Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Franz Schett über die Berufung des Herrn G. H., geb am 12.05.1968, pA Justizanstalt I., XY-Straße 63, I., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 21.03.2006, Zahl WS-13-2005, betreffend Übertretungen nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959), wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 21.03.2006, Zahl WS-13-2005, wurde Herrn G. H., U., nachfolgender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Herr G. H., geb am XY, wohnhaft in U., XY 89, hat als Tankwagenfahrer der Firma R. W. GmbH am 18.11.2004 um ca 20.00 Uhr den Dieseltank der Betriebstankstelle der Firma N. Transport Logistik GmbH in St. U. a.P., XY 12, derart betankt, dass es insofern zu einer Überflutung kam, als aus der Entlüftung der Tankanlage oberhalb einer Zapfsäule Diesel herausspritzte und sich über das Tankstellendach und die Betankungsfläche ergoss. Obwohl somit die Gefahr einer Gewässerverunreinigung durch Abfließen oder Versickern von ausgetretenem Dieselöl eingetreten ist, hat er es unterlassen,
unverzüglich die zur Vermeidung einer Verunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu treffen;
die Bezirksverwaltungsbehörde, den Bürgermeister oder die nächste Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu verständigen?.
Dadurch habe der Berufungswerber gegen § 137 Abs 1 Z 13 iVm § 31 Abs 2 WRG 1959 (Spruchpunkt 1.) und § 137 Abs 1 Z 1 iVm § 31 Abs 2 WRG 1959 (Spruchpunkt 2.) verstoßen. Über diesen wurde daher zu Punkt 1. eine Geldstrafe von Euro 100,00, Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag, und zu Punkt 2. eine Geldstrafe von Euro 50,00, Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden, verhängt. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens wurden mit 10 Prozent der Geldstrafen bestimmt.
Dagegen hat Herr G. H. fristgerecht Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol erhoben und darin geltend gemacht, dass in der gleichen Angelegenheit ein Gerichtsverfahren zur Aktenzahl 29 Hv 225/05x beim Landesgericht Innsbruck anhängig sei und der Ausgang des Verfahrens abgewartet werden müsse.
Angemerkt wird, dass die Staatsanwaltschaft Innsbruck im betreffenden Gerichtsverfahren zwischenzeitlich den Strafantrag gegen Herrn G. H. gemäß § 227 Abs 1 StPO zurückgezogen hat.
Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:
A) Rechtsgrundlagen
Im gegenständlichen Fall sind die folgenden Bestimmungen beachtlich:
?1. Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl Nr 52/1991, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 117/2002:
§ 31
(1) Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs 2 und 3) vorgenommen worden ist.
(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.
(3) Sind seit dem in Abs 2 bezeichneten Zeitpunkt drei Jahre vergangen, so darf ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden. Eine Strafe darf nicht mehr vollstreckt werden, wenn seit ihrer rechtskräftigen Verhängung drei Jahre vergangen sind. Die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof, vor dem Verwaltungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sowie Zeiten, während deren die Strafvollstreckung unzulässig, ausgesetzt, aufgeschoben oder unterbrochen war, sind nicht einzurechnen.
§ 32
....
(2) Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
....
§ 44a
Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:
1. die als erwiesen angenommene Tat;
....
§ 45
(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.
....
2. Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl Nr 215/1959, in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes BGBl I Nr 112/2003:
§ 31
....
(2) Tritt dennoch die Gefahr einer Gewässerverunreinigung ein, hat der nach Abs 1 Verpflichtete unverzüglich die zur Vermeidung einer Verunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu treffen und die Bezirksverwaltungsbehörde, bei Gefahr im Verzug den Bürgermeister oder die nächste Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu verständigen. Bei Tankfahrzeugunfällen hat der Lenker, sofern dieser hiezu nicht oder nicht allein in der Lage ist auch der Beifahrer, die erforderlichen Sofortmaßnahmen im Sinne der Betriebsanweisung für Tankfahrzeuge zu treffen. Die Verständigungs- und Hilfeleistungspflicht nach anderen Verwaltungsvorschriften, wie vor allem nach der Straßenverkehrsordnung, wird dadurch nicht berührt. Sind außer den Sofortmaßnahmen weitere Maßnahmen zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlich, so ist zu ihrer Durchführung der Halter des Tankfahrzeuges verpflichtet.
