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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Gesetzwidrigkeit der Umwidmung eines Grundstücks von Bauland-Wohngebiet in Grünland mangels erforderlicher Grundlagenforschung und mangels Interessenabwägung bzw wegen inhaltlichen Widerspruchs zum Oö RaumOG 1994; Unzulässigkeit eines Fischbratstandes im Wohngebiet keine Rechtfertigung für eine Änderung der Widmungs- und Nutzungsart in GrünlandSpruch
Die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Altmünster betreffend die Änderung Nr. 18 des Flächenwidmungsplanes Nr. 3/1994 (Beschluß des Gemeinderates vom 27. November 1995, genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 29. April 1996, kundgemacht in der Zeit vom 13. Mai 1996 bis 29. Mai 1996), mit der die Parzelle 114/2 als Grünland gewidmet wird, wird gemäß Art139 Abs1 B-VG als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B419/97 eine auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
Am 11. Jänner 1995 beantragte die erstbeschwerdeführende Gesellschaft beim Bürgermeister der Marktgemeinde Altmünster die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer "Verkaufshütte für Steckerlfische" auf der als Bauland-Wohngebiet gewidmeten und im Eigentum der Zweitbeschwerdeführerin stehenden Parzelle 114/2, KG Nachdemsee. Mit einer weiteren Eingabe vom 11. Jänner 1995 beantragte die beschwerdeführende Gesellschaft mit Zustimmung der Zweitbeschwerdeführerin die baubehördliche Bewilligung zur Schaffung des Bauplatzes für das genannte Grundstück.
Am 7. August 1995 beantragten die Beschwerdeführer gemäß §73 Abs2 AVG den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über das Bauansuchen auf den Gemeinderat der Marktgemeinde Altmünster.
2. Bereits am 26. Juni 1995 hatte der Gemeinderat gemäß §36 Abs3 des Oö. Raumordnungsgesetzes 1994 (im folgenden Oö. ROG 1994) das Änderungsverfahren zum Flächenwidmungsplan Nr. 3 für die Änderung Nr. 18 (Umwidmung von Bauland-Wohngebiet in Grünland für Parzelle 114/2 KG Nachdemsee) eingeleitet.
2.1. Die beabsichtigte Umwidmung wurde folgendermaßen begründet:
"Das Grundstück 114/2 hat nur eine Größe von 619 m2 und weist eine äußerst ungünstige Form für eine Wohnbebauung auf. Außerdem liegt das Grundstück unmittelbar an der Salzkammergut-Bundesstraße bzw. auch an einer weiteren öffentlichen Straße, sodaß die Wohnqualität sehr schlecht wäre. Der Betrieb des Fischstandes verursacht bei den Anrainern starke Geruchsbelästigung und bringt auch für die Gäste Gefahren an der stark befahrenen B 145 bzw. Parkplatzschwierigkeiten. Die bestehende Wohngebietwidmung erscheint daher nicht sinnvoll und soll das Grundstück als Grünland ausgewiesen werden."
Gemäß §36 iVm §33 Oö. ROG 1994 wurde den von der beabsichtigten Planänderung Betroffenen mit Verständigung vom 7. Juli 1995 Gelegenheit zur Stellungnahme bis 5. September 1995 gegeben.
2.2. Aus den vorgelegten Akten betreffend das Zustandekommen der Flächenwidmungsplanänderung ergibt sich kein Hinweis darauf, daß dem aufgelegten Entwurf des Änderungsplanes Nr. 3.018 ein Erläuterungsbericht angeschlossen war.
2.3. Die Oberösterreichische Landesregierung stellte am 21. August 1995 zum übermittelten Entwurf der Planänderung fest:
"Dem Amte der o.ö. Landesregierung wurde zur o.a. Planung gemäß §33 (1) bzw. §36 (4) O.ö. ROG 1994 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Gemäß Runderl., Zl. BauR-050093/7-1991 Stö/Zei vom 3.9.1991 und BauR-050093/12-1993 Stö/Lan vom 21.5.1993 ist aus Gründen der Verfahrensökonomie bereits das Vorverfahren mit einer entsprechenden Genauigkeit, d.h. basierend auf vollständigen Unterlagen, durchzuführen.
