Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Franz Triendl über die Berufung des Herrn F. S., geb XY, Xy-Straße 7f, S., vd Rechtsanwalt Mag. F. K., XY-Straße 2-4/3. Stock, I., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 24.01.2007, Zl SB-49-2006 wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt wie folgt:
?Sie haben als verantwortlicher Betreiber der Betriebsanlage XY Tankstelle, Standort XY-Straße 70, S. zu verantworten, dass am 24.7.2006, in der Zeit von 21.21 Uhr bis 21.33 Uhr am bezeichneten Standort die mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 26.8.1960, Zl IIa-486/4 genehmigte Betriebsanlage Standort XY-Straße 70, S. betrieben wurde, obwohl an dieser eine genehmigungspflichtige Änderung, ohne die erforderliche Genehmigung durchgeführt worden waren. Die Genehmigungspflicht ist gegeben, da durch die Änderungen die in § 74 Abs 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen wesentlich berührt waren.?
Der Beschuldigte habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs 1 Z 3 GewO 1994 iVm § 81 Abs 1 und § 74 Abs 2 GewO 1994 begangen und wurde über Ihn gemäß § 366 Einleitungssatz GewO 1994 eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 365,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt und ein anteiliger Beitrag zu der erstinstanzlichen Verfahrenskosten vorgeschrieben.
Gegen dieses Straferkenntnis hat der rechtsfreundlich vertretene Beschuldigte rechtzeitig Berufung erhoben und darin vorgebracht wie folgt:
?In umseits rubrizierter Verwaltungsstrafsache erhebt der Beschuldigte durch seinen Vertreter gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, SB-492006 vom 24.1.2007, zugestellt am 25.1.2007, binnen offener Frist das Rechtsmittel der BERUFUNG.
A)Die Erstbehörde nimmt zu Unrecht an, dass der Beschuldigte als verantwortlicher Betreiber der XY-Tankstelle, XY-Straße 70, S., es zu verantworten hat, dass am 24.7.2006 zwischen 21.21 und 21.23 Uhr es dadurch zu einer konsenslosen Änderung der zu Zahl II-468/4 des Landeshauptmannes von Tirol genehmigten Betriebsanlage gekommen wäre, als zwei Personen im Freien vor dem Shop eine Konsumation von Bier durchgeführt hätten.
Auf den Lichtbildern sieht man, dass zwei Personen auf dem Sockel vor der Tankstelle sitzen und offensichtlich ein Bier konsumieren. Ein Tisch ist auf diesem Foto nicht erkennbar. Weiters sind zwei Stühle ersichtlich, wobei der Beschuldigte keine derartigen Stühle in seiner Tankstelle besitzt. Im Sommer kommt es leider immer wieder auch vor, dass Gäste auf dem Areal mit einem Campingbus oder ähnlichen Fahrzeugen parken, dann aus diesem eigene mitgebrachte (Camping)Stühle nehmen und sich kurz zur Erholung niedersetzen.
Sobald der Beschuldigte oder ein Tankwart ein derartiges Verhalten bemerken, werden diese Leute sofort aufgefordert, dies zu unterlassen, Ein dauerndes Nachschau halten ist weder möglich noch zumutbar.
Der Beschuldigte würde niemals einen Tisch in diesem Bereich aufstellen, der würde ja die Durchgangsbreite für tankende Fahrzeuge verstellen, weil dieser in diesem Bereich bis zu den Zapfsäulen reichen würde und der Beschuldigte wohl nicht sein eigenes Tankgeschäft verunmöglichen will.
Links im Hintergrund sieht man ohnehin ein geparktes Fahrzeug und dürften dessen Insassen die zwei Stühle herangeschafft und dort aufgestellt haben. Dieser Vorgang wurde weder vom Beschuldigten noch von einem Angestellten des Beschuldigten bemerkt oder toleriert. Es ist auch auszuschließen, dass die Konsumationen im Shop gekauft wurden. Sollten diese Konsumation im Shop gekauft worden sein, war weder bekannt noch gebilligt, dass diese im Freie vor dem Shop erfolgen sollte; dies hat der Beschuldigte strikt seinen Angestellten untersagt.
