TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/6 2000/18/0065

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Veröffentlicht am 06.11.2001
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des NM in Wien, geboren am 21. Dezember 1980, vertreten durch Dr. Gabriele Vana-Kowarzik, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Kirchengasse 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. November 1999, Zl. SD 837/99, betreffend Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 Fremdengesetz 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. November 1999 wurde gemäß § 75 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in der Demokratischen Republik Kongo gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Der Beschwerdeführer sei nach seinen Angaben am 31. Oktober 1997 nach Österreich gelangt. Er verfüge weder über Dokumente, mit denen er seine Identität nachweisen, noch über andere Beweismittel, mit denen er seine Identität glaubhaft belegen könne. Der am 5. November 1997 gestellte Asylantrag sei mit rechtskräftigem Bescheid vom 21. November 1997 abgewiesen worden. Am 10. November 1997 sei der Beschwerdeführer ausgewiesen worden. Auf Grund dreier rechtskräftiger Verurteilungen sei gegen ihn am 30. September 1996 (nach der Aktenlage richtig: 15. November 1999) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Im Zuge dieses Aufenthaltsverbotsverfahrens habe er den gegenständlichen Antrag gestellt, dem die gleichen Angaben wie dem seinerzeitigen Asylantrag zu Grunde lägen. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, dass sein Vater Offizier unter dem gestürzten Präsidenten Mobutu gewesen wäre. Im Zuge des Bürgerkriegs wäre sein Vater ums Leben gekommen und seine Mutter entführt worden. Er wäre daher auf sich allein gestellt und zur Flucht gezwungen gewesen. Als Sohn eines Gegners des nunmehrigen Regimes hätte er im Fall seiner Rückkehr mit unmenschlicher Strafe und unmenschlicher Behandlung zu rechnen. Im Asylverfahren habe der Beschwerdeführer angegeben, dass sein Vater unter Mobutu Offizier in der zairischen Armee gewesen wäre. Als Kabila mit seinen Rebellen die Macht übernommen hätte, hätte sich sein Vater den Truppen Kabilas angeschlossen, worauf er ab 30. Juni 1997 nach Bas-Kongo zu Umschulungen geschickt worden wäre. Auf Grund der schlechten Bedingungen in diesem Umschulungslager hätte sich sein Vater unerlaubt entfernt und wäre am 1. Oktober 1997 nach Hause zurückgekehrt. Am 10. Oktober 1997 wäre sein Vater von Soldaten des Kabila auf Grund der Desertion verhaftet und in das Hauptquartier des Generalstabes gebracht und dort in weiterer Folge zu Tode gefoltert worden. Die Mutter des Beschwerdeführers hätte den Vater von 11. bis 14. Oktober 1997 täglich besucht. Am 14. Oktober 1997 wäre schließlich der Vater an den Folgen der Folter gestorben. Am 15. Oktober 1997 wäre die Mutter von zu Hause entführt worden. Der Beschwerdeführer wäre damals in der Schule gewesen. Von Nachbarn hätte er erfahren, dass Soldaten gekommen wären und geschossen hätten. Im Unterschied zu seinen sechs Geschwistern hätte seine Mutter nicht flüchten können. Auf die Frage, aus welchem Grund er und seine Familienangehörigen nach dem Tod des Vaters gesucht worden seien, habe der Beschwerdeführer angegeben, dass seiner Mutter von den Soldaten verboten worden wäre, um seinen Vater zu trauern. Da sie trotzdem getrauert hätte, seien die Soldaten in das Haus gekommen und hätten die Mutter entführt. Der Beschwerdeführer hätte sich danach zu einer Tante nach Kinshasa begeben, um seine Geschwister zu suchen. Nachdem er sie nicht gefunden hätte, sei er nach einem einwöchigen Aufenthalt bei seiner Tante mit dem Zug nach Pointe Noire gefahren. Auch dort hätte er seine Geschwister nicht gefunden, weshalb er am 25. Oktober 1997 nach Moskau geflogen wäre. Für diesen Flug hätte er $ 1.000,-- bezahlen müssen. Seinen Personalausweis hätte er auf Anraten seiner Fluchthelfer in Pointe Noire zurückgelassen und lediglich seinen 1995 ausgestellten Reisepass mitgenommen. Am 28. Oktober 1997 wäre er gegen die Bezahlung von $ 100,-- von Nigerianern mit einem Leihauto nach Budapest gefahren worden. Diese Nigerianer hätten ihm den Reisepass in Moskau abgenommen und in weiterer Folge nicht mehr zurückgegeben. Wie lange die Autofahrt von Moskau nach Budapest gedauert hätte, könne er nicht angeben. Von Budapest aus wäre er bis zu einem Wald gebracht worden, in dem das Auto stehen gelassen worden wäre. Von dort wäre er zu Fuß nach Österreich gegangen. Die nigerianischen Fluchthelfer hätten ihn bis nach Traiskirchen gebracht und ihm die Betreuungsstelle gezeigt. Danach wären sie plötzlich mit seinem Reisepass verschwunden. Während der Befragung im Asylverfahren habe der Beschwerdeführer allerdings in einem anderen Zusammenhang ausgeführt, dass ihm der Reisepass in der Badner Bahn von Wien nach Traiskirchen gestohlen worden wäre.

