Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alfred Stöbich über die Berufung des Herrn L. D., SK-G., vertreten durch Herrn RA Dr. B. H., I., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 12.01.2006, Zahl VG-14-2006, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit den §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Berufungswerbers auf Rückerstattung der im Zuge einer Kontrolle am 17.12.2005 eingehobenen Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 1.200,00 als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung wurde darauf verwiesen, dass gemäß § 23 Zustellgesetz sowohl das Straferkenntnis als auch der dazugehörige Verfallsbescheid, jeweils am 25.01.2006, bei der Erstbehörde mit 08.02.2006 ohne weiteren Zustellversuch hinterlegt worden seien und für eine Rückerstattung der am 17.12.2005 eingehobenen Sicherheitsleistung daher "keine Rechtsgrundlage" bestehe.
Dagegen wurde innerhalb offener Frist Berufung erhoben. In der Begründung wurde zunächst darauf verwiesen, dass gemäß § 37a Abs 5 VStG die vorläufige Sicherheit frei werde, wenn das Verfahren eingestellt werde oder die gegen den Berufungswerber verhängte Strafe vollzogen sei oder, wenn nicht binnen 6 Monaten gemäß § 37 Abs 5 der Verfall ausgesprochen worden sei.
Gegen den Berufungswerber sei kein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden und sei ihm auch kein Verfall der Sicherheitsleistung zur Kenntnis gebracht worden, sodass davon auszugehen sei, dass die eingehobene Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 1.200,00 frei sei. Es möge daher die Sicherheitsleistung rückerstattet und auf das angeführte Treuhandkonto des Rechtsvertreters überwiesen werden.
Den Ausführungen der Erstbehörde, wonach eine direkte Zustellung an den Berufungswerber unter der von ihm angegebenen Adresse nicht möglich gewesen sei, da der Brief mit dem Vermerk "Adresat je neznamy" retourniert worden sei, wird in der Berufung entgegengehalten, dass der Berufungswerber zum Zeitpunkt der Kontrolle am 17.12.2005 ebenso wie noch heute unter der angegebenen Anschrift erreichbar sei. Dies sei auch durch eine Gehaltsbestätigung mit Angabe der Anschrift belegbar.
Auch habe die Erstbehörde keinerlei Handlungen unternommen, um eine etwaige "neue" Anschrift zu ermitteln. Der oben angeführte Ausdruck heiße übersetzt "Absender unbekannt" und nicht "unbekannt verzogen". Es sei auch lebensfremd, dass ein Fahrer, der Euro 1.200,00 als Sicherheitsleistung zu hinterlegen habe, eine Adresse angebe, unter der er nie zu erreichen sei. Ein Urgieren beim zuständigen Postamt oder beim Meldeamt in der Slowakei erscheine geradezu zwingend.
Unter dem Titel "unrichtige rechtliche Beurteilung" wurde geltend gemacht, dass § 8 Abs 1 Zustellgesetz voraussetze, dass die Partei während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat ihre bisherige Abgabestelle ändere. Es sei daher die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens und die Kenntnis der Partei davon erforderlich. Die Hinterlegung gemäß § 8 Zustellgesetz bedürfe auch einer entsprechenden behördlichen Anordnung gemäß § 23 Abs 1 Zustellgesetz, welcher eine Prüfung der Voraussetzungen voranzugehen habe. Eine derartige Prüfung in Bezug auf die Adresse des Berufungswerbers sei jedoch von der Erstbehörde nicht vorgenommen worden.
§ 8 Zustellgesetz setze voraus, dass der Berufungswerber während des behördlichen Verfahrens zumindest einmal von der Behörde erreichbar gewesen sein müsse, was ausgeschlossen sei, wenn er zu keinem Zeitpunkt unter der angeführten Anschrift dort aufhältig gewesen sei.
