Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Franz Schett über die Berufung des Herrn Dr. V. H., XY-Steig 14, Stg XY, V., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 23.10.2006, Zl VK-9483-2006, betreffend eine Übertretung nach dem Kraftfahrgesetz 1967 (KFG), nach öffentlicher mündlicher Verhandlung wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm. §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 23.10.2006, Zl VK-9483-2006, wurde Herrn Dr. V. H., V., im Wesentlichen zur Last gelegt, er habe als Zulassungsbesitzerin des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen XY der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck auf deren schriftliches Verlangen vom 28.08.2006 nicht binnen zwei Wochen Auskunft darüber erteilt, wer das betreffende Kraftfahrzeug am 21.01.2006 von 11.30 Uhr bis 11.59 Uhr gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilen kann. Begründend hat die Erstinstanz im Wesentlichen ausgeführt, dass der Berufungswerber rechtswidrig sich selbst als Auskunftsperson benannt habe.
Dadurch habe der Beschuldigte gegen § 103 Abs 2 KFG verstoßen. Über diesen wurde daher gemäß § 134 Abs 1 leg cit eine Geldstrafe in Höhe von Euro 70,00, bei Uneinbringlichkeit 24 Stunden Ersatzfreiheitsstraße, verhängt. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens wurden gemäß § 64 VStG mit 10 vH der Geldstrafe festgesetzt.
Gegen dieses Straferkenntnis hat Herr Dr. V. H. per E-Mail fristgerecht Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol erhoben und darin ausgeführt wie folgt:
?Ich reiche hiermit fristgerecht Berufung ein. Begründung: die Lenkerauskunft wurde nachweislich übersandt. Ich habe die entsprechende Empfangsbestätigung durch den Server erhalten. Ausserdem ist durch Überschreitung der 6-Monatsfrist die ganze Sache verjährt.
Es wird eine mündliche Verhandlung beantragt. Es wird um Rechtsbeistand ersucht.?
Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:
A) Sachverhalt:
Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Strafakt.
Sachverhaltsfeststellungen:
Herr Dr. V. H., XY-Steig 14, Stg XY, V., ist Zulassungsbesitzer des PKWs mit dem Kennzeichen XY.
Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 28.08.2006, Zl VK-9483-2006, wurde an Herrn Dr. V. H. eine Anfrage folgenden Inhalts gerichtet:
?Betreff: Verwaltungsübertretung im Straßenverkehr
AUFFORDERUNG ZUR LENKERBEKANNTGABE
Sehr geehrte(r) Frau/Herr H.!
Sie werden gemäß
( ) § 103 Abs 2 KFG
( ) § 103a Abs 1 Z 3 KFG iVm § 103 Abs 2 KFG
(X) § 4 Abs 2 Tiroler Parkabgabegesetz 2006
(X) als (Verantwortlicher) Zulassungsbesitzer
( ) als eine zur Vertretung nach außen berufene Person gem § 9 VStG ( ) als vom Zulassungsbesitzer namhaft gemachter Auskunftspflichtige(r)
( ) als namhaft gemachter Mieter
des Sonstiges Fahrzeug mit dem Kennzeichen XY aufgefordert, der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck Land binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens die Auskunft zu erteilen, wer Ihr Fahrzeug (Sonstiges Fahrzeug) am 21.01.2006 um 11.59 Uhr in Gemeine Innsbruck UNIVERSITAETSSTR GEG 6
( ) gelenkt hat.
(X) zuletzt vor dem oben genannten Zeitpunkt dort abgestellt hat.
Beilage:
Kopie der Anzeige
Hinweis:
Sie machen sich im Sinne obiger Bestimmungen strafbar, wenn Sie die verlangte Auskunft nicht, unrichtig oder nicht binnen 2 Wochen nach Zustellung dieses Schreibens geben.
Für den Bezirkshauptmann:
E. A.?
Der Anfrage beigeschlossen war ein Formblatt zur Erteilung der Auskunft.
Die Anfrage wurde Herrn Dr. V. H. am 16.09.2006 zugestellt.
Mit Antwortschreiben vom 27.09.2009 hat Herr Dr. V. H. mitgeteilt, dass die Aufkunftspflicht ?V. H. geb XY, XY-Steig 14, A-S. J.?
treffe.
Beweiswürdigung:
Die vorstehenden Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich in unzweifelhafter Weise aus den im erstinstanzlichen Strafakt einliegenden Schriftstücken.
B) Rechtsgrundlagen:
Im gegenständlichen Fall sind folgende Bestimmungen zu berücksichtigen:
?1. Kraftfahrgesetz 1967, BGBl Nr 267/1967, in der Fassung des Gesetzes BGBl I Nr 99/2006:
§ 103
?
(2) Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer ? im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung ? zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.
....
2. Tiroler Parkabgabegesetz 2006, LGBl Nr 9/2006:
§ 4
Abgabenschuldner, Auskunftspflicht
....