Beweis: Einvernahme des Beschuldigten
F. S., per Adresse XY-Weg 4, S.
weitere Beweise in Vorbehalt
B)
Die rechtliche Subsummierung, dass eine konsenslose Änderung der genehmigten Betriebsanlage dadurch erfolgt wäre, dass zwei unbekannte Besucher sich auf mitgebrachten Sessel vor der Betriebsanlage aufhielten und dort ein Bier im Hochsommer konsumierten, ist nicht gegeben. Dem Beschuldigten ist weder vorsätzliches noch fahrlässige Zuwiderhandeln gegen § 366 Abs 1 Z 3 iVm. § 81 Abs 1 und 74 Abs 2 GewO vorzuwerfen, zumal er weder Kenntnis hatte, dass fremde Personen mitgebrachte Stühle im Bereich der Tankstelle aufstellen und er strikt seine Angestellten anwies, im Falle des unerlaubten Aufenthaltes von Personen im Freien diese von der Tankstelle zu verweisen. Es würde auch seine Sorgfaltspflichten bei Weitem überspannen, wenn er zu jeder Tages- und Nachzeit sämtliche Vorgänge im Bereich seiner Tankstelle lückenlos überwachen müsste. Mangels Vorliegen eines tatbestandsmäßigen Handeln kann eine Bestrafung nach dieser Gesetzesstelle nicht erfolgen.
Beweis: wie bisher
Es wird höflich an den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol als
Berufungsbehörde gestellt der ANTRAG
gegenständliches Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 VStG
einzustellen.?
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den erstinstanzlichen Akt.
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat wie folgt erwogen:
Ungeachtet des Vorbringens des Berufungswerbers war der Berufung aus folgenden Gründen Folge zu geben, der angefochtene Bescheid zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren spruchgemäß einzustellen:
Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Um den Erfordernissen dieser Gesetzesstelle zu entsprechen, hat der Spruch eines Straferkenntnisses die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu beschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale möglich ist und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht.
Dem Berufungswerber wurde vorgeworfen, er habe es ?als verantwortlicher Betreiber der Betriebsanlage XY Tankstelle, Standort XY-Straße 70, S. zu verantworten, dass am 24.7.2006, in der Zeit von 21.21 Uhr bis 21.33 Uhr am bezeichneten Standort die mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 26.8.1960, Zl IIa-486/4 genehmigte Betriebsanlage Standort XY-Straße 70, S. betrieben wurde, obwohl an dieser eine genehmigungspflichtige Änderung, ohne die erforderliche Genehmigung durchgeführt worden waren. Die Genehmigungspflicht ist gegeben, da durch die Änderungen die in § 74 Abs 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen wesentlich berührt waren? und subsumierte die Behörde I. Instanz diesen Sachverhalt unter § 366 Abs 1 Z 3 GewO 1994 iVm § 81 Abs 1 und § 74 Abs 2 GewO 1994.
Nach § 366 Abs 1 Z 3 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu Euro 3600,00 zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§§ 81f).
Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Strafbehörde die Genehmigungspflicht einer Betriebsanlage (bzw. deren Änderung) selbständig auf Grundlage des § 74 Abs 2 GewO 1994 zu beurteilen hat (VwGH 30.01.1996, 95/04/0139). Dabei kommt es auf die konkrete Eignung der Anlage an, die im § 74 Abs 2 GewO 1994 angeführte Interessensbeeinträchtigung zu bewirken (vgl etwa VwGH 28.01.1997, 96/04/0283). Dass von einer Anlage Emissionen verschiedenster Art ausgehen könnten, ist für die Beurteilung, ob etwa Nachbarn belästigt oder gefährdet werden, allein nicht ausreichend. Der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Spruchgestaltung in Verwaltungsstrafverfahren betreffend Betriebsanlagen ist zu entnehmen, dass bei der als erwiesen angenommenen Tat (§ 44a Z 1 VStG) ua ein konkreter Vorwurf erhoben werden muss, die Änderungen der Betriebsanlage seien geeignet, die im § 74 Abs 2 GewO 1994 genannten Interessen zu beeinträchtigen und sei daher von einer Genehmigungspflicht auszugehen (VwGH 22.12.1992, 91/04/0199). Es muss also dem Spruch entnommen werden können, worin die Behörde eine Beeinträchtigung der Schutzinteressen nach § 74 Abs 2 GewO 1994 durch die Betriebsanlage sieht (zB konkrete Eignung der Anlage zur Belästigung von Nachbarn, Gefährdung von Kunden etc). Dazu genügt es zwar in der Regel, auf das allgemeine menschliche Erfahrungsgut zurückzugreifen (VwGH 20.09.1994, 94/04/0068), stellt die Behörde jedoch beispielsweise auf eine Gefährdung oder Belästigung von Nachbarn ab, bedarf es auch konkreter Feststellung über das Vorhandensein von Nachbarn.
Die Behörde I. Instanz geht nun spruchgemäß zu dieser Frage davon aus, dass die Genehmigungspflicht gegeben sei, ?da dadurch die Änderungen die in § 74 Abs 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen wesentlich berührt werden?.
