TE UVS Steiermark 2007/07/11 43.14-2/2007

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Veröffentlicht am 11.07.2007
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Monika Merli über die Berufungen des H K, H 40, I, des G und der D G, beide H 52, I, beide vertreten durch V und L, Rechtsanwälte in F, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld vom 14.02.2007, GZ: 4.1-34/2005, wie folgt entschieden: Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) wird der bekämpfte Bescheid aus Anlass der Berufungen wegen Unzuständigkeit der Verwaltungsbehörde erster Instanz aufgehoben. Der Antrag der D und des G G, der Unabhängige Verwaltungssenat möge die Einleitung eines Feststellungsverfahrens nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 veranlassen, wird als unzulässig zurückgewiesen. Rechtsgrundlagen: § 2 Abs 5 Z 1 iVm Anhang 2 R1, § 37 Abs 1 und 2, § 38 Abs 1 des Bundesgesetzes über eine nachhaltige Abfallwirtschaft (Abfallwirtschaftgesetz 2002, im Folgenden AWG)

Text

Mit dem Bescheid vom 14.02.2007 zu GZ: 4.1-34/2005 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld der I Ziviltechniker GmbH, G, F Straße 4, unter Anwendung der §§ 74 und 77 iVm § 359 Abs 1 GewO 1994 idgF, im Zusammenhalt mit § 93 des ASchG idgF die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Biomasse- und Klärschlammverwertungsanlage auf Grundstück Nr. 1723/1, KG H, Gemeinde G, nach Maßgabe der mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Projektunterlagen, unter Zugrundelegung der wiedergegebenen Betriebsbeschreibung (A) sowie unter Vorschreibung von Auflagen (B). Gegen die gewerbebehördliche Genehmigung haben die im Bescheidspruch angeführten Nachbarn der geplanten Anlage rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung erhoben. H K befürchtet eine unzumutbare Belästigung durch Geruchsemissionen aus der Betriebsanlage. D und G G bemängeln das Ermittlungsverfahren der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld (unvollständige Antragsunterlagen, keine Feststellungen zu den konkreten örtlichen Umweltbedingungen, unschlüssiges Gutachten des Amtsachverständigen für Luftreinhaltung, fehlenden Grundlagen für die Beurteilung der Anlage durch einen medizinischen Sachverständigen). Allein anhand der vorliegenden Projektunterlagen wäre den Betreibern die erteilte gewerbebehördliche Genehmigung zwingend zu versagen gewesen, weil sich aus den projektierten An- und Abtransportmengen (täglich ca. zehn LKW-Fahrten, pro Fahrt 25 Tonnen Klärschlamm) eine zu verarbeitende Klärschlammmenge von insgesamt 73.000 Tonnen ergebe, weshalb zwingend die Abführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß § 3 Abs 1 Anhang Z 2c UVP-Gesetz 2000 erforderlich gewesen wäre. Die Berufungswerber beantragten den bekämpften Bescheid zu beheben, in eventu aufgrund der vorliegenden Projektunterlagen dem Antrag der Betreiber die gewerbebehördliche Genehmigung zu versagen. D und G G stellten weiters den Antrag, dem § 3 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 folgend, die Einleitung eines Feststellungsverfahrens, nämlich ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung für das beantragte Projekt durchzuführen ist oder nicht, zu veranlassen. Mit ihrer Eingabe vom 12.6.2007 trat die I Ziviltechniker GmbH dem Berufungsvorbringen entgegen. Die Berufungsbehörde ist bei ihrer Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen: Nach § 359a GewO können Entscheidungen in erster Instanz in Verfahren betreffend Betriebsanlagen unmittelbar beim Unabhängigen Verwaltungssenat angefochten werden. Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Gemäß § 1 AVG richtet sich die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Behörden nach den Vorschriften über ihren Wirkungsbereich und nach den Verwaltungsvorschriften. Gemäß § 6 Abs 1 AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; dies hat in jeder Lage des Verfahrens zu erfolgen. Im Fall der Unzuständigkeit der Erstinstanz hat die Berufungsbehörde von Amts wegen diesen Umstand wahrzunehmen und den bei ihr bekämpften Bescheid aufzuheben (vgl. VwGH 14.03.1995, 92/07/0162). Gemäß § 74 Abs 1 GewO 1994 ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist. Gemäß § 74 Abs 2 leg cit dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die in Z 1 bis Z 5 geschützten Interessen des/der Gewerbetreibenden, der ArbeitnehmerInnen, der Nachbarn oder der Umwelt zu beeinträchtigen, die Behörde hat amtswegig festzustellen, ob diese Interessen geschützt sind und, sofern dies festgestellt werden kann, die beantragte Genehmigung zu erteilen. Gegenstand des nach den Bestimmungen über gewerbliche Betriebsanlagen (§ 74 ff GewO) geführten Genehmigungsverfahrens der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld war der Antrag der I Ziviltechniker GmbH, G, F Straße 4, vom 12.08.2005 um Erteilung der gewerberechtlichen Genehmigung für die in der Betriebsbeschreibung und den Projektsunterlagen näher umschriebenen Anlage. Anhand dieser der Genehmigung zugrunde liegenden Unterlagen stellt sich die Anlage - zusammengefasst - wie folgt dar: In der geplanten Anlage sollen mechanisch entwässerte aerob- oder anaerob stabilisierte Klärschlämme aus Kläranlagen mit biologischer Abwasserreinigung (Biomasse) verarbeitet werden. Die Klärschlämme werden im einzelnen nachstehenden Schlüsselnummern (ÖNORM S 2100, Ausgabe vom 01.10.2005) zugeordnet: 14402 Gerbereischlamm, 94501 anaerob stabilisierter Schlamm (Faulschlamm), 94502 aerob stabilisierter Schlamm, 94802 Schlamm aus der mechanischen Abwasserreinigung der Zellstoff- und Papierherstellung, 94804 Schlamm aus der Abwasserbehandlung, ohne gefährliche Inhaltsstoffe. Die anfallenden, großteils kommunalen Schlämme, sollen in einer solaren Trocknungsanlage von Wasser soweit getrennt werden, dass eine thermische Verwertung (Verbrennung) der getrockneten Schlämme möglich ist. Die Gesamtkapazität der Anlage (Trocknung und Verbrennung) ist auf etwa 24.000 Tonnen Nassschlamm pro Jahr (mechanisch entwässert, mit ca. 25 Prozent Trockensubstanz) ausgelegt. Durch die solare Trocknung werden die Klärschlämme auf einen Trockensubstanzgehalt von ca. 45 Prozent weiter entwässert. Die Trocknung der mit LKWs angelieferten Nassschlämme erfolgt hauptsächlich in den vier projektierten Trocknungshallen unter Nutzung von Sonnenenergie; bei Bedarf wird zur Trocknung Abwärme aus einem benachbarten Biomasseheizwerk gemeinsam mit Abwärme eingesetzt, die durch den Verbrennungsvorgang entsteht. Die thermische Energie wird wasserseitig aufgenommen und in das Heizungssystem der Trocknungsanlage eingeleitet. Prinzipiell besteht auch die Möglichkeit, die durch Verbrennung gewonnene Energie externen Verbrauchern zur Verfügung zu stellen (z. B. Fernwärme). Dies ist jedoch bei der derzeitigen Anlage nicht geplant. Nach der Trocknung soll der Klärschlamm in einer Wirbelschichtanlage (mit