Nachstehende Unterlagen wurden nicht beigebracht:
o Grundlagenforschung (Erhebungsblatt etc.)
o Stellungnahme des Planverfassers
Die eingereichten Unterlagen werden daher zur Ergänzung rückübermittelt. Die Stellungnahme gem. §33 (1) bzw. §36 (4) O.ö. ROG 1994 kann daher erst nach Vorlage der vollständigen Unterlagen unter Neufestsetzung der Stellungnahmefrist erfolgen."
2.4. Die ergänzten Unterlagen wurden der Landesregierung am 20. Oktober 1995 übermittelt, wobei aus dem Akt nicht erkennbar ist, welche Beilagen übermittelt wurden.
2.5. Die Landesregierung antwortete mit Schreiben vom 17. November 1995:
"Anlaß für die Umwidmung sind lt. Aussage der Gemeinde Mißstände mit dem bestehenden Fischbratstand.
Vom fachlichen Standpunkt der örtlichen Raumordnung wird die Änderung befürwortet, weil
o das Grundstück sehr schmal ist und für eine Bebauung eine ungünstige Form aufweist,
o die Wohnqualität durch die von der B 145 ausgehenden Emissionen beeinträchtigt ist,
o im Falle einer Bauführung die Sichtverhältnisse im Kreuzungsbereich verschlechtert werden und
o auch aus der Sicht des Orts- und Landschaftsbildes seeufernahe Bereiche nicht verbaut werden sollten."
2.6. Am 5. September 1995 erhoben die Beschwerdeführer Einwendungen gegen die beabsichtigte Änderung des Flächenwidmungsplanes, indem sie das Vorliegen der Voraussetzungen des §36 O.ö. ROG 1994 für die Änderung des Flächenwidmungsplanes bestritten.
2.7. Am 27. November 1995 beschloß der Gemeinderat die Flächenwidmungsplanänderung, wobei diese - wie sich aus der Verhandlungsschrift GR 41 vom 27. November 1995 ergibt - wie folgt begründet wurde:
"Gemäß §22 Oö. ROG 1994 sind als Wohngebiet nur solche Flächen vorzusehen, die für Wohngebäude bestimmt sind und einem dauernden Wohnbedarf dienen, andere Bauten und sonstige Anlagen dürfen in Wohngebieten nur errichtet werden, wenn sie wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bedürfnissen vorwiegend der Bewohner dienen und ihre ordnungsgemäße Benützung keine Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigung für die Bewohner mit sich bringen. Im gegenständlichen Fall kann nicht bestritten werden, daß durch den Betrieb der Fischbraterei die Wohnqualität der umliegenden Häuser durch Geruchsbelästigung stark beeinträchtigt wird. Nach den Bestimmungen des neuen Raumordnungsgesetzes ist daher die Betreibung eines Fischbratstandes im Wohngebiet nicht mehr zulässig.
Da das gegenständliche Wohngebiet zwischen der Salzkammergut-Bundesstraße und einer Zufahrtstraße liegt, muß darauf verwiesen werden, daß dies keinesfalls einer guten Wohnqualität entspricht und eine Bebauung auch verkehrstechnische Probleme durch Sichtbehinderung im Hinblick auf die stark befahrene B 145 bringt. Weiters sind auch die öffentlichen Interessen der Sicherheit, der Gesundheit, des Verkehr(s) und der Wahrung eines ungestörten Orts- und Landschaftsbildes besonders zu beachten. Da das Grundstück 114/2 KG. Nachdemsee die Form eines schmalen annähernd rechtwinkeligen Dreieckes mit einer Fläche von nur 619 m2 aufweist und die Höhe des dreieckigen Grundstückes, gemessen in der Mitte der Hypotenuse nur 10 m beträgt, erscheint eine zweckmäßige Bebauung des Wohngebietes völlig unmöglich.
