Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch den Vorsitzenden Dr. Christoph Purtscher über die Berufung der Frau E. G., Gasthof A., XY 61, W., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 26.06.2006, Zl 3.1-1598/A, betreffend die Vorschreibung von Auflagen nach § 79 Abs 1 GewO 1994, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 iVm § 67h Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) wird der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass die in Spruchpunkt A.4. vorgeschriebene Auflage zu entfallen hat.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 26.06.2006, Zl 3.1-1598/A, wurde Frau E. G. als Inhaberin des Gastgewerbebetriebes Alpenhof im Standort XY W.,XY 12, gemäß § 79 Abs 1 GewO 1994 folgende Auflagen vorgeschrieben:
?A. brandschutztechnische Auflagen:
1. Rohre aus brennbaren Stoffen, die Brandabschnitte durchbrechen, sind mit geprüften Brandschutzabschlüssen (zB Brandmanschetten oä) auszustatten (im Heizraum).
2. Das Gebäude ist mit einer automatischen Brandmeldeanlage nach den Technischen Richtlinien der österreichischen Brandverhütungsstellen TRVB S 123 auszustatten. Der Brandalarm ist über ein zugelassenes Übertragungssystem an die öffentliche Bezirksalarmzentrale weiterzuleiten.
Hinweis:
Vor Installationsbeginn ist das Projekt der Brandverhütungsstelle zur Beurteilung vorzulegen. Nach Fertigstellung der Anlage ist diese einer Abschlussüberprüfung durch die Landesstelle für Brandverhütung unterziehen zu lassen.
3. In den Gästezimmern sind Fluchtwegpläne mit den jeweils eingetragenen Fluchtwegen und Standort an gut sichtbarer Stelle anzuschlagen oder aufzulegen.
4. Die vorgelegten Prüfzeugnisse über die Qualifikation der verlegten Bodenbeläge ist hinsichtlich der Geltungsdauer verlängern zu lassen bzw der ausführenden Fachfirma entsprechend abzuverlangen und der Behörde vorzulegen.
5. Für die Entstehungsbrandbekämpfung ist beim Zugang des Heizraumes ein der ÖNORM-EN 3 entsprechendes Handfeuerlöschgerät der Type P9 an frei zugänglicher und gut sichtbarer Stelle bereitzustellen. Für die Entstehungsbrandbekämpfung ist zusätzlich zum bereitgestellten K2 Löscher in der Küche eine Löschdecke an frei zugänglicher und gut sichtbarer Stelle bereitzustellen.?
Gegen diesen Bescheid hat Elisabeth Geisler fristgerecht Berufung erhoben, wobei sich diese Berufung gegen die Vorschreibung der Auflagen A.1., A.2. und A.4. richtet. Vorweg wird darauf verwiesen, dass bereits im Jahre 2004 von der Behörde Auflagen vorgeschrieben worden seien. Nachdem sich die gesetzlichen Grundlagen nicht geändert hätten, sei die nunmehrige neuerliche Vorschreibung unverhältnismäßig. Auf Berufungsebene wurde schließlich im Rahmen der Berufungsverhandlung vom 28.09.2006 die Berufung gegen die Auflage A.1. sowie anlässlich der Berufungsverhandlung vom 12.04.2007 die Berufung gegen die Auflage A.2. zurückgezogen. Gegenstand der vorliegenden Berufungsentscheidung ist daher ausschließlich die Berufung gegen die Vorschreibung der Auflage A.4. In diesem Zusammenhang hat die Berufungswerberin vorgebracht, dass die Böden beim Einbau den technischen Anforderungen entsprochen hätten und es daher nicht einsichtig sei, warum nunmehr neuerlich Prüfzeugnisse vorzulegen seien.
Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:
Gemäß § 359a GewO 1994 können Entscheidungen in erster Instanz in Verfahren betreffend Betriebsanlagen unmittelbar beim Unabhängigen Verwaltungssenat angefochten werden.
