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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des BL in S, geboren am 7. Februar 1967, vertreten durch Dr. Walter Lanner, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Stadtplatz 29, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 15. Oktober 1999, Zl. St 206/99, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1.1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Steyr vom 13. November 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie §§ 19 bis 21 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, (im Folgenden: FrG 1992), ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer halte sich seit November 1988 im Bundesgebiet auf. Ein am 2. Dezember 1988 gestellter Asylantrag sei rechtskräftig abgewiesen worden. In der Folge seien dem Beschwerdeführer Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt worden.
Mit seit 29. August 1996 rechtskräftigem Urteil sei der Beschwerdeführer nach § 15 StGB, § 12 Abs. 1 vierter Fall, Abs. 2 erster Fall und Abs. 3 Z. 3 Suchtgiftgesetz, §§ 37 Abs. 1 lit. a und 38 Abs. 1 lit. a Finanzstrafgesetz sowie §§ 127, 129 Z. 1 und 2 StGB zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von vier Jahren und zu einer Geldstrafe von S 250.000,-- verurteilt worden.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 19 und § 20 Abs. 1 FrG 1992 sei zu Gunsten des Beschwerdeführers dessen Aufenthalt seit Ende 1988 zu berücksichtigen. Seine Gattin und seine beiden Kinder lebten ebenfalls in Österreich. Auf Grund des überaus schwer wiegenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers sei das Aufenthaltsverbot im Grund der genannten Bestimmungen gerechtfertigt.
1.2. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 15. Oktober 1999 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 44 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer habe in seinem Antrag im Wesentlichen darauf hingewiesen, durch den Gefängnisaufenthalt derart geläutert worden zu sein, dass er nie mehr mit dem Gesetz in Konflikt geraten würde. In Österreich lebten seine Frau und die beiden Kinder. Die Gattin ginge einer Erwerbstätigkeit nach, er würde währenddessen die Kinder beaufsichtigen.
Bei der Entscheidung über die Aufhebung des Aufenthaltsverbots gemäß § 44 FrG sei zu beurteilen, ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots dringend geboten und daher im Grund des § 37 FrG zulässig sei. Weiters sei eine Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmen.
Grund für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei gewesen, dass der Beschwerdeführer wegen zahlreicher Delikte nach dem Suchtgiftgesetz, dem Finanzstrafgesetz und dem StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden sei. Am 13. Juli 1999 sei er aus der Strafhaft entlassen worden.
Auf die im Antrag geltend gemachten persönlichen Interessen sei zum Großteil bereits bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes Bedacht genommen worden. Die darüber hinausgehenden persönlichen und familiären Umstände (Übernahme der Kindesbeaufsichtigung durch den Beschwerdeführer) seien nicht geeignet, eine Aufhebung des Aufenthaltsverbotes zu rechtfertigen. Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers seien zwar nicht unbeachtlich. In Anbetracht der Schwere der Verfehlungen könne die Interessenabwägung allerdings nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgehen. Es werde "positiv vermerkt", dass der Beschwerdeführer sein strafbares Verhalten bereue, ihm das Unrecht der strafbaren Handlung bewusst geworden sei und er danach trachte, ein ordentliches Leben zu führen. Der Beschwerdeführer müsse jedoch noch über einen längeren Zeitraum beweisen, die von ihm vorgebrachte positive Einstellung auch in Zukunft beizubehalten. Gerade im Bereich der Suchtgiftkriminalität gebe es eine hohe Rückfallsquote. Der nunmehr verstrichene Zeitraum sei zu kurz, um abschätzen zu können, ob sich der Beschwerdeführer in Zukunft den österreichischen Gesetzen entsprechend verhalten werde. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass er den Zeitraum seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes zum Großteil in Haft verbracht habe.
2. Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 15. Oktober 1999 richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgeblichen Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Grund des § 36 Abs. 1 FrG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grund des §§ 37 und 38 FrG zulässig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. April 2001, Zl. 2000/18/0213), wobei zu beachten ist, dass eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltsverbotsbescheides nicht (mehr) in Betracht kommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. März 2000, Zl. 99/18/0346.
