Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alexander Hohenhorst über die Berufung von Herrn Rechtsanwalt Dr. H. W., XY-Straße 1/1, I., vom 06.04.2007, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 04.04.2007, Zl VK-3697-2007, betreffend Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht, gemäß § 66 Abs 4 AVG 1991, wie folgt:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Mit dem bekämpften Bescheid wies die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck den Antrag des nunmehrigen Berufungswerbers auf Gewährung der Akteneinsicht betreffend das Verwaltungsstrafverfahrens des Lenkers des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen XY wegen Verwaltungsübertretung im Straßenverkehr am 15.01.2007 als unzulässig zurück. Begründet wurde diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass es sich bei den angezeigten Verwaltungsübertretungen nach der Straßenverkehrordnung um keine Privatanklagesachen gemäß § 56 VStG handle und der Antragwerber damit nicht Partei im genannten Verwaltungsstrafverfahren sei.
Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Berufung, in der Herr Dr. W. im Wesentlichen vorbringt, dass er durch die Einholung einer Halterauskunft nur den Zulassungsbesitzer gegenständlichen Personenkraftwagens feststellen könne, nicht aber, wer die Person ist, die zum Vorfallszeitpunkt diesen Wagen lenkte. Da er zivilrechtliche Schritte gegen diese Frau, die ihn massiv gefährdet hätte, zu ergreifen beabsichtige, könne er die konkrete Täterin nur durch Einsicht in diesen Verwaltungsstrafakt feststellen. Ansonsten liefe er Gefahr, eine falsche Person zu klagen und mit den damit verbundenen Kostenfolgen einen Vermögensschaden zu erleiden. Es entstehe der Eindruck, dass er durch den Zwischenfall vom 15.01.2007 erst zu Schaden hätte kommen müssen, um Akteneinsicht von der Erstbehörde erteilt zu bekommen. Dies stelle eine Ungleichbehandlung dar, die dem verfassungsgesetzlichen Gleichheitsgebot widerspreche. Ihm komme aufgrund zivilrechtlicher wie auch zivilprozessualer Interessen das Recht auf Akteneinsicht zu. Er beantrage deshalb ersatzlose Behebung des bekämpften Bescheides und / oder den Bescheid dahingehend abzuändern, dass ihm zumindest so weit Akteneinsicht gewährt werde, dass er in der Lage ist, seine zivilrechtlichen bzw zivilprozessualen Schritte gegen den richtigen Täter aufgrund seiner Anzeige vom 15.01.2007 zu unternehmen.
Die Berufungsbehörde hat hiezu wie folgt erwogen:
Nach § 17 AVG steht ein Recht auf Akteneinsicht nur den an einem bestimmten Verwaltungsverfahren beteiligten Parteien zu.
Der Berufungswerber hat in seinem Schriftsatz vom 15.01.2007 in Punkt 2.) gegen die Lenkerin des PKWs mit dem Kennzeichen Verwaltungsstrafanzeige wegen Nötigung und Gefährdung im Straßenverkehr sowie Durchführung eines völlig unzulässigen Fahrsteifenwechsels erstattet. Bei der Nötigung handelt es sich um keine Verwaltungsübertretung sondern um eine gerichtlich strafbare Handlung, für deren Ahndung die Verwaltungsstrafbehörde nicht zuständig ist. Die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde ist im Vorwurf des vorschriftswidrigen Fahrstreifenwechsels im Sinn des § 11 StVO begründet. Diesbezüglich wurde gegenständlicher Verwaltungsstrafakt von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck angelegt.
Im Punkt 3.) des Schreibens vom 15.01.2007 erstattete Dr. W. auch Anzeige nach § 20 Tiroler Landes-Polizeigesetz wegen Ehrenkränkung gegen die Lenkerin des bezeichneten Personenkraftwagens.
Gemäß § 56 Abs 2 VStG ist der Privatankläger Partei im Sinn des AVG.
Der bekämpfte Bescheid bezieht sich ausdrücklich nur auf das Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung nach der Straßenverkehrsordnung, nicht aber auf ein solches nach dem Tiroler Landes-Polizeigesetz.