....?
B) Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses:
In Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe es entgegen § 31 Abs 2 WRG 1959 unterlassen, nach einem Betankungsvorgang, bei welchem es zu einer Überfüllung und zum Austritt von Diesel gekommen sei, unverzüglich die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Der betreffende Vorfall hat sich am 18.11.2004 ereignet. Die einjährige Verfolgungsverjährungsfrist hat folglich am 18.11.2005 geendet. Innerhalb dieser Verjährungsfrist wurde dem Berufungswerber seitens der Strafbehörde aber nicht angelastet, dass er es unterlassen habe, die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu setzen. In der einzigen binnen Jahresfrist gesetzten Verfolgungshandlung vom 04.10.2005, Zahl WS-13-2005, wurde dem Berufungswerber lediglich vorgeworfen, nach dem Austritt von Diesel seiner Verpflichtung, zur unverzüglichen Verständigung der Bezirksverwaltungsbehörde, des Bürgermeisters oder der nächsten Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht nachgekommen zu sein.
Im Ergebnis folgt daraus, dass die Erstinstanz durch den in Spruchpunkt 1. erhobenen Strafvorwurf gegen § 31 Abs 1 VStG verstoßen hat. Der Berufung war daher ohne Eingehen auf die Frage, ob der Tatvorwurf zu Recht erhoben worden ist, bereits aus diesem Grund Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis in diesem Umfang zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen.
Zu Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses:
In diesem Spruchpunkt wurde der Berufungswerber angelastet, er habe, nachdem im Zuge eines Betankungsvorganges Diesel ausgetreten sei, nicht unverzüglich die Bezirksverwaltungsbehörde, den Bürgermeister oder die nächste Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes von diesem Vorfall verständigt.
Der zu Spruchpunkt 2. erhobene Tatvorwurf verstößt nun allerdings in mehrfacher Hinsicht gegen § 44a Z 1 VStG.
Nach dieser Bestimmung ist im Spruch des Strafbescheides die als erwiesen angenommene Tat anzuführen. Dieser Bestimmung wird nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann entsprochen, wenn die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau umschrieben ist, dass (1.) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in der Ansehung aller Tatbestandsmerkmale möglich wird, und (2.) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.
Was den Punkt 1. anlangt sind entsprechende, dh in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende, wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch die bloße paragrafenmäßige Zitierung von Gebot- und Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den Punkt 2. anlangt muss a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen werden, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch des Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit ausreicht (vgl verst Senat VwSlg 11.894 A/1985 uva).
Um nun dem § 44a Z 1 zu entsprechen, muss nach Ansicht der Berufungsbehörde im Falle einer Übertretung nach § 31 Abs 2 WRG 1959 im Spruch des Straferkenntnisses präzisiert werden, aufgrund welcher Umstände die Strafbehörde von der Gefahr einer Gewässerverunreinigung und damit einer Meldepflicht ausgegangen ist. Allein mit dem Hinweis, dass im Zuge eines Betankungsvorganges Diesel ausgetreten ist, und zwar bei einer Tankstelle, also einer Anlage, die regelmäßig mit Anlagenteilen zur Vermeidung von Gewässergefährdungen ausgestattet ist (befestigte Fläche, Ölabscheider etc), ohne nähere Angaben über die Mengen des ausgetretenen Treibstoffes, über die Beschaffenheit des Untergrundes (zB unbefestigter Untergrund) oder dazu, wohin der Treibstoff abfließen und damit eine Gewässergefährdung bewirken konnte, kann noch nicht auf die Gefahr einer Gewässerverunreinigung geschlossen werden. Eine diesbezüglich Präzisierung, wie sie etwa im gerichtlichen Verfahren der zwischenzeitlich zurückgezogene Strafantrag enthalten hat, in welchem dem Berufungswerber angelastet wurde, dass ca. 1000 l Dieselöl ausgetreten seien, ein erheblicher Teil des Dieselöls in die Kläranlage Waidring gelangt