Die Asylbehörde habe den Angaben des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit zur Gänze abgesprochen. Auch die belangte Behörde könne nicht umhin, von der mangelnden Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf das Vorliegen der vorgebrachten Bedrohungssituation auszugehen. Es erscheine völlig unglaubwürdig, dass die Mutter des Beschwerdeführers seinen als Verräter inhaftierten Vater habe täglich besuchen können. Im Asylverfahren habe der Beschwerdeführer angegeben, dass seine Mutter den Vater am 14. Oktober 1997 tot aufgefunden hätte, worauf die Soldaten der Mutter verboten hätten, um ihren Mann zu trauern. Am Tag darauf hätten die Angriffe der Soldaten auf das Haus und die Entführung der Mutter stattgefunden. Der Beschwerdeführer habe weiters angegeben, dass die Soldaten das Trauern deshalb verboten hätten, damit die Leute nicht dahinter kämen, dass sein Vater tot wäre. Wäre dies tatsächlich die Intention der Soldaten gewesen, hätten sie zu verhindern gewusst, dass seine Mutter den Vater tot auffinde. Jeglicher Lebenserfahrung widerspreche es, dass die Soldaten in einem Jeep zum Haus des Beschwerdeführers gekommen wären und allen sechs Geschwistern die Flucht gelungen wäre, obwohl die Soldaten den Auftrag gehabt hätten, die ganze Familie festzunehmen. Auch den Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seines Fluchtweges müsse jede Glaubwürdigkeit abgesprochen werden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass er für ein Entgelt von $ 100,-- mit einem Leihauto von Moskau über Ungarn nach Österreich gebracht worden sei. Auf Grund der insgesamt mangelnden Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers sei die Erstbehörde daher zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in der Demokratischen Republik Kongo gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfassten Staat gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 3. August 2000, Zl. 2000/18/0121).

2. Zunächst sei festgehalten, dass das Beschwerdevorbringen insofern ins Leere geht, als es (auch) in den Punkten das Berufungsvorbringen wiederholt, in denen die belangte Behörde diesem Vorbringen Rechnung getragen hat. So hat die belangte Behörde die Abweisung des Feststellungsantrages nicht darauf gestützt, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe, und die mangelnde Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nicht damit begründet, dass dieser das Vorbringen betreffend seine Bedrohung erst nach Einschreiten seines Rechtsvertreters erstattet habe.

3. Die belangte Behörde hat das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Gründen seiner Gefährdung bzw. Bedrohung nach Ausweis der Aktenlage richtig wiedergegeben. Entgegen der Beschwerdemeinung sind detailliertere Angaben über die geltend gemachte Bedrohungssituation weder im Antrag vom 14. Oktober 1999 noch in der Berufung enthalten.

4.1. Gegen die oben I.1. wiedergegebene Beweiswürdigung der belangten Behörde bringt der Beschwerdeführer vor, dass die Situation in seinem Heimatstaat keinesfalls mit österreichischen Maßstäben zu messen sei. Dies gelte insbesondere für den Zeitraum kurz nach der Machtübernahme durch den nunmehrigen Präsidenten Kabila. Ein völlig unprofessionelles Vorgehen bei der versuchten Verhaftung der Familie des Beschwerdeführers und eine planlose Behandlung des Vaters und der Mutter des Beschwerdeführers seien ohne weiteres denkbar. Der Beschwerdeführer sei bei der Flucht kaum 17 Jahre alt gewesen und stamme aus einem anderen Kulturkreis. An seine Aussagen dürfe daher kein all zu strenger Maßstab angelegt werden.