Der Berufungswerber behauptet, mit einem rechtlichen Interesse an diesem Verfahren beteiligt zu sein und reklamiert daraus eine Parteistellung. Als Partei im Sinn des § 8 AVG ist jedenfalls derjenige anzusehen, dessen Rechtssphäre durch die zu treffende Maßnahme unmittelbar berührt (gestaltet) wird. Maßgebend für die Parteistellung ist, dass die Sachentscheidung in die Rechtssphäre des Betreffenden bestimmend eingreift und weiters, dass darin eine unmittelbare, nicht bloß abgeleitete mittelbare Wirkung zum Ausdruck kommt (vgl VwGH 09.03.1988, 87/03/0284). Auch im Privatrecht begründete Interessen sind rechtliche Interessen und daher bei Anwendung des § 8 AVG in Betracht zu ziehen. Entscheidend für die Parteistellung ist zunächst, dass die verwaltungsbehördliche Sachentscheidung in die Rechtsphäre des Betreffenden überhaupt bestimmend eingreift, weiters aber noch, dass darin eine unmittelbare und nicht bloß abgeleitete und mittelbare Wirkung zum Ausdruck kommt (vgl VwGH 18.03.1953, Slg 2903A). Eine Parteistellung nach § 8 AVG kann auch dann gegeben sein, wenn die durch die Sache berührte Rechtsphäre eine privatrechtliche ist. Dies setzt aber jedenfalls voraus, dass der Behörde die Wahrung von Privatrechten übertragen ist (VwGH 10.07.1996, 96/03/0066). Eine solche Übertragung liegt einerseits im gegenständlichen Fall nicht vor, andererseits würde durch eine allfällige Bestrafung der Lenkerin nach § 11 Abs 1 StVO die Rechtssphäre des Berufungswerbers unmittelbar nicht berührt.
Wirtschaftliche Interessen genießen nur dann einen rechtlichen Schutz, wenn dieser vom Gesetz ausdrücklich eingeräumt wird (VwGH 09.10.1996, 96/03/0245). Bloß tatsächliche Interessen eines Antragsstellers können eine Parteistellung nicht begründen (VwGH 24.06.1981, 2997/80). Wenn der Rechtsmittelwerber damit argumentiert, dass ihm auf das Risiko hin, eine falsche Person zu klagen, ein Vermögensschaden entstünde, so stellt dies ein wirtschaftliches Interesse dar. Dazu wird beispielsweise auch auf das zu § 56 Abs 1 VStG ergangene Erkenntnis des VwGH vom 10.12.1968, Slg 7465A, verwiesen, in welchem zum Ausdruck gebracht wurde, dass wenn der maßgebliche Sachverhalt nicht eindeutig geklärt ist, der Verletzte innerhalb der 6-wöchigen Frist sowohl die gerichtliche Ehrenbeleidigungsklage als auch die Privatanklage bei der Verwaltungsbehörde einbringen wird müssen. Daraus ist zu ersehen, dass ein solches Verfahrenskostenrisiko als vertretbar angesehen wird und jedenfalls nicht ein zu berücksichtigendes wirtschaftliches Interesse darstellen kann.
Daraus ergibt sich zusammenfassend, dass die vom Berufungswerber behaupteten rechtlichen Interessen jedenfalls nicht im Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung nach der StVO gelegen sein können. Voraussetzung für die Gewährung einer Akteneinsicht ist jedoch, dass der die Akteneinsicht begehrenden Person in dem betreffenden Verfahren Parteistellung zukommt (VwGH 09.09.1987, 87/01/0188, 0218).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 05.07.1973, Slg. 844A, ausgesprochen, dass ein Recht auf Akteneinsicht nicht schon dann besteht, wenn die die Akteneinsicht begehrende Person in einem anderen Verfahren Partei ist und die Geltendmachung oder Verteidigung ihrer Interessen in diesem Verfahren die Kenntnis der Akten erfordert. Genau dieser Fall ist hier gegeben, weil der Rechtsmittelwerber im Privatanklageverfahren nach § 20 TLPG Verfahrenspartei ist und er zur effizienteren Rechtsdurchsetzung in diesem Verfahren und noch geplanten zivilrechtlichen Verfahren Akteneinsicht in den Verkehrsstrafakt nehmen möchte, in dessen Verfahren ihm keine Parteistellung zukommt. Unter diesen Voraussetzungen besteht für den Berufungswerber kein Recht auf Akteneinsicht in den Verwaltungsstrafakt wegen Übertretung nach der StVO, weshalb die Berufung als unbegründet abzuweisen war.