Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch den Vorsitzenden Dr. Christoph Purtscher über die Berufung des Herrn M. R., geb XY, niederländischer Staatsangehöriger, dzt Justizvollzugsanstalt G., XY, G., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 01.02.2007, Zahl 2-1/2541-2006, betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für die Dauer von 10 Jahren für das Bundesgebiet der Republik Österreich, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 und § 67a Abs 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm § 9 Abs 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) wird die Berufung mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt IV. des erstinstanzlichen Bescheides ersatzlos behoben wird.
Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein hat mit Bescheid vom 01.02.2007, Zl 2-1/2541-2006, gegen Herrn M. R. ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 10 Jahren erlassen (Spruchpunkt I. und II.). In Spruchpunkt III. wurde gemäß § 86 Abs 1 und 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat gewährt. In Spruchpunkt IV. wurde festgehalten, dass gemäß § 67 Abs 1 FPG dieses Aufenthaltsverbot mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar wird.
Gegen diesen Bescheid hat M. R. fristgerecht Berufung erhoben und folgendes ausgeführt:
Seit dem Jahr 2000 bin ich wohnhaft und angemeldet in Österreich, zuerst bei meiner Oma, XY 3, S. Danach habe ich im Jahr 2004/2005 eine Mietwohnung bezogen. Wo ich dann durch meinen Konsum von Suchtmitteln mich selber strafbar machte mit dem Verkauf von Cannabis, was ich jetzt zutiefst bereue und bedaure. Ich wurde vom Landesgericht Innsbruck zum ersten Mal in meinem Leben für diese Tat zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt, was eine gerechte Strafe ist. Davon habe ich sieben Monate drogen- und medikamentenfrei verbüßt. Nach meiner Entlassung werde ich weiterhin mein Leben drogenfrei führen, um nicht nochmals straffällig zu werden. Auch lasse ich mir in der JA I. nichts zu schulden kommen und kann nach meiner Entlassung auf die Unterstützung meiner Familie und Verwandten (Mutter E. K., Großeltern F. und T. K., Onkel R. K., Familie M., Tante M. M.). Wo ich nicht mit gerechnet habe und ich auch nicht wissen konnte, weil ich noch nie mit dem Gesetz in Konflikt gewesen bin, ist dass man zu meiner Freiheitsstrafe auch ein Aufenthaltsverbot von zehn Jahren bekommen würde. Was für mich und meine Lebensgefährtin T. K. mit der ich vor meiner Verhaftung eine zweijährige Beziehung habe und seit 2005/2006 einen gemeinsamen Haushalt in W. (XY Straße 61, W.) habe. Ein Schock!
Seitdem ich bei ihr eingezogen bin, war sie eine große Stütze für mich und versuchte mich von den Drogen fern zu halten. Was mir auch gelang. Es war aber leider schon zu spät, weil durch Aussagen von Personen schon gegen mich ermittelt wurde. Es wurden bei mir zuhause auch keine Suchtmittel sicher gestellt.
Während meiner U-Haft kam zu mir ein Gutachter, der mich für eine stationäre Therapie beriet, nachdem er mein Suchtverhalten diagnostiziert hatte.
Von der Möglichkeit eine Therapie machen zu können war ich sehr begeistert, und bin ich immer noch. Mein Anwalt Dr. A. O. hat mir damals beraten, dass ich in Holland eine geringere Strafe bekommen würde. Da zu der Zeit ich sehr verwirrt war und keine Entscheidungen treffen konnte, habe ich mich leider beim Landesgericht das Falsche beantragt. Jetzt wo sich die ganze Sache um mich herum beruhigt hat, kann ich besser über meine Situation nachdenken. In Holland Fuß zu fassen ist für mich schwieriger als in Österreich, denn hier habe ich nach meiner Haft eine Wohnung, Arbeitsplatz und Lebensgefährtin. In Holland bin ich seit 2000 nicht mehr aufhältig. Ich hatte gerne eine Kopie von meinem Arbeitsplatz und Bestätigung von Hauptwohnsitz beigelegt, leider ist die Zeit zu kurz, um es mit diesem Brief hinzu zu fügen. Wenn sie die Dokumente benötigen dann werde ich sie Ihnen so schnell wie möglich zukommen lassen.