4.2. Selbst wenn man berücksichtigt, dass es sich bei den Truppen, von denen der Vater des Beschwerdeführers angeblich ermordet worden ist, um eine Rebellengruppe - der es gleichwohl gelungen ist, die Macht im Staat zu übernehmen - handelt, erscheint es keineswegs plausibel, dass einerseits der Ehegattin eines im "Hauptquartier des Generalstabes" zu Tode Gefolterten erlaubt wird, diesen bis zu seinem Tod täglich zu besuchen, wenn andererseits die Tötung so geheim gehalten werden soll, dass der Familie des Getöteten die Trauer verboten wird. Gleiches gilt für den vorgebrachten Umstand, dass einen Tag nach dem Tod des Vaters die gesamte Familie des Beschwerdeführers, die dennoch um den Verstorbenen getrauert habe, hätte verhaftet werden sollen, wobei es den Soldaten nur gelungen sei, einer von sieben zu verhaftenden Personen habhaft zu werden. Die mit der Unplausibilität dieses Vorbringens argumentierende Beweiswürdigung der belangten Behörde ist daher nicht unschlüssig.

Auch die weiteren - in der Beschwerde nicht konkret bekämpften - Argumente der belangten Behörde für die Unglaubwürdigkeit des gesamten Vorbringens des Beschwerdeführers zu seiner Gefährdung und/oder Bedrohung, es sei nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer, der nach seinen Angaben von mehreren Fluchthelfern unter Zuhilfenahme eines Mietautos von Moskau nach Traiskirchen gebracht worden wäre, dafür nur $ 100,-- habe bezahlen müssen; der Beschwerdeführer habe auch widersprüchliche Angaben über den Verbleib seines Reisepasses gemacht, können nicht als unschlüssig erkannt werden.

Im Übrigen hat der Beschwerdeführer anlässlich seiner Anhaltung vom 28. September 1999 ersucht, die Botschaft seines Heimatstaates über seine Inhaftierung zu verständigen. Darauf hätte er wohl nicht bestanden, wenn er die vorgebrachte massive Bedrohung durch das derzeitige Regime in seiner Heimat tatsächlich zu befürchten hätte. Bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 30. September 1999 durch die Bundespolizeidirektion Wien wurde ihm § 57 FrG vorgehalten. Nach Erörterung dieser Bestimmung hat er angegeben, dass er in seiner Heimat weder strafrechtlich noch politisch im Sinn des § 57 FrG verfolgt werde. Daraufhin wurde ihm zur Kenntnis gebracht, dass er während des anhängigen Aufenthaltsverbotsverfahrens einen Antrag gemäß § 57 FrG stellen könne. Er antwortete darauf, dass er nicht wisse, ob er einen derartigen Antrag stellen solle. Entspräche die behauptete Bedrohung - der Beschwerdeführer hat etwa bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen am 14. April 1999 ausgeführt, im Fall seiner Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo verhaftet zu werden - den Tatsachen, hätte der Beschwerdeführer wohl auch bei dieser Vernehmung daran gedacht.

Die aufgezeigten Widersprüche und Ungereimtheiten im Vorbringen des Beschwerdeführers können nicht durch sein jugendliches Alter erklärt werden, zumal er bei der Einreise nach Österreich schon fast 17 Jahre alt war.

Aus all diesen Gründen begegnet die Beweiswürdigung der belangten Behörde, dass das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend seine Gefährdung bzw. Bedrohung in der Demokratischen Republik Kongo unglaubwürdig sei, ihm Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Prüfungsbefugnis (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

5. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, als Sohn eines Offiziers in der Armee Mobutus "zweifellos verfemt" zu sein und kein faires Gerichtsverfahren zu erwarten zu haben, ist ihm zu entgegnen, dass die belangte Behörde - wie dargestellt in unbedenklicher Weise - nicht festgestellt hat, dass der Beschwerdeführer der Sohn eines - zu Tode gefolterten - Offiziers Mobutus ist. Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge geht daher ins Leere.

Dem Beschwerdehinweis auf die in der Heimat des Beschwerdeführers herrschenden "bürgerkriegsartigen Kämpfe zwischen den Banyamulenge und den Machthabern" ist die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, dass ein Bürgerkrieg an sich nicht geeignet ist, eine Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen (vgl. etwa das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2000/18/0121).

6. Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 6. November 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000180065.X00

Im RIS seit

31.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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