Gemäß § 67h Abs 1 AVG gilt in den Angelegenheiten des § 67a Abs 1 Z 1 der § 66 mit der Maßgabe, dass der Unabhängige Verwaltungssenat dann gemäß § 66 Abs 4 in der Sache zu entscheiden hat, wenn die belangte Behörde dem nicht bei der Vorlage der Berufung unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht.
Ein Ausschluss der Befugnis zur Sachentscheidung durch die Erstinstanz ist nicht erfolgt. Der erstinstanzliche Bescheid nimmt Bezug auf eine Betriebsanlage. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates (zu einer Sachentscheidung) ist somit grundsätzlich gegeben.
Weiters ist nachfolgende Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl Nr 51, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 10/2004, zu berücksichtigen:
?§ 66
?
(4) Außer dem in Abs 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.?
Folgende Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl Nr 194 idF BGBl I Nr 161/2006, sind als maßgeblich anzusehen:
?§ 74
(1) Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.
(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl Nr 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs 1 Z 4 lit g angeführten Nutzungsrechte,
2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,
3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,
4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder
5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.
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§ 79
(1) Ergibt sich nach Genehmigung der Anlage, dass die gemäß § 74 Abs 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, so hat die Behörde die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs 1) vorzuschreiben; die Auflagen haben gegebenenfalls auch die zur Erreichung dieses Schutzes erforderliche Beseitigung eingetretener Folgen von Auswirkungen der Anlage zu umfassen; die Behörde hat festzulegen, dass bestimmte Auflagen erst nach Ablauf einer angemessenen, höchstens drei Jahre, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen (zB bei Betriebsübernahmen) höchstens fünf Jahre, betragenden Frist eingehalten werden müssen, wenn der Inhaber der Betriebsanlage nachweist, dass ihm (zB wegen der mit der Übernahme des Betriebes verbundenen Kosten) die Einhaltung dieser Auflagen erst innerhalb dieser Frist wirtschaftlich zumutbar ist, und gegen die Fristeinräumung keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen bestehen. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.
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Durch die Bestimmung in § 79 Abs 1 GewO 1994 wird die Behörde ermächtigt, für rechtmäßig bestehende gewerbliche Betriebsanlagen andere oder zusätzliche Auflagen vorzuschreiben. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass eine Beschränkung auf eine einmalige Anwendung des § 79 Abs 1 GewO 1994 nicht besteht; bei Vorliegen der Voraussetzungen hat die Behörde erforderlichenfalls auch mehr als einmal zusätzliche oder andere Auflagen vorzuschreiben. Mit dem Hinweis der Berufungswerberin, dass bereits im Jahre 2004 zusätzliche Auflagen vorgeschrieben worden sind, ist daher nichts zu gewinnen.
Der Gesetzgeber knüpft die Zulässigkeit der Vorschreibung weiterer Auflagen dabei an mehrere Voraussetzungen, nämlich, dass eine rechtskräftige Genehmigung für die Betriebsanlage vorliegt, die gemäß § 74 Abs 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen nicht hinreichend geschützt und schließlich die betreffenden Auflagen nicht unverhältnismäßig sind.
