Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alois Huber über die Berufung des G. R., I-N., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. B. H., Innsbruck, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 26.02.2007, Zl KS-12993-2006, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG wird der Berufung insoferne Folge gegeben, als die über den Beschuldigten verhängte Geldstrafe in der Höhe von Euro 200,00 auf Euro 100,00, im Uneinbringlichkeitsfalle 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt wird.
Dementsprechend wird gemäß § 64 Abs 2 VStG der Verfahrensbeitrag in erster Instanz mit Euro 10,00 neu bestimmt.
Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wird überdies insoferne abgeändert, als die Wort- und Zahlenfolge ?EG-VO 3821/85? durch die Wort- und Zahlenfolge ?EG-VO Nr 3821/85 in der Fassung EG-VO Nr 561/2006? ersetzt wird.
Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Tatzeit: 05.11.2006, 19.00 Uhr
Tatort: Inntalautobahn A 12, Kontrollstelle Radfeld, km 28,310,
Fahrtrichtung Kufstein
Fahrzeug: Sattelzugfahrzeug, XY (I)
Sattelanhänger, XY (I)
Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches zur Güterbeförderung im innergemeinschaftlichen Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschließlich Sattelanhänger 3,5 t übersteigt, folgende Übertretungen begangen: Es wurde festgestellt, dass Sie am 05.11.2006 mehrere von Ihnen in den vorausgehenden 15 Tagen verwendete Schaublätter dem Kontrollorgan trotz dessen Verlangens nicht vorgelegt haben. Es haben folgende Schaublätter gefehlt: vom 16.10.2006 bis 19.10.2006.?
Dem Beschuldigten wurde eine Verwaltungsübertretung nach Art 15 Abs 7 lit a Punkt i EG-VO 3821/85 in Verbindung mit § 134 Abs 1 KFG zur Last gelegt. Über den Beschuldigten wurde eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 200,00, im Uneinbringlichkeitsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 48 Stunden, verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht berufen. In dieser Berufung wurde wie folgt ausgeführt:
?In umseitig bezeichneter Rechtssache erhebt der Betroffene gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 26.02.2007. ZI KS-12993-2006. durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter binnen offener Frist das Rechtsmittel der BERUFUNG
an den Unabhängigen Verwaltungssenat Tirol und führt dazu aus:
Dem Betroffenen wird folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Tatzeit: 05.11.2006, 19.00 Uhr
Tatort: Inntalautobahn 12, Kontrollstelle Radfefd, km 28,310.
Fahrtrichtung Kufstein
Fahrzeuge: Sattelzugfahrzeug XY(I)
Sattelanhänger, XY (I)
Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches zur Güterbeförderung im innergemeinschaftlichen Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschließlich Sattelanhänger 3.5 t übersteigt, folgende Übertretung begangen. Es wurde festgestellt, dass Sie am 11.05.11.2006 mehrere von ihnen in den vorausgehenden 15 Tagen verwendete Schaublätter, dem Kontrollorgan trotz dessen Verlangens nicht vorgelegt haben. Es haben folgende Schaublätter gefehlt; vom 16.10.2006 bis zum 19.10.2006.?
Das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein wird zur Gänze angefochten und eingewendet wie folgt:
Zur Sache:
1.)
Der Betroffene erklärte den Beamten im Zuge der Kontrolle, dass die besagten Schaublätter in der Firma liegen. Tatsächlich musste der Betroffene die angeführten Schaublätter im Unternehmen zur Prüfung abgeben. Üblicherweise werden entweder Kopien angefertigt oder nach Abschluss der Prüfung jedoch vor Antritt der nächsten Fahrt dem Fahrer wieder ausgehändigt.
Im konkreten Fall hat der Betroffene auf die angeführten Schaublätter schlicht vergessen. was lediglich ein geringes Versehen darstellt, zumal die laufenden Schaublätter und sämtliche ?aktuelleren? Schaublätter ja offenkundig vollständig und ordnungsgemäß dem Beamten ausgehändigt wurden.
2.)
In weiterer Folge wurde der Betroffene mit Schreiben der belangten Behörde aufgefordert, eine Urlaubsbestätigung für den 15.10.2006. sowie die Tachoscheiben für den 16., 17., 18. und 19. Oktober 2006 der Behörde vorzulegen.
Dieser Aufforderung kam der Betroffene durch seinen Rechtsvertreter vollinhaltlich nach.
3.)
Es wurde sodann die Anwendung des § 21 Abs 1 VStG beantragt, zumal das Verschulden gering und die Folgen der Tat unbedeutend waren und eingewendet wie folgt:
Aus dem Inhalt der Anzeige geht unmissverständlich hervor, dass der Betroffene insgesamt über einen Zeitraum von 22 Tagen Schaublätter mitzuführen gehabt hätte und abgesehen von seinem Urlaubstag lediglich drei Schaublätter nicht vorlegen konnte.