einem thermischen Leistungswert von 1.900 kW) mit trockener Rauchgasreinigung und Staubfilter verbrannt werden. Bei der Verbrennung des Klärschlammes fallen pro Jahr ca. 3.000 Tonnen Asche an, die in geschlossenen Containern gesammelt, zwischengelagert und letztendlich mit LKWs abtransportiert werden sollen. Die Asche besteht aus den Verbrennungsrückständen, der Aktivkohle und dem Kalkhydrat, in die auch die Schadstoffe eingebunden sind. Diese Asche ist der Schlüsselnummer 31308 der ÖNORM S 2100 - Schlacken und Aschen aus Abfallverbrennungsanlagen

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zuzuordnen (gefährlicher Abfall). Eine Prozessausstufung im Sinne des § 7 Abs 1 Z 2 AWG - Nachweis der Nichtgefährlichkeit eines nach Abschluss des Verfahrens (Verbrennung) anfallenden, als gefährlich eingestuften Abfalls auf Grundlage der Beurteilung einer befugten Fachperson oder Fachanstalt - (Ausstufung zur Deponierung oder Verwertung als Baustoffzusatz) ist grundsätzlich möglich. Hinsichtlich der weiteren Verwertung/Entsorgung der anfallenden Asche wurden im vorgelegten Abfallwirtschaftskonzept mögliche Varianten aufgezeigt (Einsatz als Düngemittel bzw. als Zuschlagstoff/Füllstoff in der Zementerzeugung); die Voraussetzung für eine derartige Verwertung/Entsorgung (maximaler Schadstoffgehalt der Asche) ist laut Aktenlage noch nicht sicher gestellt. Das Verbrennen von Klärschlamm ist Abfallbehandlung im Sinne des § 2 Abs 5 Z 1 iVm Anhang 2 R1 des Bundesgesetzes über eine nachhaltige Abfallwirtschaft (Abfallwirtschaftgesetz 2002, im Folgenden AWG). Die projektierte Anlage ist damit eine Abfallbehandlungsanlage und fällt grundsätzlich unter den Anlagenbegriff des AWG. Gemäß § 37 Abs 1 AWG bedarf die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen der Genehmigung der Behörde, sofern keine der in Abs 2 normierten Ausnahmen (Genehmigungspflicht insbesondere auf Grund gewerberechtlicher Bestimmungen) vorliegt. Nach § 37 Abs 2 AWG unterliegen der Genehmigungspflicht gemäß Abs 1 nicht 1. Behandlungsanlagen zur ausschließlichen stofflichen Verwertung von nicht gefährlichen Abfällen, sofern sie der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegen, 2. Behandlungsanlagen zur Vorbehandlung (Vorbereitung für die stoffliche Verwertung) von nicht gefährlichen Abfällen, sofern diese Behandlungsanlagen im unmittelbaren örtlichen Zusammenhang mit einer in Z 1 genannten Behandlungsanlage stehen und der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegen, 3. Behandlungsanlagen zur ausschließlichen stofflichen Verwertung von im eigenen Betrieb anfallenden Abfällen, sofern sie der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegen, 4. Verbrennungs- oder Mitverbrennungsanlagen zur thermischen Verwertung für nicht gefährliche Abfälle mit einer thermischen Leistung bis zu 2,8 Megawatt, sofern sie der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegen, 5. Lager für Abfälle, die der Genehmigungspflicht gemäß den §§ 74 ff GewO 1994, gemäß dem Mineralrohstoffgesetz oder gemäß dem Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen, BGBl. Nr. 380/1988, unterliegen und 6. Anlagen privater Haushalte, in denen zulässigerweise die im Haushalt anfallenden Abfälle behandelt werden. Grundvoraussetzung für die Subsumierung einer Behandlungsanlage unter den hier alleine in Frage kommenden Ausnahmetatbestand des § 37 Abs 2 Z 4 AWG ist der Umstand, dass die Anlage der (thermischen) Verwertung, und