jene auszuwählen, die voraussichtlich die Betroffenen am wenigsten beeinträchtigt. Gemäß § 38 Abs. 1 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, Unbeteiligte wegzuweisen, die durch ihre Anwesenheit am Vorfallsort oder in dessen unmittelbaren Umgebung die Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder die nach einem gefährlichen Angriff gebotene Klärung der maßgeblichen Umstände behindern. Besteht gemäß Abs. 2 an einem bestimmten Ort eine allgemeine Gefahr für Leben oder Gesundheit mehrer Menschen oder für Eigentum oder Umwelt in großem Ausmaß, so sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, jedermann aus dem Gefahrenbereich zu weisen, solange die Sicherheitsbehörde nicht selbst gemäß § 36 Abs. 2 SPG einschreiten kann. Gemäß Abs. 3 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außerdem ermächtigt, jedermann aus einem Gefahrenbereich zu weisen, dessen Leben und Gesundheit dadurch gefährdet sind, dass einem gefährlichen Angriff ein Ende gesetzt wird. Gemäß § 81 Abs. 2 SPG haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes von der Festnahme eines Menschen, der bei einer Störung der öffentlichen Ordnung auf frischer Tat betreten wurde und der trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht, abzusehen, wenn die Fortsetzung oder Wiederholung der Störung durch Anwendung eines oder beider gelinderer Mittel (Abs. 3) verhindert werden kann. Als gelindere Mittel kommen gemäß Abs. 3 folgende Maßnahmen der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt in Betracht: 1. die Wegweisung des Störers vom öffentlichen Ort; 2. das Sicherstellen von Sachen, die für die Wiederholung der Störung benötigt werde. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (z.B. VwGH 25.9.1996, 96/01/0407, 9.9.1997, 97/06/0407 u.a.) hat der UVS das in Beschwerde gezogenen Verwaltungsgeschehen umfassend auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Er ist somit nicht an die in der Beschwerde konkret als verletzt behaupteten Rechte gebunden. Wie oben angeführt ist eine Wegweisung einer Person von einem Ort (sieht man von hier nicht relevanten Bestimmungen der §§ 36 Abs. 2, 36a, 37 Abs.1 oder 38a ab), nur unter den in §§ 38 oder 81 SPG angeführten Gründen zulässig. Dass vom Beschwerdeführer ein gefährlicher Angriff getätigt worden wäre oder sich am Platz vor der Kirche, im speziellen auf der Bank, überhaupt ereignet hätte oder bevorstand, wurde niemals behauptet und ist im Verfahren auch sonst nicht hervorgekommen. Das erhöhte Polizeiaufgebot war zwar da, um etwaige Ausschreitungen von Jugendlichen und insbesondere Delikte nach dem Suchtmittelgesetz von vorneherein zu verhindern, eine konkrete Gefahr bestand jedoch offensichtlich nicht. § 38 SPG kam daher für eine Wegweisung nicht in Frage. Eher vorgelegen könnten die Voraussetzungen des § 81 Abs. 2 SPG sein. Wie oben angeführt ist es zu teils wüsten Beschimpfungen der Polizeibeamten durch Jugendliche gekommen. Diese Beschimpfungen stellen zweifellos den Tatbestand des § 81 Abs. 1 SPG dar. Eine Wegweisung des Beschwerdeführers und seines Freundes wäre daher dann gerechtfertigt gewesen, wenn auch diese Beiden solche Beschimpfungen gemacht hätten. Dass dies der Fall war, konnte von den Zeugen RI B und GI S nicht bestätigt werden. RI B hat es zwar vermutet, erhärten konnte er aber seinen Verdacht nicht. Die Wegweisung des Beschwerdeführers und des Zeugen S war daher, da durch kein Gesetz gedeckt, willkürlich und damit rechtswidrig. Unbestritten steht fest, dass der Beschwerdeführer gegen die Festnahme seines Freundes S intervenierte und sich damit, auch wenn die Amtshandlung ungerechtfertigt war, in diese einmischte. Seine Wegweisung durch den Zeugen GI S ist daher zu Recht erfolgt. Keine Veranlassung bestand jedoch für den Zeugen RI B, mit massivem Körpereinsatz gegen den Beschwerdeführer vorzugehen. Abgesehen davon, dass zumindest 10 Polizeibeamte bereitstanden, die in unmittelbarer Nähe des Zeugen RI B und des Festgenommen standen und jederzeit in der Lage gewesen wären, den Beschwerdeführer abzudrängen, hätte der Zeuge RI B jedenfalls zunächst versuchen müssen, das gelindeste, noch zum Ziel führende Mittel anzuwenden. Dies bedeutet, dass er ihn jedenfalls zunächst wegweisen und bei Erfolglosigkeit die Festnahme oder den Einsatz von Pfefferspray oder auch von körperlicher Gewalt androhen hätte müssen. Dass er ihn sofort am Hinterkopf (Haare) erfasst, ihn zu Boden gedrückt und dann auch noch einen Tritt versetzt hat, verstößt nicht nur gegen das in § 29 SPG statuierte Verhältnismäßigkeitsprinzip im Einsatz der anzuwendenden Mittel, sondern stellt auch einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK dar. Die ungerechtfertigte Anwendung körperlicher Gewalt gegen den Beschwerdeführer war eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung. Die Rechtfertigung des Zeugen RI B, er sie bei einer ähnlichen Aktion selbst verletzt worden und habe dem Beschwerdeführer deshalb einen Tritt versetzt, vermag an dieser rechtlichen Beurteilung des Verhaltens nichts ändern. Zusammenfassend wird daher festgestellt, dass beide Maßnahmen, die das einschreitende Organ gegen den Beschwerdeführer gesetzt hat, durch Gesetz nicht gedeckt waren und dass daher die gesamte Amtshandlung rechtswidrig war. Die Kostenentscheidung ist Folge der Stattgebung der Beschwerde.