Wie sich aus dem erstinstanzlichen Akt ergibt, wurde für den betreffenden Gastgewerbebetrieb zuletzt mit Bescheid vom 10.06.1986, Zl III-635/86, eine Konzession erteilt. Die Erstinstanz ist daher nachvollziehbar davon ausgegangen, dass der Gastgewerbebetrieb als genehmigte Betriebsanlage gilt (vgl § 376 Z 14b GewO 1994). Es war daher weiters zu prüfen, ob die durch die Gewerbebehörde gemäß § 74 Abs 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen derzeit hinreichend geschützt sind oder nicht. Im erstinstanzlichen Verfahren wurde ein brandschutztechnischer Sachverständiger beigezogen und dieser hat ua den Auflagepunkt A.4. (Die vorgelegten Prüfzeugnisse über die Qualifikation der verlegten Bodenbeläge ist (richtig: sind) hinsichtlich der Geltungsdauer verlängern zu lassen bzw der ausführenden Fachfirma entsprechend abzuverlangen und der Behörde vorzulegen.) bekannt gegeben. Diese Vorschreibung hat schließlich Eingang in den nunmehr angefochtenen Bescheid gefunden. Warum diese Vorschreibung zur Gewährleistung eines hinreichenden Interessenschutzes erforderlich ist bzw ob ohne diese Vorschreibung die gemäß § 74 Abs 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen nicht hinreichend geschützt sind, hat der Sachverständige nicht dargelegt. Auf Berufungsebene wurde das Ermittlungsverfahren entsprechend ergänzt und der brandschutztechnische Sachverständige hat Folgendes ausgeführt:
?... Die Prüfzeugnisse für Bodenbeläge werden grundsätzlich im Rahmen des Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens vorgeschrieben und in weiterer Folge vom Betriebsanlageninhaber vorgelegt. Diese Prüfzeugnisse sind im Regelfall auf die Dauer von 5 Jahren ausgestellt. Dann muss die entsprechende Firma um Verlängerung dieser Prüfzeugnisse ansuchen. Dies ist deswegen erforderlich, weil es auf Grund der Abnutzung möglich sein könnte, dass der Boden den technischen Anforderungen nicht mehr entspricht. Ob die Böden derzeit den technischen Anforderungen entsprechen, kann ohne Überprüfung nicht gesagt werden. Ich kann derzeit insbesondere auch nicht beurteilen, ob von den Böden tatsächlich eine konkrete Gefährdung ausgeht. Dafür wären die Prüfzeugnisse erforderlich. ...?
Die Ermächtigung der Behörde, nachträglich entsprechende Auflagen vorzuschreiben, hängt ? wie bereits dargelegt ? davon ab, ob die im § 74 Abs 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen hinreichend geschützt sind. Die Behörde hat daher zu beurteilen und zu prüfen, welche der im § 74 Abs 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen nicht hinreichend geschützt sind und welche Auflagen konkret erforderlich sind, einen hinreichenden Schutz zu gewährleisten. Die vorliegend im Spruchpunkt A.4. vorgeschriebene Auflage, Prüfzeugnisse vorzulegen bzw verlängern zu lassen, dient allerdings nicht dazu, den erwähnten Interessenschutz zu gewährleisten. Ganz im Gegenteil, Sinn und Zweck dieser Auflage ist einzig und allein eine Überprüfung dahingehend zu ermöglichen, ob die im § 74 Abs 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen hinreichend geschützt sind oder nicht. Dafür bietet allerdings § 79 Abs 1 GewO 1994 keine Grundlage.
Nachdem darüber hinaus keinerlei Anhaltspunkte vorliegen, dass im Zusammenhang mit den betroffenen Böden die gemäß § 74 Abs 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen nicht hinreichend geschützt sind, hatte eine ersatzlose Behebung der bekämpften Auflage zu erfolgen. Sollte sich in weiterer Folge, beispielsweise bei einer neuerlichen Überprüfung, tatsächlich anknüpfend an konkrete Ermittlungsergebnisse ergeben, dass auf Grund der Beschaffenheit diverser verlegter Böden der Gefahrenschutz (etwa unter dem Gesichtspunkt des Brandschutzes) nicht ausreichend gewährleistet ist, wären entsprechend konkrete Auflagen (Austausch dieser Böden, etc) vorzuschreiben.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Gebührenrechtlicher Hinweis:
1. Für die Vergebührung der Berufung ist eine Gebühr von Euro 13,00 beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol einzuzahlen.
2. Für die Vergebührung der Verhandlungsschrift vom 28.09.2006 und vom 12.04.2007 ist jeweils eine Gebühr von Euro 13,00 (ein Bogen zu Euro 13,00), insgesamt sohin Euro 26,00, beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol einzuzahlen.