Hoffe Sie genügend informiert zu haben und bitte nochmals höflichst um dieses Aufenthaltsverbot nichtig machen zu können.
Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:
1. Sachverhalt:
1.1. Der Berufungswerber ist niederländischer Staatsangehöriger und hält sich seit Ende 2002 rechtmäßig in Österreich auf.
1.2.1. Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 15.12.2006, Zl 24 Hv 169/06a, wurde der Berufungswerber wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2, 3 1. Fall und 4 Z 3 SMG sowie des (wiederholten) teils versuchten, teils vollendeten Vergehens nach den §§ 27 Abs 1 SMG und 15 StGB zu einen unbedingten Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt, da er zu datumsmäßig nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten zwischen ca Anfang 2005 und 08.08.2006 in W., S., I., T. und anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (Abs 6) nämlich mindestens ca sechs Kilogramm qualitativ teilweise sehr hochwertiges Marihuana, mindestens ca 200g Haschisch, ca 2.200 Stück Extasies sowie eine ziffernmäßig nicht mehr feststellbare jedenfalls aber große Menge qualitativ sehr hochwertiges Kokain durch Weitergabe sowie gewerbsmäßigen Verkauf an den gesondert verfolgten M. R., einen von ihm namentlich nicht preisgegebenen "D." sowie zahlreichen weitere, namentlich nicht bekannten Personen in Verkehr gesetzt, wobei er die Taten mit Beziehung auf ein Suchtgift beging, dessen Menge zumindest das 25-fache der im Abs 6 angeführten Menge ausmachte;den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift erworben, besessen, zu erzeugen versucht, sowie anderen überlassen und zwar:
durch Erwerb von nicht mehr feststellbaren Mengen an Cannabisprodukten (Haschisch und Marihuana) sowie Kokain bei den gesondert verfolgten C. S., M. R., D. M., N. L. sowie einem bislang nicht identifizierten Dealer mit dem angeblichen Namen "M.", sowie weiteren, namentlich nicht bekannten Personen und deren Besitz;
durch die Erzeugung von nicht mehr feststellbaren Mengen an Marihuana durch die Pflege und Aufzucht von Hanfpflanzen (Versuch);
dadurch, dass er zusammen unter anderem mit der abgesondert verfolgten S. M. Cannabisprodukte konsumierte, wobei er zumindest teilweise das Suchtgift zu Verfügung stellte.
1.2.2. In den Jahren 2005 und 2006 wurden über den Berufungswerber insgesamt zehn rechtskräftige Verwaltungsstrafen wegen Übertretungen von straßen- und kraftfahrrechtlichen Vorschriften verhängt.
1.3. Der Berufungswerber wurde 1970 in Österreich geboren und ist knapp nach der Geburt mit seiner Mutter in die Niederlande gezogen. Seine Mutter besitzt die österreichische und sein Vater die niederländische Staatsbürgerschaft. Ende 2002 ist der Berufungswerber nach Österreich eingereist und hält sich seitdem ständig in Tirol auf, zuvor ist er nur in den Ferien immer wieder nach Österreich gekommen. Seit Juni 2003 ist der Berufungswerber als Arbeiter in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen gestanden. In Österreich wohnte er zuerst bei seiner Großmutter mütterlicherseits, Frau F. K., XY 8, S., wo er seit 20.05.2003 gemeldet ist. Von November 2004 bis Februar 2006 bewohnte er eine Mietwohnung ebenfalls in Söll. Seit Februar 2006 bis zu seiner Inhaftierung am 08.08.2006 wohnte er mit seiner Lebensgefährtin T. K. im gemeinsamen Haushalt, XY Straße 61, W.
In Tirol halten sich außer den Eltern seiner Mutter, noch deren vier Geschwister sowie die Schwester seiner Großmutter auf, zu denen der Berufungsweber regelmäßig Kontakt hat. Weiters wohnen noch Cousinen und Cousins mütterlicherseits in Tirol.
In den Niederlanden halten sich die Mutter und die beiden Geschwister des Berufungswerbers sowie der Vater auf. Zu seinem Vater pflegt der Berufungswerber jedoch nach eigenen Angaben keinen Kontakt.
Außerdem hat der Berufungswerber einen zehnjährigen Sohn, der derzeit in Brüssel (Belgien) wohnt.
