TE UVS Burgenland 2007/03/08 174/12/07001

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.03.2007
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied Dr. Giefing über die Berufung des Herrn ***, geboren am ***, wohnhaft in ***, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt *** in ***, vom 20.2.2007, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 6.2.2007, Zl. 300-17992-2006, wegen Bestrafung nach dem E-Commerce-Gesetz (ECG) zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.

Text

I.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 6.2.2007, Zl. 300-17992-2006, wurde der Berufungswerber in zwei Spruchpunkten schuldig erkannt, er habe die (im Spruch näher konkretisierten) allgemeinen Informationspflichten nach § 5 Abs. 1 Z 2 und Z 6 ECG verletzt. Gemäß § 26 Abs. 1 Z 1 ECG wurde über den Berufungswerber Geldstrafen in der Höhe von jeweils 100 Euro (insgesamt 200 Euro), im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 24 Stunden (insgesamt 48 Stunden) verhängt.

 

I.2. Dagegen erhob der Beschuldigte rechtzeitig Berufung mit der Begründung, die belangte Behörde hätte die Bestimmung des § 27 ECG völlig außer acht gelassen, wonach der Berufungswerber von der Behörde auf die Rechtsverletzung hinzuweisen gewesen wäre und unter Fristsetzung aufgefordert hätte werden müssen, den gesetzmäßigen Zustand herzustellen. Erst für den Fall, dass der Berufungswerber diese Frist ungenützt hätte verstreichen lassen, hätte ihn die belangte Behörde bestrafen dürfen. Das Wort kann in § 27 ECG bedeute in Wahrheit ein müssen.

 

II. Die Berufung ist berechtigt.

 

II.1. Die hier maßgebliche Rechtslage im ECG lautet wie folgt:

 

3. Abschnitt

Informationspflichten

 

Allgemeine Informationen

 

§ 5. (1) Ein Diensteanbieter hat den Nutzern ständig zumindest folgende Informationen leicht und unmittelbar zugänglich zur Verfügung zu stellen:

1.

seinen Namen oder seine Firma;

2.

die geografische Anschrift, unter der er niedergelassen ist;

3.

Angaben, auf Grund deren die Nutzer mit ihm rasch und unmittelbar in Verbindung treten können, einschließlich seiner elektronischen Postadresse;

4.

sofern vorhanden, die Firmenbuchnummer und das Firmenbuchgericht;

5.

soweit die Tätigkeit einer behördlichen Aufsicht unterliegt, die für ihn zuständige Aufsichtsbehörde;

 6. bei einem Diensteanbieter, der gewerbe- oder berufsrechtlichen Vorschriften unterliegt, die Kammer, den Berufsverband oder eine ähnliche Einrichtung, der er  angehört, die Berufsbezeichnung und den Mitgliedstaat, in dem diese verliehen worden ist, sowie einen Hinweis auf die anwendbaren gewerbe- oder berufsrechtlichen Vorschriften und den Zugang zu diesen;

 7. sofern vorhanden, die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer.

(2) Sofern in Diensten der Informationsgesellschaft Preise angeführt werden, sind diese so auszuzeichnen, dass sie ein durchschnittlich aufmerksamer Betrachter leicht lesen und zuordnen kann. Es muss eindeutig erkennbar sein, ob die Preise einschließlich der Umsatzsteuer sowie aller sonstigen Abgaben und Zuschläge ausgezeichnet sind (Bruttopreise) oder nicht. Darüber hinaus ist auch anzugeben, ob Versandkosten enthalten sind.

(3) Sonstige Informationspflichten bleiben unberührt.

 

 

8. Abschnitt

Strafbestimmungen

 

Verwaltungsübertretungen

 

§ 26. (1) Ein Diensteanbieter begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3000 Euro zu bestrafen, wenn er

1. gegen seine allgemeinen Informationspflichten nach § 5 Abs. 1 verstößt,

2. gegen seine Informationspflichten für kommerzielle Kommunikation nach § 6 verstößt,

3. gegen seine Informationspflichten für Vertragsabschlüsse nach § 9 Abs. 1 verstößt oder entgegen § 9 Abs. 2 keinen elektronischen Zugang zu den freiwilligen Verhaltenskodizes, denen er sich unterwirft, angibt,

4. entgegen § 10 Abs. 1 keine technischen Mittel zur Erkennung und Berichtigung von Eingabefehlern zur Verfügung stellt oder

5. entgegen § 11 die Vertragsbestimmungen und die allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht so zur Verfügung stellt, dass sie der Nutzer speichern und wiedergeben kann.

(2) Eine Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 liegt nicht vor, wenn die Tat den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist.

 

Tätige Reue

 

§ 27. (1) Die Behörde kann einen Diensteanbieter, der die Verpflichtungen nach diesem Bundesgesetz verletzt, darauf hinweisen und ihm auftragen, den gesetzmäßigen Zustand innerhalb einer von ihr festgelegten angemessenen Frist herzustellen. Dabei hat sie ihn auf die mit einer solchen Aufforderung verbundenen Rechtsfolgen hinzuweisen.

(2) Ein Diensteanbieter ist wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 26 Abs. 1 nicht zu bestrafen, wenn er den gesetzmäßigen Zustand innerhalb der von der Behörde gesetzten Frist herstellt.

 

II.2. Der Behörde wird im § 27 Abs. 1 ECG Ermessen (kann) eingeräumt. Im vorliegenden Fall machte die belangte Behörde von den Befugnissen des § 27 keinen Gebrauch.

II 3. Die Behörde muss vom Ermessen immer im Sinne des Gesetzes (Art. 132 Abs. 2 B-VG) Gebrauch machen. Die Einräumung von Ermessen ohne jede Eingrenzung, in welchem Sinne das Ermessen auszuüben ist, wäre verfassungswidrig.

Im vorliegenden Fall erläutern die Gesetzesmaterialien zu § 27 ECG nicht näher und lässt sich auch aus den sonstigen Bestimmungen des ECG nicht ableiten, in welchem Sinne das hier der Behörde eingeräumte Ermessen auszuüben ist.

 

Trotzdem ist die Norm deswegen noch nicht verfassungswidrig, weil sich in Heranziehung der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsverfahrensrechts (vgl. dazu grundlegend bereits Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 559 ff) Kriterien für die Ausübung dieses Ermessen ableiten lassen.

 

So sprechen die Grundsätze der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis sowie vor allem der allgemeine Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Anwendung des gelindesten noch zum Ziel führenden Mittels, vgl. Antoniolli/Koja, aaO 563 ff) dafür, dass die belangte Behörde, in der Regel nach § 27 ECG vorzugehen haben wird, und nicht sofort und ohne dem Beschuldigten eine Frist zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes einzuräumen, ein Strafverfahren zum Abschluss bringen darf. Unterlässt die Behörde den gebotenen konkreten Hinweis oder den darauf bezogenen Auftrag, oder setzt sie keine Frist, fehlt es an einer Strafbarkeitsvoraussetzung (so auch Brenn, E-Commerce-Gesetz [2002], 347). Nur wenn ein besonderer Grund vorliegt, etwa wenn die Behörde konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass eine derartige Aufforderung erfolglos sein wird (etwa weil der Beschuldigte immer wieder gegen die Bestimmungen des ECG verstößt, oder sonstige konkrete Anhaltspunkte in der Person des Beschuldigten bestehen, die die Vermutung nahe legen, dass der Beschuldigte die ihm eingeräumte Frist ungenützt verstreichen lassen wird), muss sie § 27 ECG nicht anwenden (so im Ergebnis auch Brenn, aaO 347, der die Kann-Bestimmung - soweit dem kein sachlicher Grund entgegensteht - in eine Muss-Bestimmung umdeutet). Ein derartiger besonderer Grund, der hier der Anwendung des § 27 ECG entgegensteht, hat sich aber im vorliegenden Verfahren nicht ergeben.

Indem die belangte Behörde diese hier gebotene verfassungskonforme Auslegung des § 27 ECG nicht vorgenommen und diese Bestimmung unberücksichtigt gelassen hat, hat sie ihren Ermessenspielraum überschritten und dem § 27 ECG einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Hinweise auf Rechtsverletzung, Fristsetzung, Anwendung gelinderes Mittel, Ermessensspielraum,
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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