Aus den angeführten Gründen kann man wohl annehmen, daß die beabsichtigte Änderung des Flächenwidmungsplanes gerechtfertigt ist und den Bestimmungen des §36 Abs1 und 2 Oö. Raumordnungsgesetzes 1994 insoferne entspricht, als die Abänderung der maßgeblichen Rechtslage gegeben ist und das Gemeinwohl die Rückwidmung erfordert."
Die Oberösterreichische Landesregierung teilte der Marktgemeinde Altmünster am 6. Februar 1996 ua. mit, daß vorläufig beabsichtigt sei, dem Plan die Genehmigung gemäß §34 Abs2 Z1 und 4 Oö. ROG 1994 zu versagen. Am 21. März 1996 faßte der Gemeinderat der Marktgemeinde Altmünster folgenden Beschluß:
"Der Antrag auf Umwidmung der Parzelle 114/2 KG. Nachdemsee von Bauland-Wohngebiet in Grünland laut Änderungsplan Nr. 18 (Gemeinderatsbeschluß vom 27.11.1995) wird aufrechterhalten."
2.8. Mit Bescheid vom 29. April 1996 genehmigte die Oberösterreichische Landesregierung die Flächenwidmungsplanänderung aufsichtsbehördlich. Die Verordnung wurde ab 13. Mai 1996 durch zwei Wochen an der Amtstafel der Gemeinde kundgemacht und trat gemäß §94 Abs2
Oö. Gemeindeordnung 1990 am 28. Mai 1996 in Kraft.
3. Am 25. April 1996 hatten die Beschwerdeführer bezüglich ihres Bauansuchens Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Der Verwaltungsgerichtshof forderte den Gemeinderat der Marktgemeinde Altmünster gemäß §36 Abs2 Verwaltungsgerichtshofsgesetz auf, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen. Die Marktgemeinde Altmünster ersuchte um Fristerstreckung bis 31. Oktober 1996.
Mit Bescheiden vom 10. September 1996 wies der Gemeinderat die Anträge auf Bauplatzbewilligung und auf Erteilung der Baubewilligung wegen Widerspruches zum Flächenwidmungsplan ab.
Die gegen diese Bescheide erhobenen Vorstellungen wurden mit dem angefochtenen Bescheid unter Hinweis auf die Grünlandwidmung des zu bebauenden Grundstückes abgewiesen.
4. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer ihre auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der sie die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung behaupten und die Aufhebung des oben genannten Bescheides beantragen.
5. In dem zu B419/97 protokollierten Verfahren hat die Oberösterreichische Landesregierung die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt. Die Marktgemeinde Altmünster erstattete ebenfalls eine Äußerung, in der sie die Gesetzmäßigkeit der in Rede stehenden Verordnung behauptet.
Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 20. Juni 1998 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Altmünster betreffend die Änderung Nr. 18 des Flächenwidmungsplanes Nr. 3/1994 (Beschluß des Gemeinderates vom 27. November 1995, genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 29. April 1996, kundgemacht in der Zeit vom 13. Mai 1996 bis 29. Mai 1996), mit der die Parzelle 114/2 als Grünland gewidmet wurde, einzuleiten.
Der Verfassungsgerichtshof hat im Beschluß über die Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung wie folgt begründet:
"3.1. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß dem aufgelegten Entwurf des Flächenwidmungsplanes kein Erläuterungsbericht angeschlossen war. Die raumordnungsfachliche Beurteilung der Widmungsänderung scheint erst im nachhinein - insbesondere über Ersuchen der Aufsichtsbehörde - vorgenommen worden zu sein.
Daher besteht gegen die Flächenwidmungsplanänderung vorläufig das Bedenken, daß das den zukünftig vom Flächenwidmungsplan Betroffenen eingeräumte Mitspracherecht deshalb rechtswidrigerweise verkürzt wurde, weil die Raumordnungsziele, von denen die Gemeinde bei der Flächenwidmungsplanänderung ausging, im Auflageverfahren nicht einmal implizit deutlich wurden (vgl. VfSlg. 12401/1990, 12480/1990, 12785/1991).