Unter dem Titel "Mangelhaftigkeit des Verfahrens" wurde geltend gemacht, dass die Erstbehörde in der Begründung aus einer Strafverfügung ein Straferkenntnis ohne jegliche Ermittlungen gemacht habe, weder hinsichtlich des Tatvorwurfes noch hinsichtlich der Zustellmöglichkeiten. Deshalb sei das Verfahren mangelhaft geblieben.
Auf Sachverhaltsebene ist zunächst Folgendes festzuhalten:
Der Berufungswerber wurde am 17.12.2005 auf der B 100 Drautalstraße bei Strkm 112,0 im Gemeindegebiet von Leisach angehalten und kontrolliert. Im Zuge dessen wurden von den Polizeibeamten mehrere Übertretungen der EG-Verordnungen 3820/85 und 3821/85 festgestellt. Im Hinblick darauf, dass es sich beim Berufungswerber um einen slowakischen Staatsangehörigen mit einem Wohnsitz in der Slowakei handelt, wurden vom Berufungswerber insgesamt 8 vorläufige Sicherheitsleistungen im Betrag von jeweils Euro 150,00 eingehoben.
Nach Übermittlung der Anzeige der Polizeiinspektion Sillian an die Bezirkshauptmannschaft Lienz verfasste diese eine Strafverfügung vom 25.01.2006. Damit wurden dem Berufungswerber unter 4 Spruchpunkten mehrere Übertretungen der angeführten Verordnungen vorgeworfen und Geldstrafen im Gesamtbetrag von Euro 1.200,00 ausgesprochen. Ergänzend wurde ausgesprochen, dass die am 17.12.2005 als vorläufige Sicherheitsleistung eingehobenen Beträge von acht Mal Euro 150,00 auf die Strafbeträge angerechnet werden.
Weiters verfasste die Bezirkshauptmannschaft Lienz einen ebenfalls mit 25.01.2006 datierten Bescheid, mit welchem die am 17.12.2005 als vorläufige Sicherheitsleitung eingehobenen Beträge von acht Mal Euro 150,00 gemäß § 37a Abs 5 VStG in Verbindung mit § 37 Abs 5 VStG für verfallen erklärt wurden. In der Begründung wurde auf die von der Polizeiinspektion Sillian zur Anzeige gebrachten Verwaltungsübertretungen verwiesen sowie darauf, dass der Berufungswerber nicht österreichischer Staatsbürger sei und seinen ordentlichen Wohnsitz in SK 9 G., S. 1422/20, habe.
Beide Bescheide wurden mit einem Kuvert an die in der Anzeige angeführte und vom Berufungswerber gegenüber den Polizeibeamten bekannt gegebene Adresse übermittelt. Das Briefkuvert langte jedoch bei der Erstbehörde wiederum mit dem Vermerkt "Adresat je neznamy" (Adressat nicht bekannt) wiederum bei der Erstbehörde ein. In der Folge traf die Erstbehörde die, mit einem Aktenvermerk vom 08.02.2006 festgehaltene, Anordnung, dass gemäß § 23 Zustellgesetz das Straferkenntnis vom 25.01.2006 zu Zahl VG-14-2006 sowie der dazugehörige Verfallsbescheid vom 25.01.2006, Zahl VG-14-2006, bei der gefertigten Behörde mit heutigem Datum ohne weiteren Zustellversuch hinterlegt wird.
In diesem Aktenvermerk wird auf den zuvor angesprochenen Vermerk des slowakischen Zustellorganes Bezug genommen und auf § 8 Zustellgesetz. Weiters wurde in diesem Aktenvermerk festgehalten, dass der Berufungswerber aufgrund der Anhaltung durch die Beamten der Polizeiinspektion Sillian in Darlegung der Sicherheitsleistung vom gegenständlichen Verfahren Kenntnis hätte haben müssen. Nachdem an der angegebenen Abgabestelle eine Zustellung nicht möglich gewesen sei, sei davon auszugehen, dass er seine Abgabestelle ohne Verständigung der Behörde geändert oder diese bereits ursprünglich falsch angegeben habe, was einer Änderung ohne Verständigung der Behörde gleichzuhalten sei. Eine aktuelle Abgabestelle in der Slowakei könne mangels Übereinkommen mit diesem Staat nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden.