Selbst wenn man außer Acht lässt, dass dem Spruch selbst nicht einmal entnommen werden kann, welche genehmigungspflichtigen Änderungen nun dem Beschuldigten vorgeworfen werden (dazu finden sich erst in der Begründung entsprechende Ausführungen), ergibt sich aus dieser Formulierung nicht, von welcher Interessensbeeinträchtigung die Behörde konkret ausgegangen ist. Auch in der Begründung (diese wäre gegenständlich - Abfertigung des Straferkenntnisses am 24.01.2007 ? noch als Teil einer Verfolgungshandlung zu werten) des angefochtenen Straferkenntnis wird dazu lediglich ausgeführt, dass ?derartige Änderungen einer Betriebsanlage einer gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung bedürfen, da sie geeignet sind, eine Gefährdung der in § 74 Abs 2 Z 1 GewO 1994 angeführten Personengruppen sowie die in § 74 Abs 2 Z 2 und 3 GewO 1994 umschriebenen Beeinträchtigungen von Nachbarn oder benachbarten Einrichtungen herbeizuführen.?
Worin nun die angenommene (undifferenzierte) Gefährdung von Menschen bzw Belästigung von Nachbarn gesehen wird, ist diesen Ausführungen nicht zu entnehmen. So ist es für die Berufungsbehörde grundsätzlich nicht nachvollziehbar, worin eine Gefährdung von Menschen beim vorliegenden Sachverhalt gelegen sein soll. In Frage käme wohl nur eine etwaige Verstellung von Fluchtwegen, wozu aber jegliche Feststellungen fehlen. Auch in Bezug auf eine grundsätzlich mögliche Belästigung von Nachbarn finden sich keinerlei Feststellungen, ob sich überhaupt Nachbarn (oder die angesprochenen Einrichtungen) im Einflussbereich der gegenständlichen Tankstelle befinden und daher in ihren Interessen beeinträchtigt werden könnten.
Nach § 32 Abs 2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigter gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung, etc), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat. Um den Eintritt der Verfolgungsverjährung auszuschließen, muss die Verfolgungshandlung ? hier binnen 6 Monaten - wegen eines bestimmten Sachverhaltes erfolgen und sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente beziehen. Nur dann unterbricht eine Verfolgungshandlung die Verjährung.
Eine Verfolgungshandlung muss, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt, ua wegen eines bestimmten (strafbaren) Sachverhaltes erfolgen. Dies erfordert, dass sie sich auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen hat. Die Berichtigung oder Ergänzung eines Tatbestandsmerkmales durch die Berufungsbehörde setzt voraus, dass innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist eine entsprechende Verfolgungshandlung hinsichtlich dieses Merkmales erfolgt ist. Innerhalb der 6-monatigen Verfolgungsverjährungsfrist wurde kein den oben skizzierten Voraussetzungen entsprechender Tatvorwurf erhoben und war schon aus diesem Grunde spruchgemäß zu entscheiden.
Nur ergänzend bleibt zu bemerken, dass die Berufungsbehörde auch Zweifel hat, dass der Tatvorwurf, an einem Tag in einem Zeitraum von lediglich 12 Minuten Verabreichungsplätze bereitgestellt zu haben, den Voraussetzung für das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs 2 und 4 GewO 1994 entspricht, ohne dass Feststellungen dahingehend getroffen wurden, dass im Sinne des § 1 Abs 4 GewO 1994 nach den Umständen des Falles auf die Absicht der Wiederholung geschlossen werden kann. Obgleich das Tatbestandsmerkmal der Regelmäßigkeit grundsätzlich auch dann erfüllt sein kann, wenn sich der Tatvorwurf nur auf einen Tag bezieht (vgl etwa VwGH 24.10.2001, 2000/04/0141), muss jedoch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles entweder eine Wiederholungsabsicht gegeben sein (und dazu entsprechende Feststellungen in die Entscheidung aufgenommen werden) oder aufgrund der Tatzeitangabe zumindest an diesem Tag eine mehrfache Gewerbeausübung (zB der mehrfache Verkauf von Waren bei einer Verkaufsveranstaltung von beispielsweise 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr) angenommen werden. Die Behörde I. Instanz stützte sich hier jedoch offenkundig lediglich auf das im erstinstanzlichen Akt einliegende Foto und damit einhergehend auf den Tatzeitraum von 21.21 Uhr bis
21.33 Uhr. Damit wurde jedoch nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht, dass das Tatbestandsmerkmal der Regelmäßigkeit in diese Falle erfüllt ist.
Die Behörde I. Instanz hätte auch den Tatort als solchen näher angeben müssen. So ergibt sich aufgrund des im erstinstanzlichen Aktes einliegenden Fotos eindeutig, dass die vorgeworfene Tätigkeit vor dem Shopeingang, und nicht auf einer ?öffentlichen Parkfläche?, wie vom Beschuldigten vorgebracht, ausgeübt worden ist. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die Strafsanktionsnorm (§ 44a Z 3 VStG) für die gegenständliche Verwaltungsübertretung richtig § 366 Abs 1 Einleitungssatz GewO 1994 lauten hätte müssen.