sei und dort die Biologie beschädigt habe, wodurch der Vorfluter Brunnbach verunreinigt worden sei, ist im vorliegenden Straferkenntnis aber nicht erfolgt. Dem umfangreichen Gerichtsakt kann außerdem nicht entnommen werden, dass gegenständlich die Gefahr einer Gewässerverunreinigung durch Versickerung bestanden hat, sodass der diesbezügliche Vorhalt unzutreffend ist. Was die Gefahr einer Gewässerverunreinigung durch ?Abfließen? anlangt, fehlen im Tatvorwurf aber ? wie erwähnt ? nähere Ausführungen, weshalb dadurch die die Gefahr einer Gewässerverunreinigung bewirkt werden konnte. Weiters enthält der Schuldspruch 2. nach Ansicht der Berufungsbehörde einen unzulässigen Alternativvorwurf. Wie sich aus § 31 Abs 2 WRG 1959 ergibt, ist grundsätzlich die Bezirksverwaltungsbehörde, bei Gefahr im Verzug aber der Bürgermeister oder die nächste Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes von der möglichen Gewässerverunreinigung zu verständigen. Dem Berufungswerber wird aber angelastet, weder die Bezirksverwaltungsbehörde noch den Bürgermeister und auch nicht die nächste Sicherheitsdienststelle verständigt zu haben, obwohl der Tatvorwurf je nach dem Grad der Gefährdung verschieden sein müsste. Geht man nun von den konkret eingetretenen Schadensfolgen aus, so wäre im gegenständlichen Fall wohl ein sofortiges Handeln notwendig gewesen, um zu verhindern, dass der ausgetretene Diesel in die Kanalisation und in weiterer Folge in die Kläranlage Waidring gelangt. Damit hätte nach Ansicht der Berufungsbehörde entsprechend der vorzitierten Bestimmung aber wegen Gefahr im Verzug die Verpflichtung bestanden, den Bürgermeister oder die nächste Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom Vorfall zu verständigen. Im Tatvorwurf fehlt aber ebenso wie in der vorangegangenen Aufforderung zur Rechtfertigung der Vorhalt, dass Gefahr im Verzug vorgelegen hat. Auch insofern ergibt sich daher ein Widerspruch zu § 44a Z 1 VStG.
Eine diesbezügliche Richtigstellung des unter Spruchpunkt 2. erhobenen Tatvorwurfes durch die Berufungsbehörde war nicht möglich. Nach § 66 Abs 4 AVG (diese Vorschrift findet gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung) hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. ?Sache? im Sinn dieser Gesetzesstelle ist, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargelegt hat (vgl VwGH v 24.06.1948 in Slg NF Nr 460/A, v 23.06.1975 in Slg NF Nr 8855/A und v 27.06.1975 in Slg NF Nr. 8864/A), immer die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat. Demnach darf aber die Berufungsbehörde ohne Überschreitung ihrer Befugnis nur die Frage prüfen, ob der Beschuldigte die ihm von der Erstbehörde angelastete Tat begangen hat oder nicht. Hingegen fehlt der Berufungsbehörde die Sachbefugnis zur Wahrnehmung einer dem Beschuldigten von der Erstbehörde nicht vorgeworfenen bzw von dieser nicht als erwiesen angenommenen Tat.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage würde nun, wenn die näheren Umstände, aufgrund welcher von der Gefahr einer Gewässerverunreinigung auszugehen war, erstmals durch die Berufungsbehörde zum Gegenstand des Beweisverfahrens gemacht und als wesentliche Tatbestandsmerkmale in den Spruch des Straferkenntnisses aufgenommen würden, nicht bloß eine (unter Wahrung der Identität der Tat) zulässige Modifizierung der Tatumschreibung, sondern eine unzulässige Auswechslung der Tat erfolgen.
Ebenfalls war es der Berufungsbehörde nicht gestattet, nach Ablauf der 1-jährigen Verfolgungsverjährungsfrist erstmals im Berufungsbescheid den Tatvorwurf um die wesentlichen Tatbestandsmerkmale, dass nämlich Gefahr im Verzug vorgelegen hat, zu ergänzen.
Da die Verfolgungsverjährungsfrist bei Übertretungen nach dem WRG 1959 ? wie erwähnt - ein Jahr beträgt und innerhalb dieser Frist auch keine sonstige Verfolgungshandlung gesetzt worden ist, welche den vorbeschriebenen Erfordernissen Rechnung trägt, war auch der Berufung gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses Folge zu geben, der Strafbescheid in diesem Umfang ebenfalls zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen.