Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Martina Strele über die Berufung des Herrn M. T., W., vertreten durch H., M., S., Rechtsanwälte in W., XY-Straße 3, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 17.10.2005, Zahl VK-23186-2004, nach der am 05.09.2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten spruchgemäß nachfolgender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Tatzeit: 19.08.2004 gegen 12.45 Uhr
Tatort: Gemeinde Thiersee, Thiersee-Landesstraße L 30, km 0006.350
Fahrzeug: Lastkraftwagen, XY
1. Sie sind mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben Ihr Fahrzeug nicht sofort angehalten.
2. Sie sind mit einem Verkehrsunfall mit Personenschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben nicht sofort die nächste Sicherheitsdienststelle verständigt.?
Dadurch habe er nachfolgende Rechtsvorschriften verletzt:
1.
2.
weshalb über ihn jeweils gemäß § 99 Abs 2 lit a StVO zu Spruchpunkt 1. eine Geldstrafe von Euro 220,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) und zu Spruchpunkt 2. eine Geldstrafe in Höhe von Euro 144,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) verhängt wurde. Ferner wurde der Beschuldigte zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahrens verpflichtet.
In seiner fristgerecht dagegen erhobenen Berufung brachte der Berufungswerber durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter im wesentlichen vor, dass Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestandes der §§ 4 Abs 1 lit a und 4 Abs 2 StVO der tatsächliche Eintritt eines Verkehrsunfalles sowie die Kenntnis hievon sei. Seinen Angaben, wonach er den Unfall nicht verursacht bzw allenfalls nicht bemerkt habe, habe die Behörde als reine Schutzbehauptung gewertet. Es werde vielmehr den Angaben des Zeugen G. geglaubt. Weiters gehe die Behörde davon aus, dass er Lenker des am Unfall beteiligten Kraftfahrzeuges gewesen sei. Wie in seiner Stellungnahme vom 25.06.2005 bereits ausgeführt, werde die Richtigkeit der Zustellinformation bestritten. Die Pakete seien unter den Fahrern der UPS öfters ausgetauscht worden und könne auch ein anderer Fahrer die Pakete an diesem Tag zugestellt haben. Dies, obwohl er in den Zustellvermerk eingetragen gewesen sei. Richtig sei sohin, dass er formell als Zusteller aufscheine, er jedoch bestreite, dass er zur angegebenen Unfallzeit ein Paket zugestellt habe. Selbst auf Grund der Angaben des Zeugen G. sei nicht davon auszugehen, dass er, sofern er mit dem Unfall in ursächlichem Zusammenhang stehen sollte ? was ausdrücklich bestritten werde ? den Unfall überhaupt bemerken habe können. Der Zeuge gebe an, dass ihm ein KFZ entgegen gekommen sei, weshalb er sein Fahrrad auslenken habe müssen. Dabei habe er eine Steinmauer berührt und sei in weiterer Folge zu Sturz gekommen. Alle Beteiligten würden angeben, dass es sich um eine unübersichtliche Kurve gehandelt habe. Mangels Berührung des Fahrrades mit dem KFZ habe der Fahrzeuglenker akustisch keinen Aufprall an seinem Fahrrad feststellen können. Wegen der Unübersichtlichkeit der Kurve hätte der Lenker auch im Rück- bzw Seitenspiegel optisch keinen Unfall feststellen können. Abschließend wurde in diesem Rechtsmittel nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung die Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.
Auf Grund dieser Berufung wurde am 05.09.2006 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt. In dieser wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme des Berufungswerbers sowie durch Einsichtnahme in den von der Berufungsbehörde eingeholten Strafakt des Bezirksgerichtes Kufstein, Zahl 75 BAZ 2713/04k. Weiters wurde Einsicht genommen in den gesamten erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt sowie in den Akt der Berufungsbehörde.
Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens steht nachfolgender Sachverhalt als erwiesen fest:
Am 19.08.2004 gegen 12.35 Uhr ereignete sich auf der Thiersee-Landesstraße L 30 bei Kilometer 0006.350 im Gemeindegebiet von Thiersee ein Verkehrsunfall an dem der vom Berufungswerber gelenkten LKW der Marke Volkswagen VW 2D mit dem Kennzeichen XY und das von J. G. gelenkte Rennrad der Marke Renosto beteiligt waren.
Der Berufungswerber war auf der kurvenreichen, lediglich 4,20 breiten Thiersee-Landesstraße aus Richtung Landl kommend in Fahrtrichtung Hinterthiersee unterwegs, während J. G. ihm mit seinem Rennrad aus Fahrtrichtung Vorderthiersee auf der Thiersee-Landesstraße im Bereich des Straßenkilometers 6,350 auf Höhe Haus Glemmtal 12 entgegen kam. Durch den LKW des Berufungswerbers wurde J. G. gegen einen im Bereich des Straßenkilometers 6,350 befindliche Steinmauer gedrängt und dabei erheblich verletzt. Er wies Abschürfungen am rechten Oberarm, an der rechten Schulter, im Rippenbereich, an der rechten Hand, am Rücken rechts, am rechten Schienbein, im Gesicht sowie zahlreiche Prellungen auf (Beweis: ärztliches Attest von Dr. med. W. Z., Dr. med. D. H. in D-T., XY-Straße 11). Ebenso wurde sein Rad, seine Radbekleidung, sein Helm, seine Handschuhe und seine Brille beschädigt.
Der Berufungswerber setzte ohne Anzuhalten seine Fahrt fort und verständigte auch keine Sicherheitsdienststelle von dem gegenständlichen Verkehrsunfall mit Personenschaden. Das nachfolgende Fahrzeug, besetzt mit M. und H. A., leistete dem Herrn J. G. erste Hilfe. Eine Berührung des Fahrrades mit dem Fahrzeug des Berufungswerbers erfolgte nicht.
Der gegenständliche Sachverhalt wurde von J. G., wohnhaft in D-N., XY 2, noch am Tattag dem 19.08.2004 zur Anzeige gebracht.
Festgehalten wird, dass beim Bezirksgericht Kufstein gegen den Berufungswerber ein Strafverfahren wegen dem Vergehen nach § 88 Abs 1 StGB anhängig gewesen ist.
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Kufstein vom 09.12.2004, Zahl 75 BAZ 2713/04k, wurde die gegen den Berufungswerber erstattete Anzeige wegen § 88 Abs 1 StGB gemäß § 90 Abs 1 StPO zurückgelegt.
Nach den Angaben des Zeugen J. G. in seiner Niederschrift vom 19.08.2004 hat sich der gegenständliche Verkehrsunfall wie folgt abgespielt:
Er sei am Tattag mit seinem Rennrad im Gemeindegebiet von Thiersee auf der Landesstraße L 30 aus Richtung Vorderthiersee kommend über Hinterthiersee auf der steil abfallenden Straße nach Landl gefahren. Soweit er sich erinnere habe er den 18. Gang eingelegt gehabt und sei mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h gefahren. Nach ca 500 Fahrmetern sei es dann dazu gekommen, dass er von einer leichten Rechtskurve kommend in eine leichte Linkskurve eingefahren sei. Er sei dabei am rechten Fahrbahnrand gefahren. Plötzlich habe er einen Kleinlastkraftwagen ? er glaube es sei ein Expressdienstzusteller gewesen ? auf ihn zufahren gesehen. Das Fahrzeug habe sich dabei auf seiner Fahrbahnseite befunden. Er habe sofort beide Bremsen betätigt und versucht dem entgegenkommenden Fahrzeug auszuweichen. Dabei sei er immer mehr an den äußersten rechten Fahrbahnrand geraten, wo sich in diesem Bereich eine Steinmauer befunden habe. Er sei in der Folge mit der Steinmauer touchiert und zu Sturz gekommen. Auch habe er sich erheblich verletzt. Das nachfolgende Fahrzeug sei dann an der Unfallstelle stehen geblieben und hätten ihm der Zeuge A. M. und seine Gattin H. A. erste Hilfe geleistet.