Berücksichtigt man weiters den Umstand, dass keine weiteren Lenk- und Ruhezeitüberschreitungen festgestellt wurden, so kommt der Rechtfertigung des Betroffenen vor Ort besondere Bedeutung zu, zumal er offenkundig die Schaublätter im Unternehmen ?vergessen? hat. Ein Versehen begründet jedoch kein schweres Verschulden.
Gemäß § 21 VStG kann die Behörde von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen.
Trotz der Verwendung des Wortes ?kann? ermächtigt diese Vorschrift die Behörde nicht zur Ermessensübung. Sie ist vielmehr als eine Anordnung zu verstehen, die die Behörde im Rahmen gesetzlicher Gebundenheit ermächtigt, bei Zutreffen der im ersten Satz angeführten weiteren Kriteriums mit einer Ermahnung vorzugehen. Für die Annahme, dass der Behörde in Fällen, in denen die tatbestandsbezogenen Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 Abs 1 VStG erfüllt sind, eine Wahlmöglichkeit zwischen einem Strafausspruch und dem Absehen von einer Strafe offen stehe, bleibt bei gebotener verfassungskonformer Auslegung kein Raum (VwGH 28.10.1980. ZI 86/18/0109). Der Beschuldigte hat, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, einen Anspruch darauf, dass von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht wird.
Im gegenständlichen Fall liegen die Voraussetzungen des § 21 Abs 1 VStG vor und wird im Hinblick auf die Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Strafe in eine Ermahnung umzuwandeln sein.
Mangelhafte Begründung:
Die belangte Behörde verhängte eine Geldstrafe und lehnte die Anwendung des § 21 Abs 1 VStG trotz Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen ab.
Die belangte Behörde begründet die Verhängung einer Geldstrafe wie folgt:
?Als Milderungsgrund wurde die bisherige Unbescholtenheit des Beschuldigten und seine geständige Verantwortung gewertet, während im Verfahren keine Beschwerungsgründe festgestellt wurden.?
Und weiter:
?Der Beschuldigte hat auf Verlangen der Behörde drei der vier fehlenden Schaublatter vorgelegt, wobei sich aus diesen keine Übertretungen ergeben haben Aus diesem Grund kann im gegenständlichen Fall mit einer Geldstrafe in der Höhe von Euro 200,00 (4 Prozent der Höchststrafe) das Auslangen gefunden werden.?
Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde die Geldstrafe in eine Ermahnung umwandeln müssen, zumal es nicht im Ermessen der Behörde liegt, ob § 21 Abs 1 VStG zur Anwendung kommt oder nicht. Der Betroffene hat einen Rechtsanspruch auf eine Ermahnung, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind.
Als Milderungsgründe werden die bisherige Unbescholtenheit und die geständige Verantwortung gewertet, Erschwerungsgründe liegen keine vor. Als Verschulden wurde Fahrlässigkeit angenommen. Die Vorlage der Bestätigung, sowie der Schaublätter, ist dem Betroffenen als tätige Reue zuzustehen, zumal er im Falle von weiteren Übertretungen mit einer Strafverfolgung durch die Behörde zu rechnen hat.
Das geringe Verschulden ergibt sich aus dem Umstand, dass von 22 zu überprüfenden Tagen nur die ersten Tage des Überprüfungszeitraumes fehlten und das Liegenlassen im Unternehmen üblicherweise jedem passieren kann.
Die geringen Folgen der Tat ergeben sich insbesondere aus dem angeführten Umstand, dass die Kontrollbeamten keine Zwangsmaßnahmen setzen mussten, weil die Nicht-Einhaltung der Wochen- bzw Tagesruhezeit für möglich gehalten wurde.
Ganz im Gegenteil stellt die belangte Behörde sogar fest, dass die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten durch die nachgereichten Schaublätter dokumentiert wurde.
Sowohl der Kontrollzweck als auch die dahinter stehende Intention des Gesetzgebers, nämlich die Verkehrstüchtigkeit des fahrenden Personals jederzeit zu gewährleisten, wurde zumindest im Nachhinein ermöglicht. Die Folgen stehen damit eindeutig hinter dem typisierten Unrechtsgehalt der vorgehaltenen Übertretung.
Der Betroffene hat wie schon im Vorbringen dargelegt einen Anspruch auf Ermahnung, sodass die Verhängung einer Geldstrafe jedenfalls zu Unrecht erfolgte.
Aus all diesen Gründen wird gestellt der ANTRAG:
1.)
Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein möge gemäß § 64 a AVG mittels Berufungsvorentscheidung im Verwaltungsverfahren, ZI KS-12993-2006, der Berufung Folge geben, das Straferkenntnis vom 26.02.2007 aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 VStG einstellen, in eventu gemäß § 21 Abs 1 VStG die ausgesprochene Strafe in eine Ermahnung umwandeln.
2.)
Der Unabhängige Verwaltungssenat Tirol wolle in Stattgebung dieser Berufung das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 26.02.2007, ZI KS-12993-2006, aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 VStG einstellen, in eventu gemäß § 21 Abs 1 VStG die ausgesprochene Strafe in eine Ermahnung umwandeln.?