3.2. Der Verfassungsgerichtshof geht weiters vorläufig davon aus, daß den Planunterlagen - entgegen der Bestimmung des §36 Abs6 Oö. ROG 1994 - weder die erforderliche Grundlagenforschung noch eine Interessenabwägung zu entnehmen ist.
3.3. Weiters dürften auch die vom Gemeinderat in seiner Stellungnahme an den Verfassungsgerichtshof ins Treffen geführten materiellen Voraussetzungen für die Flächenwidmungsplanänderung nicht zutreffen.
Der Gemeinderat beruft sich in seiner Stellungnahme auf die Voraussetzungen des §36 Abs1 Oö. ROG 1994, indem er vorbringt, die Flächenwidmungsplanänderung entspräche deshalb dem Gesetz, weil sich die maßgebliche Rechtslage geändert habe und das Gemeinwohl die Rückwidmung erfordert habe.
Die Änderung der maßgeblichen Rechtslage scheint der Gemeinderat darin zu sehen, daß gemäß §22 Abs1 erster Satz Oö. ROG 1994 als Wohngebiet nur solche Flächen vorzusehen sind, die für Wohngebäude bestimmt sind und einem dauernden Wohnbedarf dienen, andere Bauten und sonstige Anlagen in Wohngebieten nur errichtet werden dürfen, wenn sie wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bedürfnissen vorwiegend der Bewohner dienen und ihre ordnungsgemäße Benützung keine Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Bewohner mit sich bringt. Daher sei die Betreibung eines Fischbratstandes im Wohngebiet nicht mehr zulässig.
Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß die Unzulässigkeit eines Fischbratstandes im Wohngebiet die Änderung der Widmungs- und Nutzungsart in Grünland-ländliches Gebiet nicht rechtfertigen dürfte, sondern allenfalls nur zur Versagung der Baubewilligung für ein Gebäude, das einer bestimmten Nutzung dienen soll, führen könnte.
Weiters bringt der Gemeinderat vor, das beschwerdegegenständliche Grundstück weise einerseits infolge seiner Lage an zwei Verkehrsflächen keine gute Wohnqualität auf, seine Bebauung bringe verkehrstechnische Probleme und infolge der Gestalt des Grundstückes erscheine eine zweckmäßige Bebauung des Wohngebietes unmöglich.
Dem Verfassungsgerichtshof scheinen diese tatsächlichen Gegebenheiten bereits zum Zeitpunkt der Widmung der Fläche als Bauland gegeben gewesen zu sein, sodaß sich diesbezüglich die Planungsgrundlagen nicht in einer die Änderung der Widmungs- und Nutzungsart erfordernden Weise geändert haben dürften."
6. Die Oberösterreichische Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die in Prüfung gezogene Verordnung vor allem mit dem Argument verteidigt, daß die der Flächenwidmungsplanänderung Nr. 18 zugrundeliegenden Überlegungen der Niederschrift der Sitzung des Bauausschusses vom 22. Mai 1995 zu entnehmen sei und daß das den vom Flächenwidmungsplan Betroffenen eingeräumte Mitspracherecht nicht rechtswidrigerweise verkürzt worden sei.
Die Marktgemeinde Altmünster erstattete ebenfalls eine Äußerung, in der sie die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung verteidigt und den Antrag stellt, die gegenständliche Verordnung nicht als gesetzwidrig aufzuheben.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes, daß das Beschwerdeverfahren, das Anlaß zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens gegeben hat, zulässig ist und daß der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerde die in Prüfung gezogene Verordnung der Marktgemeinde Altmünster anzuwenden hätte, haben sich als zutreffend erwiesen.