(2) Besteht der Verdacht der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 14 Abs 1 lit a oder c, so kann die Bezirksverwaltungsbehörde Auskunft darüber verlangen, wer ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Die Auskunft, die den Namen und die Adresse der entsprechenden Person enthalten muss, hat der Zulassungsbesitzer, im Fall von Probe- oder Überstellungsfahrten der Inhaber der entsprechenden Bewilligung, zu erteilen. Können sie diese Auskunft nicht erteilen, so haben sie den Namen und die Adresse jener Person anzugeben, die die Auskunft erteilen kann; dann trifft diese Person die Auskunftspflicht. Die Auskunft ist unverzüglich, im Fall einer schriftlichen Aufforderung innerhalb von zwei Wochen nach deren Zustellung, zu erteilen. Kann die Auskunft ohne Führung von Aufzeichnungen nicht gegeben werden, so sind entsprechende Aufzeichnungen zu führen.
3. Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl Nr 52/1991, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 117/2002:
§ 45
(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.
....
C) Rechtliche Beurteilung:
Vorweg wird angemerkt, dass die Erstinstanz fälschlich davon ausgegangen ist, der Berufungswerber habe sich selbst als Auskunftsperson benannt. Bei der Bekanntgabe der Auskunftsperson hat dieser eine Abkürzung des Vornamens verwendet. Die Abkürzung entspricht zwar seinem eigenen Vornamen, aus dem ebenfalls angeführten Geburtsdatum ergibt sich indes, dass der Berufungswerber nicht sich selbst als Auskunftspflichtigen genannt hat, sondern es sich bei der gemeinten Person offenbar um seine unter derselben Anschrift wohnhafte Ehegattin Frau L. V. H. handelt. Ungeachtet dessen hat der Berufungswerber damit nach Ansicht der Berufungsbehörde der Auskunftspflicht nach KFG bzw. ParkAbgG nicht entsprochen. Nach den Bestimmungen in § 103 Abs 2 KFG bzw ? hier maßgeblich - § 4 Abs 2 ParkAbgG hat der Zulassungsbesitzer den Namen des (letzten) Lenkers oder der Auskunftsperson bekannt zu geben. Dies kann bei einer am Zweck der Norm orientierten Auslegung nur so verstanden werden, dass der Name vollständig bekannt gegeben werden muss, also sowohl der Vor- als auch der Familienname in Vollschrift bzw in vollem Wortlaut mitzuteilen sind. Zweck der betreffenden Vorschriften ist es nämlich, der Behörde sofort Klarheit darüber zu verschaffen, wer ein Fahrzeug gelenkt bzw vor einem bestimmten Zeitpunkt abgestellt hat oder wer diese Auskunft erteilen kann. Bei Verwendung von Abkürzungen wird dieses Ziel nicht erreicht, zumal eine Person nur durch Benennung des vollständigen Vor- und Familiennamens eindeutig individualisiert wird. Gerade im vorliegenden Fall hat die Verwendung der Abkürzung zu einem Irrtum der Behörde geführt, wobei dahingestellt bleiben kann, ob der Berufungswerber dies beabsichtigt hat.
Dennoch kommt der Berufung Berechtigung zu, und zwar aus nachstehenden Erwägungen:
Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber als Zulassungsbesitzer angelastet, er habe der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck nicht fristgerecht mitgeteilt, wer den PKW mit dem Kennzeichen XY am 21.01.2006 von 11.30 Uhr bis 11.59 Uhr gelenkt hat. Eine Anfrage, wer das betreffende Fahrzeug im angegebenen Zeitraum gelenkt hat, wurde an Herrn Dr. V. H. aber nicht gerichtet, sondern wurde dieser gemäß § 4 Abs 2 ParkAbgG aufgefordert, binnen zwei Wochen Auskunft darüber zu erteilen, wer das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen XY zuletzt vor dem 21.01.2006, 11.59 Uhr, in Innsbruck, gegenüber dem Gebäude Universitätsstraße 6, abgestellt hat.
Der Berufungswerber hat sohin die ihm im Straferkenntnis konkret angelastete Tat nicht begangen.
Eine Richtigstellung der als erwiesen angenommenen Tat durch die Berufungsbehörde war nicht möglich. Gemäß § 66 Abs 4 AVG (diese Vorschrift findet zufolge des § 24 VStG im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung) hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. ?Sache? im Sinne dieser Gesetzesstelle ist, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargelegt hat (vgl VwGH v 24.06.1948 in Slg NF Nr 460/A, vom 23.06.1975 in Slg NF Nr 8855/A, und v 27.06.1975 in Slg NF Nr. 8864/A), immer die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat. Demnach darf aber die Berufungsbehörde ohne Überschreitung ihrer Befugnis nur die Frage prüfen, ob der Beschuldigte die ihm von der Erstbehörde angelastete Tat begangen hat oder nicht. Hingegen fehlt der Berufungsbehörde die Sachbefugnis zur Wahrnehmung einer dem Beschuldigten von der Erstbehörde nicht vorgeworfenen bzw von dieser nicht als erwiesen angenommenen Tat.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage würde daher, wenn dem Berufungswerber entgegen dem Wortlaut des angefochtenen Straferkenntnisses erstmals durch die Berufungsbehörde vorgeworfen wird, dass er der anfragenden Behörde nicht fristgerecht mitgeteilt hat, von wem das betreffende Fahrzeug zuletzt vor dem angefragten Zeitpunkt am genannten Ort abgestellt worden ist, nicht bloß eine (unter Wahrung der Identität der Tat) zulässige Modifizierung der Tatumschreibung, sondern eine unzulässige Auswechslung der Tat erfolgen.
Folgerichtig war daher das Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren, was den im vorliegenden Strafbescheid erhobenen Tatvorwurf anlangt, gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.