Bis zur Inhaftierung des Berufungswebers lebte er in Lebensgemeinschaft mit Frau T. K. Diese Beziehung ging jedoch nach der Inhaftierung in Brüche, wobei der Berufungswerber immer noch hofft, diese nach der Haftentlassung wieder aufnehmen zu können.
1.4. Diese Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der unbedenklichen im erstinstanzlichen Akt einliegenden Urkunden im Zusammenhalt mit dem Ergebnis des ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahrens. Der Berufungswerber hat kein der Aktenlage widersprechendes Sachverhaltsvorbringen erstattet. Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen sowie die übrigen Feststellungen beruhen ebenfalls auf den angeführten Unterlagen bzw wurden aufgrund der Angaben des Berufungswerbers im Rahmen der durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung vom 11.07.2007 getroffen.
2. Rechtliche Beurteilung:
Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl I Nr 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 99/2006, lauten wie folgt:
Berufungen
§ 9
(1) (Verfassungsbestimmung) Über Berufungen gegen Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz entscheiden, sofern nicht anderes bestimmt ist,
1. im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern und
Aufenthaltsverfestigung bei Fremden mit Niederlassungsbewilligung
§ 55
(1) Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen waren, dürfen mangels eigener Mittel zu ihrem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft nicht ausgewiesen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn und solange erkennbar ist, dass der Fremde bestrebt ist, die Mittel zu seinem Unterhalt durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern, und dies nicht aussichtslos scheint.
(2) Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen waren, dürfen nur mehr ausgewiesen werden, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde.
(3) Hat der in Abs 2 genannte Zeitraum bereits zehn Jahre gedauert, so dürfen Fremde wegen Wirksamwerdens eines Versagungsgrundes nicht mehr ausgewiesen werden, es sei denn, sie wären von einem inländischen Gericht
1. wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei, Beihilfe zu unbefugtem Aufenthalt, Eingehen oder Vermittlung von Aufenthaltsehen oder gemäß der §§ 27 Abs 2, 28 Abs 1 und 32 Abs 1 des Suchtmittelgesetzes (SMG), BGBl I Nr 112/1997, oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB oder
2. wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden.
(4) Fremde, die von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen sind, dürfen unbeschadet des § 61 Z 4 nicht ausgewiesen werden. Fremde sind jedenfalls langjährig im Bundesgebiet niedergelassen, wenn sie die Hälfte ihres Lebens im Bundesgebiet verbracht haben und vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts seit mindestens drei Jahren hier niedergelassen sind.
(5) Den in Abs 2 und 3 genannten Verurteilungen sind Verurteilungen ausländischer Strafgerichte dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entsprechen.
Aufenthaltsverfestigung bei Fremden mit einem Aufenthaltstitel Daueraufenthalt, EG oder mit Daueraufenthalt, Familienangehöriger
§ 56
(1) Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel Daueraufenthalt, EG oder Daueraufenthalt, Familienangehöriger verfügen, dürfen nur mehr ausgewiesen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
(2) Als schwere Gefahr im Sinn des Abs 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht
1. wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei, Beihilfe zu unbefugtem Aufenthalt, Eingehen oder Vermittlung von Aufenthaltsehen oder gemäß der §§ 27 Abs 2, 28 Abs 1 und 32 Abs 1 SMG oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB oder
2. wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist.
(3) § 55 Abs 4 und 5 gilt.
Voraussetzungen für das Aufenthaltsverbot
§ 60
(1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt
1.
die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
2.
anderen im Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
(2) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder
1. von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes
§ 61
Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn
1. der Fremde in den Fällen des § 60 Abs 2 Z 8 nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben hätte dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Fremde betreten wurde, keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen wäre;
2. eine Ausweisung gemäß § 54 Abs 1 wegen des maßgeblichen Sachverhaltes unzulässig wäre (Hier erfolgt eine Anbindung an §§ 55 und 56; so die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage);
3. dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl Nr 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mindestens einer unbedingten einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden oder er würde einen der in § 60 Abs 2 Z 12 bis 14 bezeichneten Tatbestände verwirklichen;
4. der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als einer unbedingten zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden oder würde einen der in § 60 Abs 2 Z 12 bis 14 bezeichneten Tatbestände verwirklichen.
Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes oder Rückkehrverbotes
§ 63
(1) Ein Aufenthaltsverbot oder ein Rückkehrverbot kann in den Fällen des § 60 Abs 2 Z 1, 5 und 12 bis 14 unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
(2) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes oder des Rückkehrverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.
Schutz des Privat- und Familienlebens
§ 66
(1) Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Ausweisung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Eine Ausweisung gemäß § 54 Abs 1, 3 und 4 darf jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:
1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen.
Ausreiseverpflichtung und Durchsetzungsaufschub
§ 67
(1) Die Ausweisung Fremder gemäß §§ 53 oder 54 und das Aufenthaltsverbot werden mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der Fremde hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde. Die Behörde kann auf Antrag während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung Fremder gemäß § 53 Abs 1 oder § 54 oder eines Aufenthaltsverbotes den Eintritt der Durchsetzbarkeit auf höchstens drei Monate hinausschieben (Durchsetzungsaufschub); hiefür sind die öffentlichen Interessen an einer sofortigen Ausreise gegen jene Umstände abzuwägen, die der Fremde bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat.
(2) Hat die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen eine Ausweisung Fremder gemäß § 53 oder gegen das Aufenthaltsverbot (§§ 58 und 64) ausgeschlossen, so werden diese mit dem Ausspruch durchsetzbar; der Fremde hat dann unverzüglich auszureisen.
Sonderbestimmungen für den Entzug der Aufenthaltsberechtigung und für verfahrensfreie Maßnahmen
§ 86
(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes ihren Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Weiters zu beachten ist Artikel 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens:
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Der Berufungswerber ist freizügigkeitsberechtigter EWR-Bürger; der Unabhängige Verwaltungssenat ist daher zur Entscheidung über die gegenständliche Berufung zuständig.
Der Berufungswerber hatte vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes seinen Hauptwohnsitz nicht ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet; damit sind für ihn die ersten vier Sätze des § 86 Abs 1 FPG maßgeblich. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Berufungswerber ist daher vorliegend zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Bei dieser Beurteilung kann auf den Katalog des § 60 Abs 2 FPG als Orientierungsmaßstab zurückgegriffen werden (vgl VwGH 13.06.2006, Z 2006/18/0138).
Der Berufungswerber wurde von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten (nämlich zu dreieinhalb Jahren) verurteilt (§ 60 Abs 2 Z 1 FPG). Die vom Berufungswerber gesetzten Verhaltensweisen, die zu der angeführten Verurteilung führten, zeigen eindeutig und klar nachvollziehbar auf, dass er entweder nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, sich an die in Österreich geltenden Gesetze zu halten. Auch wenn es sich im gegenständlichen Fall nur um eine gerichtliche Verurteilung handelt, muss doch beachtet werden, dass der Deliktszeitraum mehr als eineinhalb Jahre beträgt, in dem der Berufungswerber große Mengen an Suchtgift in Verkehr gebracht hat. Bei der Suchtmittelkriminalität handelt es sich um eine besonders gefährliche Kriminalitätsform, bei der die Wiederholungsgefahr besonders groß ist und der eine große Sozialschädlichkeit anhaftet (vgl zuletzt VwGH 13.02.2007, Zl 2006/18/0247). Diese Wiederholungsgefahr manifestiert sich vorliegend auch in den sich über eineinhalb Jahre erstreckenden Tathandlungen des Berufungswerbers. Der Verurteilung des Berufungswerbers vom 15.12.2006 liegt zu Grunde, dass er gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt hat. Nach § 28 Abs 6 SMG ist eine große Menge eine solche, die geeignet ist, in einem großen Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen (vgl VwGH 08.11.2006, Zl 2004/18/0029). Die in § 28 Abs 6 SMG angeführte Menge wurde vom Berufungswerber zumindest um das 25-fache überschritten.