2. Auch die im Prüfungsbeschluß formulierten Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung stehenden Verordnung treffen zu:
Die Oberösterreichische Landesregierung räumt ein, daß sich nicht feststellen läßt, ob die Marktgemeinde Altmünster die im Schreiben der Oberösterreichischen Landesregierung vom 21. August 1995 verlangten Unterlagen (Grundlagenforschung, Erhebungsblatt etc., Stellungnahme des Planverfassers) dem Schreiben vom 20. Oktober 1995 als Beilage angeschlossen hat. Es sei aber dem Verfahrensakt der Gemeinde die Niederschrift der Sitzung des Bauausschusses vom 22. Mai 1995 zu entnehmen, in welcher die Vorgeschichte und die Problemstellung sowie die Motive und die daraus resultierende Planungsabsicht betreffend die Änderung des Flächenwidmungsplanes dargelegt seien. Das Ergebnis dieser Sitzung des Bauausschusses vom 22. Mai 1995 sei die Grundlage für die Einleitung des Änderungsverfahrens in der Sitzung des Gemeinderates vom 26. Juni 1995 gewesen. Die Aufsichtsbehörde räumt weiters ein, daß die von der Gemeinde offenbar angestrebte Versagung einer Bewilligung für eine Fischbrathütte auch ohne Flächenwidmungsplanänderung möglich gewesen sei. Sie vertritt allerdings die Auffassung, daß das Ziel der Verhinderung der Bebauung der Fläche letztlich auch mit der Rückwidmung in Grünland erreicht werden könne.
Die Marktgemeinde Altmünster verteidigt den in Prüfung gezogenen Flächenwidmungsplan mit einer ähnlichen Argumentation. Sie verweist zunächst darauf, daß keine Mangelhaftigkeit des Auflageverfahrens vorliegt, wenn - wie im vorliegenden Fall - die zur Wahrung des Parteigehörs erforderliche Information anderweitig erfolge. Die Kundmachung der beabsichtigten Flächenwidmungsplanänderung sei mit Verständigung vom 7. Juli 1998 (gemeint wohl 1995) erfolgt und hätte auch den Hinweis auf den Beschluß des Gemeinderates in seiner Sitzung vom 26. Juni 1995 enthalten. Ein "interessierter Planbetroffener" sei daher angehalten gewesen, in die Verhandlungsschrift 39/1995 über die Sitzung des Gemeinderates vom 26. Juni 1995 Einsicht zu nehmen. Darüber hinaus behauptet die Marktgemeinde Altmünster, daß sehr wohl eine Grundlagenforschung und Interessenabwägung erfolgt sei.
Die Marktgemeinde Altmünster führt weiters aus, daß das Erhebungsblatt und die fachliche Stellungnahme des Planverfassers jedenfalls zum Zeitpunkt der Beschlußfassung des Gemeinderates über die Änderung Nr. 18 des Flächenwidmungsplanes Nr. 3/1994 am 27. November 1995 vorgelegen seien, wodurch sich der vorliegende Sachverhalt grundlegend von jenem in VfSlg. 12401/1990 (Hofkirchen) unterscheide.
Weder das Vorbringen der Oberösterreichischen Landesregierung noch die Argumente der Marktgemeinde Altmünster sind dazu geeignet, die im Prüfungsbeschluß geäußerten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung zu zerstreuen. Der Behauptung, daß der Niederschrift der Sitzung des Bauausschusses vom 22. Mai 1995 zu entnehmen sei, welche Motive der Flächenwidmungsplanänderung zugrunde liegen, ist folgendes zu entgegnen:
Wie aus dem Protokoll über die Bauausschußsitzung vom 22. Mai 1995 hervorgeht, behandelte der Bauausschuß unter dem Tagesordnungspunkt 2 den Gegenstand "Ansuchen um Erteilung einer Bauplatzbewilligung und einer Baubewilligung einer Verkaufshütte auf Grundstück 114/2 KG. Nachdemsee - Beratung und Beschlußfassung". Der weitaus überwiegende Teil der Diskussion erstreckte sich auf die Erörterung der Frage der Erteilung oder Versagung der Bauplatzbewilligung. Vor der Anführung der vom Obmann des Bauausschusses gestellten Anträge ist folgendes festgehalten:
"Im Zuge der allgemeinen Diskussion wurde auch auf eine Rückwidmung des derzeitigen Wohngebietes auf Grünland hingewiesen. (Anmerkung BAL: Dies wurde bereits vor längerer Zeit seitens der Bauabteilung vorgeschlagen.)"