nicht der Beseitigung nicht gefährlicher Abfälle dient. Die den einzelnen Schlüsselnummern zugeordneten Schlämme sind keine gefährlichen Abfälle im Sinne des § 3 Abs 1 der Festsetzungsverordnung BGBl.II Nr.227/1997 i.d.F. BGBl.II Nr. 178/2000, weil sie in der Anlage 1 der Festsetzungsverordnung (ÖNORM S 2100 Abfallkatalog) nicht aufgelistet sind. Mit dem Begriff thermische Verwertung bezeichnet die I Ziviltechniker GmbH in der Betriebsbeschreibung und den Projektunterlagen die Verbrennung des vorgetrockneten Klärschlammes im Wirbelschichtreaktor. In der Stellungnahme der I Ziviltechniker GmbH vom 4. Juli 2007, der eine verfahrenstechnische Stellungnahme der K Anlagenbau GmbH angeschlossen ist, wird zur Einstufung des Verfahrens als Verwertung oder Beseitigung von Abfall im Wesentlichen vorgebracht, die belangte Behörde habe zu Recht die Anlage als Verwertungsanlage eingestuft, zumal sie sämtliche Verwertungskriterien des österreichischen und europäischen Abfallregimes erfülle. Schon in erster Instanz sei nachgewiesen worden, dass die Anlage prozesstechnisch darauf ausgelegt sei, im Verbrennungsvorgang einen Energieüberschuss zu erzeugen und diesen in Form von Abwärme für Heiz- und Trocknungszwecke weiter zu nutzen. Während es nach herrschender Ansicht - grundgelegt durch die EuGH-Judikatur (z.B. im Urteil C-228/00) - bereits eine teilweise Nutzung des Energieüberschusses als Verwertungsbegründung anerkannt werde, sei mittlerweile bereits eine vollständige Nutung der Restströme sichergestellt. Im Unterschied zu anderen Behandlungstechnologien beseitige die im gegenständlichen Fall eingesetzte Technologie nicht nur den Klärschlamm, sondern sei auf den (Haupt)Zweck ausgerichtet, dass aus Klärschlamm ein Energieüberschuss generiert und vollständig weiter genutzt werde. In der verfahrenstechnischen Stellungnahme des Anlagenbauers wird darauf hingewiesen, dass alle anfallenden Energie- und Restströme zur Substitution wertvoller Primärstoffe (Reduzierung des Gasverbrauches in einem Fertigteilwerk der Firma O) verwendet werden würden. Das AWG 2002 enthält keine Definitionen der Begriffe Beseitigung und Verwertung. § 2 Abs 5 Z 1 AWG verweist im Zusammenhang mit der Begriffsdefinition Abfallbehandlung auf die in Anhang 2 genannten Behandlungsverfahren (1. Verwertungsverfahren, 2. Beseitigungsverfahren), die in der Praxis angewandt werden. Der Anhang 2 des AWG 2002 entspricht vollinhaltlich den Anhängen II A und II B der Richtlinie Nr. 75/442/EWG über Abfälle (Abfallrichtlinie), die durch das AWG 2002 umgesetzt wird. Das AWG 2002 ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH-Erkenntnis vom 06.07.2006, Zl.  2005/07/0087) richtlinienkonform auszulegen; zum Verständnis des Anhanges 2 des Gesetzes kann daher auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu diesen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zurückgegriffen werden. In seinem Urteil vom 27.02.2002, Rs C-6/00 (ASA - Bundesministerium für Umwelt, Jugend- und Familie) hat der Europäische Gerichtshof festgehalten, dass (auch) die Abfallrichtlinie keine allgemeine Definition der Begriffe Beseitigung und Verwertung von Abfällen enthält, sondern in der Richtlinie ebenfalls (nur) auf die oben schon zitierten Anhänge II

A und II B verwiesen wird. Anhang II A - Beseitigungsverfahren - der Richtlinie nennt unter D10 die Verbrennung an Land. Anhang II