Dieser Berufung kommt lediglich hinsichtlich der Strafhöhe Berechtigung zu.
Der Anzeige der Landesverkehrsabteilung Tirol vom 05.11.2006 zu Zl A1/66269/01/2006, ist zu entnehmen, dass G. R. am 05.11.2006 um 19.00 Uhr auf der A 12 bei Strkm 28,310 im Bereich der Kontrollstelle Radfeld als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges, bestehend aus dem Sattelzugfahrzeug mit dem Kennzeichen XY (I) und dem Sattelanhänger mit dem Kennzeichen XY (I) einer Kontrolle unterzogen worden ist. Laut Anzeige wurde bei der Kontrolle festgestellt, dass die Schaublätter für den 15., 16., 17., 18. und 19. Oktober 2006 trotz Verlangens des Kontrollorganes nicht vorgelegt wurden.
Im erstinstanzlichen Verfahren legte der Beschuldigte mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 16.02.2007 eine Bestätigung des Arbeitgerbers ? C. F., ? C.? sowie Schaublätter vom 16. bis 19.10.2006 vor. In der Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses findet sich auf Seite 3 die Ausführung, dass der Beschuldigte glaubhaft gemacht habe, das Fahrzeug am 15.10.2006 nicht gelenkt zu haben (sodass dieser Schuldvorwurf nicht aufrecht erhalten worden ist).
In rechtlicher Hinsicht ist anzuführen, dass nach Art 15 Abs 7 lit Punkt i der EG-VO Nr 3821/85 in der Fassung der Verordnung EG-Nr 561/2006 der Lenker eines Fahrzeuges, das mit einem Kontrollgerät gemäß Anhang 1 (dieser Verordnung) ausgerüstet ist, den Kontrollbeamten auf Verlangen jederzeit Folgendes vorlegen können muss: Die Schaublätter für die laufende Woche und die vom Fahrer in den vorausgehenden 15 Tagen verwendeten Schaublätter.
Die Anhaltung erfolgte im gegenständlichen Fall am Sonntag, dem 05.11.2006. Somit reicht der 15-tägige dieser laufenden Woche vorausgehende Zeitraum bis 15.10.2006 zurück. Wie schon angeführt, hat der Beschuldigte glaubhaft gemacht, am 15.10.2006 das Fahrzeug nicht gelenkt zu haben, sodass er an diesem Tag auch kein Schaublatt verwendet hat. Hinsichtlich dem 16., 17., 18. und 19.10.2006 (Montag bis Donnerstag) ist schon aufgrund der im Verwaltungsstrafverfahren vom Rechtsvertreter des Beschuldigten vorgelegten Kontrollblätter erwiesen, dass der Beschuldigte an diesen Tagen die Kontrollblätter auch verwendet hat. Somit hat der Beschuldigte für diese Tag den ihm von der Erstbehörde zur Last gelegten Tatbestand der gegenständlichen Übertretung auch erfüllt.
Bei der zur Last gelegten Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt, bei dem der Beschuldigte gehalten ist, mangelndes Verschulden nicht zur behaupten, sondern auch glaubhaft zu machen. Dabei vermag ihm die Verantwortung, dass er diese Kontrollblätter im Betrieb seines Arbeitgebers ?vergessen? habe, nicht von seiner Verantwortung zu befreien. Es ist diesbezüglich von fahrlässiger Begehung auszugehen. Mildernd war, dass sich aus den später im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Schaublättern für den 16. bis 19.10.2006 offensichtlich keine Übertretungen von Lenk- oder Ruhezeitregelungen ergeben haben.
Im gegenständlichen Fall besteht nach § 134 Abs 1 KFG eine Strafandrohung mit Geldstrafe bis Euro 5.000,00. Die Berufungsbehörde sah sich auch wegen dem bereits angeführten Aspekt, dass sich aus den bei der Anhaltung nicht vorgelegten Schaublättern vom 16.10.2006 bis zum 19.10.2006 keine Übertretungen von Lenkzeit bzw Ruhezeitvorschriften ergaben, veranlasst, die Strafe auf Euro 100,00 herabzusetzen. Mildernd war die bisherige Unbescholtenheit des Beschuldigten. Aufgrund des zur Anwendung kommenden Strafrahmens und dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat wäre die über den Beschuldigten nunmehr verhängte Geldstrafe selbst für den Fall, dass auf Seiten des Beschuldigten unterdurchschnittliche Einkommensverhältnisse vorliegen würden, nicht als überhöht zu betrachten.
Für die Anwendung des § 21 Abs 1 VStG fand sich kein Raum. Nach dieser Bestimmung kann von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt die Anwendung dieser Bestimmung nur dann in Betracht, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (VwGH 02.03.1994, 93/03/0309). Von diesen Voraussetzungen kann im gegenständlichen Fall ? der Beschuldigte behauptete, die fehlenden Kontrollblätter im Betrieb seines Arbeitgebers vergessen zu haben ? nicht ausgegangen werden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.