Der Obmann des Bauausschusses stellte folgenden Antrag:
"1) unter Anführung aller negativen Fakten einen negativen Bauplatzbescheid zu erlassen und
2) gleichzeitig eine Rückwidmung des derzeitigen Wohngebietes in Grünland durchzuführen und das Verfahren einzuleiten."
Die Diskussion in der Bauausschußsitzung vom 22. Mai 1995 läßt zwar erkennen, daß die Gemeinde die Erteilung einer positiven Bauplatzbewilligung und einer nachträglichen Baubewilligung verhindern wollte; sie stellt aber keine dem Gesetz entsprechende Grundlagenforschung dar, zumal die Oberösterreichische Landesregierung der Gemeinde am 6. Februar 1996 mitgeteilt hatte, daß die geplante Änderung des Flächenwidmungsplanes nicht aufsichtsbehördlich genehmigt werden könne, da dazu noch eine Ergänzung des Verfahrens bzw. eine neuerliche Beschlußfassung durch den Gemeinderat sowie ein entsprechendes verkehrstechnisches Gutachten beigebracht werden müßten. Weder die Oberösterreichische Landesregierung noch die verordnungserlassende Behörde konnten darlegen, daß derartige Maßnahmen ergriffen worden sind.
Wenn der Gemeinderat darauf verweist, daß die von der Umwidmung betroffene Grundeigentümerin die Möglichkeit gehabt hätte, in das Protokoll der Sitzung des Gemeinderates vom 26. Juni 1995 Einsicht zu nehmen, so ist darauf zu erwidern, daß die dort dargestellte Begründung für die beabsichtigte Widmung - die im Punkt I 2.1. wörtlich wiedergegeben ist - weder einen Hinweis auf eine Grundlagenforschung noch eine Interessenabwägung enthält.
Zumal die Aufsichtsbehörde selbst offenbar nicht der Auffassung war, daß sich aus dem Sitzungsprotokoll zu der Sitzung des Bauausschusses vom 22. Mai 1995 ausreichende Gründe für die Änderung des Flächenwidmungsplanes ergeben hätten, bleibt auch der Verfassungsgerichtshof bei seiner Auffassung, daß weder die erforderliche Grundlagenforschung noch eine Interessenabwägung erfolgt ist.
Für die Flächenwidmungsplanänderung treffen aber - neben den dargestellten Verfahrensfehlern - auch die materiellen Voraussetzungen des §36 Abs1 Oö. ROG 1994 nicht zu.
Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner im Prüfungsbeschluß vorläufig geäußerten Ansicht, daß die Unzulässigkeit eines Fischbratstandes im Wohngebiet die Änderung der Widmungs- und Nutzungsart von Bauland in Grünland nicht rechtfertigt, sondern allenfalls nur zur Versagung einer Baubewilligung für einen Fischbratstand führen kann. Dieser Auffassung hat die Oberösterreichische Landesregierung im wesentlichen auch nicht widersprochen. Ihr Hinweis, die Gemeinde wollte eine gesetzwidrige Planung korrigieren, findet in den Akten betreffend das Zustandekommen der Flächenwidmung keine Stütze. Ausschließliches Motiv der Flächenwidmungsplanänderung war es vielmehr, eine Beseitigung des bestehenden Fischbratstandes zu erreichen.
Damit erweist sich die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes, daß der Verordnungsgeber durch die in Prüfung gezogene Verordnung gegen §36 Abs1 Oö. ROG 1994 verstoßen hat, als zutreffend.
Die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Altmünster betreffend die Änderung Nr. 18 des Flächenwidmungsplanes Nr. 3/1994, mit der die Parzelle 114/2 als Grünland gewidmet wurde, war daher als gesetzwidrig aufzuheben.
Der Ausspruch über die Kundmachung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.
Dies konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
Raumordnung, FlächenwidmungsplanEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:V75.1998Dokumentnummer
JFT_10018791_98V00075_00