B - Verwertungsverfahren - der Richtlinie führt unter R1 die Hauptverwendung als Brennstoff oder andere Mittel der Energieerzeugung an. Die in den Anhängen angeführten Verwertungs- und Beseitigungsverfahren - so der Europäische Gerichtshof in der oben zitierten Entscheidung weiter - sind in sehr allgemeiner Form umschrieben bzw. erfassen de facto nur Kategorien von Verfahren, die beispielhaft wiedergegeben werden, um die betreffende Verfahrenskategorie zu veranschaulichen. Die Anhänge II A und II B verfolgen somit den Zweck, die am häufigsten vorkommenden Beseitigungs- und Verwertungsverfahren zusammenzustellen, nicht aber alle Abfallbeseitigungs- oder Verwertungsverfahren im Sinne der Richtlinie genau und abschließend aufzuzählen. Dennoch muss jede Behandlung von Abfällen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, als Beseitigung oder Verwertung dieser Abfälle eingestuft werden können, um die unterschiedlichen Vorschriften dieser Richtlinie für diese beiden Kategorien von Verfahren - namentlich im Hinblick auf das Genehmigungsverfahren, dem die Anlagen oder Unternehmen, die diese Verfahren durchführen, unterworfen sind - anzuwenden. Ein und dasselbe Verfahren kann nicht gleichzeitig als Beseitigung und Verwertung eingestuft werden. Aufgrund dessen muss ein Verfahren zur Abfallbehandlung, das nicht einem einzigen Verfahren oder einer einzigen Verfahrenskategorie der Anhänge II A oder II B der Richtlinie zugeordnet werden kann, wenn allein auf die Bezeichnung der betreffenden Verfahren abgestellt wird, im Lichte der Ziele der Richtlinie je nach Einzellfall eingestuft werden. Das entscheidende Merkmal für eine Abfallverwertungsmaßnahme nach Art. 3 Abs 1 Buchstabe b der Richtlinie sowie nach ihrer vierten Begründungserwägung liegt darin, dass ihr Hauptzweck darauf gerichtet ist, dass die Abfälle eine sinnvolle Aufgabe (Zweck) erfüllen können, indem sie andere Materialien ersetzen, die sonst für diese Aufgabe (Zweck) hätten verwendet werden müssen, wodurch natürliche Rohstoffquellen erhalten werden können. Im Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 13.02.2003 in der Rechtssache C-458/00 hat sich der Europäische Gerichtshof im Zusammenhang mit der Zuordnung des Zwecks einer Abfallverbringung - zur Verwertung oder Beseitigung von Abfall - damit beschäftigt, ob die Verbringung von Hausmüll und ähnlichen Abfällen von Luxemburg nach Frankreich zur Verbrennung mit Energierückgewinnung in der Verbrennungsanlage der Stadt Strassburg dem Zweck der Verwertung oder der Beseitigung von Abfall dient. Der Europäische Gerichtshof schloss sich in dieser Entscheidung im Ergebnis der Argumentationslinie der luxemburgischen Regierung an, wonach nur dann von einem Abfallverwertungsverfahren nach R1 des Anhanges II

B der Richtlinie gesprochen werden kann, wenn Hauptzweck des fraglichen Verfahrens die Verwendung der Abfälle als Mittel der Energieerzeugung ist. Dies setzt voraus, dass durch die Verbrennung der Abfälle mehr Energie erzeugt und zurückgewonnen wird, als beim Verbrennungsvorgang verbraucht wird und dass ein Teil des bei dieser Verbrennung gewonnenen Energieüberschusses tatsächlich genutzt wird und zwar entweder unmittelbar in Form von Verbrennungswärme oder nach Umwandlung in Form von Elektrizität. Aus dem Begriff Hauptverwendung im R1 des Anhanges II B der Richtlinie ergibt sich letztendlich, dass die Abfälle hauptsächlich als Brennstoff verwendet werden müssen. Dies bedeutet, dass der größere Teil der Abfälle bei dem Vorgang