2.1. Der Beschwerdeführer - der nach der Aktenlage bereits mit Strafverfügung vom 17. Juni 1993 wegen versuchter vorsätzlicher Schlepperei bestraft wurde - wurde wegen des versuchten Verbrechens gemäß § 12 Abs. 1 vierter Fall, Abs. 2 erster Fall und Abs. 3 Z. 3 Suchtgiftgesetz, wegen des Vergehens gemäß §§ 37 Abs. 1 lit. a und 38 Abs. 1 lit. a Finanzstrafgesetz sowie wegen des Verbrechens gemäß §§ 127 und 129 Z. 1 und 2 StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren und einer Geldstrafe von S 250.000,-- verurteilt. Er hat somit gewerbsmäßig, also in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, versucht, Handel mit einer "Übermenge" eines Suchtgiftes (nach der Aktenlage: Heroin), somit dem 25-fachen einer großen Menge, die geeignet ist, eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen in großem Ausmaß herbeizuführen, zu betreiben. Überdies hat er ein Finanzvergehen (ebenfalls gewerbsmäßig) und einen Einbruchsdiebstahl begangen.
Schon im Hinblick auf die besondere Sozialschädlichkeit von Suchtgiftdelikten ist die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme weiterhin gerechtfertigt.
2.2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer neben den bereits im Aufenthaltsverbotsbescheid berücksichtigten Umständen (Aufenthalt in Österreich seit 1988, inländischer Aufenthalt von Gattin und Kindern) zu Gute gehalten, dass er nunmehr die Beaufsichtigung seiner Kinder während der Berufstätigkeit seiner Gattin übernommen hat, er seine Straftaten bereue und das Unrecht eingesehen habe. In diesem Zusammenhang hat sie allerdings zu Recht darauf hingewiesen, dass der seit der Haftentlassung am 13. Juli 1999 verstrichene Zeitraum zu kurz ist, um auf einen Wegfall oder eine entscheidende Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können.
Den auf Grund des inländischen Aufenthaltes der Gattin und der beiden Kinder gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes steht die aus seinen Straftaten resultierende Beeinträchtigung öffentlicher Interessen gegenüber. Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit, Wahrung des wirtschaftlichen Wohles des Landes, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen der Aufrechterhaltung dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen ihrer Aufhebung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), kann nicht als rechtswidrig erkannt werden, zumal angesichts der in hohem Maß sozialschädlichen Suchtgiftkriminalität selbst eine ansonsten volle Integration des Beschwerdeführers dem Aufenthaltsverbot nicht entgegenstünde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2001, Zl. 2000/18/0236).
Der vom Beschwerdeführer dem Verwaltungsgerichtshof zur Kenntnis gebrachte Umstand, dass seiner Gattin und den beiden Kindern am 30. April 2001 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden sei, konnte von der belangten Behörde im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides (Zustellung an den Beschwerdeführer am 20. Oktober 1999) aus zeitlichen Gründen nicht berücksichtigt werden.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, eine Rückkehr in seine Heimat wäre angesichts der dort herrschenden Verhältnisse für ihn mit unverhältnismäßigen Nachteilen verbunden, ist entgegenzuhalten, dass mit der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nicht darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde.
3. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auf unbestimmte Zeit wendet, ist ihm zu entgegnen, dass der Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes - wie oben 1. dargestellt - nicht dazu dient, die Rechtmäßigkeit jenes Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, zu bekämpfen.
4. Der Beschwerdeführer hat bereits am 4. Februar 1998 einen seinem Inhalt nach auf § 114 Abs. 3 FrG gestützten Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gestellt. Dieser Antrag wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid der Bundespolizeidirektion Steyr vom 6. März 1998 abgewiesen. Der vorliegend angefochtene Bescheid enthält keinen Abspruch gemäß § 114 Abs. 3 FrG. Es stellt daher keinen Verfahrensmangel dar, dass die belangte Behörde nicht geprüft hat, "ob im gegenständlichen Fall nicht doch die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG vorliegen und sohin die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes von vornherein als unzulässig anzusehen ist".
5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 6. November 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000180030.X00Im RIS seit
05.03.2002