Die genannte Straftat zeigt die vom Berufungswerber ausgehende massive Gefahr für die Allgemeinheit, insbesondere die Gesundheit anderer, und seine mangelnde Verbundenheit mit den in Österreich rechtlich geschützten Werten. Überdies wird die mangelnde Verbundenheit des Berufungswerbers mit rechtlich geschützten Werten auch durch die zehn gegen ihn verhängten Verwaltungsstrafen dokumentiert. Im vorliegenden Fall ist daher eine ausreichende Grundlage dafür vorhanden, aus dem Gesamtverhalten des Berufungswerbers den Schluss zu ziehen, das von ihm eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und, dass ein Verbleib des Berufungswerbers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich nachhaltig und maßgeblich gefährden würde.
Mit dem gegenständlichen Aufenthaltsverbot wird in das Privat- und Familienleben des Berufungswerbers in doch erheblicher Weise eingegriffen. Dieser Eingriff ist jedoch zur Erreichung der in Artikel 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele, wie zB der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, der Verhinderung von strafbaren Handlungen, dem Schutz der Gesundheit und dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer aus Sicht der erkennenden Behörde notwendig und geboten. Der Berufungswerber hat in Österreich über eineinhalb Jahre ein strafbares Verhalten im Bereich der Suchtgiftkriminalität gesetzt. Die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration des Berufungswerbers hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch dieses strafbare Verhalten eine ganz erhebliche Beeinträchtigung erfahren. Aber auch die familiäre Situation des Berufungswerbers vermag seine Interessen letztlich nicht zu stärken. Unbestritten steht fest, dass sich der Berufungswerber seit Ende 2002 in Österreich aufhält und hier auch arbeitet. Die (ehemalige) Lebensgefährtin sowie Verwandte mütterlicherseits (insbesondere dessen Großmutter und Tante), die alle die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, sind für die familiäre Situation des Berufungswerbers die Anhaltspunkte. Dennoch ist im Lichte des § 66 Abs 1 und 2 FPG angesichts der Straftaten des Berufungswerbers (vgl 1.2.) die Erlassung der Maßnahme in Ansehung des in Art 8 Abs 2 EMRK genannten maßgeblichen öffentlichen Interesses, hier an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität, dringend geboten. Wie bereits erwähnt hat die dargelegte Integration des Berufungswerbers in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch sein strafbares Verhalten, insbesondere durch sein Suchtgiftdelikt, eine ganz erhebliche Beeinträchtigung erfahren. Von daher gesehen ist der durch die Straftaten des Berufungswerbers in Österreich bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ein höheres Ge
wicht beizumessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Berufungswerbers und die seiner Angehörigen. Die Auswirkungen (eines Aufenthaltsverbotes) auf die Lebenssituation des Berufungswerbers wiegen im Ergebnis nicht schwerer als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.
Das gegenständliche Aufenthaltsverbot ist auch gemäß § 61 FPG zulässig, da die diesbezüglich angeführten Aufenthaltsverbots-Verbote nach Z 1 bis Z 4 nicht vorliegen. Das Aufenthaltsverbot wurde nicht nach § 60 Abs 2 Z 8 FPG erlassen. In Ansehung der Verurteilung des Berufungswerbers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren steht der Maßnahme auch kein Aufenhaltsverbots-Verbotsgrund im Sinne des § 61 Z 2 FPG (vgl §§ 55, 56 leg cit), des § 61 Z 3 und des § 61 Z 4 FPG entgegen. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Berufungswerber auch nicht von klein auf im Inland aufgewachsen ist.
Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 63 Abs 2 FPG auf die für seine Erlassung maßgebenden Umstände Bedacht zu nehmen. Wird ein Aufenthaltsverbot nicht auf unbestimmte Zeit erlassen, so ist es für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte vertritt die erkennende Behörde vor dem Hintergrund der aufgezeigten Erwägungen die Auffassung, dass die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes von zehn Jahren angemessen und ausreichend erscheint. In diesem Ausmaß ist die Verhängung des Aufenthaltsverbotes allerdings auf jeden Fall notwendig und erforderlich, um den angeführten Schutzinteressen bestmöglich entsprechen zu können.
Der unter Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides erteilte einmonatige Durchsetzungsaufschub war gemäß § 86 Abs 3 FPG von Amts wegen zu erteilen. Damit im Widerspruch steht allerdings Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides (Durchsetztbarkeit des Aufenthaltsverbotes mit Rechtskraft der Entscheidung), weshalb dieser ersatzlos behoben werden musste.
Es war daher insgesamt wie im Spruch zu entscheiden.