verbraucht und der größere Teil der freigesetzten Energie zurückgewonnen und genutzt werden muss. Die Verbrennung von Abfällen stellt - so der Europäische Gerichtshof in dieser Entscheidung - daher (nur dann) eine Verwertungsmaßnahme dar, wenn es ihr Hauptzweck ist, die Abfälle für einen sinnvollen Zweck, nämlich zur Energieerzeugung einzusetzen und dadurch eine Primärenergiequelle zu ersetzen, die sonst für diesen Zweck hätte eingesetzt werden müssen. Der Hauptzweck der Verbringung von Abfällen zwecks Verbrennung in einer Abfallbeseitigungsanlage besteht nämlich nicht in der Verwertung der Abfälle, selbst wenn die Wärme, die bei der Verbrennung erzeugt wird, ganz oder teilweise zurückgewonnen wird. Eine solche Energierückgewinnung entspricht zwar dem mit der Richtlinie verfolgten Ziel, die natürlichen Rohstoffquellen zu erhalten. Wenn die Rückgewinnung der durch die Verbrennung erzeugten Wärme jedoch nur einen Nebeneffekt einer Maßnahme darstellt, deren Hauptzweck die Abfallbeseitigung ist, steht sie der Einstufung dieser Maßnahme als Beseitigungsmaßnahme nicht entgegen. Diese Entscheidung des EuGH ist hier einschlägig. (Die in der Stellungnahme vom 4.7.2007 zitierte Entscheidung des EuGH C-228/00 befasste sich mit der geplanten Verbringung von Abfall von Deutschland nach Belgien als Brennstoff in der Zementindustrie.) Die als Biomasse- und Klärschlammverwertungsanlage bezeichnete Anlage dient - und dies geht aus der Betriebsbeschreibung und den Projektunterlagen klar hervor, hauptsächlich und in erster Linie einem Verfahren zur Beseitigung von Abfall im Sinne des Anhanges II A der Abfallrichtlinie, D10 - Verbrennung an Land - und nicht einem Verfahren zur Verwertung von Abfall im Sinne des Anhanges II B der Abfallrichtlinie R1 Hauptverwendung als Brennstoff oder andere Mittel der Energieerzeugung. Der in Rede stehende Abfall, nämlich nasser Klärschlamm, ist unbehandelt als Brennstoff von vornherein nicht geeignet. Um überhaupt verbrannt (beseitigt) werden zu können, bedarf es erst der Aufbereitung des Abfalls durch Trocknung. Die fallweise Nutzung der bei der Verbrennung erzeugten thermischen Energie (Abwärme) zur Trocknung des Nassklärschlammes durch Einleitung der Energie in das Heizungssystem der Trocknungsanlage ist keine thermische Verwertung von nicht gefährlichen Abfällen im Sinne des Ausnahmetatbestandes des § 37 Abs 2 Z 4 AWG, nicht zuletzt deshalb, weil die Abwärme nur zur Vorbereitung der Beseitigung des nassen Klärschlammes eingesetzt wird. Eine weitere tatsächliche Nutzung der Abwärme ist laut der Betriebsbeschreibung der Anlage zurzeit nicht geplant. Aber selbst dann - wie das in der Beilage zur Stellungnahme der I Ziviltechniker GmbH angedeutet ist - wenn die durch die Verbrennung des Klärschlamms erzeugte und nicht in das Heizungssystem der Trockenanlage eingeleitete Restwärme zur Gänze in einem anderen Betrieb zu einer Reduzierung von Energieverbrauch aus anderen Energiequellen führt, ändert dies nichts am Hauptzweck der Anlage. Dass der Hauptzweck der Anlage in der Beseitigung des Abfalls durch Verbrennung, und nicht in der Erzeugung von Energie liegt, zeigt sich deutlich in der Antwort auf die für die Unterscheidung zwischen Verwertung und Beseitigung von Abfall wesentlichen Frage: Würde die projektierte Anlage auch dann errichtet und betrieben werden, wenn es keine Abfälle zu beseitigen gäbe? Diese Frage ist hier - anders wie im übrigen bei einer Zementfabrik, in