Der im Rechtshilfeweg einvernommene Zeuge M. A. führte aus, dass sich der gegenständliche Verkehrsunfall in einer unübersichtlichen Rechtskurve ereignet habe. Er habe den gegenständlichen Unfallhergang nicht beobachten können, weil ihm die Sicht durch die Kurve verdeckt gewesen sei. Der eigentliche Grund, warum der Radfahrer zu Sturz gekommen sei, sei ihm nicht bekannt. Ob eine Berührung zwischen dem Radfahrer und dem Auto stattgefunden hat, wisse er nicht.
Die ebenfalls als Zeugin einvernommene H. A. bestätigte anlässlich ihrer Einvernahme die Angaben ihres Ehegatten.
Der Berufungswerber konnte über seinen Dienstgeber, der B. B. GmbH als damaliger Lenker des UPS-Fahrzeuges ermittelt werden (Beweis: Zustellinformation der B. B. GmbH vom 02.11.2004). Nach seinen eigenen Angaben anlässlich der durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung in Verbindung mit seiner Aussage in der Niederschrift vor dem Gendarmerieposten Kufstein vom 03.11.2004 kann sich der Berufungswerber am Tattag an überhaupt nichts erinnern. Er fahre diese Route im Raum Thiersee des Öfteren. Ob ihm zum Tatzeitpunkt auf der L 37 ein Fahrzeug entgegen gekommen sei, könne er nicht mehr sagen. So habe er am Tattag, dem 19.08.2004, gegen Mittag auch nichts von einem eventuellen Unfall mitbekommen. Wäre dies der Fall gewesen, hätte er sicher sein Fahrzeug angehalten und sich um den Verunfallten gekümmert.
Dieser festgestellte Sachverhalt ergibt sich einerseits widerspruchsfrei aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt bzw aus den bezughabenden und teilweise in Klammer angeführten Beweismitteln. Dass es sich bei der Thiersee-Landesstraße um eine sehr schmale und kurvenreiche Straße handelt schildern sämtliche einvernommenen Zeugen, als auch der Berufungswerber übereinstimmend. Im übrigen ergibt sich dies auch aus dem im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt befindlichen Auszug der Internetseite www.XY. Dass sich der gegenständliche Verkehrsunfall in einer unübersichtlichen Kurve ereignet hat, schildern sämtliche einvernommenen Personen ebenfalls gleichlautend. Eine Berührung des Fahrrades mit dem vom Berufungswerber gelenkten Fahrzeug erfolgte ? wie oben ausgeführt ? nicht.
Für die Berufungsbehörde ist es daher nicht ausgeschlossen, dass der Berufungswerber den gegenständlichen Verkehrsunfall nicht bemerkt hat. Die Kenntnis des tatsächlichen Eintritts des Verkehrsunfalls ist aber für die Erfüllung des Tatbestandes der §§ 4 Abs 1 lit a und 4 Abs 2 StVO notwendige Voraussetzung. Im Gegenstandsfall konnte der Berufungswerber mangels Berührung des Fahrrades mit dem Kraftfahrzeug akustisch keinen Aufprall an seinem Fahrzeug feststellen. Wegen der Unübersichtlichkeit der Kurve hätte der Berufungswerber auch im Rück- bzw Seitenspiegel optisch keinen Unfall feststellen können. Schließlich führte der Berufungswerber anlässlich seiner Einvernahme vor der Berufungsbehörde glaubhaft aus, dass er sicher sein Fahrzeug angehalten und sich um den Verunfallten gekümmert hätte, wenn er den Verkehrsunfall bemerkt hätte. Auch wurde das vom Bezirksgericht Kufstein gegen ihn anhängige Strafverfahren gemäß § 90 StPO zurückgelegt.
Es war daher der Berufung im Zweifel Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.