Mit Schriftsatz vom 10.01.2007 wurde über den Rechtsvertreter des Berufungswerbers der von der Erstbehörde zurückgewiesene Rückzahlungsantrag gestellt.
Diese Feststellungen sind unbestritten und ergeben sich in unbedenklicher Weise aus der Aktenlage.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:
Die von der erstinstanzlichen Behörde vorgenommene Zustellung durch die Hinterlegung bei der gefertigten Behörde gründet sich auf § 8 Abs 2 sowie auf § 23 Abs 1 Zustellgesetz.
Nach § 8 Zustellgesetz ist, wenn eine Mitteilung nach Abs 1 unterlassen wird, soweit die Verwaltungsvorschriften nichts anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
§ 8 Abs 1 Zustellgesetz sieht vor, dass eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen hat.
Das in § 8 Abs 1 normierte Tatbestandserfordernis, dass die Partei während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre Abgabestelle ändert, setzt die Kenntnis der Partei von einem anhängigen Verfahren voraus. Das bedeutet im Falle eines Verwaltungsstrafverfahrens, dass dieses durch eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs 2 VStG eingeleitet wurde und, dass die Partei (der Beschuldigte) von der Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens Kenntnis erlangt hat (vgl VwGH vom 15.11.2000, Zahl 2000/03/0093, und dort zitierte Vorjudikatur).
Die gleichzeitig mit dem Verfallsbescheid an den Berufungswerber gerichtete Strafverfügung kann durchaus als Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs 2 VStG angesehen werden, zumal eine solche auch dann vorliegt, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat. Allerdings kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass der Berufungswerber zum Zeitpunkt des Treffens der Verfügung nach § 8 Zustellgesetz von der Einleitung dieses Verwaltungsstrafverfahrens Kenntnis erlangt hat. Die Beamtshandlung durch Exekutivorgane, mag auch damit die Einhebung einer vorläufigen Sicherheitsleistung verbunden sein, stellt keine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs 2 VStG dar. Der Berufungswerber hatte daher, entgegen der Auffassung der Erstbehörde, aufgrund der am 17.12.2005 durch Polizeibeamte der Polizeiinspektion Sillian durchgeführten Amtshandlung noch keine Kenntnis von einem anhängigen Verfahren. Einer Zustellung nach § 8 Abs 2 Zustellgesetz (§ 23 leg cit regelt die genaue Vorgangsweise bei der Hinterlegung ohne Zustellversuch) kam somit im gegenständlichen Fall nicht in Betracht (vgl VwGH vom 15.11.2000, Zahl 2000/03/0093, und dort zitierte Vorjudikatur).
Unter Bedachtnahme auf diese Ausführungen liegt somit keine rechtswirksame Zustellung des Verfallsbescheides vor.
Gemäß § 37a Abs 5 VStG wird die vorläufige Sicherheit frei, wenn das Verfahren eingestellt wird oder die gegen den Beschuldigten verhängte Strafe vollzogen ist oder, wenn nicht binnen 6 Monaten gemäß § 37 Abs 5 der Verfall ausgesprochen wird. Da im gegenständlichen Fall nicht innerhalb der 6-Monats-Frist rechtswirksam der Verfall ausgesprochen wurde, ist von einem Freiwerden der vorläufigen Sicherheit auszugehen. Die im angefochtenen Bescheid dargelegte Rechtsansicht erweist sich daher als unzutreffend, wobei ergänzend festgehalten sei, dass sich die Erstbehörde mit den Voraussetzungen für die Rückzahlung der als vorläufige Sicherheit einbehaltenen Beträge und somit in inhaltlicher Hinsicht mit dem Ansuchen auseinandersetzte, jedoch den Antrag als unzulässig zurückwies.
Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.