der andere Brennstoffe durch Abfälle substituiert werden - zweifelsfrei mit nein zu beantworten. Gäbe es keinen zu beseitigenden Klärschlamm, gäbe es diese Anlage nicht. Die Nutzung der bei der Verbrennung der Klärschlämme entstehenden Abwärme ist nur ein (positiver) Nebeneffekt des Beseitigungsverfahrens. Die Betriebsanlage unterliegt daher der Genehmigungspflicht nach § 37 Abs 1 AWG. Nach der Konzentrationsbestimmung des § 38 Abs 1 AWG sind im Genehmigungsverfahren alle Vorschriften - mit Ausnahme der Bestimmungen über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren - anzuwenden, die im Bereich des Gewerbe-, Wasser-, Forst-, Mineralrohstoff-, Strahlenschutz-, Luftfahrts-, Schifffahrts-, Luftreinhalte-, Immissionsschutz-, Rohrleitungs-, Eisenbahn-, Bundesstraßen-, Denkmalschutz-, Gaswirtschafts-, Elektrizitätswirtschafts-, Landesstraßen-, Naturschutz- und Raumordnungsrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Projektes anzuwenden sind. Die Genehmigung oder Nicht-Untersagung ersetzt die nach den genannten bundesrechtlichen Vorschriften erforderlichen Bewilligungen, Genehmigungen oder Nicht-Untersagungen. Gemäß § 38 Abs 6 AWG ist - mit einer hier nicht maßgeblichen Ausnahme - zuständige Anlagenbehörde erster Instanz der Landeshauptmann. Der Landeshauptmann kann mit der Durchführung eines Verfahrens ganz oder teilweise die Bezirksverwaltungsbehörde betrauen und diese auch ermächtigen, in seinem Namen zu entscheiden. Vor dem Hintergrund dieser Sach- und Rechtslage bestand keine Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld als Gewerbebehörde erster Instanz zur Erlassung des bekämpften Genehmigungsbescheides nach den Vorschriften der §§ 77 ff GewO. Das bei der Behörde eingelangte Ansuchen um gewerberechtliche Bewilligung vom 12.8.2005 wäre an die nach den Bestimmungen des AWG 2002 zuständige Behörde, somit an den Landeshauptmann für Steiermark, gemäß § 6 Abs 1 AVG weiterzuleiten gewesen. Es war daher der bekämpfte Bescheid - ohne auf die einzelnen Berufungsausführungen und Entgegnungen näher einzugehen

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wegen Unzuständigkeit der Behörde aufzuheben. Die beantragte öffentliche mündliche Verhandlung war im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung gemäß § 67d Abs 2 lit 1 AVG nicht durchzuführen. Der Antrag der D und des G G auf Veranlassung der Einleitung eines Feststellungsverfahrens nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G) war als unzulässig zurückzuweisen, weil für einen derartigen Antrag die gesetzliche Grundlage fehlt. Der Vollständigkeit halber sei noch festgehalten, dass die verfahrensgegenständliche Anlage nicht unter die im Anhang 1 zu § 3 UVP-Gesetz enthaltenen UVP- pflichtigen Vorhaben, insbesondere auch nicht unter der in Anhang 1 Z 2 lit. c angeführten Anlagen zur (thermischen) Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen fällt, weil die projektierte Kapazität der Betriebsanlage von 24.000 Tonnen per anno unter dem Schwellwert von mindestens 35.000 Tonnen per anno oder 100 Tonnen per Tag liegt. Es war spruchgemäß zu entscheiden. Hinweis: Gemäß § 6 AVG wird der Akt an die zuständige Behörde (Landeshauptmann für Steiermark) weitergeleitet.

Schlagworte
Betriebsanlage Klärschlamm Verwertung Beseitigung Verbrennung Zuständigkeit Bewilligungsverfahren
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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